ein neuartiger weg bei le parisien/aujourd'hui

DIE PREISGESTALTUNG
DER ZUKUNFT?
EIN NEUARTIGER WEG BEI
LE PARISIEN/AUJOURD'HUI

Der vorliegende Bericht erscheint im Rahmen des Projekts
READY mit grosszŸgiger Förderung von Cepiprint, dem
Verband der Zeitungs- und Magazinpapier-Industrie
innerhalb des Dachverbandes der europäischen
Papierindustrie, von PubliGroupe, der in der Schweiz
ansässigen internationalen Werbe- und Promotionsgruppe,
von Telia, dem in Schweden ansässigen internationalen
Telekommunikationsunternehmen, von der in der Schweiz
ansässigen Marketing- und Vertriebsorganisation WRH
Walter Reist Holding AG, zu der auch die Ferag-
Unternehmensgruppe gehört und von MAN Roland, einem
weltweit fŸhrenden Anbieter von
Zeitungsdruckmaschinen.

Inhaltsverzeichnis
EINLEITUNG 4
GROUPE AMAURY: EINE EINFÜHRUNG 5
DER FRANZÖSISCHE ANZEIGENMARKT 6
DER ERSTE S CHRITT: EINFÜHRUNG NEUER PREISE BEI L’EQUIPE 6
DAS ZIEL: DIE PREISLICH WETTBEWERBSFÄHIGSTE PUBLIKATION ZU S EIN 7
UNTERSTÜTZUNG DER ANZEIGENKUNDEN BEI DER OPTIMIERUNG IHRER MEDIENPLÄNE 8
EINFÜHRUNG EINER NEUEN PREISSTRUKTUR BEI LE PARISIEN/AUJOURD’HUI 9
AUFSTELLUNG EINER TREFFSICHEREN FORMEL 10
EINE ERLEICHTERUNG FÜR KUNDEN UND MEDIENPLANER 10
HÖHERE RENTABILITÄT UND VERBESSERTES IMAGE 11
EIN BLICK IN DIE ZUKUNFT 12
Dieser Bericht basiert auf einem vom WAN-Newspaper Management & Marketing
Bureau im September 1999 veranstalteten Besuch bei ‘Le Parisien’.
Der vorliegende Text ist eine Übersetzung aus dem Englischen. Ein Gratisexemplar des Originaltextes
ist im WAN-Sekretariat erhältlich.

EINLEITUNG
Ist es für eine nicht spezialisierte Tageszeitung möglich, ihren Werbekunden eine bestimmte
Auflage für die verschiedenen Wochentage zu garantieren? Kann sie sogar noch einen Schritt
weitergehen und Anzeigenpreise anbieten, denen diese Auflagengarantie zugrunde liegt? Die
meisten Zeitungen schrecken allein schon vor dem Gedanken daran zurück, doch der französische
Konzern Groupe Amaury hat sich bei Le Parisien/Aujourd’hui, der mit 471.409 Exemplaren
auflagenstärksten überregionalen Zeitung des Landes, genau dieses Konzept zu eigen gemacht.
Le Parisien/Aujourd'hui bietet Werbekunden eine Garantie für die Höhe der täglichen Auflage,
unterschiedliche Anzeigenpreise je nach Wochentag sowie eine anteilige Preiserstattung für den
Fall, dass die zugesagte Auflage nicht erreicht wird.
Als die Zeitung 1997 diesen kühnen Vorstoss unternahm, war es für sie kein Sprung ins kalte
Wasser. Bereits im Jahr zuvor hatte die ebenfalls zur Groupe Amaury gehörende Sporttageszeitung
L’Equipe eine Preisstaffel eingeführt, bei der Auflagenschwankungen in zeitlicher Nähe bestimmter
Sportveranstaltungen Berücksichtigung fanden. Während eine Auflagenprognose für eine
Sporttageszeitung jedoch relativ einfach ist – schliesslich lässt sich leicht voraussagen, dass die
Auflage am Tag nach einem Formel-1-Rennen oder während der Fussballweltmeisterschaft steigen
wird –, stellen sich Prognosen über Nachrichten allgemeiner Art schon schwieriger dar.
Auf den folgenden Seiten wird erläutert, wie Le Parisien/Aujourd’hui dieses Problem überwinden
und dabei auch noch die Rentabilität steigern konnte.
4 - Die Preisgestaltung Der Zukunft? Ein neuartiger weg bei Le Parisien/Aujourd'hui

GROUPE AMAURY: EINE
EINFÜHRUNG
Le Parisien/Aujourd'hui gehört zum
französischen Unternehmen Groupe
Amaury, dem zweitgrössten Pressekonzern
Frankreichs und einem der wichtigsten
Sportveranstalter in Europa. Die
Geschäftsanteile der Zeitung werden zu 75
Prozent von Philippe Amaury und zu 25
Prozent vom Hachette-Konzern gehalten.
