Folter in der BRD - Social History portal
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e<strong>in</strong>e halbe Stunde mit ihrer Schwester zusammentreffen. Angehörigen <strong>der</strong> Beschuldigten<br />
Enssl<strong>in</strong>. die sich <strong>in</strong> Strafhaft bef<strong>in</strong>det. wurde wie<strong>der</strong>holt gestattet. die sonst<br />
für Strafgefangene übliche Besuchszeit von 30 M<strong>in</strong>uten erheblich zu überschreiten.<br />
Der Besuchsverkehr nahm im e<strong>in</strong>zelnen folgenden Umfang an:<br />
Seit ihrer Festnahme [vor ca. 10 Monaten, Anm. d. Red.] bis Anfang 1973 hatten<br />
Andreas Baa<strong>der</strong> an 25 Tagen <strong>in</strong>sgesamt 26 Besucher.<br />
Gudrun Enssl<strong>in</strong> an 25 Tagen 27 Besucher.<br />
Ulrike Me<strong>in</strong>hof an 41 Tagen 48 Besucher.<br />
Holger Me<strong>in</strong>s an 24 Tagen 25 Besucher,<br />
Irmgard Möller an 11 Tagen 12 Besucher,<br />
Gerhard Müller an 23 Tagen 35 Besucher,<br />
Jan-Carl Raspe an 23 Tagen 26 Besucher.<br />
Bei Andreas Baa<strong>der</strong> handelte es sich um 4 Angehörigen- und 22 Anwaltsbesuche,<br />
bei Gudrun Enssl<strong>in</strong> um 7 Angehörigen- und 20 Anwaltsbesuche.<br />
bei Ulrike Me<strong>in</strong>hof um 18 Angehörigen- und 30 Anwaltsbesuche,<br />
bei Holger Me<strong>in</strong>s um 9 Verwandten- und 16 Anwaltsbesuche,<br />
bei Irmgard Möller um 9 Verwandten- und 3 Anwaltsbesuche,<br />
bei Gerhard Müller um 15 Angehörigen- und 20 Anwaltsbesuche und<br />
bei Jan-Carl Raspe um 3 Verwandten- und 23 Anwaltsbesuche.<br />
Die Kontakte <strong>der</strong> angeblich von <strong>der</strong> Außenwelt völlig isolierten Gefangenen s<strong>in</strong>d<br />
nicht auf den Besuchsverkehr beschränkt. Die Beschuldigten Me<strong>in</strong>hof, Müller und<br />
Raspe werden mit Rücksicht auf die strenge E<strong>in</strong>zelhaft häufiger als sonst üblich von<br />
Anstaltsbediensteten aufgesucht; die Beschuldigte Me<strong>in</strong>hof, die bisher <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />
nicht belegten Gefängnisflügel untergebracht war, ist <strong>in</strong>zwischen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en auch mit<br />
an<strong>der</strong>en Gefangenen belegten Teil <strong>der</strong> Anstalt verlegt worden; sie konnte auch e<strong>in</strong><br />
Gespräch mit <strong>der</strong> Mitbeschuldigten Astrid Proll führen. Die Gefangenen werden<br />
laufend ärztlich betreut, von Psychologen und Seelsorgern aufgesucht und erhalten<br />
so mannigfache Gelegenheit. zwischenmenschliche Kontakte zu pflegen. Alle<br />
Gefangenen können sich durch den Empfang von Rundfunksendungen und durch<br />
den Erwerb von Büchern. Zeitungen und Zeitschriften. <strong>der</strong> durch die Haftanstalten<br />
o<strong>der</strong> die Verteidiger vermittelt wird, <strong>in</strong>formieren und zerstreuen. Gudrun Enssl<strong>in</strong> z. B.<br />
bezieht 3 Tageszeitungen (2 deutsche und 1 französische) sowie 1 Wochenmagaz<strong>in</strong><br />
und 1 Illustrierte, Irmgard Möller 3 Tageszeitungen und 2 Illustrierte.<br />
Die ständige ärztliche und psychologische Betreuung stellt sicher, daß die Haftbed<strong>in</strong>gungen<br />
<strong>der</strong> jeweiligen körperlichen und psychischen Lage des e<strong>in</strong>zelnen Gefangenen<br />
angepaßt werden.«<br />
Aus diesen Ausführungen ergibt sich e<strong>in</strong>deutig, daß bisher schon e<strong>in</strong>e »totale Isolierung«<br />
<strong>der</strong> Beschuldigten, wie sie von <strong>der</strong> Verteidigung behauptet wird, nicht erfolgt<br />
und die daraus hergeleitete Befürchtung, daß die Beschuldigten schwere psychische<br />
o<strong>der</strong> körperliche Schäden davontragen könnten. nicht gerechtfertigt ist.<br />
Nachdem den Beschuldigten nunmehr durch die oben getroffene Anordnung die<br />
Möglichkeit zu weiteren zwischenmenschlichen Kontakten gegeben wird, ist e<strong>in</strong>e<br />
solche Befürchtung<br />
erst recht unbegründet.<br />
(Dr. Knoblich)<br />
Richter am Bundesgerichtshof<br />
In diesem Beschluß wird e<strong>in</strong>erseits behauptet, die politischen Gefangenen<br />
seien nicht total isoliert, sie seien nur »angeblich« von <strong>der</strong> Außenwelt<br />
