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März 2006 Der Salzburger Arzt medizin in salzburg<br />
Medikamentöse Behandlungsoptionen<br />
Die medikamentöse Therapie der weiblichen<br />
Harninkontinenz setzt profunde<br />
differentialdiagnostische und pharmakologische<br />
Kenntnisse voraus und sollte<br />
abhängig vom Inkontinenztyp nach<br />
sorgfältiger Abwägung von Wirksamkeit<br />
und Verträglichkeit des Präparats erfolgen.<br />
Dranginkontinente Patientinnen<br />
werden mit detrusorrelaxierenden oder<br />
desensibilisierenden Substanzen (Ant<strong>im</strong>uscarinika,<br />
Östrogene, Alphablocker,<br />
Beta- M<strong>im</strong>etika, Botulin<strong>um</strong>toxin A, Resiniferatoxin,<br />
Vinpocetin) behandelt,<br />
während belastungsinkontinente Frauen<br />
eine pharmakologische St<strong>im</strong>ulierung des<br />
Sphinkter- und Beckenbodenapparats<br />
benötigen (Alpha-M<strong>im</strong>etika, Östrogene,<br />
Duloxetin). Bei einer Überlaufinkontinenz<br />
kommt es auf eine Reduktion<br />
des Auslasswiderstands (Alphablocker,<br />
Baclofen, Botulin<strong>um</strong>toxin A intrasphinktär)<br />
und/oder eine Kräftigung des geschwächten<br />
Detrusors (Parasympathom<strong>im</strong>etika)<br />
an. Die Nykturie und nächtliche<br />
Inkontinenz wird durch Regulierung<br />
der Diurese mit dem ADH-Analogon<br />
Desmopressin bekämpft.<br />
Eine detaillierte Darstellung aller medikamentösen<br />
Möglichkeiten würde den<br />
Rahmen <strong>die</strong>ses Beitrags sprengen. So<br />
sind nur beispielhaft einige neue Medikamente<br />
angeführt:<br />
Duloxetin (Yentreve ® )<br />
Die Urologen wohlbekannte Beobachtung<br />
von Harnv<strong>erhalten</strong> bei depressiven<br />
Patienten unter der Therapie mit trizyklischen<br />
Antidepressiva wie Imipramin<br />
hat <strong>zu</strong>r gelegentlichen Verordnung <strong>die</strong>ses<br />
zentralnervösen Serotoninwiederaufnahmehemmers<br />
bei Kindern oder<br />
alten Menschen geführt. Erst <strong>die</strong> bahnbrechenden<br />
Exper<strong>im</strong>ente von Karl Thor<br />
und Mitarbeitern am Katzenmodell<br />
rückten <strong>die</strong> zentralnervöse Steuerung<br />
und Beeinflussbarkeit des Miktionsreflexes<br />
in den Mittelpunkt des therapeutischen<br />
Interesses. In ihnen konnte <strong>die</strong><br />
sphinktertonisierende (und detrusorstabilisierende)<br />
Wirkung des balancierten<br />
Noradrenalin- und Serotoninwiederaufnahmehemmers<br />
Duloxetin nachgewiesen<br />
werden.<br />
Da <strong>die</strong> Miktion trotz kontinuierlicher<br />
Duloxetin-Wirkung mit konstant erhöhter<br />
Serotonin- und Noradrenalinkonzentration<br />
<strong>im</strong> spinalen Kerngebiet des<br />
sphinkterinnervierenden N. pudendus<br />
(Nucleus Onuf) völlig unbeeinträchtigt<br />
und ohne Detrusor-Sphinkter-Dyskoordination<br />
ablief, konnte <strong>die</strong> Duloxetin-<br />
Wirkung nur mit einer indirekten Modulierung<br />
des zentralen Schlüsselneurotransmitters<br />
Glutamat erklärt werden,<br />
welcher in der Speicherphase der Blase<br />
<strong>im</strong> Nucleus Onuf ausgeschüttet und <strong>im</strong><br />
Moment der Miktion <strong>zu</strong>rückgehalten<br />
wird. In den konsekutiven klinischen<br />
Stu<strong>die</strong>n konnte bei belastungsinkontinenten<br />
Frauen unabhängig von der<br />
Inkontinenzhäufigkeit eine Reduktion<br />
der Inkontinenzepisodenfrequenz <strong>um</strong><br />
>50% herbeigeführt werden. Etwa 10%<br />
aller Stu<strong>die</strong>nteilnehmer und 20% aller<br />
auf Duloxetin ansprechenden Probanden<br />
waren vollkommen beschwerdefrei<br />
und geheilt. Die Nebenwirkungen (Übelkeit,<br />
Schläfrigkeit, Schlaflosigkeit) waren<br />
in der Regel mild und transient, <strong>die</strong> Medikamentenwirkung<br />
setzte innerhalb<br />
der ersten 2 Wochen ein. Die mittlere<br />
Lebensqualität der Patientinnen verbesserte<br />
sich signifikant und erreichte Normalwerte<br />
eines Gesunden.<br />
Neuere Stu<strong>die</strong>n legen einen synergistischen<br />
Effekt von Beckenbodengymnastik<br />
und Duloxetin-Einnahme nahe.<br />
Die „International Consultation on Incontinence“<br />
(ICI), welche <strong>die</strong> Weltgesundheitsorganisation<br />
in Fragen der<br />
Inkontinenztherapie berät, empfiehlt<br />
Duloxetin seit 2004 als Erweiterung des<br />
konservativen Behandlungsspektr<strong>um</strong>s<br />
belastungsinkontinenter Frauen auf der<br />
Stufe der physikalischen Therapie und<br />
des Beckenbodentrainings. Damit ist<br />
Duloxetin <strong>die</strong> erste und bislang einzige<br />
Substanz mit der Zulassung für <strong>die</strong> Behandlung<br />
der weiblichen Belastungsinkontinenz.<br />
➡<br />
Abbildung 1: Pharmakologische Therapieansätze<br />
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