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Folter in der BRD - Social History portal

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11<br />

ruhe die <strong>in</strong>haftierten SPK-Mitglie<strong>der</strong> Blenck, Hausner, Muhler und<br />

Schork gegen <strong>der</strong>en erklärten Willen und teilweise unter Anwendung<br />

körperlicher Gewalt <strong>in</strong> die psychiatrische Abteilung <strong>der</strong> Landesvollzugsanstalt<br />

Hohenasperg verschieben, um sie dort zwangspsychiatrisieren zu<br />

lassen.<br />

Da es für Frauen ke<strong>in</strong> Gefängnis mit psychiatrischer Abteilung gab,<br />

versuchte Staatsanwalt Frank bei dem SPK-Mitglied Krist<strong>in</strong>a Berster e<strong>in</strong><br />

»ambulantes« psychiatrisches Gutachten durch den Oberregierungsmediz<strong>in</strong>aldirektor<br />

Dr. Siedow zu erreichen.<br />

»Sehr geehrter Herr Direktor,<br />

unter Bezugnahme auf das heute mit Ihnen geführte Telefongespräch beauftrage ich<br />

Sie hiermit, e<strong>in</strong> Gutachten über die strafrechtliche Verantwortlichkeit <strong>der</strong> Beschuldigten<br />

Krist<strong>in</strong>a Berster zu erstellen.<br />

Die Begutachtung soll ambulant <strong>in</strong> <strong>der</strong> Vollzugsanstalt Stuttgart-Stammheim, AußensteIle<br />

Leonberg, wo sich die Beschuldigte <strong>in</strong> Untersuchungshaft bef<strong>in</strong>det, durchgeführt<br />

werden.<br />

Da e<strong>in</strong> Beschluß nach § 81 StPO bei dieser Art <strong>der</strong> Begutachtung<br />

ist, bitte ich die Untersuchung baldmöglichst vorzunehmen.«<br />

nicht erfor<strong>der</strong>lich<br />

Diese von Staatsanwalt Frank e<strong>in</strong>geleiteten Maßnahmen erfolgten sämtlich<br />

unter Umgehung <strong>der</strong> §§ 81 und 8Ia StPO, die für jede psychiatrische<br />

Begutachtung im Ermittlungsverfahren die ausdrückliche Anordnung <strong>der</strong><br />

Untersuchung und Unterbr<strong>in</strong>gung durch das für die Hauptverhandlung<br />

zuständige Gericht vorschreiben.<br />

Für das SPK-Mitglied Dr. Wolfgang Huber stellte Staatsanwalt Frank<br />

denn auch e<strong>in</strong>en Antrag gemäß § 8I StPO, um ihn eben jener herrschenden<br />

Psychiatrie als Untersuchungsobjekt zuzuführen, die Dr. Huber<br />

und das SPK als e<strong>in</strong> Herrschafts<strong>in</strong>strument des Kapitalismus bekämpfen.<br />

Staatsanwalt Frank konnte sich bei se<strong>in</strong>em Antrag ausdrücklich auf die<br />

Angaben von zwei etablierten Psychiatern - beide vom SPK heftig angegriffen<br />

- stützen, die sich von <strong>der</strong> politischen Polizei wie folgt über ihren<br />

ehemaligen Kollegen hatten vernehmen lassen:<br />

Landeskrim<strong>in</strong>alamt<br />

Baden-Württemberg<br />

SoKO-»Wiesenbach«<br />

z. Zt. Heidelberg, den 13. Autust 1971<br />

Gemäß fernmündlichen Ersuchens <strong>der</strong> Staatsanwaltschaft Karlsruhe (Staatsanwalt<br />

Frank) vom 10. August 1971 wurde <strong>der</strong> Zeuge,<br />

Dr. med. Helmut Kretz<br />

verheiratet, Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, Leiter <strong>der</strong> psychiatrischen<br />

Universitätskl<strong>in</strong>ik Heidelberg, Luisenstr. 5 [... ] zur Sache vernommen. Er gab dabei<br />

folgendes an:<br />

102 <strong>Folter</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>BRD</strong><br />

»[... ] Als ich im Oktober 1969 dann an die Polikl<strong>in</strong>ik kam, gelang es mir nicht, Herrn<br />

Dr. Huber zur Kooperation mit mir und den an<strong>der</strong>en Mitarbeitern zu gew<strong>in</strong>nen.<br />

Unsere sämtlichen Unterredungen waren damals von se<strong>in</strong>er Seite politisch-ideologisch<br />

ausgerichtet, er warf mir vor, daß ich von Marx nichts verstünde, e<strong>in</strong>e sachlichpatientenbezogene<br />

Diskussion ergab sich nicht. Mir fiel auf, daß Dr. Huber se<strong>in</strong>erseits<br />

ideologisch recht verhärtet war, unbeweglich, wobei er sehr oft den klaren<br />

Bezug zur kl<strong>in</strong>ischen Realität völlig vermissen ließ. Ich hatte den E<strong>in</strong>druck, daß se<strong>in</strong>e<br />