Groupe Amaury beschäftigt 1600
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in einer
Vielzahl unterschiedlicher Unternehmen.
Eines davon ist die Sporttageszeitung
L'Equipe, die einzige des Landes. Dank eines
sehr späten Andrucks kann L’Equipe ihren
2,5 Millionen Lesern – 85 Prozent davon
Männer – stets die neuesten Ergebnisse und
Spielanalysen anbieten. Samstags wird das
Blatt um eine Beilage erweitert. Darüber
hinaus betreibt die Zeitung im Kabelnetz den
Sportsender Equipe TV.
Für die Sportveranstaltungen – 17 an der
Zahl – zeichnet das Tochterunternehmen
ASO verantwortlich, an dessen Spitze der
frühere Ski-Olympiasieger Jean-Claude Killy
steht. Zu den bekanntesten zählen die Tour
de France und die Rallye Paris-Dakar.
Ebenfalls zum Konzern gehören die Firmen
Manchette Publicité (Anzeigenverkauf),
Communication Jeunes (Herausgeberin einer
Jugendzeitschrift), Sicavic (Druck) und
Promogedis (Inlandsvertrieb).
Das Flaggschiff des Konzerns ist jedoch die
Zeitung Le Parisien/Aujourd'hui, die
eigentlich aus zwei Publikationen für zwei
verschiedene Gebiete besteht: Le Parisien für
die Region Ile de France, d.h., dem
Grossraum Paris, und Aujourd'hui für das
übrige Frankreich. Zwar werden die zwei
Blätter im Kern identisch aufgemacht und
beim Anzeigenverkauf als eine überregionale
Zeitung betrachtet, doch werden sie der
Leserschaft entsprechend angepasst.
So erscheinen von Le Parisien 10
verschiedene Ausgaben, jeweils eine für die
10 Départements der Region Ile de France.
Von Aujourd'hui gibt es nur eine Ausgabe.
Im Konzept von Groupe Amaury gilt Le
Parisien als Regionalzeitung, Aujourd’hui
dagegen als überregionaler Titel. Es kann
deshalb nicht überraschen, dass Le
Parisien/Aujourd'hui sowohl Mitglied der
regionalen als auch der überregionalen
Pressezentralen ist. «Die Bezeichnung
‚überregional‘ ist in Frankreich nicht so ganz
treffend, da die meisten überregionalen
Zeitungen gut 50 Prozent ihrer Auflage in
Paris absetzen», erläutert Alix Imbert,
Leiterin der Abteilung Kommunikation und
Werbung bei Le Parisien/Aujourd’hui. «Die
meisten Titel hierzulande sind
Regionalzeitungen, und auch der Marktführer
Ouest France ist eine solche.»
Diesem Umstand wird auch beim
Verkaufspreis der Zeitung Rechnung
getragen. «Unser Preis orientiert sich sehr
eng an der Regionalpresse und liegt niedriger
als bei den überregionalen Titeln», fährt Frau
Imbert fort. Damit liesse sich zum Teil
erklären, dass 80 Prozent der Umsatzerlöse
von Le Parisien auf den Zeitungs- und nur 20
Prozent auf den Anzeigenverkauf entfielen.
«Das mutet im Vergleich zu anderen
Ländern, wo das Verhältnis ausgewogen oder
sogar umgekehrt ist, schon ein wenig seltsam
an.»
Die Preisgestaltung Der Zukunft? Ein neuartiger weg bei Le Parisien/Aujourd'hui - 5

DER FRANZÖSISCHE
ANZEIGENMARKT
Der französische Anzeigenmarkt wird von
zwei Faktoren bestimmt, die auch für die
Strategie von Le Parisien ausschlaggebend
sind. Einer davon ist der althergebrachte
Mangel an Transparenz bei den
Anzeigenpreisen. Mit dem «Gesetz Sapin”
von 1993 sollte daher jenen
Medienkaufpraktiken ein Riegel
vorgeschoben werden, mit deren Hilfe sich
die Mediaagenturen auf Kosten der Kunden
bereichert hatten. Nach Inkrafttreten des
Gesetzes begannen die Anzeigenkunden, von
ihren Agenturen mehr Wachsamkeit und eine
höhere Werbewirksamkeit zu fordern.
Dennoch «veröffentlicht die Tagespresse ihre
Auflagenzahlen seit jeher mit einer
Verspätung von zwei Jahren (weshalb den
Preisen für das Jahr 2000 die Zahlen von
1998 zugrunde liegen)”, sagt Corrine David,
Vertriebsleiterin bei Le Parisien.
