Nervenzelle und Tiefenpsychologie
Nervenzelle und Tiefenpsychologie
Nervenzelle und Tiefenpsychologie
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Eine solche Durchschaltung nenne ich Reaktionsbahn. Das ist, grob gesprochen<br />
eine Linearkombination 7 aus lauter rückgekoppelten Elementen, wie sie oben<br />
beschrieben wurden. Lineare Kombinationen haben aber prinzipiell gleiche, nur<br />
quantitativ verschiedene, Charakteristika wie die Elemente, aus denen sie sich<br />
zusammensetzen. Daher folgt die Reaktionsbahn im Prinzip den gleichen Gesetzen<br />
wie die einzelne <strong>Nervenzelle</strong>: Ihre Durchlässigkeit (<strong>und</strong> damit die Intensität der<br />
Reaktion) steigt zunächst an, <strong>und</strong> tritt keine Erregungsverminderung von den<br />
Rezeptoren her auf, so sinkt nach einiger Zeit die Durchlässigkeit wieder: die<br />
Reaktion lässt trotz gleich bleibender Reizsituation wieder nach.<br />
3.5. Das Nervengeschehen<br />
Wenn wir uns also damit begnügen, die <strong>Nervenzelle</strong>n als irgendwie verteilt<br />
betrachten, <strong>und</strong> der inhibitorischen <strong>Nervenzelle</strong> die Funktion einer<br />
Erregungsbegrenzung im Falle einer Überlastung zuteilen, so ergibt sich, dass jede<br />
Reaktion des Nervensystems eine Durchschaltung der Erregungsleitung von einer<br />
bestimmten Reizkonstellation zu einer bestimmten Aktivität, eine durch sehr, sehr<br />
viele Leitungen <strong>und</strong> noch viele mehr <strong>Nervenzelle</strong>n gehende Informationsvermittlung<br />
ist. Diese Durchschaltung wird so lange anhalten, bis sich die Reizsituation in<br />
wesentlichen Punkten ändert, sodass neue Bahnen angesprochen werden <strong>und</strong> die<br />
alten entlastet werden oder bis fast keine Reize diese Durchschaltung mehr<br />
beschicken. Während dieser Zeit werden sämtliche beteiligten <strong>Nervenzelle</strong>n <strong>und</strong><br />
Synapsen aktiviert <strong>und</strong> ausgebaut, was bedeutet, dass jede einmal stattgef<strong>und</strong>ene<br />
Reaktion beim nächstenmal eher <strong>und</strong> leichter ablaufen wird. Es ist in Gedanken der<br />
Neurophysiologie zunächst nicht denkbar, dass erst die Veränderung der<br />
Reizsituation die Veränderung bzw. Verstärkung bewirkt.<br />
Dies geht vor allem auch daraus hervor, dass die <strong>Nervenzelle</strong> nur binär arbeitet: sie<br />
registriert das Eintreffen eines Impulses bzw. dessen Nicht-Eintreffen. Sie kann aber<br />
nicht verschiedene Arten von Impulsen unterscheiden, daher ist es nicht möglich,<br />
dass die <strong>Nervenzelle</strong>n in irgendeiner Weise vom „Erfolg“ einer Aktivität des Körpers,<br />
an der sie beteiligt war, benachrichtigt wird, es sei denn durch Verstärkung oder<br />
Verringerung der eintreffenden Impulse.<br />
7<br />
Eine Linearkombination sei hier einfach definiert als eine Zusammenstellung, in der alle<br />
Systemübergänge Veränderungen in der gleichen Dimension bewirken: Potentialsteigerungen oder<br />
Potentialsenkung. Andere Dimensionen sind nicht vorhanden <strong>und</strong> daher auch nicht wirksam.<br />
21