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Teil 2 - 850 Jahre Erlenbach

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war. Sie erhob sich 5 Fuß hoch aus dem Moor 1 . Der Fluss machte dort einen<br />

Bogen und bildete einige Sümpfe. Auf der anderen Seite waren genug Wald,<br />

Heidekraut und landwirtschaftliche Flächen. Die Fortbesatzung bestand nur aus<br />

500 Infanteristen und 200 Reitern unter dem Kommando des Offiziers Bamberg,<br />

der über einen guten Ruf verfügte. Ihm standen 100 Stück Artillerie und<br />

ausreichende Munition zur Verfügung. So konnte er eigentlich eine lange<br />

Belagerung gut durchstehen. Der Angriff auf diese Befestigungsanlage war<br />

eigentlich nur frontal möglich.<br />

Am 16.8.1644 verließ Prinz Louis de Bourbon, = der Herzog von d´Enguien<br />

sein Lager und marschierte linksrheinisch den Rhein entlang und durchquerte die<br />

Grafschaft Baden Er führte die gesamte französische Infanterie der zwei Armeen<br />

und die Kavallerie an. Unterwegs nahm er noch eine stark befestigte Burg, mit<br />

einem Wassergraben außen herum ein, die nur wenige Meilen von Straßburg<br />

entfernt war. Nach dem langen 10tägigen Marsch stand seine Armee am<br />

25.8.1644 auf der gegenüberliegenden Rheinseite Philippsburgs. Nachdem Duc<br />

d`Enguien die militärische Situation erfasst hatte, beschäftigte er sich mit dem<br />

Rest des Tages mit der Lagerorganisation. Er beschloss, das Fort während der<br />

Nacht anzugreifen.<br />

Die französische Armee bezog ihr Lager bei Knaudenheim bis zum Bach<br />

(Graben), der die Ebene durchzieht. Die weimarsche Armee (früher<br />

schwedische) lag jenseits des Flusses bis nach Rheinhausen.<br />

Und dann wurde es Nacht. Die französischen Truppen setzten sich in Marsch, in<br />

Richtung Fort. Der Herzog nahm den Umweg durch das Wäldchen. Der Vicomte<br />

de Turenne näherte sich ihnen indessen über kleine Deiche, die durch den Sumpf<br />

führten. Da Bamberg nicht genug Infanterie hatte, hatte er sich nach Philippsburg<br />

zurückgezogen. Durch die kluge Operation Turennes kam er dem Duc d`Enguien<br />

noch vor Mitternacht zuvor und besetzte das verlassene Fort. So hatte er alles<br />

Notwendige getan, um die Stadt von dieser Seite her besser angreifen zu können.<br />

Am nächsten Tag begannen seine Soldaten die Belagerungsanlagen zu erweitern.<br />

In nur vier Tagen schaufelten sie einen Hohlweg von einem bis zum anderen<br />

Ende ihres Quartiers, von Knaudenheim bis nach Rheinhausen. Die<br />

Umwallungen erhielten zudem schützende Brüstungen<br />

Inzwischen erreichten die franz. Transportboote die Belagerer. Sie waren voll mit<br />

Kanonen, Munition und Lebensmitteln beladen. Der Konvoi war durch 300<br />

Soldaten an Bord geschützt gewesen. Außerdem hatten sie Brückenteile geladen,<br />

mit denen bauten die Pioniere in nur 24 Stunden eine Brücke von Knaudenheim<br />

nach Germersheim. Die Einnahme Germersheims war notwendig geworden, weil<br />

es sonst unmöglich war, Hilfeleistungen von dort zu unterbinden. Der Marquis<br />

d´Aumont ging mit 600 Infanteristen und 300 Reitern auf Germersheim zu. Nach<br />

zwei Tagen hatte er es eingenommen und dann kam Speyer an die Reihe. Turenne<br />

schreibt, Speyer habe nichts Besonderes, außer dem Kaiserlichen Gerichtshof 1 .<br />

Dort sei keine Garnison und die Stadt sei nur von einer einfachen Mauer und<br />

antiken Türmen, aber einem bösem Graben umschlossen. Speyer öffnete<br />

angesichts der Bedrohung freiwillig seine Tore und erhielt am 29.8.1644 eine<br />

französische Besatzung.<br />

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Während der Marquis d´Aumont alle wichtigen Plätze entlang des Rheins<br />

einnahm, fing der Duc d`Enguien am 29. August an, Philippsburg anzugreifen.<br />

Aber zuvor hatte er Forts und Redouten anlegen lassen, wo es möglich war. Seine<br />

Soldaten hatten viele Bäume gefällt. Einerseits versperrten sie damit die<br />

Festungsausgänge, andererseits brauchten seine Mineure das Holz. Man hatte<br />

seine Annäherung beobachtet und gesehen, dass er nur mit einer Spitze den<br />

Angriff startete. Er befand sich auf einem sandigen Terrain, das sich in ganzer<br />

Breite bis zu den zwei Bastionen der Stadt erstreckte. Duc d`Enguien befahl zwei<br />

Attacken auf diesen Ort, den linken Flügel befehligte Grammont und Turenne den<br />

rechten. Durch heftiges Feuer, mussten sie sich immer wieder zurückzuziehen.<br />

Die Verteidiger sahen nur was tagsüber über der Erde geschah. Unbeobachtet ließ<br />

Duc d`Enguien von seinen Mineuren Gänge in Richtung Festung Philippsburg<br />

graben. Wegen des Sandes hatten sie leichte Arbeit, Nachteil war aber die<br />

Einsturzgefahr. Die Gänge mussten deshalb mit Stämmen und starken Ästen<br />

gesichert werden. Als die Arbeiter begannen die letzten Verteidigungsanlagen zu<br />

durchbohren, war die Festung nicht mehr zu halten. Der verteidigende Offizier<br />

Bamberg erkannte die ungünstige Situation und schloss deshalb schnell noch<br />

günstige Kapitulationsbedingungen ab. Bamberg und der Duc d´Enguien<br />

tauschten Geißeln aus und die österreichische Garnison verließ erhobenen<br />

Hauptes mit wehenden Fahnen und klingendem Spiel am 12. September mit zwei<br />

Kanonen Philippsburg.<br />

Nach der Eroberung machte es sich der Duc d`Enguien in Philippsburg bequem,<br />

zumal er durch Boten erfuhr, dass sich ihm der österreichische General Graf<br />

Merci näherte. Die Breschen, die seine Kanonen in die Verteidigungsanlagen<br />

geschossen hatten, ließ er schließen. Er war zufrieden mit dem Erreichten und<br />

wollte keinen weiteren Kampf. Dies kam seinen Soldaten entgegen, denn die<br />

franz. Armee war müde und schwach von dem harten Einsatz.<br />

Turenne wandte sich jetzt Worms zu. Diese Stadt wurde vom Herzog Charles de<br />

Lorraine (von Lothringen) gehalten, nachdem er alle seine Ländereien verloren<br />

hatte. Auf dem Weg nach Worms hatte Turenne seine gesamte deutsche<br />

Kavallerie und 500 Infanteristen dabei. Sie entsetzten unterwegs Flechsheim und<br />

Oberst Savari sollte Frankenthal einnehmen, was aber wegen der heftigen<br />

Gegenwehr nicht gelang.<br />

Angesichts des franz. Anmarsches komplimentierten die Wormser Bürger die<br />

Lothringer aus der Stadt heraus und öffneten Turenne die Tore. Von da aus<br />

marschierte Turenne auf Mainz zu und Rosen sollte Oppenheim einnehmen, das<br />

sich tatsächlich ohne Widerstand ergab, obwohl es damals ein sehr gutes<br />

„Schloss“ hatte.<br />

Turenne marschierte Tag und Nacht ohne Gepäck, um dem Feind zuvor zu<br />

kommen, der auch im Begriffe war, Mainz einzunehmen. Während sich Turenne<br />

Mainz näherte, sah er auf der anderen Rheinseite 1.000 Dragoner der Bayerischen<br />

Armee unter dem Kommando des Obersten Wolf, dem auch die Transportboote<br />

unterstanden, die auf Mainz zu schwammen. Als Turenne mit dem Herold und<br />

Trompeter vor dem südlichen Stadttor erschien, hielt Oberst Wolf bereits in der<br />

Stadt vor dem Domkapitel eine Rede, um die Verteidiger davon zu überzeugen,


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sich gegen die Franzosen zu verteidigen. Als Argument verwies er auf die<br />

bayerische Armee, die auf der anderen Rheinseite stünde.<br />

Die Herren des Domkapitels riefen daraufhin alle wichtigen Leute der Stadt<br />

zusammen und berieten sich mit ihnen. Sie beschlossen, nur mit dem Duc<br />

d´Enguien zu verhandeln und nur ihm die Stadtschlüssel nach einer ehrenhaften<br />

Kapitulation überreichen zu wollen. Sie verwiesen den Obersten Wolf mit seiner<br />

Delegation sofort aus Mainz. Sie ließen Turenne in die Stadt kommen und<br />

überbrachten ihm ihren Beschluss. Turenne benachrichtigte daraufhin den Duc<br />

d´Enguien, der sich sofort in den Sattel schwang und in einem scharfen Ritt in nur<br />

1 ½ Tagen mit 400 Reitern in Mainz ankam.<br />

Daraufhin kapitulierten die Mainzer Domherren 174 , nachdem die Stadt von<br />

Plünderungen und hohen Kontributionen verschont blieb. Turenne schreibt, Mainz<br />

sei ein beachtlicher Platz am Rhein gewesen. Vor allem weil es das Eingangstor<br />

zum Hessenland sei und zudem an der Mündung des Mains läge. Seine Kraft<br />

beruhe vor allem auf dem handwerklichen Geschick seiner zahlreichen Einwohner<br />

und nicht so sehr auf seinen vernachlässigten Verteidigungsanlagen. Die<br />

Einnahme wäre auch ohnedies sehr einfach gewesen, denn die Mainzer Garnison<br />

hätte nur aus wenigen Soldaten bestanden, die vom Domkapital bezahlt worden<br />

war.<br />

Turenne griff die Wolf´schen Dragoner an und beschoss erfolgreich deren Boote,<br />

so dass sie sich bis nach Aschaffenburg zurückzogen. Wegen des großen<br />

französischen Erfolges verpflichtete sich das Domkapitel auch, ihre Festung in<br />

Bingen aufzugeben. Dort zogen dann franz. Truppen ein.<br />

Turenne stationierte nun 400 franz. Soldaten in Mainz, die die alten<br />

Befestigungsanlagen reparieren und neue anlegen sollten. Um nun die ganze Pfalz<br />

in den Griff zu kriegen, schickte er den Marquis d´Aumont mit 1.200<br />

Infanteristen und 1.500 Reitern in den Südwesten, um auch Landau zu besetzen.<br />

Turenne schreibt, Landau liegt in einer Ebene, vier große Meilen (20 km) von<br />

Philippsburg entfernt. Es sei gut bevölkert und seine Verteidigungsanlagen<br />

bestünden aus einer Umwallung mit alten (antiken) Türmen. Außen herum sei ein<br />

halbmondartiger Wassergraben angelegt. Landau hatte eine Lothringische<br />

Besatzung von 400 Mann. Der lothringische Kommandant hatte einen Hilferuf an<br />

