01.11.2013 Aufrufe

Nervenzelle und Tiefenpsychologie

Nervenzelle und Tiefenpsychologie

Nervenzelle und Tiefenpsychologie

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

verstärkt wird. Dieses System – mag es erfreulich oder beliebig unerfreulich sein –<br />

wird von nun an immer weiter differenziert. Die Gr<strong>und</strong>reaktionsketten bleiben aber<br />

gleich, wenn nicht die Umwelt irgendwann diese Gr<strong>und</strong>ketten unmöglich macht.<br />

Dieses System also ist es, das FREUD „Über-Ich“ nennt.<br />

FREUD erklärte nach Einführung der Todestrieb-Hypothese das „Über-Ich“ zu einem<br />

Derivat des Todestriebes, das sich gegen das ich richtet. (FREUD 1940 b, p. 337).<br />

Dieser Gedanke soll anhand des Wiederholungsprinzips untersucht werden. Es ist zu<br />

erwarten, dass Bestrafen eines Verhaltens dieses nicht auslöscht, sondern verstärkt,<br />

da ja eine Strafe zweifellos eine drastische Situationsveränderung darstellt. die Strafe<br />

wird nun weiterhin noch bewirken, dass eine Fluchtreaktion gelernt wird, die sich an<br />

die erste Reaktion koppelt. die Fluchtreaktion kann die konkrete Ausführung der<br />

Handlung verhindern. die Handlungstendenz besteht aber nicht nur weiter, sondern<br />

sie wird sogar jedes Mal, wenn entsprechende reize vorhanden sind, durch die<br />

Auslösung der Fluchtreaktion verstärkt.<br />

Der Effekt der strafenden Erziehung ist also der, dass Handlungen, die die Erzieher<br />

unterbinden wollen, verstärkt werden, <strong>und</strong> eine Fluchtreaktion daran gekoppelt wird.<br />

Ein derart Erzogener besteht dann hauptsächlich aus Fluchtreaktionen, die ihn von<br />

seinen eigenen Bedürfnissen fernhalten. Die Bedürfnisse <strong>und</strong> die Tendenz, darauf zu<br />

reagieren, werden dabei nicht geringer, sondern stärker. Das unerfreulichste an<br />

solchen Fluchtreaktionen ist, dass sie nicht einfach an der „Realität“ messbar sind.<br />

Fluchtreaktionen sind nicht korrigierbar: Jede Fluchtreaktion wird zwangsläufig zu<br />

einer Situationsveränderung führen, ganz unabhängig davon, ob sie notwendig bzw.<br />

sinnvoll ist oder nicht. Nur wenn es gelingt, die Flucht zu unterlassen, kann solches<br />

Verhalten korrigiert werden.<br />

Insgesamt scheint das topische Modell uns für die Praxis nicht sehr wesentlich zu<br />

sein: Die Strebungen des ES sind nicht anders zu behandeln, als die<br />

Konditionierungsketten des Ich, die des Über-Ichs nicht anders als die des Ich.<br />

FREUD selbst <strong>und</strong> vor allem auch die jüngeren Analytiker legten nach den<br />

Anfangsphasen der Psychoanalyse wesentlich mehr Wert auf die Arbeit an<br />

Widerstand <strong>und</strong> Übertragung als auf die Konstruktion von ES <strong>und</strong> Ich aus der<br />

persönlichen Geschichte (siehe dazu etwa GREENSON 1973). Vielleicht ist die<br />

Unterscheidung des Über-Ichs vom Ich noch wichtig, weil hier die<br />

charakterbildenden, gr<strong>und</strong>legenden <strong>und</strong> hartnäckigen Konditionierungen liegen<br />

(siehe REICH 1973). Eine Auflösung von Fehlkonditionierungen im Sinne des Über-<br />

Ichs ist wahrscheinlich ausreichend, um den Menschen lernfähig zu machen, womit<br />

die weitere „Therapie“ anhand der Welt selbst – ohne Therapeuten – stattfinden<br />

kann. Wichtiger allerdings scheint die Unterscheidung nach appetenten <strong>und</strong><br />

aversiven Konditionierungen: Die einen sind veränderungs- d.h. anpassungsfähig,<br />

die anderen sind relativ fixiert uns schwer veränderbar. diese sind im Wesentlichen<br />

die therapiebedürftigen Verhaltensweisen.<br />

5.4. Abwehr<br />

Abwehr tritt nicht dann auf, „wenn die Spannung infolge von Unbefriedigung einer<br />

Triebregung unerträglich groß wird“ (FREUD 1946 b, p. 249), aber sie richtet sich<br />

gegen einen Trieb bzw. ein Triebbedürfnis.<br />

Schreiben LAPLANCHE <strong>und</strong> PONTALIS<br />

„Die These eines „Schmerzerlebnisses“, das dem Befriedigungserlebnis<br />

symmetrisch wäre, ist von vornherein paradox: Wie kommt der<br />

Neuronenapparat dazu, einem Schmerz, der durch eine Ladungserhöhung<br />

47

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!