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Nervenzelle und Tiefenpsychologie

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jedes Beschreibungssystem eine möglichst große Menge von Elementen umfassen.<br />

Können wir also zu den Ergebnissen der Psychologie die der Neurophysiologie<br />

mitverwenden, die ihrerseits in direkter Verbindung zu Biologie <strong>und</strong> Chemie stehen,<br />

so würde das Heißen, dass ein System geschaffen ist, das an der Basis unserer<br />

empirischen Erkenntnisfähigkeit beginnt <strong>und</strong> somit alle empirischen Daten miterklärt.<br />

Damit ist die maximal mögliche Objektivität gewährleistet, besonders wenn sich die<br />

Theorie auch auf die Ebene der Gesellschaftstheorie ausdehnen lässt, was hier zwar<br />

nicht oder nur in Ansätzen versucht werden soll, aber durchaus möglich zu sein<br />

scheint. Dies alles will nun nicht sagen, dass es möglich sein wird, individuelles<br />

Verhalten jeweils direkt physiologisch erklären zu können. Es wird sich an einer<br />

Stelle die Notwendigkeit ergeben, die physiologischen Ergebnisse<br />

zusammenzufassen <strong>und</strong> als Gr<strong>und</strong>lage für das Funktionieren eines wesentlich<br />

komplexeren Apparates als wir ihn in allen Einzelheiten erfassen können, zu<br />

deklarieren, eine quantitative Stufe zu einem qualitativen Sprung zu erklären <strong>und</strong> auf<br />

Bewusstseinsebene mit Begriffen des Bewusstseins zu arbeiten. Bevor dies aber<br />

möglich ist, müssen die funktionellen Gr<strong>und</strong>lagen des Bewusstseins <strong>und</strong> seine<br />

Zusammenhänge mit dem menschlichen Nervensystem erklärt werden. Eine<br />

Psychologie, die sich über ihre physiologischen Gr<strong>und</strong>lagen Klarheit verschafft hat,<br />

kann sich über ihre Begriffe einigen <strong>und</strong> läuft weniger Gefahr, Kategorien zu setzen,<br />

die auf bewusstseinsmäßigen Selbstmissverständnissen beruhen.<br />

2.2. Kybernetik<br />

Eine große Schwierigkeit, die enorme Verwicklungen in der klassischen Psychologie<br />

verursacht hat, ist der Gegensatz zwischen kausalen <strong>und</strong> finalen Aspekten. Eine<br />

Trennung ist bisher nicht durchgängig gelungen: Die Vertreter kausaler<br />

Betrachtungsweisen werden von denen finaler als „Mechanisten“ abgetan, jene von<br />

ihnen als „metaphysische Spekulanten“. Ganz abgesehen davon, dass es noch<br />

kaum jemandem gelungen zu sein scheint, ein kausales Konzept konsequent<br />

durchzuhalten. Das hier vorgeschlagene Modell ist nun ein mechanistisches,<br />

naturwissenschaftliches <strong>und</strong> daher kausales. Es ist aber nicht neu, dass durch die<br />

Erkenntnisse der Kybernetik die Kausalität der Naturwissenschaften überführbar wird<br />

in die Betrachtung „zyklisch“ sich beeinflussender Prozesse, <strong>und</strong> dass damit der<br />

Gegensatz zwischen Finalität <strong>und</strong> Kausalität sich aufhebt. 2<br />

2 “Die Kybernetik bringt nun, wenn man sie recht versteht, nicht nur nichts Wesensfremdes in die<br />

Biologie hinein, sondern sie fördert sogar die Rehabilitierung 2er zutiefst biologischer Begriffe: Den der<br />

Ganzheit <strong>und</strong> den der Spontanität. Beide waren ins ideologische Kampffeld des Mechanismus-<br />

Vitalismus-Streites geraten. Die Vitalisten führten ganzheitsbezogenes Verhalten als mechanistisch<br />

nicht erklärbar ins Feld <strong>und</strong> forderten zu seiner Deutung einen nicht physikalisch-chemischen<br />

’ganzmachenden Faktor’ ; die Mechanisten verdächtigten ihrerseits diejenigen, die<br />

ganzheitsbezogene Lebensvorgänge anerkannten <strong>und</strong> beschrieben, der vitalistischen Spekulation.<br />

Ähnliches widerfuhr dem Begriff der Spontanität des ZNS; wer damit rechnete, dass das ZNS Signale<br />

bildet, welche nicht von Außenreizen ausgelöst werden, verfiel damit der Ablehnung aus dem<br />

einzigen Gr<strong>und</strong>e, weil dies einer mechanistischen Anschauung der Lebensprozesse zu widersprechen<br />

schien. So kam es, dass diese Begriffe jahrzehntelang nicht zum Gegenstand vorurteilsloser<br />

Forschung <strong>und</strong> Lehre gemacht wurden. Mit der Kenntnis der selbsttätigen Regelung, die inzwischen<br />

zum Allgemeingut aller Biologen wurde, hat jedoch die Verdächtigung des Begriffes der Ganzheit<br />

aufgehört; denn auch Regelsysteme halten einerseits, als seien sie „zielstrebig“, ihren Zustand gegen<br />

Abweichungen beliebiger Richtung aufrecht <strong>und</strong> verhalten sich dadurch „ganzheitlich“: andererseits<br />

sind sie aber kausal völlig durchsichtig <strong>und</strong> determiniert. Ebenso hat man inzwischen eingesehen (<strong>und</strong><br />

ist zudem durch zahlreiche experimentelle Bef<strong>und</strong>e davon überzeugt worden), dass <strong>Nervenzelle</strong>n,<br />

ohne Meldungen von außen zu empfangen, Aktionspotentiale abgeben können; dies verstößt weder<br />

gegen das Energieprinzip noch gegen das Kausalprinzip (sie verbrauchen dabei<br />

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