General Merci geschickt, der sich langsam rechtsrheinisch auf Landau<br />

zubewegte. Die französischen Belagerungsarbeiten liefen sofort<br />

erfolgsversprechend an. Bei der Besichtigung der Erdarbeiten wurde d´Aumont<br />

durch eine Gewehrkugel so schlimm verwundet, dass er wenige Tage später in<br />

Speyer starb.<br />

So kam Turenne nicht umhin, sich selbst um die Einnahme Landaus zu kümmern.<br />

Turenne ließ in nur drei Tagen den Schützengraben direkt auf den Festungswall<br />

zuführen. So konnten seine Leute dort eine Batterie aufbauen. Am fünften Tag<br />

kam der Duc d´Enguien, um den Fortgang zu beobachten. Der lothringische<br />

174 ) Der Mainzer Kurfürst glaubte nicht in Mainz in Sicherheit leben zu können und hatte sich<br />

nach Hermesheim (bei Koblenz) zurückgezogen. Die Domherren hatten in seiner Abwesenheit<br />

die Regierungsgewalt übernommen.<br />

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Kommandant verhandelte mit Turenne die Übergabe und konnte danach mit<br />

seinen Truppen in Richtung West abziehen. Nachdem diese Stadt erobert war,<br />

pflückte Turenne Neustadt und dann Mannheim wie reife Früchte. Andere<br />

befestigte Plätze leisteten nun keinen Widerstand mehr und öffneten bereitwillig<br />

ihre Tore. Turenne schreibt, die franz Armee war Herr über die Pfalz von<br />

Straßburg bis rauf nach Koblenz, nur Frankenthal blieb unter spanischer<br />

Besatzung.<br />

Die Bewohner der Dörfer und Städte wurden mit Kontributionen schwer belastet.<br />

4.15. Friedensverhandlungen in Münster<br />

(von Turenne)<br />

übersetzt & redigiert von Detlef Uhrig<br />

1641: Die verschiedenen Machtzentren Europas träumten von einem<br />

allgemeinen Frieden. Dieser fatale Religionskrieg loderte bereits 21 <strong>Jahre</strong> im<br />

Deutschen Kaiserreich und hatte nach und nach die gesamte Christenheit<br />

erfasst. Alle Seiten feierten abwechselnd kurzfristig auf dem Rücken der<br />

Menschen ihre Erfolge, die die Landschaften und die Staatskassen ruiniert<br />

hatten. Ein einhelliger Schrei der Machthaber (Prinzen) und der Staaten<br />

verlangten den Frieden. Die Kurfürsten Sachsens und Brandenburg hatten<br />

die Könige Englands und Dänemarks engagiert, um zwischen den<br />

protestantischen Fürsten zu vermitteln. Auch Papst Urban VIII.. tat das<br />

Seinige auf Seiten der katholischen Liga. Der deutsche Kaiser hatte seine<br />

Getreuen nach Regensburg geladen, um mit ihnen nach geeigneten Mitteln<br />

zu suchen, um diesen Krieg zu beenden. Sie hatten lange Zeit über den<br />

fraglichen Verhandlungsort diskutiert und hatten sich auf Hamburg geeinigt.<br />

Dort wurde 1641 beschlossen, dass die Verhandlungen in Münster und<br />

Osnabrück in Westfalen sein sollten. Frankreich ging nach Münster und das<br />

Königreich Schweden war in Osnabrück, wo jeder der beiden Monarchen<br />

eine eigene Residenz besaß, wo ihre Bevollmächtigten wechselseitig<br />

kommunizieren und Beschlüsse herbeiführen konnten.<br />

Seit diesem Moment hoffte ganz Europa auf einen baldigen Frieden. Die<br />

Friedensverhandlungen begannen im März 1642. Aber der Kardinal<br />

Richelieu schätzte, dass die Zeit noch nicht gekommen sei, wo Frankreich<br />

genügend beachtliche Vorteile aus einem Frieden ziehen konnte. Die<br />

militärischen Expeditionen der Franzosen und der Schweden gingen fort und<br />

der Frieden rückte in weite Ferne. Doch dann starb Richelieu am 4.12.1642<br />

in Paris. Sein Nachfolger Mazarin führte den Krieg weiter. Aber die Erfolge<br />

wurden immer seltener<br />

1644: Vor allem nach dem Tod des Marschalls Guébriant schickte der<br />

neue Regierungschef Kardinal Mazarin seine Verhandlungsführer nach<br />

Münster. Er hatte mit den Grafen d`Avaux und Servien zwei sehr<br />

geschickte Persönlichkeiten ausgewählt, die nicht unterschiedlicher hätten<br />

sein können. („sehr gegensätzliche Charaktere“) Um weiteren hassvollen<br />

Streit zwischen ihnen zu vermeiden, schickte er als Chef den Herzog von


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Longueville nach Münster, damit diese Kommission einheitlich nach außen<br />

auftreten konnte. Die Friedensverhandlungen begannen endlich im April<br />

1644. Aber der Krieg in und um die Pfalz ging weiter. Philippsburg wurde<br />

umkämpft, Worms, Oppenheim und Mainz wurden eingenommen und zu<br />

franz. Garnisonen gemacht. Ende September wurden Landau →<br />

Neustadt→ Mannheim → und andere Plätze besetzt. Die pfälzische &<br />

rheinhessische Bevölkerung hatte finanziell und materiell schwer zu leiden.<br />

Turenne bzw. der Duc d´Enguien konnte 1644 Frankenthal nicht<br />

einnehmen. 1646 versuchte er es nochmals vergeblich. Eigentlich war die<br />

ganze Pfalz franz. besetzt außer Frankenthal. Die Spanier unter ihrem<br />

Kommandanten Frangipani, die seit 1635 Frankenthal besetzt gehalten<br />

hatten. 175 verteidigten sich erfolgreich Dies war eine spanische Insel im<br />

franz. Meer.<br />

1648: Nach vielen getrennten Verhandlungen der Österreichischen<br />

Botschafter mit Frankreich in Münster sowie mit den Schweden und seinen<br />

Verbündeten in Osnabrück unterzeichneten die Kriegsparteien am<br />

24.10.1648 den Friedensvertrag von Westfalen. Frankreich behielt das, was<br />

es sich im Krieg unter Turenne mit einem hohen Blutzoll und fast einem<br />

Staatsbankrott erkämpft hatte. Es bekam das österreichische Elsaß, Breisach,<br />

den Sundgau. Für die franz. Regierung war die Festung Philippsburg mit<br />

dem leichten Rheinübergang besonders wichtig.<br />

4.16. Was regelte der Friedensvertrag?<br />

An den Friedensverhandlungen in Osnabrück nahm ab Januar 1646 Dr. Jonas<br />

Meisterlin als Botschafter (Legat) teil. Er war Kanzler der Kurpfalz und trat dort<br />

im Namen des Pfalzgrafen Ludwig Philipp auf. Dr. Meisterlin stammte aus<br />

Obermoschel, in 2006 die kleinste Stadt von Rheinland-Pfalz. Im Rahmen der<br />

gegebenen Möglichkeiten holte er für die Kurpfalz das Best Mögliche heraus. Er<br />

erreichte folgendes<br />

Die Schweden erhielten für die Versorgung ihrer Truppen 24.000 Gulden,<br />

wovon auf Kaiserslautern 2.000 entfielen. Albisheim musste 1649 laut<br />

Schreiben im Archiv der VG Göllheim 240 Gulden aufbringen.<br />

Die Oberpfalz fiel an Bayern. Dafür erhielt die „Unterpfalz“ (Kurpfalz) die<br />

achte Kurwürde, die damals neu geschaffen wurde<br />

Neuer Kurfürst wurde der Carl Ludwig (* 22.12.1617, † 29.8.1680) Sohn<br />

des gescheiterten Kurfürsten Friedrich V. Dies setzten sowohl die Franzosen<br />

als auch die Schweden durch.<br />

175 ) Da Frankenthal im Vertrag von Münster nicht einbezogen worden war, blieb dort die spanische<br />

Besatzung. Nach zähen Verhandlungen in Nürnberg versprach Spanien gegen eine Geldzahlung<br />

Frankenthal und Besancon zu räumen. Am 3.5.1652 verließen 1.000 Soldaten mit ihren 4.000<br />

Angehörigen mit einer riesigen Beute Frankenthal. Der Kommandant Frangipani soll vor dem Tor<br />

die Erde geküsst haben und darauf einen Trunk auf das Wohl des Kaisers getan haben. (Quelle:<br />

Volkmar Christmann, 425 <strong>Jahre</strong> Frankenthal, März 2003, S. 35)<br />

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Für den Verlust von Frankenthal erhielt die Kurpfalz Heilbronn<br />

Aus der Reichskasse bekam Kurfürst Carl Ludwig monatlich 3.000 Taler.<br />

Aus der schwäbischen und fränkischen Kreiskasse flossen ihm monatlich<br />

8.000 Gulden zu. Dafür verzichtete Carl Ludwig auf das Amt des<br />

Erztruchsess und ihm wurde das neu geschaffene Amt des Erzschatzmeisters<br />

übertragen.<br />

1652: Am 15.5.1652 brach ganz offen der Streit zwischen dem „jungen“<br />

Kurfürsten Carl Ludwig und dessen Onkel Pfalzgraf Ludwig Philipp aus.<br />

Ludwig Philipp hatte als Nachgeborener Sohn das Amt Kaiserslautern,<br />

Neustadt geerbt. Als Onkel war er Vormund des jugendlichen Carl Ludwig<br />

gewesen, nachdem dessen Vater 1632 gestorben war. 1653 eskalierte der<br />

Streit zwischen beiden, so dass sich der Reichstag in Regensburg damit<br />

beschäftigen musste. Am 2.12.1653 gelang ein Vergleich. Nach dem Tod<br />

Ludwig Philipps und seiner Gemahlin Maria Eleonore im Jahr 1675 erbte<br />

die Kurpfalz das Oberamt Kaiserslautern, während die Unterämter<br />

Wolfstein, Rockenhausen mit Bolanden, nebst Otterberg und Pflege<br />

Diemerstein beim Herzogtum Simmern und dessen Erben verblieben.<br />

TURBULENTE ZEITEN<br />

5.1. Neuanfang in der Westpfalz<br />

Pfalzgraf Ludwig Philipp 176 war der jüngere Bruder des politisch ungeschickten<br />

Kurfürsten Friedrich V., der sich in einem Anflug von politischer Blindheit zum<br />

Böhmischen König krönen ließ. Dieses waghalsige Abenteuer zerstörte das<br />

politische und religiöse Gleichgewicht des Heiligen Römischen Reiches Teutscher<br />

Nation und löste den Dreißigjährigen Krieg aus. Ludwig Philipp trat sein Erbe des<br />

kleinen, aber feinen Herzogtums Pfalz – Simmern an, mit der Hauptstadt<br />

Kaiserslautern. Er heiratete die sehr gebildete Maria Eleonora 177 , die Tochter des<br />

Kurfürsten von Brandenburg, die ihm immer eine kluge, geschickte Ratgeberin<br />

war. Eleonora hatte einen feinen Spürsinn für wichtige und zukunftsweisende<br />

Entscheidungen. Übrigens soll sie die Bibel im Urtext haben lesen können.<br />

Ludwig Philipp hatte anfänglich nur einen geringen politischen<br />

Entscheidungsspielraum. Als zuerst die spanischen- und dann die kaiserlichen<br />