Der zweite Faktor sind die hohen – zu
hohen, wie Imbert findet – Preise der
französischen Tagespresse sowohl für die
Leser als auch für die Werbekunden. So
kosteten die meistverkauften Titel in
Grossbritannien und beispielsweise USA
Today in den USA gerade einmal halb soviel
wie Le Parisien, die deutsche Bild-Zeitung
sogar noch weniger. Und «wenn man anhand
eines Index’ die Kosten vergleicht, die für das
Erreichen von 1000 Erwachsenen entstehen,
so liegt der entsprechende Wert für das
Fernsehen bei 78, für die Tageszeitungen
aber bei 258”, so Imbert. Vielleicht als Folge
dessen sei man «auf einem Markt tätig, der
nicht sehr gross ist: Lediglich 24 Prozent der
Werbeausgaben entfallen auf
Tageszeitungen.»
Gemessen am Anzeigenaufkommen,
rangiert Le Parisien/Aujourd'hui unter den
fünf nicht spezialisierten, überregionalen
Tageszeitungen Frankreichs hinter Le
Monde, Le Figaro und Libération an vierter
Stelle noch vor France Soir. Ihr
gleichbleibender Marktanteil von 16 Prozent
entfällt auf Kleinanzeigen sowie zu gleichen
Teilen auf überregionale, regionale und lokale
Werbekunden.
DER ERSTE SCHRITT:
EINFÜHRUNG NEUER PREISE
BEI L’EQUIPE
Als die Tageszeitung L'Equipe ihre
Absatzstrategie im Jahr 1996 vollständig
überarbeitete, wurden dabei mehrere
Faktoren berücksichtigt, und zwar als erstes
die erheblichen Auflagenschwankungen
zwischen den einzelnen Wochentagen. «Die
Auflage von L’Equipe ist zwar hoch, weist
jedoch in Abhängigkeit von grossen
jährlichen Sportereignissen sehr grosse
Schwankungen auf”, sagt der stellvertretende
Geschäftsführer des Blattes, Thierry Perrin.
Im Jahr 1998 beispielsweise habe sich die
Auflage zwischen 248.000 und (nach dem
Finale der Fussballweltmeisterschaft)
687.000 Exemplaren bewegt. Bei diesen
Schwankungen «war es falsch, bei den
Anzeigenpreisen nicht zwischen den Tagen
zu differenzieren”, so Perrin.
Bereits zum damaligen Zeitpunkt bot
L’Equipe drei verschiedene Saisonpreise an,
beschloss dann aber, es dem Fernsehen
gleichzutun und eine breitere, tagesabhängige
Preisstaffel einzuführen. «Vier oder fünf
Monate im voraus erstellt unser
Vertriebsleiter anhand des Sportkalenders
6 - Die Preisgestaltung Der Zukunft? Ein neuartiger weg bei Le Parisien/Aujourd'hui

eine tagesbezogene Absatzprognose”,
erläutert Perrin. «Man kann sich leicht
vorstellen, dass unsere Auflage zum Beispiel
während des in Frankreich sehr populären
Fünf-Nationen-Cups im Rugby steil nach
oben geht.”
Das heisst jedoch nicht, dass L'Equipe 365
unterschiedliche Tarife anbietet. Für die
Tageszeitung besteht die Staffel aus 13, für
die Magazinbeilage aus 8 Tarifen. Sie gelten
für eine Auflage von unter 200.000 bis über
500.000 Exemplaren, wobei Anzeigen in der
höchsten Auflagengruppe doppelt soviel
kosten wie in der niedrigsten. «Wir hätten
noch höher gehen können, wollten es aber
nicht übertreiben», sagt Perrin.
Die neue Preispolitik stellte für L'Equipe
eine beträchtliche Veränderung dar. «Es war
eine kulturelle Revolution, die in enger
Zusammenarbeit mit dem Verkauf
verwirklicht wurde», fährt Perrin fort.
«Ausserdem haben wir eine grosse
Werbekampagne durchgeführt.» Der Markt –
Werbekunden, Werbe- und Medienagenturen
– habe die neuen Preise positiv
aufgenommen, und für L’Equipe hätten sie
Umsatzsteigerungen mit sich gebracht. «An
Tagen mit hoher Auflage sind unsere
Anzeigenpreise höher, und dennoch
bekommen wir mehr Anzeigen», fügt Perrin
hinzu. Durch die neue Preisgestaltung «bot
sich uns die Möglichkeit zu einer
vollkommen ‚transparenten‘ Preiserhöhung.»
DAS ZIEL: DIE PREISLICH
WETTBEWERBSFÄHIGSTE
PUBLIKATION ZU SEIN
Ein wichtiger Bestandteil der von L'Equipe
verfolgten Strategie ist die Stärkung der
Wettbewerbsfähigkeit. «Unsere Titel sollen
eine hohe Reichweite haben und zugleich
wettbewerbsfähig sein”, so Perrin. L’Equipe
habe Jahresdurchschnittskosten pro
Tausenderauflage (KPT) von 194
französischen Franc, Le Parisien/Aujourd'hui
von 238 FF. «Wir haben uns daher für eine
Preisgestaltung entschieden, bei der eine
Anzeige den Kunden nicht mehr als 235 FF
pro tausend Stück Auflage kostet. Falls
doch, wird ihm der Differenzbetrag
erstattet.”
