Nervenzelle und Tiefenpsychologie
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der ersten verschiedene <strong>und</strong> vor ihr vollständig ignorierte Persönlichkeit.“<br />
(JANET 1889, p. 367)<br />
Der Primärvorgang ist also ein unkontrollierter, „zu“ intensiv gebahnter Ablauf, der<br />
keine Verbindungen zu anderen Bereichen zulässt.<br />
Andererseits ist de „Sek<strong>und</strong>ärvorgang“ die Integration. Ist eine Reaktionsbahn nicht<br />
mehr so stark eingeschliffen <strong>und</strong> abgegrenzt, dass Verbindungen zum übrigen<br />
System möglich werden, so kann jede Frustration, jede Nicht-Verstärkung des<br />
Ablaufes, eine Erregungsumlenkung bewirken, so dass andere<br />
Verhaltensmöglichkeiten erfahrbar werden; andererseits wird auch Erregung nicht so<br />
straff abgeführt, dass nicht ein Teil davon jeweils zum Denken, zum bewussten<br />
Bearbeiten des Prozesses zur Verfügung stünde. Ein solcher Vorgang macht<br />
Verhalten variabel, anpassungsfähig <strong>und</strong> reflektierbar.<br />
Dieser Prozess kann provoziert werden. Wird ein intensiver Reaktionsablauf in<br />
irgendeiner Weise verstärkt (das kann durch Belohnung, Missbilligung, oder<br />
irgendeine andere Reaktion der Umwelt geschehe), so bleibt der Primärvorgang<br />
erhalten, wird verstärkt. Wird der Ablauf aber nicht verstärkt, d. h., es tritt die letzten<br />
Endes notwendige Reaktion der Umwelt nicht auf, so wird er inhibiert: Die<br />
Reaktionsbahn wird nach einer zeit des Durchspielens ohne Verstärkung des<br />
Sek<strong>und</strong>ärvorganges fähig, die Integration in das Gesamt der<br />
Reaktionsmöglichkeiten. Damit kommen wir zum Phänomen des<br />
Wiederholungszwanges.<br />
Noch ein Wort zu psychoanalytischen Praxis. FREUD äußerte sich wiederholt gegen<br />
das Ausagieren in der analytischen Arbeit, gestand aber zu, dass ein gewisses<br />
Wiedererleben notwendig zu Bearbeitung ist. Wir können jetzt differenzieren:<br />
Ausagieren ist, je stärker, desto besser (der Reaktionsablauf ist dann intensiver <strong>und</strong><br />
wird schneller gelöscht), wenn es den Therapeuten gelingen würde, gr<strong>und</strong>sätzlich die<br />
Verstärkung einer Reaktion zu verweigern. Dies wird aber sehr schwierig sein,<br />
deshalb ist es sicherer <strong>und</strong> gefahrloser, Ausagieren möglichst weit aus der Analyse<br />
herauszuhalten. Tatsächlich ist natürlich die Arbeit an Übertragung <strong>und</strong> Widerstand<br />
nichts anderes als Arbeit am Ausagieren.<br />
Wir sehen jetzt auch die Rolle des Bewußtwerdens anders als Freud. Das<br />
Bewußtwerden eines Bedürfnisses ist im Wesentlichen mehr ein Indikator einer<br />
Integration als es diese bewirkt. Das Bewußtwerden eines Reaktionsablaufes kann<br />
erst stattfinden, wenn diese ausreichen reduziert it. Dann allerdings ist es eine<br />
zusätzlich Abführhilfe, Integrationshilfe <strong>und</strong> Durcharbeitungshilfe.<br />
5.6. Wiederholungszwang<br />
Es ist inzwischen klar, was Wiederholungszwang ist <strong>und</strong> wie er zustande kommt. Die<br />
Phänomene des Wiederholungszwanges sind es im Wesentlichen, die Anlass für<br />
diese Arbeit waren, <strong>und</strong> auch nur für diese Phänomene beansprucht sie einige<br />
Originalität.<br />
Daher sollen noch einige der dem Wiederholungszwang zuzuordnenden Dinge<br />
besprochen werden.<br />
5.6.1. Das Kinderspiel<br />
„Ein Bub unternimmt mit vier Monaten <strong>und</strong> zehn Tagen eine Bahnfahrt mit einer<br />
pfauchenden <strong>und</strong> pustenden Kleinbahn, die überdies vor jedem der zahlreichen<br />
Tunnels laut pfiff. Er klammert sich mit allen Zeichen der Angst an seine Mutter,<br />
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