Truppen sein Land besetzten, floh er zu seinen Verwandten (Oraniern) nach<br />

Holland und zu seinem Cousin, dem Herzog von Bouillon 178 , dem Herzog von<br />

176 ) Pfalzgraf Ludwig Philipp kam 1602 auf die Welt und starb 1655. Seine Eltern waren<br />

Friedrich IV, genannt der Aufrichtige, der mit Louisa Juliana von Nassau Oranien<br />

verheiratet war, einer Enkelin des Wilhelm von Oranien<br />

177 ) Maria Eleonora von Brandenburg * 1607 und starb am 2.2.1675 in Kreuznach. Nach ihrem<br />

Tod fiel Kaiserslautern, <strong>Erlenbach</strong> und der Gersweilerhof an die Kurpfalz zurück.<br />

178 ) Der Herzog von Bouillon senior, Souverain von Sedan, oo war mit Elisabeth von Nassau,<br />

Tochter des Wilhelm von Oranien und der Tochter der Charlotte von Bourbon. Seine<br />

Söhne waren der Feldmarschall Turenne und der Herzog von Sedan. Letzterer forderte vor


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Sedan. Zuerst war die fürstliche Familie in Metz in Sicherheit und dann lebte sie<br />

in Sedan. Beide Städte waren damals im heutigen Ostfrankreich und waren die<br />

Zentren des Kalvinismus. Sie boten den pfälzischen Flüchtlingen aus Lautern,<br />

Otterberg, <strong>Erlenbach</strong> und Morlautern Rückzugsgebiet und Schutz in diesem<br />

schrecklichen Krieg. Erst im Sommer 1644 erlaubten die Spanier dem<br />

Pfalzgrafen, sich in seinem Schloß in Kaiserslautern niederzulassen. Aber erst der<br />

Westfälische Frieden von 1648 gab den Pfälzern die Religionsfreiheit wieder<br />

zurück. Eine wichtige Voraussetzung für den Wiederaufbau. Der Pfalzgraf<br />

erkannte mit klarer Deutlichkeit, dass der Wiederaufbau nicht allein mit den<br />

pfälzischen Rückkehrern gelingen konnte. Deshalb rührte er die Werbetrommel<br />

und Hunderte von französischen Calvinisten kamen anfänglich aus Metz und<br />

Sedan, wie wir aus den Otterberger Kirchenbüchern entnehmen können. Dazu<br />

gehörten u.a. die Vilcains (= Wilkings), Villiards, Fortineux. In der dritten<br />

Einwanderungswelle kamen wiederum die Wallonen aus dem heutigen Belgien<br />

(Liège = Lüttich) und der Picardie 179 , dem heutigen Nordosten Frankreichs.<br />

Etliche flohen aus La Chapelle und Mons (Monts), als Turenne 1637 dort Krieg<br />

gegen die Spanier führte.<br />

Der Wald und die Natur eroberten altes Kulturland zurück. Herrliche<br />

Brombeerhecken und Gestrüpp überzogen ehemalige Äcker. Aus sicheren<br />

Rückzugsgebieten kamen nach und nach Überlebende zurück und krempelten die<br />

Ärmel hoch. Zuerst kamen ab 1579 die von den Spaniern verfolgten Holländer<br />

(Roos) zu uns. Im Verlauf der nächsten 150 <strong>Jahre</strong>n zogen ganze Familien und<br />

Sippen aus der Schweiz, Frankreich, Belgien und Bayern zu uns. Wie die<br />

allem in 1641 erfolgreich Richelieu heraus und machte Sedan zu einem Zufluchtsort für<br />

politisch, religiös Verfolgte.<br />

179 ) Die Gründe für die Menschen aus der Picardie zu fliehen, waren dieselben wie bei uns. Krieg,<br />

Zerstörung, Plünderung, Vergewaltigung etc. 1637 befahl Richelieu seiner Armee unter dem<br />

Kommando des Kardinals de La Valette und dessen Bruders Herzog von Candale durch die<br />

Picardie nach Flandern einzumarschieren. Dabei war wieder der spätere Feldmarschall<br />

Vicomte de Turenne, der in seinem Buch auf Seiten 42 ff die Aktionen kurz beschreibt. Vor<br />

Flandern lagen aber die von den Spaniern besetzten Städte und Festungen in der Picardie:<br />

Landrecie im Hainaut, die durch 5 Bastionen und etlichen Wassergräben geschützt war.<br />

Zudem goß es aus Kübel, so dass Turennes Soldaten bis zum Gürtel im Wasser standen. Die<br />

Eroberung kostete viele Soldatenleben.<br />

Danach schickte de la Valette den Vicomte de Turenne aus, um Solre zu nehmen. Es war<br />

damals die am stärksten befestigte Burg, die eine spanische Garnison von 2.000 Soldaten<br />

beherbergte. „Der Vicomte attackierte so lebhaft, dass der Feind sich schnell ergab“. Turenne<br />

gibt in seinen Erinnerungen von 1637 weder Daten noch andere Details preis. Aber an eine<br />

andere Geschichte konnte er sich ganz gut erinnern. „Einige Soldaten hatten in der Burg eine<br />

Frau von außerordentlicher Schönheit gefunden. Sie präsentierten diesen Augenschmaus<br />

ihrem Kommandanten als das wertvollste Beutestück. Turenne war damals 26 <strong>Jahre</strong> alt und<br />

noch nicht sensibel genug, die Untaten seiner Soldaten zu bestrafen. Er überließ sie seinen<br />

Soldaten. Man riss ihr mit großer Brutalität die Kleider vom Leib und …Er ließ ihren<br />

Ehemann suchen, um sie ihm in seine Hände zu übergeben. Er sagte zu ihm: das war die<br />

Diskretion meiner Soldaten, die sie Deiner Frau schuldeten“ (Turenne, Histoire, S. 44)<br />

La Chapelle, war eine stark befestigte Stadt. Turenne konzentrierte zum Beschuss 30<br />

Kanonen, die zwei Tage lang die Stadt bombardierten. Am nächsten Tag konnte die Stadt<br />

eingenommen werden. Bei der Eroberung hatte es viele Tote gegeben. In diesem<br />

Zusammenhang nennt Turenne auch Mons (aus der 1684 --- 150 Menschen nach Otterberg<br />

flohen, siehe unten)<br />

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108<br />

Raquets, Cherdrons, Lessoin (Le Sogne), Veillards, Renards, Menton, Rollis,<br />

die die Herausforderung einer armseligen Pionierarbeit auf sich nahmen. Wichtig<br />

war ihnen die zugesicherte Religionsfreiheit, denn in ihrer Heimat waren sie z.T.<br />

wegen ihres Glaubens verfolgt worden. Und dann das Elend, das Ludwig XIII.,<br />

Kardinal Richelieu & auch Mazarin herauf beschworen, indem sie systematisch<br />

die Daumenschrauben anzogen, schon lange bevor Louis XIV. das Edikt von<br />

Nantes aufhob..<br />

5.2. Die Verfolgung in Sedan ab 1643<br />

(Dr. Marc Scheidecker, Paris 1949)<br />

Übersetzt und redigiert von Detlef Uhrig<br />

Es fällt auf, wenn wir das reformierte Kirchenbuch Otterbergs lesen, dass nach<br />

dem 30jährigen Krieg eine unglaubliche große Zahl von reformierten Franzosen<br />

zu uns zog. Sie kamen zum <strong>Teil</strong> im Geleit des Pfalzgrafen Ludwig Philipp und<br />

der Pfalzgräfin Maria Eleonora, die zuerst in Metz, die ab Juni 1635 zuerst in<br />

Metz und dann in Sedan 180 mit ihrem gesamten Hofstaat Zuflucht gefunden<br />

hatten. Dabei war auch der berühmte Hufschmied Simon Christmann aus<br />

Wörsbach, der dort als Witwer wieder geheiratet hatte.<br />

• Die französischen Einwanderungen in die menschenleere Pfalz dürften vor<br />

allem nach dem Friedensvertrag von Münster und Osnabrück in 1648<br />

erfolgt sein, als langsam Ruhe und Ordnung wieder einkehrten 181 . Bereits<br />

1650 war die Familie Simon Christmann wieder in der Westpfalz. Seine<br />

Frau Anna, geborene Menton, war am 22.10.1650 Patin bei dem Jean<br />

Isaac Massau. Simon selbst stand zusammen mit seiner Frau am 2.5.1651<br />

als Pate als Simon Froumi (aus Sedan) in der Otterberger Kirche über das<br />

Taufbecken gehalten wurde.<br />

• Aber warum verließen so viele Franzosen ihre fruchtbare und liebliche<br />

Heimat und zogen in die völlig zerstörte Pfalz? Man gibt doch nicht<br />

freiwillig seine vertraute Heimat auf! Was veranlasste Tausende von<br />

Menschen in einen fremden Sprach- und Kulturraum zu ziehen? Ich will<br />

dies anhand der gut dokumentierten Situation in Sedan beschreiben, die<br />

Dr. Marc Scheidecker in seiner unveröffentlichten Doktorarbeit an der<br />

Sorbonne Paris, zwischen 1946 – 1949 sehr gut recherchierte. Liebe<br />

180 ) Pfalzgraf Ludwig Philipp lebte mit seiner Gattin etliche <strong>Jahre</strong> im Exil in Sedan, wo seine<br />

Frau 5 ihrer insgesamt sieben Kinder zur Welt brachte. Übrigens war der Sedaner Herzog<br />

von Bouillon ein Cousin des Pfalzgrafen Ludwig Philipp.<br />

181 ) 1660: 10ter Mai: Auch sonst waren die Zeiten nach dem Dreißigjährigen Krieg sehr<br />

unsicher. Zahlreiche Söldner waren brotlos. Außer Morden und Plündern hatten sie nichts<br />

gelernt. Sie schlossen sich zu größeren oder kleineren Banden zusammen und überfielen<br />

ungeschützte Plätze. Auch die Obrigkeit hatte nicht viel Geld, um Landsknechte anzuheuern.<br />

So schlossen sich die Bürger zu Bürgerwehren zusammen. Dem Pfalzgraf blieb nichts<br />

anderes übrig, als diese Aufrüstung mit Gewehren im Nachhinein zu genehmigen. (Kaller,<br />

Band II, S. 63)


109<br />

Leser, erinnern Sie sich? Nach dem Treffen von Mézieres wurde Sedan<br />

1642 französisches Staatsgebiet. König Ludwig XIII . schrieb unter dem<br />

Datum vom 10.2.1643 und befahl dem neuen Gouverneur Abraham de<br />

Fabert den alten, katholischen Status wieder herzustellen, der vor 1556<br />

bestanden hatte. Fabert gehorchte und ermöglichte am 23.2.1643 durch<br />

sein berühmtes Dekret den Katholiken wieder die freie Religionsausübung.<br />

Dies war ganz im Sinne der katholischen Gattin des Duc de Bouillon<br />

(Eleonore von Bergh). Allerdings tastete er angesichts der protestantischen<br />