Eine derartige Preispolitik ist jedoch nur
möglich, wenn die Auflagenzahl pro Tag so
schnell wie möglich ermittelt wird. «Auf dem
Medienmarkt von heute legen die meisten
Publikationen ihren Preisen für das Jahr 2000
die Auflagenzahlen aus dem Jahr 1998
zugrunde. Wir haben beschlossen, die Zahlen
für unsere Titel wesentlich schneller
festzustellen”, sagt Perrin.
Deshalb habe man bei L’Equipe ein
Auflagengremium eingesetzt, das die
Absatzzahlen der verschiedenen
Verkaufsstellen auswerte. Die Zahlen
würden von 80 Prozent der Verkaufsstellen
innerhalb von sieben bis acht Tagen
übermittelt und an die Vertriebsabteilung
weitergegeben. «Anschliessend wird die
jeweilige Tages-Auflagenziffer zur Kontrolle
an das OJD-Büro zur Feststellung der
Verbreitung von Werbeträgern übermittelt,
doch wie die Erfahrung zeigt, liegen wir mit
unseren Zahlen fast genau richtig”, fährt
Perrin fort. So habe die OJD-Prüfung für
1998 lediglich eine Abweichung von 720
Exemplaren oder 0,2 Prozent gegenüber den
von L’Equipe intern ermittelten Zahlen
ergeben. «Damit wird deutlich, dass unser
Auflagengremium vertrauenswürdig und
repräsentativ ist.”
Die Preisgestaltung Der Zukunft? Ein neuartiger weg bei Le Parisien/Aujourd'hui - 7

Das letzte notwendige Element in der
Preispolitik von L’Equipe ist Transparenz.
Damit die neue Preisgestaltung akzeptiert
würde, mussten die Medienagenturen ihren
Kunden ja schliesslich belegen können, wie
gut sie Anzeigenplatz einkauften.
Als Kontrollmöglichkeit für die
Anzeigenkunden veröffentlicht L'Equipe auf
ihrer Website einen aktuellen Lagebericht. Er
enthält für den jeweils gewünschten Tag den
Bericht der ersten Zeitungsseite, die
verkaufte Auflage sowie die entstandenen
KPT. Wurden im Rahmen einer
Werbekampagne beispielsweise 24 Anzeigen
geschaltet, so nennt der Bericht die
Durchschnittsauflage, die Zahl der Exemplare
mit der jeweiligen Anzeige sowie die
Bruttokosten pro Tausenderauflage.
UNTERSTÜTZUNG DER
ANZEIGENKUNDEN BEI DER
OPTIMIERUNG IHRER
MEDIENPLÄNE
Des weiteren erhalten Anzeigenkunden von
L'Equipe ein Softwareprogramm gestellt, mit
dem sie ihre Insertionsdaten nach den
Kriterien Auflagenhöhe, Sportart und
Zielgruppe auswählen können. Wünscht ein
Kunde beispielsweise ein Datum mit hoher
Auflage, ruft er zunächst die als
Balkendiagramm gespeicherte
Durchschnittsauflage für das erste Quartal
1999 auf. Anschliessend kann er durch
Anklicken der einzelnen Tage die jeweiligen
KPT, Tages-Indexwerte und
Hauptüberschriften prüfen. Dann wählt er
die Tage, die im Rahmen seines Werbeetats
optimal sind.
Werbekunden, welche die Anhänger einer
bestimmten Sportart erreichen wollen, bietet
L'Equipe einen elektronischen Jahres-
Sportkalender. Klickt man darin
beispielsweise auf «Skilaufen”, werden die
betreffenden Termine automatisch
aufgeführt. Mit einem weiteren Mausklick
auf das jeweilige Datum lässt sich die
erwartete Auflagenzahl abrufen.
Bei der Wahl der Zielgruppe ist zu beachten,
dass sich die Leserstruktur von L’Equipe je
nach Monat und Tag sehr unterschiedlich
darstellt. Dank einer vom französischen
Presseverband durchgeführten Untersuchung
von drei Jahren Dauer ist man bei L’Equipe
in der Lage, den Anzeigenkunden
mitzuteilen, welche Sportarten für ihre
jeweilige Zielgruppe von Interesse sind. So
weicht das Alter der Fussballinteressierten
vom Durchschnitt sowohl nach unten als
auch nach oben ab. Die Rugby-Anhänger
sind zumeist 25 bis 35 Jahre alt, ebenso wie
die Formel-1-Fans, doch liegt hier der
Frauenanteil unter den Lesern höher.
