Nervenzelle und Tiefenpsychologie
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Was immer es sei, es entwickelt sich aus dem Wiederholungsprinzip. Es ist auch<br />
ohne weiteres verständlich, wieso viele Dinge gerade im spiel wiederholt werden:<br />
Das Bewusstsein um die Realitätsdistanz verringert die Angst, es stehen keine<br />
externen Auslöser für Fluchtreaktionen zur Verfügung, daher wird auch kein<br />
Vermeidungsverhalten ausgelöst <strong>und</strong> „spielerische Übung eines Verhaltens, das<br />
ursprünglich traumatisierend erlebt wurde“ (SCHINDLER 1973/74, p. 101) wird<br />
möglich. Im Spiel wiederholt das Kind die Dinge, die es aufgr<strong>und</strong> seiner<br />
Erfahrungsstruktur wiederholen muss: ein intensives Erlebnis, das zu starken<br />
Reaktionen veranlasste, so dass es einmal durch minimale Assoziationen<br />
angesprochen sofort wieder abläuft. Im Spiel gibt es dann den fluchtauslösenden<br />
Reiz nicht, die Reaktionskette die mit Flucht abschließen würde, wird „frustriert“.<br />
Dadurch wird die Reaktionstendenz verringert, <strong>und</strong> nach einigen Wiederholungen<br />
bewirken Verbindungen zum Bewusstsein schon ein Umgehenkönnen mit ähnlichen<br />
Situation:<br />
„Die Wiederholung wird somit ein konstituierendes Moment des „sich-<br />
Distanzierens“ von einer (traumatischen) Situation.“ (SCHINDLER 1973/74, p.<br />
101).<br />
Gleichzeitig werden neue Reize der Spielsituation mitkonditioniert, wird das<br />
Verhalten danach ausdifferenziert:<br />
„Es werden dann nicht die reifen Anlagen im Spiel geübt, sondern im Spiel<br />
selbst neue Einstellungen <strong>und</strong> Haltungen gewonnen, die die<br />
Persönlichkeitsbildung entscheiden beeinflussen.“ (RÜSSEL 1959)<br />
Wir vermuten allerdings insgesamt, dass es Grenzen gibt für die Möglichkeit, starke<br />
Eindrücke im Spiel zu verarbeiten. Ist die assoziierte Fluchttendenz so stark, dass<br />
schon das bloße Bewußtwerden ein Ausweichen bewirkt, dann kann nicht mehr<br />
nacherlebt werden. Es steht aber außerdem als relativ weitgehende<br />
Verarbeitungsmöglichkeit der Traum zur Verfügung.<br />
5.6.2. Der Traum<br />
Warum der Traum, wie es den Anschein hat, auch stärker affektgeladenes Material<br />
zulässt als das Wachleben <strong>und</strong> Erinnerung, ist nicht ganz klar; wir vermuten, dass<br />
das mit der „Realitätsprüfung“ zusammenhängt, die nach FREUD (cf. 1942, p.54 <strong>und</strong><br />
p. 572) im Traum nachlässt. Auch FREUD allerdings weiß nichts Definitives darüber<br />
zu sagen. Es könnte sein, dass, da durch die im Traum geringere Gesamterregung<br />
Bewegungen etc. wesentlich geringer bzw. gar nicht stattfinden, für viele<br />
Konditionierungen nicht mehr ausreichende Reizstrukturen auftauchen, die eine<br />
Ausweichreaktion bewirken könnten. Es würde sich lohnen, Hypothesen darüber zu<br />
durchdenken, wie der Schlaf zustande kommt (siehe dazu PAWLOW 1972, 1973).<br />
Das würde aber den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Wir begnügen uns damit, die<br />
Verarbeitungsleistungen des Traumes zu untersuchen.<br />
Auch hier geht es darum, dass, wie im Spiel, bestimmte Reaktionsabläufe im<br />
Zentralnervensystem abgespult werden, ohne, dass eine Verstärkung durch die<br />
Umwelt stattfindet. So können wieder zu starke Eindrücke in das Gesamtsystem<br />
integriert werden. Die oftmals absurden Kombinationen von Inhalten im Traum sind<br />
damit zu erklärend, dass bei geringer Erregungsbeschickung ohne Realitätseinfluss<br />
einfach die Bahnen zugleich ablaufen, die gerade gleich stark eingeschliffen sind.<br />
Auch die Auslöser sind ja, anders als im Wachzustand, nicht oder kaum bestimmte<br />
Erlebnisse spezifisch. So kommt es zu Entstellung, Kontamination, Verdichtung,<br />
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