Bevölkerungsmehrheit (von 4.000 zu 2000 Katholiken) die Rechte der<br />

Calvinisten noch nicht an. Das anfänglichen Nebeneinander und die<br />

gegenseitige Duldung kippten sehr schnell in 1644.<br />

• Durch die Wiedereinsetzung des katholischen Kultus war es den<br />

Calvinisten verboten, an den hohen katholischen Feiertagen ihren<br />

Geschäften nachzugehen. Einige wenige Reformierte protestierten. Sie<br />

argumentierten, der Müßiggang an Fronleichnam würde Laster wie<br />

Faulheit, Ausschweifung, Unordnung nach sich ziehen. Entgegen des<br />

Dekrets öffneten einige Oppositionelle am Tag des Heiligen Peters am<br />

29.6.1643 ihre Geschäfte, was zu heftigen Debatten & zu Bestrafungen<br />

führte.<br />

• Das Jahr war 1644 durch weitere verschiedene Vorschriften<br />

gekennzeichnet. Sinnvoll war, dass die Sedaner Beamtenanwärter auf den<br />

franz. König den Treueid ablegen mussten. Der Erzbischof von Reims<br />

kam danach kurz vor Fronleichnam nach Sedan. Aufgrund der gehässigen<br />

Verabredung zwischen Fabert und dem Kirchenoberhaupt beschlossen<br />

sie, die Führer der Calvinisten zu erniedrigen. Fabert befahl, dass die<br />

Presbyter und Diakone, aber vor allem der evangelische Pfarrer am<br />

Fronleichnamstag, den Baldachin tragen mussten, unter dem der hämisch<br />

grinsende katholische Priester überheblich dahin schritt.<br />

• Fabert verbot im gleichen Jahr 1644, dass evangelischen Soldaten nicht<br />

mehr in die Garnison Sedan aufgenommen werden durften.<br />

• Ein besonders schlimmes Kapitel des religiösen Terrors geschah 1652.<br />

Fabert ließ auf Veranlassung des Louis de Marval die Schule der<br />

Verbreitung des Glaubens einrichten. Dort wurden zwangsweise die<br />

Töchter der Calvinisten untergebracht, wo sie der Ketzerei abschwören<br />

mussten. Ihr Aufenthalt dort betrug in der Regel 3 Monate, manche<br />

blieben länger, um in die „Mysterien des Glaubens“ unterrichtet zu<br />

werden. Marc Scheidecker stellte fest, dass vereinzelte Schülerinnen dort<br />

mehrere <strong>Jahre</strong> verblieben. Besonders brutal war, als man ein Jahrzehnt<br />

später den Widerspenstigen Hugenotten gegen jedes Menschenrecht ihre<br />

Kinder wegnahm, um sie zur Zwangsadoption gab oder z.T. in Klöster<br />

erziehen zu lassen<br />

• 1657 kommt der 18jährige König Ludwig XIV. (Louis XIV 182 ) nach<br />

Sedan. Louis wurde übrigens am 5.9.1639 in St. Germain en Laye als<br />

Sohn des Louis XIII. und der Anne von Österreich geboren. In Sedan legte<br />

er den ersten Stein für die neue Kirche der Kapuziner an der Corne de<br />

Floin. Anlässlich des Aufenthaltes kam es zum Gedankenaustausch, wie<br />

man die Ketzerei am schnellsten beenden könnte. Der junge König<br />

182 ) Ludwig XIV regierte absolutistisch nach dem Tod des Kardinals Mazarin von 1661 – 1716. Sein<br />

Nachfolger wurde sein Urenkel Ludwig XV<br />

109


110<br />

110<br />

favorisierte die Zwangsbekehrung oder die Ausweisung, während Fabert<br />

einen milderen Kurs favorisierte.<br />

• 1661 verlangte Fabert von den verbliebenen Protestanten im Sedaner<br />

Stadtrat, dass sie als Zeichen für seine Großzügigkeit und sein<br />

Entgegenkommen dem Irrglauben abschwören sollten, denn dies sei die<br />

einzige wahre Belohnung für seinen Einsatz für ihre Interessen und für die<br />

Liebe, die er ihnen entgegen gebracht hätte. Daraufhin hielten etwa 2.000<br />

Protestanten es für gut, katholisch zu werden. Fabert starb 1662 und die<br />

Politik verschärfte sich weiter. Den Bekehrten werden materielle Vorteile<br />

zuerkannt. Inzwischen war Marschall Turenne auch zum Katholizismus<br />

übergetreten. Er stiftete 50.000 Louisdor, um den Neubekehrten<br />

finanzielle Anreize zu geben.<br />

• Die Liste der Pressungen und Übergriffe in den nächsten Jahrzehnten ist<br />

lang. Die evangelische Akademie wurde 1662 aufgelöst und die Jesuiten<br />

ziehen in deren Räume ein. Die reformierte Bibliothek wurde für drei<br />

<strong>Jahre</strong> geschlossen, um gereinigt zu werden. Den Katholiken wird verboten,<br />

Ketzer zu heiraten und die Schwerkranken werden befragt, ob sie<br />

weiterhin dem Irrglauben verfallen sein mögen. 1662 veranlasste Ludwig<br />

XIV. den Neubau einer Kirche auf seine Kosten, wenn sich die Sedaner<br />

bekehren ließen. Die Kirche stand, aber die Reformierten blieben stur an<br />

ihrem Glauben hängen. Daraufhin gab König Louis XIV am 14.12.1667<br />

den Befehl, diese evangelisch reformierte Kirche in Sedan zu zerstören.<br />

• Der Kriegsminister Louvois gab im Oktober 1685 die Anweisung, ein<br />

Bataillon nach Sedan marschieren zu lassen. Er schrieb seine Majestät an<br />

und drückte aus, er würde es nicht bezweifeln, dass seine Majestät nichts<br />

dagegen haben würde, dass man die Soldaten bei den Protestanten wohnen<br />

lassen würde, was in Verbindung mit den anderen guten Zwängen, die wir<br />

ihnen auferlegen würde, ihre Anzahl sich erheblich vermindern ließe. Der<br />

König war von der Idee begeistert, zumal der Sohn Louvois das Dragoner<br />

Regiment kommandierte. Zur gleichen Zeit schickte Louvois mehrere<br />

Priester nach Sedan, um den Bekehrungsprozess zu beschleunigen. Die<br />

300 Dragoner gehörten zum Regiment de Champagne, das danach nach St.<br />

Quentin abkommandiert werden sollte. Die Protestanten entrüsteten sich,<br />

aber es half ihnen nichts. Die Dragoner nahmen vor allem bei den<br />

widerspenstigen Wortführern Quartier und hausten in deren Wohnungen<br />

wie die Schweine. Louvois zog daraufhin weiter die Eisen an und<br />

beorderte zusätzlich die Kavallerieregimenter de Dugart und de Florensac<br />

in das gesamte Herzogtum Sedan<br />

• Der Otterberger Pfarrer Achenbach war Zeitzeuge, aber er beschreibt<br />

nicht den massiven Zuzug in seine Pfarrei- mit den vielen<br />

Filialgemeinden. Die statistische Auswertung des Geburtsregisters ergibt<br />

für das Jahrzehnt 1650 - 1659 folgendes Bild:<br />

• 1650: 7 Geburten<br />

• 1651: 11 Geburten<br />

• 1652: 3 Geburten<br />

• 1653: 25 Geburten<br />

• 1654 29 Geburten<br />

• 1655 32 Geburten


111<br />

• 1656 32 Geburten<br />

• 1657 27 Geburten<br />

• 1658 10 Geburten<br />

• 1659 24 Geburten<br />

• Die meisten Einwanderer der 2. Einwanderungswelle scheinen also<br />

zwischen Ende 1652 und 1659 gekommen sein. Achenbach notiert in<br />

seinen Taufeinträgen, woher die Immigranten stammten. Ich war sehr<br />

verblüfft zu lesen, dass angesichts der vielen Familien mit französischen<br />

Nachnamen, doch nur relativ wenige Neuankömmlinge genannt wurden.<br />

Aus Sedan waren es 9 Familien, aus Liège 12, aus der Picardie 183 und<br />

dem Partoy wanderten je vier Familien ein.<br />

Aus Sedan stammen Aus der Gegend von Lüttich (Liège)<br />

Andrimon, Salomon Blaire, Jean<br />

Charpentier, Jean oo Sara Chenius, Henry Jean oo Catherine<br />

Froumi, Isaac oo Maria Clever, Henry Jean oo Cath<br />

Herman, Paul oo Anna Cordier, Thomas oo Lisette<br />

Loing, Israel oo Marth Dietrich von Flandern<br />

Loup, Daniel oo Rachel in 1659 Hanard, Pierre oo Marguerithe<br />

Renault, Jean & Tochter Jeanne Jacob Heinrich oo Anne Marie<br />

Vieillard, Peter oo Libauchand Micheroux André oo Anna Groffi<br />

Vilcain, Wilking Henry oo Micheroux Micheroux Piron oo Marie Rotel<br />

Ragivaux Antoine oo Susanne<br />

Renard, Martin oo Ottilia Gerwin<br />

Pollersch, Anna<br />

5.3. Die Einwohner <strong>Erlenbach</strong>s von 1650 bis 1688<br />

Die Pfalzgräfin Eleonora schenkte 1650 das inzwischen wegen seiner<br />

Eintragungen wertvolle Kirchenbuch der aufstrebenden reformierten<br />

Kirchengemeinde Otterberg, zu der auch <strong>Erlenbach</strong>, der Gersweilerhof und<br />

Morlautern gehörten. Der erste Pfarrer Johann Heinrich 184 Achenbach stammte<br />

aus Kreuznach. Sein Vater Georg 185 war als evangelischer Geistlicher,<br />

Aufsichtsbeamter und Inspektor der Pfarrer des Oberamtes Kreuznach eingesetzt.<br />

Danach war er dritter Pfarrer der Stadt Meisenheim 186 . Joh. Heinrich Achenbach<br />

führte das neue Kirchenbuch sehr gründlich. Er notierte die abgebende Gemeinde,<br />

bzw. Region in Frankreich, aus denen die Bürger stammten. Dazu kamen auch<br />

183<br />

) aus der Picardie : La Chapelle: Louis Grandam oo Marie & Pierre Jacques, genannt der Depp<br />

aus Cambrais, Arnold le Cardé.<br />

184<br />

) Joh. Heinrich Achenbach war ab 1659 Pfarrer in Langenlonsheim, wo er 1663 verstarb.<br />

185<br />

) Achenbach Georg, geboren in Lasaphe am Oberlauf der Lahn, starb 1649 in Kreuznach.<br />

Quelle: Herzog, Heinrich, Otterberg, genealogische Untersuchung, KL 1989,<br />

unveröffentlicht.<br />

186<br />

) Heintz, Philipp Casimir, Das ehemalige Fürstenthum Pfalz-Zweibrücken Anhang: Seite 5 der<br />

Anmerkungen, oben<br />

111


112<br />

112<br />

noch ihre Spitznamen. Achenbach war mit Maria verheiratet, deren<br />

Geburtsnamen er leider nicht angab. Im Kirchenbuch sind keine eigenen Kinder<br />

aufgeführt. So können wir davon ausgehen, dass Jean Henry und vor allem seine<br />

Frau über 50 <strong>Jahre</strong> alt waren. Pfarrer Achenbach weihte das Buch unmittelbar<br />

nach seiner Ankunft in Otterberg mit einem Taufeintrag ein. Es war Sonntag, der<br />