«Dieses Gesamtkonzept ist für die
Anzeigenkunden völlig ohne Risiko”, betont
Perrin. «Unsere KPT sind die niedrigsten am
Markt und werden je nach Tag, Sportart und
Zielgruppe optimiert. Wir garantieren
unseren Werbekunden, dass sie in keinem
Fall zuviel bezahlen.”
Dabei liegt auf der Hand, dass sich nicht
jedes Ereignis vorhersehen lässt. So hatte der
französische Spieler Cedric Pioline einen Tag
vor dem WAN-Seminar sein Viertelfinalspiel
bei den Offenen Französischen
Tennismeisterschaften in Paris gewonnen.
«Das haben wir in unseren Anzeigenpreis
natürlich nicht einkalkuliert”, sagt Perrin.
8 - Die Preisgestaltung Der Zukunft? Ein neuartiger weg bei Le Parisien/Aujourd'hui

«Wer heute in L’Equipe inseriert hat, der hat
ein gutes Geschäft gemacht.”
Die neue Preisstruktur von L'Equipe's
befindet sich seit drei Jahren in Kraft – lange
genug, um eine klarere Vorstellung von ihren
Vorteilen und mehr Vertrauen in ihre
Wirksamkeit zu bekommen. «Bei Einführung
der Struktur im Jahr 1996 haben wir
sicherheitshalber mit grossen Spannen
kalkuliert und keinerlei Nachlässe gewährt”,
so Perrin, «doch wurde unser Preisangebot
seither ständig verfeinert. Zwar mussten wir
einige Preise anheben, doch gewähren wir an
rund 20 Tagen im Jahr eine Erstattung (unser
Index reicht von 101 bis 120). Der kleine
Erstattungsbetrag wird jedoch von den
Erlösen an anderen Tagen mehr als
ausgeglichen.”
Ein weiterer Vorteil dieser Art der
Preisgestaltung liege darin, dass man nun
nicht mehr um Preise «feilschen» müsse.
«Das ist wirklich ein grosser Vorteil”,
befindet Perrin. «Wozu verhandeln, wenn
unsere Preise genau die Auflagenhöhe
widerspiegeln und unsere KPT die
niedrigsten am Markt sind?”
EINFÜHRUNG EINER NEUEN
PREISSTRUKTUR BEI LE
PARISIEN/AUJOURD'HUI
Bei Le Parisien, wo man sich den gleichen
Erwartungen des Marktes gegenübersah wie
bei L’Equipe, entschied man sich für eine
ähnliche Preispolitik. Dabei musste jedoch
berücksichtigt werden, dass Nachrichten in
keiner Weise vorhersehbar sind.
Dieses Problem vereinfachte sich allerdings
durch die nach mehrjährigen Untersuchungen
erzielte Feststellung, dass die Auflage der
Zeitung über das gesamte Jahr hinweg relativ
stabil war und ausser in den Ferienmonaten
Juli und August kaum saisonale
Schwankungen auftraten. Dagegen gab es bei
der Auflagenhöhe an den einzelnen
Wochentagen teilweise erhebliche
Abweichungen.
So ist der Montag mit einem Indexwert von
110 (durchschnittliche Gesamtauflage = 100)
ein sehr starker Tag. Woran liegt das? «Für
die höhere Auflage am Montag gibt es vier
Gründe”, erläutert Alix Imbert. «Erstens
Stellenanzeigen, zweitens Wahlergebnisse,
drittens Sport einschliesslich der Ergebnisse
der Pferderennen und viertens der
Nachholeffekt, weil die Franzosen kaum
Sonntagszeitungen lesen.”
Es gibt drei durchschnittliche (Mittwoch,
Freitag und Samstag) und zwei schwächere
Tage (Dienstag und Donnerstag), an denen
der Indexwert auf 95 fällt. Während für den
Dienstag noch kein Auflagenmotor gefunden
ist, versucht man es donnerstags mit Hilfe
von Gesundheitsthemen und
Immobilienanzeigen. Die Stärke des
Mittwochs ist auf die Berichterstattung über
Pferderennen und spezielle
Mittwochsveranstaltungen zurückzuführen
(in Frankreich ist der Mittwoch schulfrei).
Für den Freitag konnte Imbert keinen
bestimmten Auflagenmotor nennen, doch die
Massnahmen zur Verbesserung der
Samstagsausgabe seien erfolgreich gewesen.
Daraus ergibt sich zwischen einem Montag
und einem Donnerstag ein
Auflagenunterschied von 15 Prozent. «Das
ist erheblich. Es war daher nur logisch, die
Kunden über entsprechende Anzeigenpreise
davon profitieren zu lassen.»
