01.11.2013 Aufrufe

Nervenzelle und Tiefenpsychologie

Nervenzelle und Tiefenpsychologie

Nervenzelle und Tiefenpsychologie

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Vielleicht kann man hier schon das erste kleine Beispiel aus der Psychologie<br />

unterbringen: es ist bekannt, dass der Lerneffekt bei Bestätigung richtiger Leistungen<br />

durch den Lehrer größer ist, wenn zwischen dem Anbieten der Leistung <strong>und</strong> der<br />

Verstärkung durch den Lehrer eine gewisse, nicht zu lange Zeit verstreicht, als wenn<br />

sofort verstärkt wird. Wenn also der Erregungszustand länger erhalten bleibt, so ist<br />

der Lerneffekt größer. Dies widerspricht nicht den Ergebnissen etwas PAWLOWs,<br />

nach denen sich ein bedingter Reflex nur dann ausbildet, wenn eine bestimmte<br />

zeitliche Kontinuität gegeben ist: der Aufbau eines bedingten Reflexes ist ein<br />

komplexerer Vorgang, der erst später angesprochen wird.<br />

In dem jetzt besprochenen Bereich ist eine Unterscheidung von Lust <strong>und</strong> Unlust oder<br />

Appetenz <strong>und</strong> Aversion, gänzlich unmöglich, da das Nervensystem bis jetzt nur ein<br />

„Schaltungsgeflecht“ ist. Die Unterscheidung wird sich erst viel später, bei der<br />

Betrachtung der verschiedenen Reaktionsmöglichkeit des Menschen, ergeben.<br />

Physiologische Untersuchungen legen auch die Annahme nahe, dass die<br />

verschiedenen Gefühlsqualitäten (die ja ebenfalls beim Säugling zunächst nicht<br />

unterschieden zu sein scheinen), abgesehen von kognitiven Faktoren, identisch sind:<br />

“Nach ihren organischen Gr<strong>und</strong>lagen kann keine eindeutige Abgrenzung<br />

vorgenommen werden, da für jede von ihnen das gesamte unspezifische<br />

Aktivierungssystem zuständig ist; auch die physiologischen Indikatoren<br />

erlauben keine objektive Unterscheidung.“ (GUTMANN 1972, p.187).<br />

Führt nun eine durchgeführte Reaktion nicht sofort zu einer ausreichenden<br />

Situationsveränderung, so wird sie weiter betrieben werden, wobei die<br />

entsprechenden Nervenbahnen immer mehr verstärkt werden. Dies führt zu einer<br />

hohen Aktivität der entsprechenden <strong>Nervenzelle</strong>n, die inhibitorischen <strong>Nervenzelle</strong>n<br />

bzw. Synapsen treten in Kraft <strong>und</strong> bewirken eine Abschwächung der Reaktion.<br />

„... jede Reaktionsauslösung produziert im Organismus eine bestimmte<br />

Erhöhung einer Art Ermüdungssubstanz oder –zustand“, der „die Fähigkeit hat,<br />

direkt die Kraft von S,R auszulösen, zu inhibieren.“ (HULL 1943, p. 391. S<br />

bedeutet eine bestimmte Reizsituation <strong>und</strong> R eine bestimmte Reaktion).<br />

Die Inhibition wird stärker werden, zum Teil aufgr<strong>und</strong> der kurzfristigen Aktivierung der<br />

inhibitorischen Synapsen, zum Teil wird sie dauernd wirksam bleiben <strong>und</strong> beim<br />

nächstenmal früher <strong>und</strong> stärker auf den Erregungsablauf einwirken. Hat die Inhibition<br />

eine ausreichende Stärke erreicht, so wird die bisher betriebene Verhaltensweise<br />

unterb<strong>und</strong>en – der Erregungsablauf ist blockiert. Gleichzeitig mit dieser Blockierung<br />

der einen Nervenbahn werden die Impulse in anderer Richtung Bahnungen<br />

vorantreiben. Damit werden andere Reaktionsmöglichkeiten angesprochen <strong>und</strong> bei<br />

Abbrechen der einen Reaktion beginnt schon eine andere. Der Effekt ist ein<br />

zweifacher:<br />

Es wird die erste Nervenbahn leichter unterbrechbar sein, d. h., wenn beim nächsten<br />

Mal wieder kein Effekt eintritt, wird sie schneller abklingen <strong>und</strong> daher auch weniger<br />

Verstärkung erfahren.<br />

Es wird eine andere, neue Reaktion versucht <strong>und</strong> verstärkt, die, wenn sie zu Erfolg<br />

führt, beim nächsten Mal dann leichter auftreten wird.<br />

Im weiteren Verlauf kann dieses Spiel so oft betrieben werden, bis die erste Reaktion<br />

gar nicht mehr auftritt, sondern sofort die zweite. Damit ist die erste als extingiert zu<br />

betrachten.<br />

22

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!