7 Juni 1650. Er schrieb:<br />

1650: „den 7. Heumonat 1650, der erste Sonntag nach meiner Ankunft in<br />

Otterberg, ist getauft worden ein …. Sohn mit Namen Hans Peter, der Vater ist<br />

ein Franzos papistischer Religion und heißet (Eintrag fehlt) die Mutter heißt die<br />

Küfer Ottel Die Pätter: Peter Schram, der andere Pätter Peter Molter, der dritte<br />

Hans Brüssel Die Goten: Hans Hansen Tochter, die andere Margretha Müllerin.<br />

Sein alle Bauersleute aus dem Kübelberger Amt gewesen“<br />

1655: Peter Villiard (Vieillard) wurde 1630 in Sedan geboren. Nach dem<br />

grausigen Krieg zog er mit etlichen reformierten Glaubensbrüdern in die Pfalz.<br />

Am 10.3.1655 heiratete er in Otterberg die Susanna Libauchand (Libauchamp)<br />

ebenfalls aus Sedan, Tochter des Jean Libauchand wohnhaft in <strong>Erlenbach</strong><br />

1651: am 4.September gebar Ottilia, die Hausfrau des Martin Renard einen<br />

Knaben, dem sie auch den Namen Martin gaben. Martin Renard stammte aus<br />

Liege (Lüttich) und war Hofmann auf dem Gersweilerhof.<br />

Paten des Kindes waren<br />

• Caspar Reinhard Essert, Marburgscher Pfleger aus Otterberg,<br />

• Gregoir Renard, Bürger aus Otterberg und wahrscheinlich Bruder des<br />

Kindsvaters,<br />

• Guillaume (Wilhelm) Boduin (Baudevin) , Bürger Otterbergs<br />

• Maria, Frau des Herrn Menton, Bürgermeister Otterbergs,<br />

• Judith, geboren Louis, Frau des Jacob Menton, Bürger Otterbergs<br />

• Maria, Frau des Lambert la Croix, Bürger Otterbergs<br />

• Johanna, Frau des Hans Pouts (Jean)<br />

1655: 5.8.1655 kam Jean (Hans) Vilcain (Wilking) auf die Welt, Seine Eltern<br />

waren Henry und seine Frau Johanna Micharnat (auch Micheroux). Das Paar<br />

stammte ebenfalls aus Sedan und wohnte in Sambach. Paten waren:<br />

• Jean Cherdron, Sohn des Daniels, Bürger Otterbergs, der am<br />

26.8.1656 die Patin Susanna heiratete<br />

• Susanna, Tochter des Jean Censier, Bürgers von Otterberg.<br />

1656: 28.12.1656: Die Familie Renard vom Gersweilerhof bekam wieder<br />

Nachwuchs. Vater Martin stammte aus Liège (Lüttich) und war Hofmann auf dem<br />

Gersweilerhof. Laut Heinrich Herzog hieß seine Ehefrau Ontolotte. Der Pfarrer<br />

taufte das Kind auf den Namen Jean Jacob.<br />

1658: am 19.6.1658 kommt Jean (Johannes) auf die Welt. Sein Vater ist der in<br />

<strong>Erlenbach</strong> wohnende Jean Pierre (Hans Peter), genannt der Idiot von Tir, der in<br />

La Chapelle geboren wurde und seine Hausfrau Maria. Paten sind<br />

• Abraham Fouquet, Bürger Otterbergs<br />

• Jean Villiard (Veillard) von <strong>Erlenbach</strong> und


113<br />

• Susanna, die Frau des Peter Veilliard aus <strong>Erlenbach</strong> und<br />

• Johanna Rousin<br />

1665: Auf dem Gersweilerhof lebte die Familie Hubert Barrier. Seine Ehefrau<br />

hieß Marie le Blanc. Am 19.11.1665 kam ihr Sohn Peter auf die Welt.<br />

Taufzeugen waren Jean Batu und der Onkel Nicole Le Blanc.<br />

1668, am 3.6.1668 brachte wiederum der Klapperstorch den Hofleuten Barier<br />

Nachwuchs auf den Gersweilerhof. Die Tochter bekam den Vornamen Maria.<br />

Taufzeugen waren Peter Baltur, Wilhelm Louis, Catharina Groß und Jean &<br />

René Gourdain. Dem Ehepaar wurde am 5.11.1671 nochmals eine Tochter<br />

geboren, die den Vornamen Eva Magdalena (Matalena) erhielt. Die Taufzeugen in<br />

1671 waren die Herren Pirroth (Pierrot) und Gottfried Le Blanc. Den Herren<br />

standen zur Seite Magdalena Toler (Toller) Tochter des Andreas T und Eva Negin<br />

von Lautern.<br />

1670: am 20.2.1670 wurde dem <strong>Erlenbach</strong>er Ehepaar Johannes und Elisabetha<br />

Kaufmann die Tochter Susanna Catharina geboren. Taufzeugen waren Susanna,<br />

die Hausfrau des Jacob Backé (Pasquai, 1665 Steuerzahler in Otterberg) und<br />

Catharina und Caspar Becker<br />

1670: am 13.11.1670 war Caspar Becker Schultheiß in <strong>Erlenbach</strong>. Er und<br />

seine Ehefrau Catharina waren Taufzeugen des Caspar Meyer. Seine Eltern Jacob<br />

und Maria wohnten in Morlautern.<br />

1674: In <strong>Erlenbach</strong> lebte das Tagelöhner-Ehepaar Jacob und Magdalena<br />

Hoffmann. Am 13ten Juni gebar die Mutter eine Tochter, die den Namen<br />

Elisabetha Catharina erhielt. Paten waren Nicol Huet und der Schweizer Hans<br />

Ber.<br />

1680: 19.10. starb Peter Villiard (Vieillard) wohnhaft in <strong>Erlenbach</strong>, geboren in<br />

Sedan.<br />

1680: am 8.12.1680 wurde Michael Bremer von Almos bei Augsburg mit<br />

Elisabetha, der Witwe des Johannes Kaufmann, dem gewesenen Einwohner<br />

<strong>Erlenbach</strong>s copuliert.<br />

1680: am 16.9.1680 starb Peter Vieillard, * um 1630 in Sedan, Er hatte am oo<br />

10.3.1655 Susanne Libauchamp aus Sedan die Tochter des Jean Libauchamp aus<br />

<strong>Erlenbach</strong> geheiratet.<br />

1683: Hans Jacob Mörsch von <strong>Erlenbach</strong> (KL # 4893) wurde am 15.3.1683 mit<br />

Apollonia Berck von Grünstadt verheiratet (vgl.. Trippstadt oo 1731)<br />

1684: am 11.11.1684 ehelichte Johannes Jacob, der Sohn des Hofmannes Henrich<br />

Jacob auf dem Gersweilerhof die Tochter des verstorbenen Ludwig Wilking<br />

(Vilcain, Vulcain), der vor 40 <strong>Jahre</strong>n aus Sedan in die Pfalz kam.<br />

1687: am 3.6.1687 heiratete Hans Nicolaus Becker von <strong>Erlenbach</strong> die Anna Engel<br />

Kremer von Otterbach.<br />

1688: am 8.1.1688 wurde Paulus Zuchtmann von Otterberg mit Anna Ottilia<br />

Jacob vom Gersweilerhof copuliert. Ihr Bruder Hans Wilhelm kam elf Monate<br />

später unter die Haube. Sein jüngerer Bruder Jacob Zuchtmann oo 29.11.1688<br />

Elisabetha Spiß (Spieß, Spies) von Schallodenbach.<br />

1688, Hans Wilhelm Jacob vom Gersweilerhof ehelichte Anna Catharina Beyer<br />

113


114<br />

114<br />

5.4. Immer wieder Kriege<br />

Kaum war Frieden, die Einwanderer hatten sich eingewöhnt und die Pfalz war<br />

aus dem Gröbsten heraus, ging es wieder rund. Zuerst die<br />

• Holländischen Kriege 1672 - 1678, dann folgten<br />

• die Reunionskriege 1680 - 84, dann<br />

• der Pfälzische Erbfolgekrieg 1688 – 1699 und zuletzt<br />

• der Spanische Erbfolgekriege bis 1714.<br />

Alle Schlachten fanden hier im Südwesten statt. Überall hatte Ludwig XIV seine<br />

Finger drin und versuchte seinen und Frankreichs Einfluss zu mehren. Der Rhein<br />

als natürliche Ostgrenze Frankreichs war eins seiner Ziele. Auch da war ihm jedes<br />

Mittel recht.<br />

Die Kriege Ludwigs XIV.<br />

Devolutionskrieg (1667/68): Nach dem Tod seines Schwiegervaters, Philipp IV.<br />

von Spanien, erhob Ludwig Anspruch auf die südlichen Provinzen der spanischen<br />

Niederlande. Begründet wurde der Anspruch durch das 'Devolutionsrecht'<br />

(einem rein privaten Vorzugsrecht, das im Erbfall für die Kinder erster Ehe in<br />

einigen <strong>Teil</strong>en der spanischen Niederlande galt). Als 1667 französische Truppen<br />

unter dem Feldmarschall 187 Turenne in die spanischen Niederlande<br />

einmarschierten, verbündeten sich diese mit England und Schweden. Der König<br />

brach das Unternehmen ab und behielt im Frieden von Aachen (1668) die Städte<br />

Lille und Dünkirchen.<br />

5.5. Von Brandschatzung & Mord<br />

1673 – 1674 (von Marschall Turenne)<br />

im „Holländischen Krieg“ (1672 - 1678)<br />

übersetzt von Detlef Uhrig<br />

Streng genommen war dies der dritte Holländische Krieg. In Geheimgesprächen<br />

kam zwischen England und Frankreich eine Kriegsallianz zustanden, um den<br />

Holländern den Garaus zu machen. Die beiden wollten die „Generalstaaten“ unter<br />

187 ) Turenne wurde 1611 geboren. Mit 15 <strong>Jahre</strong>n wurde er Kadett, dann diente er vier <strong>Jahre</strong> als<br />

Kapitän, 1630 bis 1634 als Oberst, von 1635 – 1638 war er Feldmarschall unter de la Valette, 1638<br />

– 1643 Generalleutnant. Am 24.9.1643 sandte ihm die Königin den Feldmarschallstab. Bis dahin<br />

hatte er unter mehreren Generälen gedient und von ihnen gelernt. (Turenne, a.a.O. S. 85 )


115<br />

sich aufteilen. Der 21jährige Wilhelm von Oranien erkannte die Gefahr, dass es<br />

um die Existenz Hollands ging. Die Holländer wurden von Franzosen und<br />

Engländern zunächst fast überrannt. Als es dem Generalstatthalter Hollands,<br />

Wilhelm III. von Oranien, gelang, eine Koalition mit dem Kaiser, dem<br />

Deutschen Reich, Brandenburg, der Kurpfalz und Spanien zustande zu bringen,<br />

verstärkte sich der Widerstand. Als nächstes beseitigte er die zerstrittene<br />