Die Preisgestaltung Der Zukunft? Ein neuartiger weg bei Le Parisien/Aujourd'hui - 9

Den von Le Parisien kalkulierten Preisen
liegen die französischen Einheitswerte für die
Untersuchung von Mediaplanung zugrunde,
nämlich eine 1000-Millimeter-Anzeige auf
einer Schwarzweiss-Innenseite rechts, die in
der Regel preisgünstigste Anzeigenart. Bei
KPT von höchstens 250 FF konnte Le
Parisien damit neben L’Equipe im Vergleich
zu den direkten Wettbewerbern das
günstigste Angebot vorlegen.
AUFSTELLUNG EINER
TREFFSICHEREN FORMEL
Das Problem bestand darin, die Höhe der
Auflage für die einzelnen Wochentage
garantieren zu können – eine Aufgabe, die
sorgfältige Kalkulation erfordert. Im Jahr
1999 beispielsweise begann L’Equipe mit der
Ist-Auflage für das Jahr 1998, rechnete die
grössten Abweichungen nach oben und unten
heraus und prüfte die Indexwerte für die
einzelnen Wochentage. Anschliessend
wurden die Auflagenziele für 1999
einbezogen und für die Preisberechnung eine
Sicherheitsspanne von 5 bis 10 Prozent
aufgeschlagen.
Ein Beispiel: Im Jahr 1998 erreichte die
Montagsauflage von Le Parisien 517.784
Exemplare. Nach Herausrechnung atypischer
Tage (z. B. Ostern, Tage nach Wahlen oder
der Tag nach dem Endspiel der Fussball-
WM) ergibt sich eine Auflage von 513.000
entsprechend einem Indexwert von 109.
Durch Multiplikation dieses Wertes (1,09)
mit dem Mindestauflagenziel für Montage im
Jahr 1999, z. B. 480.000, ergibt sich eine
Auflage von 523.000. Rechnet man dem eine
(niedrige, weil der Montag immer ein guter
Tag ist) Sicherheitsspanne von 3,5 Prozent
hinzu, so ergibt sich eine garantierte
Montagsauflage von 505.000 Exemplaren.
Unter Zugrundelegung der Maximalkosten
von 250 FF je Tausenderauflage beläuft sich
der Preis für eine 1000-mm-Anzeige am
Montag im Jahr 1999 auf 125.250 FF.
Diese Methode findet auch auf die übrigen
Wochentage Anwendung. Die garantierte
Auflage im Jahr 1999 beträgt montags
505.000, dienstags 445.000, mittwochs
460.000, donnerstags 445.000, freitags
465.000 und samstags 470.000 Exemplare.
Auch in den traditionell auflagenschwachen
Monaten Juli und August, in denen
normalerweise niedrigere Anzeigenpreise
gelten, werden die sonst zugrunde gelegten
KPT in Höhe von 250 FF beibehalten.
Aber das ist noch nicht alles. Wenn die
Auflage unter das garantierte Niveau sinkt,
dann erhalten die Anzeigenkunden wie bei
L'Equipe eine Erstattung. Diese belief sich
am 1. Januar 1999, als die garantierte Auflage
um 36 Prozent unterschritten wurde, auf
ebenfalls 36 Prozent vom Nettopreis. Im
Jahr 1998 musste Le Parisien an insgesamt
11 Tagen eine Erstattung leisten, wovon acht
Tage in die Schulferien fielen. Die
durchschnittlichen KPT beliefen sich auf 239
FF im Jahr 1998 und auf 243 FF im Jahr
1999, in dem bis zur Drucklegung dieses
Berichts an 10 Tagen (wovon 5 in die
Schulferien fielen) eine Erstattung notwendig
wurde.
EINE ERLEICHTERUNG FÜR
KUNDEN UND MEDIENPLANER
Die neue Preisstruktur ist sowohl von den
Beschäftigten als auch den Kunden gut
aufgenommen worden. Die Ergebnisse
10 - Die Preisgestaltung Der Zukunft? Ein neuartiger weg bei Le Parisien/Aujourd'hui

werden 10 Tage nach Monatsende auf der
Website sowie in der Wirtschaftspresse
veröffentlicht. Darüber hinaus erhält jeder
Anzeigenkunde zwei Halbjahresberichte in
Form einer Kalkulationstabelle. «Daraus
können unsere Kunden nicht nur ersehen,
wie wir unsere Garantien erfüllen, sondern
auch, ob sie ihren jeweiligen Werbeetat
optimal nutzen», erläutert Imbert.
Schliesslich könne die Auflage das garantierte
Minimum auch weit übertreffen, und einen
Zuschlag erhebe die Zeitung in einem solchen
Fall natürlich nicht.
