Nervenzelle und Tiefenpsychologie
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plötzlicher Umschlag in Angst. Eine wesentliche Funktion der Wiederholung ist nun,<br />
die hier auftretenden Erregungsfunktionen mit positiven Assoziationen zu verknüpfen<br />
<strong>und</strong> insgesamt sie auch zu reduzieren:<br />
„Jutta, im Alter von zehn Monaten, liegt im Laufställchen <strong>und</strong> steht in regem<br />
Blickkontakt mit dem Vater. Dieser nimmt ein Tuch <strong>und</strong> wirft es über ihre<br />
Augen. Sie gerät sofort in einen Erregungszustand, versucht, sich zappelnd zu<br />
befreien. Das vorher unmerkliche flache Atmen, geht nun schnell <strong>und</strong><br />
stoßweise. Der Beobachter hat dadurch den zwingenden Eindruck, dass das<br />
Kind sich in Not befindlich erlebt. Sobald es trotz des erregten <strong>und</strong> daher<br />
unkoordinierten Zappelns gelingt, das Tuch vom Kopf zu ziehen, beruhigt der<br />
Atem sich sofort, <strong>und</strong> das Kind lächelt erleichtert-erlöst den Erwachsenen an.<br />
Dieser wirft das Tuch erneut. Nach wenigen Minuten tritt die Mutter herzu <strong>und</strong><br />
hält den Vater an, das 'grausame' Spiel zu beenden. Aber das Kind erwartet<br />
eine Fortsetzung.“ (op.cit.p.228)<br />
Der Erlebnisablauf des Kindes ist dank des Erregungspegels <strong>und</strong> der darauf<br />
folgenden Befreiung verstärkt. Das Kind strebt jetzt selbst die Erregungssteigerung<br />
<strong>und</strong> die Angst an: Die Bewertung des angestrebten Ablaufes ist dabei noch nicht<br />
positiv.<br />
„Nachdem eine Weile nichts geschieht, greift es selbst das beiseitegezogene<br />
Tuch auf, um es sich schnell über die Augen zu ziehen. Die ängstlichen<br />
Atemstöße setzen nun schon ein, bevor das Tuch ganz die Augen verdeckt.“<br />
(op.cit.)<br />
Wir sehen hier den Bewertungsübergang sogar zunächst am Beispiel des<br />
Unerfreulichen: Schon die Vorbereitung auf das „nicht sehen“ wird mit Angst<br />
assoziiert. Trotzdem aber muss der Akt vollzogen werden, weil er verstärkt wurde<br />
<strong>und</strong> die Fluchtreaktion erst an eine spätere Phase des Prozesses konditioniert ist.<br />
„Nach der Abdeckung ist das Kind sofort <strong>und</strong> sehr heftig um Befreiung bemüht,<br />
die trotz zahlreicher Wiederholungen des Spiels stets wieder große<br />
Erleichterung, Freude <strong>und</strong> eine Normalisierung des Atmens herbeiführt.“<br />
(HECKHAUSEN 1964, p. 228)<br />
Leider beschreibt HECKHAUSEN in diesem Beispiel nicht das Übergreifen der<br />
positiven Bewertung, der Erleichterung, das letztlich die Spannung des Spiels ganz<br />
lustbetont machen kann, wie im oben angeführten Fall.<br />
Natürlich wird, wenn die Lustbetonung sich durch das ganze Spiel durchzieht, der<br />
Verstärkungscharakter der Erleichterung am Ende verringert bzw. beendet, <strong>und</strong> das<br />
Spiel wird nach einigen weiteren Wiederholungen, die, weil schon erfreulich<br />
begonnen, keine besondere Erleichterung bringen, reduziert, d. h., langweilig werden<br />
<strong>und</strong> die darin enthaltene Erfahrung wird in ihrer „Durchlässigkeit“ auf demselben<br />
Niveau stehen mit allen übrigen Erfahrungen des Nervensystems. Damit ist sie ohne<br />
weiteres eingliederbar, d.h., es bestehen Verbindungsmöglichkeiten zu den übrigen<br />
Reaktionsbahnen. Was bleibt, ist die positive Bewertung aller Situationen, die<br />
wesentlichen Assoziationen mit der durchgespielten gemeinsam haben.<br />
5.3. Der topische Aspekt<br />
Es, Ich <strong>und</strong> Über-Ich des FREUD'schen Konzeptes sind keine Funktionskategorien<br />
wie Bewusstes <strong>und</strong> Unbewusstes, sonder postulierte Bereiche der Psyche. Wir<br />
müssen anhand ihrer Funktion versuchen, ihnen eine Bedeutung in unserem<br />
Konzept zuzuschreiben.<br />
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