Admiralsführung und machte aus der holländischen Marine eine wirksame<br />

Seemacht unter der Führung de Ruyters. Zwei <strong>Jahre</strong> lang lieferten sich englische<br />

und holländische Kriegsschiffe Seeschlachten mit wechselndem Ausgang.<br />

England brauchte 2 <strong>Jahre</strong>, um zu erkennen, dass Frankreich der lachende Dritte<br />

war. Im Frieden von Westminster und Breda klärten Holland und England die<br />

Streitpunkte. Ab 1774 unterstützte England die Allianz Hollands mit Dänemark &<br />

dem Kurfürst der Pfalz und mit dem Deutschen Kaiser<br />

Nun musste Ludwig XIV seine Kriegsziele allein erreichen. Er war selbstbewusst<br />

genug, nicht klein beizugeben. Warum auch? Er hatte gut ausgebildete Truppen,<br />

die unter hervorragender Führung stand. Der Krieg, die Schlachten fanden überall<br />

zwischen Basel und der Nordsee statt. Der Oberbefehlshaber Henri Turenne 188<br />

war während der 6 <strong>Jahre</strong> laufend unterwegs, nur unterbrochen von den<br />

entbehrungsreichen Winterlagern. Auf etwa 100 Seiten seines dicken 1.<br />

Buchbandes 189 beschreibt er diese hektischen und blutigen <strong>Jahre</strong>. Und dabei ging<br />

keiner mit Glacéhandschuhen vor. Auf wenigen Seiten seines Buches S. 512<br />

folgende wird er sehr konkret. Aber was ist Ursache und Wirkung? Die<br />

nachstehenden Textstellen betreffen alle das Jahr 1674. Sie sind alle auf<br />

Französisch geschrieben und von mir übersetzt worden. Turenne schreibt von<br />

sich in dritter Form = er.<br />

Turenne war von Basel aus nach Hochfeld in der Nähe von Saverne (Zabern)<br />

marschiert. Er musste sich beeilen, wenn er die Truppenvereinigung des<br />

Herzogs von Lothringen und des Grafen Caprara vereiteln wollte. Los ging<br />

es am 12. Juni. Er nahm die Kavallerie mit, die er auftreiben konnte und 1.500<br />

Mann Infanterie, die ohne Gepäck marschieren mussten, um schnell voran zu<br />

kommen. In nur zwei Tagen war er am Ziel. Aus Philippsburg nahm er sechs<br />

Kanonen mit und seine Soldaten fassten für drei Tage ihre Lebensmittel.<br />

Mittags, am 14. Juni überquerte er bei Philippsburg auf einer Bootsbrücke<br />

den Rhein. Er hatte sich mit den Regimentern Baupré und Calvo, die<br />

Dragoner des Fay und die Bataillone Douglas, Plessis und de La Ferré<br />

verstärkt. Und das Bataillon Picardie, es bestand aus verschiedenen<br />

Kompanien junger Soldaten. Diese Truppen hatten bereits in Philippsburg<br />

gelegen. Die Schlacht war am 16. Juni. Die Kaiserlichen hatten sich zwischen<br />

188 ) Henri Vicomte de Turenne, geboren in Sedan am 11.9.1611. Seine Eltern waren Henri de la<br />

Tour d´Auvergne, Herzog von Bouillon, Herr von Sedan & der Elisabetha von Nassau, Tochter<br />

des Wilhelm von Nassau, des Prinzen von Nassau und der Charlotte von Bourbon Montpellier.<br />

Sein Vater war der Großonkel des Kurfürsten Karl Ludwig. 1636: In dem Eroberungskampf um<br />

Saverne ging Turenne heldenhaft vor seinen Soldaten her, überquerte Palisaden und Gräben und<br />

stieg durch die Bresche. Am letzten Tag des Eroberungskampfes wurde Turennes rechter Arm<br />

durch eine Musketenkugel zerschmettert und fast amputiert.<br />

189 ) Sein Buch „Histoire“ = Geschichte wurde 60 <strong>Jahre</strong> nach seinem Tod in Paris 1735 veröffentlicht.<br />

Seine Aufzeichnungen enthielten viele politische und diplomatische Geheimnisse. Deshalb musste<br />

so eine lange Sperrfrist eingehalten werden. Im Band II wird sein wichtiger Briefwechsel mit den<br />

Spitzenpolitikern der damaligen Zeit publiziert.<br />

115


116<br />

116<br />

dem Wald und der Festung Sinsheim 190 verschanzt. Aber Turenne jagte sie<br />

geschickt aus ihren Stellungen. Der Sieg gehörte ihm und seiner Armee 191 .<br />

Die Feinde wurden in Richtung Norden bis hinter den Neckar gejagt. Der<br />

Vicomte glaubte, den Rhein wieder überqueren zu müssen, um die<br />

Maßnahmen der Feinde besser beobachten zu können. Außerdem wollte er<br />

alles Mögliche auf französischer Seite tun, um zur gleichen Zeit die Armee aus<br />

den pfälzischen Gegenden zu versorgen, die bisher am meisten verschont<br />

worden waren. Zuerst schickte er einige Kavallerie zum Plündern nach<br />

Wistock und passierte Mingelsheim, wo die Armee zwei Tage blieb. Dann<br />

erst überquerte er den Rhein bei Philippsburg, wo er die vier Bataillone ließ,<br />

die er wenige Tage vorher dort abgezogen hatte. Dann ging er nach Lachen um<br />

dort zu lagern. Es war ein großes Dorf in einer sehr fruchtbaren Ebene, das<br />

Lebensmittel und Wein im Überfluss liefern konnte. Lachen liegt 1 ½ Meilen<br />

von Neustadt entfernt Dort erfuhr seine Armee eine Verstärkung von 16<br />

Bataillonen, die aus 6.000 Pferden in vier Brigaden bestand, außerdem zwei<br />

Regimenter an Dragonern des Königs und der Königin. So wuchs seine Armee<br />

auf 16.000 Mann an. Während des Lageraufenthaltes in Lachen, schickte er<br />

mehrere Erkundungsabteilungen in alle Richtungen. Außerdem ließ er den<br />

Übergang in die Berge erkunden und nach einem Gewaltmarsch<br />

(Scheinangriff) in Richtung Kaiserslautern auf der anderen Seite des<br />

Gebirges, ließ er am 3. Juli seine Armee direkt auf Philippsburg<br />

zumarschieren. Dort nahm er die vier Bataillone wieder auf und überquerte<br />

dort den Rhein aufs Neue auf 20 Pontons. Bei Hockenheim schlugen sie für<br />

eine Nacht ihr Lager auf. Am nächsten Tag ging es nach Norden. Bei<br />

Weiblingen am Neckar, südlich nur 1,5 Meilen von Ladenburg entfernt, ließ er<br />

sie in Sichtweite der Kaiserlichen lagern.<br />

Die Kaiserliche Armee hatte sich nach ihrer Flucht bei Heidelberg wieder<br />

gesammelt. Bei ihrem Marsch auf Worms stießen die Truppen des Herzog von<br />

Bournonville zu ihnen. Insgesamt waren jetzt 13.000 bis 14.000 zusammen,<br />

die hinter dem Neckar postiert wurden. Die Verteidigungslinie ging von<br />

Ladenburg bis nach Mannheim. Sie hatten fünf Tage bei Ladenburg gelagert<br />

und die Stadt inzwischen verschanzt: Batterien waren angelegt und alle<br />

notwendigen Vorsichtsmaßnahmen unternommen, um sich gegen den<br />

Durchmarsch der Franzosen erfolgreich stemmen zu können. Aber vergebens,<br />

Turenne hatte einige Erkundungstrupps über den Neckar geschickt, die nach<br />

ihrer Rückkehr ihren Feldmarschall Turenne ein exaktes Bild über die Stärke<br />

und Lage der Kaiserlichen geben konnten. Die Herzöge von Lothringen und<br />

de Bournonville waren über diese Dreistigkeit sehr erstaunt. Wegen der<br />

erfolgreichen Reiterattacken 192 konnte sich die Kaiserliche Armee dort nicht<br />

halten und sie zogen sich über die schmale Bergstraße in Richtung Frankfurt<br />

zurück.<br />

Am 9. Juli 1674 nahm die Französische Armee Ladenburg kampflos ein, um<br />

dort zu lagern. Dies ist der Ort, wo Marschall de Turenne nach dem Rückzug<br />

der Kaiserlichen endgültig Herr in der Pfalz wurde (Denn er hatte bereits am<br />

190 ) Sinsheim liegt zwischen Philippsburg und Heilbronn. Es ist der Ort, in dem heute das<br />

Technikmuseum ist. Turenne schreibt damals „Sintzheim“<br />

191 ) In seinem Buch Histoire (= Geschichte) schildert Turenne sehr ausführlich den Schlachtverlauf<br />

und wie er den Sieg errang. Zur Darstellung gehört eine zweiseitige Schlachtskizze<br />

192 ) Turenne beschreibt diese Husarnritte auf Seite 511.


117<br />

16.6.1674 in der Schlacht bei Sinsheim die Kaiserliche Armee unter dem<br />

Kommando des Herzogs von Lothringen und des Grafen Caprara geschlagen<br />

und sie nun aus der Kurpfalz total hinausgekickt). Er ließ seine Truppen (nach<br />

den vorhergehenden Gewaltmärschen und Anstrengungen) im Müßiggang<br />

leben. Sie verbrauchten in weniger als drei Wochen derartig viele<br />

Lebensmittel, die Futtervorräte und die ganze Ernte des Landes, dass es den<br />

Feinden unmöglich war, sich dort zu ernähren 193 . Daraufhin gab die Mehrzahl<br />

der Bauern, Haus und Hof auf und sie verließen das Land. Sie wollten sich<br />

auch für diese Untaten rächen. Sie übten danach unglaubliche Grausamkeiten<br />

an allen Französischen Soldaten aus, derer sie habhaft werden konnten. Sie<br />

grillten einige über einem kleinen Feuer. Der Kopf war nach unten über die<br />

heiße Glut aufgehenkt. Und so ließen sie sie sterben. Anderen rissen sie das<br />

Herz und ihre Eingeweide heraus und anderen stachen sie die Augen 194 aus<br />

oder verstümmelten sie auf andere schlimme Weise. Danach stellten sie die<br />

geschundenen Leichen an Hauptwegen aus. Die Französische Armee sah diese<br />

Zurschaustellung an mehreren Stellen entlang ihres Marsches. Die<br />

Französischen Soldaten waren über diese Unmenschlichkeiten so entsetzt,<br />

dass sie sich ihren Rachegefühlen überließen“.<br />

Unsere Soldaten gerieten durch diese Schandtaten außer Kontrolle. Sie rasten<br />

wie die Furien mit ihrem Flammenschwert in der Hand durch die Gegend<br />

und brannten eine Menge von Burgen und Städten nieder. Und selbst kleine<br />

Dörfer mussten dran glauben. Ihre Rachgier war so grenzenlos, dass selbst die<br />

Offiziere sie nicht mehr zurückhalten konnten. Ohne die Drohungen &<br />

Befehle Turennes wären die furiosen Plünderungen und Übergriffe nicht zu<br />

stoppen gewesen (denn sonst hätten sie das ganze Land vernichtet). Er ließ<br />

exemplarisch die bestrafen, die mit der Feuerbrunst angefangen hatten. Aber<br />

er konnte sie nicht zum Tode verurteilen, ohne einen Aufstand zu riskieren.<br />