Auch die Werbeagenturen sind von dem
neuen System angetan, obwohl sie anfangs
befürchteten, es könne ihnen das Leben
schwerer machen. «Wir haben ihnen mit
‚QualiPlan‘ ein spezielles Softwareprogramm
für ihre Auftragsbearbeitung zur Verfügung
gestellt», sagt Imbert. Damit könnten die
Insertionstermine unter Berücksichtigung
von Zielgruppe, Anzahl der Anzeigen und
vorgesehener Dauer der Kampagne optimiert
werden.
QualiPlan ist dem bei L’Equipe eingesetzten
Programm zur Optimierung von
Mediaplänen sehr ähnlich und beruht auf den
Forschungsschemata (EuroPQN), die in
Frankreich zur Untersuchung von
Mediaplanung normalerweise eingesetzt
werden. Mit dem Programm lassen sich 73
verschiedene Zielgebiete bearbeiten: 37 in
ganz Frankreich sowie jeweils 18 in den
Gebieten Ile de France und Ile de
France/Oise. Es eignet sich zur
Optimierung von Kampagnen mit einer
Dauer von 10 Wochen.
Möchte ein Unternehmen beispielsweise mit
vier Anzeigen über zwei Wochen
Führungskräfte ansprechen, so würde
QualiPlan den Dienstag und den Donnerstag
vorschlagen. Darüber hinaus können die
Mediaplaner mit Hilfe von QualiPlan
ersehen, welche Leser sie mit Anzeigen am
Montag, Donnerstag und Freitag erreichen
würden. «Die meisten Softwareprogramme
für die Mediaplanung können zwar eine
Auskunft für drei Tage geben, nicht aber für
diese drei bestimmten Tage», erläutert
Corrine David, Vertriebsleiterin bei Le
Parisien.
Gegenwärtig ist man bei Le Parisien damit
befasst, QualiPlan zur Lösung eines
bestimmten Problems zu überarbeiten:
Obwohl die Auflage montags am höchsten
ist, scheint die Software für viele
Zielgruppen den Dienstag zu bevorzugen.
«Das stimmt mit unseren Erkenntnissen über
unsere Leser nicht überein», sagt David. Das
Problem liegt offenbar darin begründet, wie
die EuroPQN-Fragen zur Leserschaft gestellt
werden. Wird jemand am Dienstag gefragt, ob
er in der betreffenden Woche den Parisien
gelesen habe, so lässt sich an der Antwort
nicht erkennen, ob der Befragte die Montagsoder
die Dienstagsausgabe gelesen hat.
Künftig wird die Matrix für die
Marktuntersuchung, die zusammen mit der
Marktforschungsfirma IPSOS durchgeführt
wird, so aussehen, dass Fragen zu
bestimmten Ausgaben von Le Parisien
gestellt werden können.
HÖHERE RENTABILITÄT UND
VERBESSERTES IMAGE
Nach Angaben von Corrine David hat Le
Parisien mit der neuen Preisgestaltung nicht
Die Preisgestaltung Der Zukunft? Ein neuartiger weg bei Le Parisien/Aujourd'hui - 11

nur ihr Image beim Kunden erhöht – und
dadurch auch das Bild in der Öffentlichkeit
verbessert –, sondern ebenso die Rentabilität
gesteigert. «Unsere starken Tage bringen uns
jetzt kräftige Gewinne, und wir können die
Leerstellen auf unseren Seiten besser füllen»,
so David. «Der Ertrag pro Seite hat sich um
10 bis 12 Prozent erhöht. Das einzige
Problem besteht in der zutreffenden
Einschätzung der Auflagenhöhe, will man
nicht ständig alle Rechnungen neu
schreiben.»
Le Parisien hat vor Umstellung der
Anzeigenpreise keinerlei Marktforschung
durchgeführt. «Wir haben lediglich
festgestellt, dass die Werbekundschaft Wert
auf Transparenz legte», sagt David. Sie
räumt ebenso wie ihre Kollegin Imbert ein,
dass die neue Preisgestaltung eher den
Methoden der Fernsehwerbung gleiche, die
sich fast ausschliesslich auf die Faktoren
Bruttoreichweite und Leistung stütze. David
stellt jedoch klar, dass die Mediaagenturen
Le Parisien nicht direkt mit dem Fernsehen
verglichen. «Es kommt ihnen nur entgegen,
dass der Kauf von Anzeigenfläche jetzt
praktischer ist», so David.
EIN BLICK IN DIE ZUKUNFT
Durch den rasanten Zuwachs an
Werbeallianzen – beispielsweise «Plein
Cadre» mit Le Monde, deb Finanz-
Tageszeitungen Les Echos und L'Equipe
sowie «Piment» mit den überregionalen
Tageszeitungen Le Figaro und Libération
sowie dem Finanzblatt La Tribune – sind die
Zeitungen zu einem Pflichtmedium für jeden
geworden, der mit seinen Anzeigen die als
«les cadres» bezeichnete Führungselite
Frankreichs erreichen will. Diese Allianzen
haben zu einer kräftigen Ausweitung des
französischen Werbemarktes beigetragen.
