Nervenzelle und Tiefenpsychologie
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Diese Extinktion ist nie total, sondern gr<strong>und</strong>sätzlich nur relativ. eine Reaktionsbahn<br />
wird nur so weit gelöscht, bis eine andere Bahn „durchlässigere“ ist als die erste.<br />
Damit erklärt sich, dass Frustration zur Regression führt: wird die neuere Reaktion<br />
durch Frustration inhibiert, so steht die nur teilweise gelöschte ältere Funktion wieder<br />
zur Verfügung <strong>und</strong> tritt wieder auf, sobald sie „durchlässiger“ ist als die erste. Ähnlich<br />
steht es mit neurotischen Charakterhaltungen in der Analyse. REICH (1973)<br />
beschreibt anschaulich in der „Charakteranalyse“, wie jedes Mal, wenn mit starker<br />
Abwehr gekoppelte Situationen auftreten, neurotische Züge, die schon analysiert <strong>und</strong><br />
zeitweise aufgegeben waren, wieder eingesetzt werden <strong>und</strong> noch einmal bearbeitet<br />
werden müssen, bis die „Analysefähigkeit“ wieder stärker ist als die Abwehr, d. h. bis<br />
die neurotische Reaktion wieder ein Stück weiter inhibiert ist. Tritt hingegen nach<br />
Ausführung einer Reaktion eine Situationsveränderung ein, so wird die Nervenbahn<br />
ihre erhaltene Verstärkung beibehalten <strong>und</strong> die entsprechende Reaktion wird später<br />
bevorzugt auftreten. Die Entlastung der Nervenbahn wird dann verursacht durch die<br />
Veränderung der von den Rezeptoren ausgehenden Impulsstruktur, die eine neue,<br />
andere Reaktionsbahn ansprechen wird.<br />
Ich verweise hier auf den Aufsatz von GLICKMANN <strong>und</strong> SCHIFF (1971), die<br />
Verstärkung identifizieren als „Auslösung von Aktivität in den neuralen Systemen, die<br />
artspezifisches Konsumverhalten steuern“ (p. 81). Es scheint plausibel, dass gerade<br />
die gut eingeschliffenen <strong>und</strong> daher leicht ansprechbaren „Primärreaktionen“<br />
(GLICKMANN <strong>und</strong> Schiff erwähnen neben Fressen <strong>und</strong> Trinken noch<br />
Sexualverhalten <strong>und</strong> Nestbau) die Prototypen der Ansprechbarkeit auf<br />
„Situationsveränderung“ darstellen.<br />
Dies ist also das Prinzip der vorliegenden Arbeit, das eine psychologische Theorie<br />
mit einbeziehen sollt, wenn sie sich nicht als von der Neuropysiologie unabhängig<br />
erklären will. Es soll deutlichst darauf hingewiesen werden, dass bisher keine<br />
Unterscheidung zwischen einer „erfreulichen“ <strong>und</strong> einer „unerfreulichen“<br />
Situationsänderung gemacht werden konnte, <strong>und</strong> dass die eigentliche Verstärkung<br />
nicht durch den Effekt der Reaktion bestimmt ist, sondern durch den Ablauf der<br />
Reaktion selbst. Damit sind teleologische Aspekte vermieden <strong>und</strong> eine<br />
naturwissenschaftliche Bearbeitung ist gewährleistet. Es soll sich später zeige, dass<br />
durch zyklische Prozesse ein Verhalten bewirkt werden kann, das zielgerichtet<br />
scheint, ja, dass auf diese Weise alle „Ziele“ des menschlichen Daseins sich<br />
entwickeln. Bei genauerer Betrachtung wird sich immer die Möglichkeit finden, diese<br />
Ziele zu hinterfragen <strong>und</strong> als „ehemalige Effekte“ zu „entlarven“. Es ist nicht die<br />
Meinung des Autors, dass die naturwissenschaftliche Betrachtungsweise („aus<br />
gleichen Voraussetzungen erbeben sich gleiche Folgen“) die einzig mögliche ist,<br />
wohl aber scheint es notwendig, scharf zwischen verschiedenen Betrachtungsweisen<br />
zu trennen. Übergänge zwischen verschiedenen Betrachtungssystemen sind nicht<br />
auf Richtigkeit überprüfbar <strong>und</strong> eine Vermischung verschiedener Systeme kann nie<br />
konsistent sein. Gerade die zyklischen (sich wiederholenden) Prozesse zeigen aber<br />
sehr deutlich, dass kausale <strong>und</strong> finale Betrachtungsweisen in ihrer letzten<br />
Konsequenz ineinander übergehen <strong>und</strong> daher gleichwertig nebeneinander existieren<br />
können. Ich selbst bevorzuge die naturwissenschaftliche Betrachtungsweise, weil ich<br />
darin wesentlich geübter bin als in der finalen; <strong>und</strong> weil mir wesentlich mehr Daten in<br />
Kausalschemata zur Verfügung stehen als in finalen.<br />
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