Und er gewann die Disziplin zurück, indem er Strenge, aber auch Großmut<br />

walten ließ“.<br />

Sein Gegner Kurfürst Carl Ludwig 195 , sein (Groß)Neffe, schickte ihm einen<br />

bitterbösen Brief (Appel) und machte ihm heftigste Vorwürfe. Der Herold<br />

193 ) Allerdings hatte bereits vorher die große kaiserliche Armee von fast 14.000 Soldaten die<br />

Gegend schon ausgeräumt. Da konnten Turennes Truppen nicht mehr allzu viel herausholen.<br />

194 ) Das Augen ausstechen war mit Sicherheit schon seit Jahrhunderten ein probates Mittel der<br />

Bestrafung bzw. des Terrors. In dem Buch „Der deutsche Bauernkrieg von Dr. Günther Franz,<br />

Berlin 1926“ Seite 341, 342 fand ich beispielsweise diese Bestrafungsart: Der Scharfrichter<br />

Augustin von Kitzingen erhielt für das Enthaupten 2 Gulden, für Finger abschlagen und Augen<br />

ausstechen jeweils 1 Gulden. Für Meister Augustin war es ein gutes Geschäft. Neben seinem<br />

Monatssold von 8 Gulden stellte er dem Markgrafen 80 Enthauptungen in Rechnung und stach<br />

69 Bauern die Augen aus und hackte ihnen zudem die Finger ab. Diese Exekutionen erfolgten<br />

ohne Gerichtsurteil, nur auf Befehl des Markgrafen<br />

195 Carl Ludwig ahnte, dass die Kurpfalz schutzlos Frankreich ausgeliefert war. Er glaubte,<br />

Familienbande könnte Land und Leute vor franz. Zerstörung schützen und verheiratete 1671<br />

seine 19jährige Tochter Elisabeth Charlotte (Liselotte von der Pfalz * 27.5.1652) mit dem<br />

Herzog Philipp I. von Orléans, dem Bruder des französischen Königs Ludwig XIV. Aber bereits<br />

1674 hauste Turenne in der Kurpfalz, wie wenn es Feindesland wäre. Leider erwiesen sich Carl<br />

Ludwigs Überlegungen als total falsch. Der Erbschaftsvertrag mit Frankreich diente jedoch<br />

nicht der Stabilisierung, sondern bewirkte das genaue Gegenteil. Denn nach seinem Tod in 1680<br />

und dem frühen Tod seines Sohnes Kurfürst Carl in 1685 leitete Ludwig XIV., Erbansprüche für<br />

seine Schwägerin ab, denn die Simmersche Kurlinie war in der Manneslinie ausgestorben,<br />

Louis XIV. forderte für seine Schwägerin und somit für Frankreich die Kurpfalz. Als diesen<br />

Ansprüchen nicht nachgegeben wurde, kam es nach 3jährigen Verhandlungen zum Pfälzischen<br />

Erbfolgekrieg, in dem das Territorium der Kurpfalz teilweise wiederum verwüstet wurde.<br />

117


118<br />

118<br />

war von einem Trompeter begleitet. Darin forderte er Turenne um<br />

Menschlichkeit und Rücksicht für seine Untertanen. Der Brief stammte vom<br />

27.7.1674 und war in Friedrichsburg verfasst worden. Er schrieb unter<br />

anderem:<br />

Ich glaube annehmen zu müssen, dass diese Schandtaten auf Eueren Befehl<br />

geschehen sind. Diese Vorkommnisse sind so außergewöhnlich und so<br />

unwürdig für einen Mann Euerer Qualität. Und ich kann mir dafür kaum die<br />

Gründe vorstellen. Jedermann ist über diese Handlungen so erstaunt. Ihr habt<br />

schon oft in meinem Land verschiedene Kriegszüge geführt, aber niemals ist<br />

von Eueren Truppen vergleichsweise Schlimmes geschehen. …..Es ist<br />

erschreckend, mit welcher Rücksichtslosigkeit die Orte angesteckt und in<br />

Asche gelegt werden, die die Kontributionszahlungen verweigert hatten.<br />

Mehrere Gefangene haben mir versichert, dass Ihr sie an meinen Bauern sich<br />

rächen lasst, indem Ihr behauptet, die toten Körper Euerer Soldaten seien von<br />

ihnen verstümmelt worden. Ähnliches hat man an den Gefangenen gemacht,<br />

die man in den Gefängnissen der Bischöfe von Straßburg und Speyer festhielt,<br />

um Euch einen Vorwand für Rache zu geben. …. Diese anwachsenden<br />

Strafaktionen widersprechen dem Christentum und lassen mich glauben, dass<br />

Euer Wandel aus irgendeinem Ärger und Verdruss über mich herrührt. Ich<br />

denke, während Ihr nichts für diese Elenden etwa übrig habt, Der Sehr<br />

Christliche König ließ Euch den Freiraum, damit Ihr Euch an mir befriedigen<br />

könnt. Dies ist (wohl) für Euch ein wertvolleres Gefühl als der Ruin & Elend<br />

meiner unglücklichen Untertanen. …Ich habe nur ein Gefühl der Rache, das<br />

ich meinem Land schulde. Wenn ich könnte, würde ich mich an die Spitze<br />

einer Armee stellen, vergleichbar wie Ihr sie habt. Aber ich kann um keine<br />

andere Rache als die des Himmels flehen. Aber sie erscheint mir gewaltiger,<br />

als die ihr aus meiner Hand erfahren könnt. Euer Vater, mein Großonkel in<br />

seiner Ungnade, den ihr so oft ruiniert habt, sei der Zeuge Euerer Reue, wie er<br />

es während Euerer Unverschämtheit und Maßlosigkeit ward. Gezeichnet. Carl<br />

Ludwig, Kurfürst der Pfalz.<br />

Der 63jährige Marschall Turenne beantwortete dieses Schreiben Er schrieb<br />

sachlich in 6 Zeilen, „Sie können versichert sein, die Feuer wurden ohne jeden<br />

Befehl gelegt. Die tot aufgefundenen Soldaten hätten ihre Kameraden derart<br />

erregt, dass sie derart außer Rand und Band gerieten, dass nichts mehr zu<br />

verhindern war“<br />

Turenne fuhr fort (S. 516) Nachdem wir alle Lebensmittel konsumiert hatten<br />

und alles was den Feinden in diesem <strong>Teil</strong> der Pfalz rechts des Rheins hätte<br />

dienen können, überquerten wir am 28. Juli wieder den Fluss bei<br />

Philippsburg. Wir lagerten (zum zweiten Mal) in Lachen, eine und ½ Meile<br />

von Neustadt (Weinstraße) entfernt, folglich auch in der Nähe von Landau<br />

und Weißenburg, wo wir uns länger als einen Monat aufhielten. Während<br />

dieser Ruhezeit, ergriff die Seuche unsere Armee. Es verging kein Tag, an<br />

dem ich die Kranken nicht besucht hätte. Ich unterstützte sie, indem ich mich<br />

immer wieder um die Sorgen und Bedürfnisse meiner „Kinder“ kümmerte. Ich<br />

sprach mit einer noblen Fürsorglichkeit zu ihnen. Und hierin erkannte man<br />

meine Güte für meine Soldaten. Und Turenne schrieb, sie hätten kaum Geld<br />

gehabt, um sich zu versorgen. Also was tun? In der Ortschronik von Lachen<br />

- Speyerdorf finden wir folgenden Satz:“ Neustadt und Lachen wurden von<br />

den Franzosen ausgeplündert und verwüstet“ 196 .<br />

196 ) Arbeitsgemeinschaft Lachen- Speyerdorf, Beiträge zur Ortschronik, Neustadt 1994, S. 62


119<br />

In und um Landstuhl hausten nach den verlorenen Schlachten von Sinsheim &<br />

Ladenburg Lothringische Truppen. Entsprechend der damaligen<br />

Rechtsauffassung und Infrastruktur war das Umland gezwungen, die<br />

kaiserlichen Truppen zu ernähren, wo es noch nicht einmal für die eigene<br />

Bevölkerung langte. Herumstreifende Reitergruppen plünderten, was sie<br />

fanden. Sie kamen bis in die Nordpfalz. Glück hatte, wer sich hinter die<br />

sicheren Stadtmauern Lauterns retten konnte oder Zuflucht hinter massive<br />

Burgmauern Schallodenbachs und Reipoltskirchen fand. Obwohl<br />

Kaiserslautern diesmal weitgehend verschont blieb, verdoppelte die<br />

Pfalzgräfin Maria Eleonora 1674 die Steuern, um etwas mehr Geld für die<br />

Sicherheit ausgeben zu können, aber die Stadtbefestigung Otterbergs war<br />

1674 immer noch nicht abgeschlossen.<br />

Nachdem Turenne am 26.7.1675 bei Sasbach/Offenburg ums Leben kam, war es<br />

mit der militärischen Überlegenheit vorbei. Frankreichs Truppen wurden über den<br />

Rhein zurück gedrängt.<br />

5.6. Französische Raubzüge 1676/77<br />

1676 Fortsetzungen der Zerstörungen im linksrheinischen Gebiet. Streifzüge<br />

durch den Westrich, Misshandlungen der Bewohner in und um Zweibrücken,<br />

Kaiserslautern und bei Bergzabern. In der Umgebung von Neustadt werden<br />

Dörfer geplündert und eingeäschert.<br />

April 1677: Die kaiserlichen Truppen überschritten bei Oppenheim den<br />

Rhein und drängen über Kreuznach, Lauterecken die Franzosen ins Saarland<br />

zurück. Auf dem Rückzug richteten die Franzosen überall planmäßige<br />

Zerstörungen an. Sie waren noch im April auf Raubzügen in Albisheim.<br />

Deshalb nahm Pfarrer Koch wegen der Kriegsgefährlichkeit nur noch Taufen<br />

zuhause vor. Beim Taufeintrag der Anna Catharina Diefenbach vermerkte er<br />

dies: Das Kind kam auf dem Heyerhof zur Welt Gevattern waren Anna<br />

Catharina Busch, Tochter des verstorbenen Johannes Busch und deren<br />

Mutter Anna Christina, Jacob Mertens vom gleichen Hof und seine Hausfrau.<br />

Das Schloss und die Stadt Zweibrücken werden geplündert und das Schloss in<br />

die Luft gesprengt. In der Umgebung von Zweibrücken, wie im Oberamt<br />

Lichtenberg und in der Vorderpfalz bei Bergzabern plündern und verwüsten<br />

franz. Soldaten die Dörfer. Vor den kaiserlichen Truppen müssen sie sich<br />

hinter Saarbrücken zurückziehen.<br />

17.4.1677: Die Franzosen brennen Saarbrücken nieder. Die sich<br />

anschließenden Kämpfe verlieren die kaiserlichen Truppen und ziehen sich<br />

deshalb über Kaiserslautern zurück 197 .<br />

25.11.1677, „wegen Kriegs Unruhe haben Hans Jacob Walther und seine<br />

Hausfrau Anna Maria (Fritz) im Schloss Schallodenbach ein Söhnlein auf<br />

den Namen Johann Cornelius getauft“.<br />

im Januar 1678 ist diese Notiz ins Kirchenbuch eingetragen worden: „Wentz<br />

Thielen (Diehl) von Mehlbach, jetzo aber wegen Kriegs Troublen zu<br />

197 ) Quelle dieses Artikels: Die Saarpfalz als Kriegsschauplatz seit drei Jahrhunderten, Sonderdruck,<br />