Deshalb «hielten wir es für unabdingbar, dass
Le Parisien den Anzeigenkunden ebenfalls
massgeschneiderte Produkte anbietet»,
erläutert David. So könnten Unternehmen,
deren Anzeigenkampagne bei Plein Cadre
bereits laufe, für ein Inserat in Le Parisien
einen einmaligen Nachlass von 30 Prozent
erhalten. Darüber hinaus gebe es ein
spezielles Kombi-Angebot für die
Druckausgabe und die Website der Zeitung.
SIND IN ANDEREN LÄNDERN
ÄHNLICHE MASSNAHMEN
ERFORDERLICH?
Hierzu die Meinung einiger
Teilnehmer:
Schweiz: «Nein. In unserem Land ist ein
Preis ein Preis. Aber bei uns sind auch die
Strukturen anders. Da die Zahl der
Abonnenten weit höher ist, bleiben wir von
diesen tagesbedingten Schwankungen
verschont. Die Jahresauflage ist ungefährdet.
Aber vielleicht sind bei uns auch die
Ansprüche an die Medien nicht so hoch.”
Dänemark: «Seit den Gesetzesänderungen
zu Beginn dieses Jahres stehen wir unter
einem wesentlich grösseren Druck, die
Preisgestaltung ‚offener‘ zu handhaben. Die
fünf grossen Mediaagenturen versuchen
gerade, eigene Regeln festzusetzen. Sie
orientieren sich dabei zunehmend an der
Fernsehwerbung. In der Vergangenheit
hingegen wurden die Preise zwischen den
Zeitungen und den Werbeagenturen
vereinbart.»
12 - Die Preisgestaltung Der Zukunft? Ein neuartiger weg bei Le Parisien/Aujourd'hui

Italien: «Die italienischen Werbeagenturen
würden Zahlen, die sie von einem Verlag
erhalten, keinen Glauben schenken. Bei uns
ist für die grossen Werbekunden
Fernsehwerbung Pflicht.»
England: «Wir sehen für die Einführung
einer solchen Preispolitik keinen besonderen
Anlass. Das Fernsehen als Medium
zersplittert zusehends, und die
Regionalpresse erlebt eine Renaissance. Es
gibt allerdings ein Problem bei der
Transparenz der Absatzzahlen; es bestehen
Zweifel, ob die für den Sammelverkauf
veröffentlichten Zahlen glaubwürdig sind.
Dieses Problem muss gelöst werden.»
Polen: «In Polen gibt es eine Agentur, die
täglich eine Auswertung der Leserzahlen
durchführt. Hierzu wird aus einer
repräsentativen Gruppe von 15.000 Lesern
eine bestimmte Anzahl ausgewählt. Die
ermittelten Daten werden sowohl von den
Medienagenturen als auch von den Kunden
verwendet.»
Auflage an Abonnenten und über als
gesponserte Exemplare verkaufen. Darüber
hinaus orientieren sich die irischen
Medienagenturen stärker an der
Bevölkerungsentwicklung. Ich würde mehr
Transparenz zwischen Kunden, Agenturen
und Zeitungen befürworten. So stellen
manche Agenturen ihren Kunden immer noch
Kosten wie früher in Rechnung, obwohl die
technischen Kosten durch die Digitalisierung
praktisch auf null gesunken sind.»
Türkei: «Diese Vorgehensweise ist für die
Türkei nicht geeignet. Der türkische
Zeitungsmarkt ist sehr komplex. Es gibt viele
Werbeaktionen zur Steigerung der Auflage.
Mit einer guten Kampagne lässt sich der
Absatz um 30 Prozent steigern. Wenn nur
eine Zeitung ihren Verkaufspreis um die
Hälfte senkt, kann unsere Auflage drei Tage
lang um 25 Prozent zurückgehen.»
Ukraine: «Wie in Dänemark haben die
Media-Einkaufs-Agenturen auch in der
Ukraine eine starke Position inne. Allerdings
kann man bei nur zwei grossen
Fernsehsendern, einer Wirtschafts- und einer
allgemeinen Zeitung auch nicht viel falsch
machen.»
Österreich: «90 Prozent des Absatzes
entfallen auf den Abonnementsverkauf, auch
wenn die Auflage montags geringer ist. Dafür
sind die Preise an diesem Tag aber auch 15
Prozent niedriger.»
Irland: «Es wäre schön, wieder Klarheit und
Transparenz zu haben, aber dazu fehlt wohl
der Mut, weil wir einen grossen Teil der
Die Preisgestaltung Der Zukunft? Ein neuartiger weg bei Le Parisien/Aujourd'hui - 13