E<strong>in</strong>stellung zu mir, aber auch zu an<strong>der</strong>en Mitarbeitern paranoid gefärbt war. [... ]<br />

Im Gespräch mit Dr. Huber hatte man den E<strong>in</strong>druck, daß er überhaupt mit <strong>der</strong><br />

Realität Schwierigkeiten hatte. Se<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>schätzung <strong>der</strong> jeweils konkreten Situation<br />

erschien mir <strong>in</strong> me<strong>in</strong>em Horizont oft sehr <strong>in</strong>adäquat. Hierzu gehörte <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />

se<strong>in</strong> damals schon <strong>in</strong> Bruchstücken vertretenes Konzept von <strong>der</strong> Gesellschaft, <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

wir leben, im allgeme<strong>in</strong>en, als auch von <strong>der</strong> Krankheit und von psychischem<br />

Krankse<strong>in</strong> im beson<strong>der</strong>en. [... ]<br />

Es handelt sich bei Dr. Huber sicher um e<strong>in</strong>e zu paranoid-projektivem Verhalten<br />

neigende Persönlichkeit, die von unbewußten Affekten gesteuert wird und die über<br />

ihr Handeln wohl nicht die volle Klarheit hat.<br />

Allerd<strong>in</strong>gs kann man die politisch-ideologischen Ziele, gerade auch im Bereich <strong>der</strong><br />

Psychiatrie, die Dr. Huber vertritt, nicht per se als krankhaft bezeichnen, sie haben<br />

vielmehr, was zu se<strong>in</strong>er Person auch paßt, utopistischen Charakter. Die Art und<br />

Weise allerd<strong>in</strong>gs, wie Dr. Huber se<strong>in</strong>e Ziele verfolgte, ersche<strong>in</strong>t oft realitätsfern,<br />

verstiegen, absurd. Hier<strong>in</strong> dokumentiert sich dann wie<strong>der</strong>, wie mir sche<strong>in</strong>t, se<strong>in</strong>e<br />

pathologische Struktur. [... ]<br />

Ich b<strong>in</strong> <strong>der</strong> Auffassung, daß die Frage <strong>der</strong> krankheitswertigen seelischen Störung bei<br />

Dr. Huber gutachterlich geklärt werden sollte, zumal ich bei ihm e<strong>in</strong>e Entwicklung<br />

sehe, die sich von 1964 an und <strong>in</strong> den letzten 2112 Jahren zunehmend zugespitzt hat.<br />

[ ... ]«<br />

Ebenso ließ sich am 17. August 1971 <strong>der</strong> Direktor <strong>der</strong> Psychiatrischen<br />

Universitätskl<strong>in</strong>ik Heidelberg, Prof. Dr. med. Walter Ritter v. Baeyer, als<br />

Zeuge polizeilich vernehmen und erklärte u. a.:<br />

»Herr Huber hat sich mir gegenüber bei dieser Visite respektlos und vorwurfsvoll<br />

verhalten. Se<strong>in</strong>e Vorwürfe richteten sich aber <strong>in</strong> <strong>der</strong> Hauptsache gegen die an <strong>der</strong><br />

Kl<strong>in</strong>ik betriebene Psychiatrie.<br />

H<strong>in</strong>sichtlich e<strong>in</strong>er etwaigen psychischen Störung des Herrn Huber möchte ich nicht<br />

sagen, daß er geisteskrank im engeren S<strong>in</strong>ne ist, vielmehr dürfte se<strong>in</strong>e Persönlichkeitsentwicklung<br />

abnorm verlaufen se<strong>in</strong>, etwa im S<strong>in</strong>ne <strong>der</strong> Entwicklung zu e<strong>in</strong>em<br />

fanatischen Psychopathen.<br />

Ich b<strong>in</strong> auch <strong>der</strong> Ansicht, daß se<strong>in</strong> Geisteszustand durch e<strong>in</strong>e fachliche Untersuchung<br />

geklärt werden sollte.<br />

Wir haben uns im Kollegenkreis wie<strong>der</strong>holt über die abwegige psychische Entwicklung<br />

von Dr. Huber unterhalten, ohne allerd<strong>in</strong>gs zu e<strong>in</strong>er endgültigen Me<strong>in</strong>ung zu<br />

kommen.«<br />

Alle Versuche, revolutionäre Wissenschaft und Praxis als die Sache von zu<br />

»paranoid-projektivem Verhalten neigenden Persönlichkeiten« zu besprechen,<br />

s<strong>in</strong>d im SPK-Prozeß an dem entschlossenen Wi<strong>der</strong>stand <strong>der</strong> Beschuldigten<br />

gescheitert.<br />

103 Der E<strong>in</strong>satz von A"rzten und Psychiatern

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