Nervenzelle und Tiefenpsychologie
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2. Einleitung<br />
2.1. Wissenschaftstheoretische Gr<strong>und</strong>lagen<br />
Auf die Gefahr hin, von allen Seiten angegriffen zu werden, soll in der vorliegenden<br />
Arbeit ein Modell angeboten werden, das so gr<strong>und</strong>legend <strong>und</strong> allgemeingültig ist,<br />
dass sich möglichst viele Ansätze der Forschung am menschlichen Erleben <strong>und</strong><br />
Verhalten darauf beziehen können <strong>und</strong> so miteinander in Verbindung treten können.<br />
Es wird dabei zweifellos notwendig sein, darauf hinzuweisen, was verschiedene<br />
Theorien nicht erklären, <strong>und</strong> wo Erklärungen auf Spekulationen beruhen, die keine<br />
empirische Basis haben. Ich hoffe, solche Mängel auch in meiner eigenen Arbeit<br />
möglichst weitgehend berücksichtigen zu können. Diese Studie ist nicht dazu<br />
gedacht, eine endgültige Aussage darüber zu machen, wie der Mensch nun<br />
tatsächlich „funktioniert“, sondern sie soll eine Möglichkeit eines umfassenden<br />
Ansatzes aufzeigen, der zweifellos noch zu korrigieren sein wird. In diesem Sinn soll<br />
auch versucht werden, möglichst eindeutig darauf hinzuweisen, wo Aussagen auf<br />
tatsächlichen empirischen Daten beruhen, <strong>und</strong> wo Spekulationen verwendet wurden,<br />
um Verbindungen zwischen verschiedenen Ebenen herzustellen. Es ist wohl immer<br />
noch ein einigermaßen anspruchsvolles Vorhaben, durchgängige Beziehungen<br />
herstellen zu wollen zwischen der Funktion der <strong>Nervenzelle</strong> <strong>und</strong> der angewandten<br />
<strong>Tiefenpsychologie</strong>: Ich hoffe auf Nachsicht, um eine Möglichkeit dieser Verbindung,<br />
die zweifellos für Forschung <strong>und</strong> Praxis von Bedeutung wäre, darstellen zu können.<br />
Es gibt gute Gründe dafür, eine Verbindung zwischen Physiologie <strong>und</strong> Psychologie<br />
zu suchen, <strong>und</strong> der augenfälligste scheint der der Schwierigkeit der psychologischen<br />
Begriffsbildung zu sein. In der Diskussion um Verhalten, Erleben, um Triebe <strong>und</strong><br />
Reaktionen, um Spontanität, Erlerntes <strong>und</strong> Angeborenes, um Lust, Unlust, Streben<br />
<strong>und</strong> Abwehren wird es immer deutlicher, dass die Begriffe unserer „klassischen“<br />
Psychologie , sei sie phänomenologisch oder empirisch, introspektiv oder<br />
experimentell, einer gründlichen Revision bedürfen, dass sie durchaus unzulänglich<br />
sind, um sich mit Verhalten in einer eindeutigen Weise auseinander zusetzen. Das<br />
liegt zum Größtenteil daran, dass es sich um rein phänomenologische Begriffe<br />
handelt, deren Inhalte „Verständnis“-geb<strong>und</strong>en sind, ich möchte sogar sagen:<br />
„Empathie“-geb<strong>und</strong>en: Es ist nicht möglich, sich über solche Begriffe anders zu<br />
verständigen, als indem man voraussetzt, dass jeder Kommunikationspartner unter<br />
ihnen dasselbe versteht:<br />
„In Teilgebieten der Psychologie, in welchen bereits ein großes empirisches<br />
Tatsachenmaterial überblickt wird, wie z. B. in der Lernforschung zeigte sich jedoch<br />
die Unzulänglichkeit einer solchen freien, unkontrollierten „ad-hoc-Begriffsbildung“<br />
(Foppa 1965).“ (Guttmann 1972, p.9)<br />
Eine Klärung der Begriffe ist nicht möglich, weil sie nicht hinterfragt werden, so dass<br />
Verständigungsschwierigkeiten nicht dort bearbeitet werden können, wo sie<br />
tatsächlich ihre Ursache haben, sondern sich einfach so äußern, dass verschiedene<br />
Theorien einander zu widersprechen scheinen, <strong>und</strong> sich gegenseitig ignorieren bzw.<br />
ablehnen müssen. 1<br />
1 Lersch schreibt etwa über Gefühle: “… überall da, wo uns etwas unklar ist, stellt sich der Begriff des<br />
Gefühls ein, offenbar ein Zeichen dafür, dass das Gefühl selbst etwas begrifflich schwer fassbares ist.”<br />
(Lersch 1962, p. 221). Die Logik spricht für sich.<br />
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