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Nervenzelle und Tiefenpsychologie

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Man würde hier einwenden können, dass Strafe normalerweise wohl geeignet ist,<br />

einem Kind ein Verhalten abzugewöhnen. Nur in besonderen Fällen funktioniert dies<br />

nicht. Die Erklärung ist einfach. An das Verhalten „Kirschen stehlen“ wird eine<br />

Ausweichreaktion ankonditioniert. In der Lernphase muss die Strafe auftreten, um die<br />

Ausweichreaktion auszulösen. Später, nach ausreichender Konditionierung, tritt die<br />

konditionierte Ausweichreaktion auf, ohne dass der ursprüngliche Anlass vorhanden<br />

ist. Das Kind wird irgendwann während des Verhaltens „Kirschen stehlen“<br />

davonlaufen. Nun lauten die Bedingungen, die nötig sind, um eine Reaktion<br />

auszulösen, so, dass die entsprechende Nervenbahn mit genügend Erregung<br />

beschickt werden muss. Je besser also eine Reaktionsbahn schon verstärkt ist,<br />

desto weniger situationale Reize sind nötig, um die Reaktion auszulösen. Es kann<br />

die Ausweichreaktion nach entsprechender Einübungauftreten allein durch das<br />

gleichzeitige Auftreten der Assoziation „Kirschen“ <strong>und</strong> „stehlen“. Ist dies der Fall, so<br />

wird die Handlung „Kirschen stehlen“ tatsächlich nicht mehr ausgeführt, hingegen ist<br />

der Gedanke an die gestohlenen Kirschen verstärkt <strong>und</strong> wird immer mehr<br />

faszinieren.<br />

Gehen wir noch einen Schritt weiter. Dieser Zyklus ist selbstverstärkend: der<br />

Gedanke an die gestohlenen Kirschen wird immer faszinierender, löst jedes Mal<br />

leichter <strong>und</strong> früher die Ausweichreaktion aus, was wiederum den Gedanken<br />

verstärkt. Ist die Ausweichreaktion gut eingeübt, so kann sie so schnell auftreten,<br />

dass sie den Gedanken schon in dem Moment, da er auftaucht, wieder ablöst. Dieser<br />

Gedanke wird nur mehr „angesetzt“, aber nicht mehr gedacht. Er wird nicht mehr<br />

bewusst. Bewusstseinsfähig (<strong>und</strong> so verstand FREUD das „Bewusstsein“, siehe<br />

1940 a) sind also genau diese Inhalte, die nicht schon bevor sie gedacht werden eine<br />

Ausweichreaktion auslösen. Alle Reaktionen bzw. Inhalte, an die<br />

Ausweichreaktionen gut genug gekoppelt sind, sind „unbewusst“. Gelingt es, zu dem<br />

Auslösepunkt der Ausweichreaktion Zugang zu finden, so kann sie angebaut werden.<br />

Dafür gibt es verschiedene Möglichkeiten. Alle tiefenpsychologischen<br />

Therapieformen haben dies gemeinsam: Den Weg über den Ansatzpunkt der<br />

Ausweichreaktion.<br />

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