Nervenzelle und Tiefenpsychologie
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gibt, sich mit „Spielzeug“ abzulenken, müsste mit der Zeit die Orientierungsreaktion<br />
frustriert <strong>und</strong> gelöscht werden, so dass das ursprüngliche Bedürfnis bewussteinsfähig<br />
wird <strong>und</strong> Wege zu seiner Befriedigung gesucht werden können. Solange hingegen<br />
immer wieder neue Möglichkeiten zur Ablenkung von einem Bedürfnis im Sinne der<br />
Spielzeugkonditionierung vorhanden sind, wird der Konditionierte niemals Zugang zu<br />
seinem wirklichen Bedürfnis haben, es daher auch niemals befriedigen können.<br />
Unser Beispiel vom Hunger ist natürlich ein schlechtes, denn Nichtbefriedigen von<br />
Hunger führt zum Exitus. Wohl aber ist es möglich, in Bezug auf das<br />
Kontaktbedürfnis unbefriedigt zu leben. Dies scheint uns der Hauptmechanismus<br />
unserer Konsumgesellschaft zu sein.<br />
Zurück zu PAWLOW: es ist nicht mehr problematisch, die Aufschlüsselung des<br />
bedingten Reflexes auf einzelne Aspekte der Reizstruktur zu akzeptieren:<br />
„Auf die Funktion der Speicheldrüsen wirkt das Objekt auf Distanz nicht nur<br />
durch den vollen Komplex seiner Eigenschaften, sondern auch durch die<br />
einzelnen Eigenschaften. ... Aber die vereinigte Wirkung aller dieser<br />
Eigenschaften des Objekts auf einmal ergibt immer einen sicheren, stärkeren<br />
Effekt, d.h. die Summe der Reize wirkt stärker als die einzelnen Reize.“<br />
(PAWLOW 1972, p. 21)<br />
Wir wollen noch ein anderes Gesetz Pawlows untersuchen, das „Gesetz von<br />
Irradiation <strong>und</strong> Konzentration des Nervenprozesses“:<br />
„Wir haben einen H<strong>und</strong> vor uns, bei dem mit Hilfe der Einwirkung von Säure als<br />
eines unbedingten Reizes auf die M<strong>und</strong>höhle die mechanische Reizung von<br />
mehr als zwanzig verschiedenen Hautstellen zum bedingten Reiz der<br />
Säurereaktion gemacht worden ist, d.h., bei der mechanischen Reizung dieser<br />
Stellen (durch ein besonderes Gerät) tritt jedes Mal eine Speichelabsonderung<br />
von bestimmten Ausmaß <strong>und</strong> eine entsprechende motorische Reaktion ein. Die<br />
Wirkung der einzelnen Hautstellen ist ausgeglichen, sie ist gleich groß. Jetzt<br />
der Versuch selbst. Wir nehmen irgendeine Hautstelle <strong>und</strong> reizen sie<br />
mechanisch für eine bestimmte Zeit, z.B. für 30 Sek<strong>und</strong>en. Wir erhalten einen<br />
in Einheiten genau messbaren Reflex an der Speicheldrüse. Dieses Mal fügen<br />
wir dem bedingten reiz, das Eingießen der Säure, hinzu, <strong>und</strong> nach einer<br />
bestimmten Zwischenzeit, z.B. nach 2 Minuten, wiederholen wir die bedingte<br />
Reizung. Wir erhalten einen verminderten reflektorischen Effekt. Wir<br />
wiederholen diese Reizungen, bis unser bedingter Reflex Null wird. Diese<br />
Erscheinung haben wir als Erlöschen des bedingten Reflexes bezeichnet; sie<br />
ist eine der Arten der inneren Hemmung. Durch unser Verfahren haben wir also<br />
einen Hemmungsprozess in einem bestimmten Punkt der kortikalen Endigung<br />
des Hautanalysators, d.h. des Abschnittes der Großhirnhemisphären, der mit<br />
der Haut in Verbindung steht, hervorgerufen. Jetzt wollen wir die Fortbewegung<br />
dieses Prozesses verfolgen. Unmittelbar nachdem wir an unsrer wiederholt<br />
gereizten Stelle, die 20 bis 30 cm von der ersten entfernt liegt. (Dabei handelt<br />
es sich um einen H<strong>und</strong> mittlerer Größe.) Hier erhalten wir einen Effekt, der dem<br />
gewöhnlichen, normalen, gleicht, sagen wir, 30 Teilstriche unseres Röhrchens,<br />
mit der wir die Menge des abgesonderten Speichels messen. Denselben<br />
Versuch wiederholen wir das nächste Mal (am nächsten Tag, am übernächsten<br />
Tag usw.), so dass wir die Reizung der neuen entfernteren Stelle nicht<br />
unmittelbar nach dem Erhalten des Nullwertes an der primär erlöschenden<br />
Stelle, sondern erst nach 5 Sek<strong>und</strong>en durchführen. Jetzt ist der Effekt der<br />
Speichelabsonderung hier vermindert, z.B. 20 Teilstriche (das sek<strong>und</strong>äre<br />
Erlöschen). Bei der nächsten Wiederholung desselben Versuchs, aber bei einer<br />
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