Nervenzelle und Tiefenpsychologie
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Triebanspruch <strong>und</strong> Strafbedürfnis aufgebaut.” (REIK 1971, p. 83) zurückzuführen.<br />
Die Rolle des Strafbedürfnisses ist inzwischen auch plausibel zu machen.<br />
5.6.3. Strafbedürfnis <strong>und</strong> Masochismus<br />
Das Strafbedürfnis ist in ganz einfacher Ausdruck des Wiederholungsprinzips: Dinge,<br />
die mit Angst verb<strong>und</strong>en sind, lösen Angstreaktionen aus, diese bewirken eine<br />
Verstärkung der dahinter stehenden Dinge. Was Angst macht, fasziniert. Nach<br />
ALEXANDER ist „In dem Satz, dass die Schuld durch Leiden tilgbar sei,... der Kern<br />
der ganzen Neurosentheorie enthalten“ (ALEXANDER, 1926, s. 342)<br />
Eine Kette von Konditionierung muss, damit sie erhalten bleibt, mit relativer<br />
Reizverminderung, also mit Befriedigung der Angstreduzierung abgeschlossen<br />
werden. Es können beliebige Erregungssteigerungen eingeschalten sein (siehe etwa<br />
der Geschlechtsakt), nur durch die Entspannung möglich. Wird also an ein Verhalten<br />
Strafe konditioniert, so muss zwangsläufig der Apparat ablaufen, bis nach der Strafe<br />
wieder Ruhe eintritt – es sei denn, es wird noch eine Ausweichreaktion konditioniert:<br />
„Ursprünglich ist ja der Triebverzicht die Folge der Angst vor de äußeren<br />
Autorität; man verzichtet auf Befriedigungen. um deren Liebe nicht zu<br />
verlieren. Hat man diesen Verzicht geleistet, so ist man sozusagen mit ihr<br />
quitt, es sollte kein Schuldgefühl erübrigen. Anders ist es im Falle der Angst<br />
vor dem Über-Ich. Hier hilft der Triebverzicht nicht genug, denn der Wunsch<br />
bleibt bestehen <strong>und</strong> lässt sich vor dem Über-Ich nicht verheimlichen. Es wird<br />
also trotz des erfolgten Verzichts ein Schuldgefühl zustande kommen.“<br />
(Das entsteht durch) „Gleichwertung von böser Tat <strong>und</strong> böser Absicht“ (FREUD<br />
1948 b, p. 487)<br />
Wurde das Annehmen von Strafe konditioniert, nicht das Ausweichen, so ist eine<br />
Reaktionskette, die ihre Erregung zum Teil von der Angst bezieht, erst<br />
abgeschlossen, wenn die Strafe stattgef<strong>und</strong>en hat. So ist auch beim Masochisten,<br />
wie REICH schon feststellte, die Strafe nicht das angestrebte Ziel, sondern der einzig<br />
erlernte <strong>und</strong> daher einzig mögliche Weg zum Ziel: Nicht der Schmerz wird<br />
angestrebt,<br />
„sondern man geht als Masochist wie jeder andere an die lustvolle Betätigung<br />
heran, doch die Angst vor Strafe fährt dazwischen. (REICH 1973, p.227).<br />
Anhand dieses Beispiels wird auch plausibel, wie es dazu kommt, dass keine<br />
Fluchtreaktion einsetzt, sonder die Strafe provoziert werden muss: Die angestrebte<br />
Strafe ist gleichzeitig eine Fluchtreaktion vor einer stärkeren, mehr angst machenden<br />
Strafe:<br />
„Die masochistische Selbstbestrafung ist nicht der Vollzug der gefürchteten<br />
Strafe, sondern der einer anderen, einer milderen Ersatzstrafe.“ op. cit. p. 227)<br />
Am dauerhaftesten ist eine Konditionierungskette, wenn das Ende nicht nur eine<br />
Angstreduktion ist, sondern einen Teil der ursprünglich angestrebten Befriedigung<br />
beinhaltet: Wenn die Angstreaktion (Abwehr) gekoppelt ist mit Befriedigung. Solche<br />
Reaktionsmodi können so global werden. Dass sie Charakterzüge werden; sie sind<br />
dann<br />
„ganz wie ein Symptom aufgebaut; es dient der Abwehr <strong>und</strong> gleichzeitig der<br />
Befriedigung einer Triebkraft.“ (op. cit. p. 189)<br />
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