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Nervenzelle und Tiefenpsychologie

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Verschiebung etc. (cf. FREUD 1942). Wichtig ist auch beim Traum wieder, dass der<br />

Ablauf tot läuft, d. h., keine Verstärkung erfährt. Wir wissen, dass Träume, die ohne<br />

Aufwachen ablaufen, schneller wieder verschwinden als solche, die aufgr<strong>und</strong> zu<br />

starker Erregungen den Organismus zu Aktivität veranlassen <strong>und</strong> damit ein<br />

Aufwachen bewirken. Solche Abläufe können ihre Integration auch im Traum nicht<br />

erreichen. Dazu gehören die von FREUD erwähnten „Kriegsneurosen“, in die<br />

Situation seines Unfalls zurückzuführen, aus der er mit neuem Schrecken erwacht.“<br />

(FREUD 1940 a,p. 10)<br />

Hier hilft die bewusste Durcharbeitung des Erlebnisses in der Therapie, de auch zu<br />

den Phänomenen des Wiederholungsprinzips zählt. Ein eindrucksvolles Beispiel von<br />

Verarbeitungsversuchen via Traum <strong>und</strong> Spiel schildert BILZ (1967):<br />

„Das Kind war im Alter von zwei Jahren, bald nach Beginn des Krieges, zu<br />

seiner Sicherheit aufs Land gebracht worden. .... Von Anfang an hatte der<br />

Kleine eine „Unart“ gezeigt, er lutschte am Däumchen, besonders beim<br />

Einschlafen abends. Als er fünf Jahre alt war, hatte sich das<br />

Säuglingsverhalten noch immer nicht verloren, “ (BILZ 1967, p.77)<br />

Der Daumen als der berühmte Mutterersatz ersetzt die Reize, die nötig sind, um den<br />

Kleinen erregungsarm zu halten.<br />

„Bei unserem Bübchen war es nun so, dass ihm das Daumen lutschen die<br />

unabdingbare Gleitschiene zum Schlafen geworden war. ... Die Pflegeeltern<br />

hatten sich aber nicht damit zufrieden gegeben, dass das Kind tagsüber das<br />

Daumenlutschen beherrschte, sondern wollten ihm nun noch den Rest der<br />

Unart austreiben. Es war allerdings schwer, an dieses Rückzugsgebiet<br />

heranzukommen, weil eben in diesem Moment, wenn das Kind müde wurde,<br />

<strong>und</strong> also seine Aufmerksamkeit nachließ, ihm der Daumen in den M<strong>und</strong> fuhr.“<br />

(op.cit. p. 80f)<br />

Wenn man hier nicht warten will, bis das Kind von sich aus andere Befriedigungen<br />

findet, so sind nur mehr Ausweichkonditionierungen möglich, die die<br />

Verhaltenstendenz steigern. Im Augenblick der Unaufmerksamkeit ist die<br />

Ausweichreaktion nicht vorhanden, wenn nicht die Angsttendenz groß genug ist:<br />

„Was hatten die Pflegeeltern nicht alles unternommen, den Infantilismus zum<br />

Erlöschen zu bringen! Man hatte den Kleinen ermahnt, das Daumenlutschen<br />

doch endlich zu lassen.<br />

Man hatte ihn an seiner Ehre zu packen versucht, indem man das Bübchen von<br />

gleichaltrigen <strong>und</strong> Erwachsenen blamierte. Man hatte es angeschrieen <strong>und</strong><br />

sogar geschlagen. Nichts half ... „(op.cit. p. 81).<br />

Wir sehen, wie die Angsttendenz gefördert wird. „Natürlich hatten sie ihm auch aus<br />

dem Struwwelpeter, dem Katalog unserer Kindersünden, die entsprechenden Verse<br />

vorgelesen <strong>und</strong> die dazugehörigen Bilder gezeigt, aber auch diese Anspielungen, die<br />

bekanntlich auf das Abschneiden des Daumens hinauslaufen, hatten sich als<br />

erfolglos erwiesen.“ (op. cit. p. 81)<br />

Die Angsttendenz wird hier an eine konkrete Vorstellung geknüpft.<br />

„Eines Tages, das Bübchen war inzwischen über fünf Jahre alt, wurde im<br />

Kindergarten kurz vor Weihnachten ein Spiel aufgeführt, wobei von älteren<br />

Kindern eine Reihe von Szenen aus dem Struwwelpeter dargestellt wurden.<br />

Die „Tante“, so wurde die Pflegemutter genannt, saß neben dem Bübchen in<br />

den Zuschauerreihen <strong>und</strong> stellte mit großer Genugtuung fest, dass das Kind mit<br />

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