114 <strong>Folter</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>BRD</strong><br />
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völlig getrennt. Die Befürchtung schwerer Schädigungen sei nicht gerechtfertigt.<br />
Zugleich wird jedoch ausgeführt, daß die politischen Gefangenen strikt<br />
von Außenwelt und an<strong>der</strong>en Gefangenen getrennt gehalten werden und<br />
daß zur Vermeidung schädlicher E<strong>in</strong>flüsse <strong>der</strong> Untersuchungshaft auf den<br />
Gefangenen e<strong>in</strong>e »Lockerung« <strong>der</strong> strikten Trennung notwendig sei.<br />
Angeblich zur Vermeidung solcher Schäden wird dem Gefangenen e<strong>in</strong>e<br />
Begleitperson beim Hofgang zugeordnet.<br />
Die offene Wi<strong>der</strong>sprüchlichkeit dieser Argumentation kann den Zweck<br />
<strong>der</strong> Anordnung nicht verbergen. Der Ermittlungsrichter muß e<strong>in</strong>erseits<br />
den Vorwurf des <strong>Folter</strong>charakters <strong>der</strong> Haftbed<strong>in</strong>gungen zurückweisen und<br />
an<strong>der</strong>erseits die Kritik an <strong>der</strong> <strong>Folter</strong> durch e<strong>in</strong> sche<strong>in</strong>bares Zugeständnis<br />
besänftigen. Doch ist nicht die Beseitigung <strong>der</strong> <strong>Folter</strong> <strong>der</strong> Zweck dieses<br />
Beschlusses, er führt vielmehr zur E<strong>in</strong>richtung e<strong>in</strong>es Bespitzelungssystems<br />
für Politische Gefangene zu Diensten <strong>der</strong> Ermittlungsbehörden. Da <strong>der</strong><br />
tatsächliche Zweck dieser Maßnahme wohl kaum offen genannt werden<br />
konnte, muß zur Begründung des Beschlusses die gesundheitliche Gefährdung<br />
des Gefangenen durch Isolation herhalten, die Tatsache <strong>der</strong> <strong>Folter</strong><br />
also, die <strong>der</strong> Ermittlungsrichter sonst so gründlich <strong>in</strong> Abrede stellt.<br />
Die Begleitperson soll von <strong>der</strong> Haftanstalt ausgewählt werden. Da<br />
gewöhnlich je<strong>der</strong> Gefangene, <strong>der</strong> mit e<strong>in</strong>em politischen Gefangenen Kontakt<br />
aufzunehmen versucht, als Sympathisant e<strong>in</strong>gestuft und entsprechend<br />
behandelt wird, ist unschwer vorstellbar, daß die ausgewählte Begleitperson<br />
das beson<strong>der</strong>e Vertrauen <strong>der</strong> Haftanstalt genießen muß. Dieses<br />
Privileg des beson<strong>der</strong>en Vertrauens hat se<strong>in</strong>en Preis, <strong>der</strong> dar<strong>in</strong> bestehen<br />
wird, daß die Ermittlungsbehörden von <strong>der</strong> Begleitperson ausführliche<br />
Berichte über die mit dem politischen Gefangenen geführten Gespräche<br />
erwarten.<br />
Zur Funktion dieses Beigehers schreibt e<strong>in</strong> Gefangener an die Verteidigung:<br />
»Er versucht mich auszufragen über die Buddenberg-Bombe. Über die Organisationsstrukturen<br />
<strong>der</strong> RAF. Ob und wenn ja welche Zusammenhänge mit dem<br />
Schwarzen September bestehen - er spielte auf Pressemeldungen an. denen zufolge<br />
die Revolutionäre von Khartum die Freilassung von RAF-Genossen for<strong>der</strong>ten. Me<strong>in</strong>e<br />
Beziehung zu [es folgt e<strong>in</strong> Name] und wann. wo und wie ich sie kennengelernt hätte.<br />
Ähnlich fragte er auch bezüglich an<strong>der</strong>er Personen, nur nicht so plump. Während er<br />
mir e<strong>in</strong>e nagelneue Masch<strong>in</strong>enpistole Fabrikat Heckler & Koch und an<strong>der</strong>e Waffen,<br />
die er zu besitzen behauptete, anbot. versuchte er me<strong>in</strong>e Kenntnis über Waffen<br />
allgeme<strong>in</strong> und Masch<strong>in</strong>enpistolen im beson<strong>der</strong>en auszuloten. E<strong>in</strong>e ähnliche Tour<br />
fuhr er mit Sprengstoff. Dann bot er mir an, sofort und ohne Gegenleistung e<strong>in</strong>en<br />
Kassiber rauszuschmuggeln. Schließlich wollte er noch wissen, ob und wenn ja<br />
welche Ausbruchsgedanken ich hätte. Damit er sicher war. daß ich solche bekäme<br />
(solche Gedanken), animierte er mich dazu.<br />
Über die soziale Tour versuchte er e<strong>in</strong>en persönlichen Kontakt zu mir zu kriegen<br />
115 Beiläufer<br />
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