Band 3, Autor unbekannt, 1939, S. 13 ff (Pfalzbibliothek ZM 5771)<br />

119


120<br />

120<br />

Niederkirchen bey seinem Schwager Johannes Wildten sich aufhaltend, ein<br />

Söhnlein getauft“<br />

Im Frieden von Nymwegen (1678/79) erhielt Frankreich 10 elsässische<br />

Reichsstädte, die Freigrafschaft Burgund und die heutigen nordfranzösischen<br />

Städte Cambrai, Valenciennes. Holland erhielt sein Land zurück und<br />

Frankreich fühlte sich strategisch gefestigt. Ludwig XIV. hielt es angesichts<br />

seiner Machtfülle und der gleichzeitigen Schwäche des Deutschen Reiches<br />

nicht mehr für nötig, weitere Kriegserklärungen ergehen zu lassen.<br />

Nach dem Abzug der Franz. Truppen in 1678 und dem Friedensschluss von<br />

Nymwegen kam zuerst die Familie Herr und Frau Pierre de L´Eau mit ihren<br />

zwei Kindern nach Otterberg. Pfarrer Charles Faucher machte auf Seite 300<br />

folgende Einträge<br />

Dies sind Proselytes = Neubekehrte, die das Licht der Wahrheit favorisieren,<br />

die den Irrweg verlassen und dem Beispiel des Vaters der Gläubigen gefolgt<br />

sind. Sie folgen den Bewegungen ihrer Überzeugungen und werden umarmt<br />

von der Liebe unserer christlichen Religion. Sie bekannten sich in<br />

Anwesenheit unserer Kirchengemeinde:<br />

Pierre de L´Eau, (Peter Wasser), seine Frau und seine 2 Kinder empfohlen<br />

durch Herrn Pfarrer Ancillon, Pfarrer von Metz und Herrn Pfarrer Poitem<br />

von Mannheim und durch Herrn Porctevin ? an Herrn Pfarrer Charles<br />

Faucher (Pastor von Otterberg von 1678. Die Familie hat die Gegend von<br />

Noyan in der Picardie verlassen und hat der katholischen Kirche<br />

abgeschworen und. Sie wurden von unserer christlichen Religion umarmt und<br />

in Anwesenheit unserer Kirchenversammlung am 1. September 1679<br />

aufgenommen.<br />

zwei junge Männer, die auch am 1.9.1679 in die franz. Gemeinde Otterbergs<br />

ausgenommen wurden. Dies waren Pierre Cendre und Pierre Guillaume,<br />

beide aus Micheroux und junge Männer aus Raucourt.<br />

5.7. Das Revokationsedikt von<br />

Fontainebleau<br />

1685, 18. bis 22. Oktober, der Sonnenkönig hielt sich in seinem Jagdschloss<br />

Fontainebleau auf. Wilde Ausritte, Konzerte, Opern und prächtige Bälle<br />

wechselten einander ab. Und dazwischen fand Politik ihren Platz, oft nur unter<br />

vier Augen. Da und dort mal ein stummer Impuls und Ludwig XIV dirigierte sein<br />

Frankreich. Mit diktatorischer Gewalt fegte er im Revokationsedikt von<br />

Fontainebleau die letzten verbliebenen Religionsfreiheiten der Hugenotten aus<br />

dem Edikt von Nantes vom Tisch. Ludwigs Wort war Gesetz und keiner wagte es<br />

mehr, ihm zu widersprechen.<br />

Nun war sogar die Ausübung des reformierten Bekenntnisses überall, auch zu<br />

Hause verboten. Die Kinder mussten katholisch getauft und erzogen werden. Er<br />

wies die Polizei an, alle reformierten Gotteshäuser zu zerstören. Die reformierten<br />

Pfarrer hatten innerhalb von 14 Tagen ihre Bündel zu packen und das Land zu<br />

verlassen. Sie hätten auch abschwören können. Den Gläubigen war die<br />

Emigration bei schwerer Galeerenstrafe verboten und den Frauen drohte bei


121<br />

Flucht eine lebenslange Haftstrafe. Da überlegte es sich mancher, ob er nicht<br />

wechseln sollte. Denn katholisch zu sein, tut ja bekannter weise nicht weh.<br />

Im November 1685 verschärfte der französische Kriegsminister Louvois die<br />

Zwangsmaßnahmen. Zuerst sollten die Soldaten in den Häusern und Dörfern der<br />

Hugenotten recht zügellos hausen. Besonders brutal waren Zwangsadoptionen, so<br />

wie sie später auch die DDR praktizieren ließ.<br />

1686, im Januar: auf königlichen Befehl wurden den Eltern ihre Kinder<br />

zwischen 5 und 16 <strong>Jahre</strong>n weggenommen und streng gläubigen Katholiken zur<br />

Erziehung übergeben. Mit heimlich zurückgekehrten Pfarrern machte der<br />

Schultheiß kurzen Prozess. Ruck, Zuck und man knüpfte das schwarze Schaf für<br />

jeden sichtbar am Marktplatz oder im Stadttor auf. Sollte ein Bürger auch nur aus<br />

Gutmütigkeit verzweifelten Auswanderern helfen, dann musste auch er mit der<br />

Todesstrafe rechnen. Die Denunziation blühte, denn es gab hohes Kopfgeld. Aber<br />

dennoch, die Freiheit lockte und so wollten die Protestanten nicht weiterleben.<br />

Die Verwandten der Autoren Partoy stammen aus Metz. Im Sommer 1687<br />

hatten sich mehrere Familienmitglieder in Geheimsitzungen verabredet, in die<br />

nahe Pfalz zu flüchten und dort ihr Leben neu zu organisieren. Sie hatten alles gut<br />

vorbereitet. Und anfangs lief es auch wirklich gut. Sie marschierten nur nachts<br />

und schliefen tagsüber im Wald. Sie hatten getrocknete Früchte dabei, um zu<br />

überleben. Sie mieden alle Dörfer. Dann kamen sie auf Zweibrücker Land und<br />

dort dachten sie, sie seien in Sicherheit. Sie atmeten auf. Doch weit gefehlt.<br />

Zweibrücken war im Zuge der Reunionskriege französisch besetzt und die<br />

Besatzer spürten sie in einer Hütte auf. Die Männer wehrten sich mit ihren Waffen<br />

gegen ihre Festnahme und dabei töteten sie zwei franzosische Soldaten. Doch sie<br />

wurden überwältigt und nach Metz ins Gefängnis überbracht. Am 21. Dezember<br />

1687 wurden die vier Männer auf dem Seille-Platz in Metz öffentlich<br />

hingerichtet. Das Hab und Gut der Hingerichteten wurde zugunsten der<br />

Staatskasse beschlagnahmt. Die älteren Söhne und Töchter kamen in<br />

Erziehungsanstalten und die Frauen verschwanden lebenslang in dunklen<br />

Türmen. 198<br />

Das grausame Vorgehen der französischen Polizei und des Militärs löste eine<br />

Massenflucht von bis zu 200.000 gut ausgebildeten Hugenotten aus, die mit<br />

offenen Armen in der Pfalz, Hessen und vor allem in Preußen aufgenommen<br />

wurden und dort mit ihrer mitgebrachten Fortschritts-Technologie Manufakturen<br />

gründeten.<br />

5.8. Die Einwanderungen von 1685/88<br />

(von Charles Faucher, Otterberger Pfarrer)<br />

Aufgrund des Terrors flüchteten Massen von Franzosen. Im Französisch<br />

Reformierten Kirchenbuch Otterbergs findet die Einwanderung folgenden<br />

schriftlichen Niederschlag:<br />

198 ) Detlef Uhrig, genealogische Recherche<br />

121


122<br />

122<br />

Januar 1684; Charles Antoine Conaer aus Lothringen hat unsere Religion in<br />

Anwesenheit unserer versammelten Kirchengemeinde angenommen.<br />

Die große Masseneinwanderung war 1685 aus Monts en Honau (lt Faucher)<br />

Mit diesen Menschen zog Pfarrer Charles Faucher 1689 dann nach Holzappel.<br />

(Aus Monts waren schon früher Immigranten gekommen. So wird Catharine,<br />

die Tochter des Jean Colas aus Monts am 15.6.1656 als Patin genannt. Diese<br />

frühen Einwanderer zogen andere nach!)<br />

1685 Einwanderungsverzeichnis<br />

im Originaltext sind die Namen unsortiert<br />

Abmand, Philippe<br />

André, Pierre<br />

Augustin, (ohne Vornamen)<br />

Benoit, George<br />

Blanquet, Jeean und Pierre<br />

Cornet, Jean<br />

de Hon, Lambert<br />

de la Forge, Michael<br />

Dieu, Pierre und Jean<br />

du Mont, Claude<br />

Du Pont, Simon<br />

Flamand, Antoine und Lambert<br />

Flandrin, Pierre, geboren in Tierrasse, genauso wie seine Frau<br />

und seine zwei Kinder<br />

Foyé, Nicolas und Pierre<br />

Maton, Antoine<br />

Mercier, Lambert, Jean, Lambert aus Bussi & André<br />

Poitier, George<br />

Roger, Pierre<br />

Syplis, Jean<br />

Urbain, Jaques, der Alte<br />

Urbain, Jaques, der Junge<br />

Urbain, Jean<br />

Villain, Vincent, Charles, Jean, Pierre und Louis<br />

(Diese) sind geboren, aufgezogen in der Romanischen Kirche<br />

nahe Monts en Honau, Niederlande, die mit ihren Familien, die<br />

Zahl von ungefähr 150 Personen ausmachen, haben im<br />

Jahr 1685 unsere Religion angenommen.<br />

1687 Jean Riffler<br />

hat unsere Religion an Ostern 1687 angenommen


123<br />

18.1.1688 Jacob Philippe de la Fouchardière,<br />

geboren in Nevers, Trigonometres ist am 18. Jan. 1688<br />

hier passé<br />

Kirchliche Vorschriften<br />

1673 – 1683 scheinen für Otterberg und <strong>Erlenbach</strong> stabile Verhältnisse gebracht<br />

zu haben, obwohl es in der Vorderpfalz, im Mannheimer Raum und auch im<br />

Westrich krachte. Dies erkennt man an der Vielzahl von Vorschriften 199 , die die<br />

Regierung der Kurpfalz erließ:<br />

• Die Pfarrer dürfen genau wie die anderen Offiziellen gestempeltes Papier<br />

benutzen (vom 1.2.1673)<br />

• Die Predigten dürfen nicht länger als 1 Stunde dauern. Diese Vorschrift<br />

vom 19.2.1673 wurde sechs <strong>Jahre</strong> später am 6.2.1679 nochmals durch den<br />

kurfürstlichen Befehl vom 6.2.1679 verstärkt. Der Kurfürst befiehlt<br />

ausdrücklich, dass die Pfarrer nicht länger als eine Stunde predigen dürfen.<br />

Die Zuhörer sind nicht verpflichtet, länger in der Kirche zu verbleiben.<br />

Logischerweise befahl die Polizeiordnung Anwesenheitspflicht während<br />

des gesamten Gottesdienstes. Die Gläubigen konnten die Zeit genau<br />

bestimmen, obwohl sie selbst keine Uhr hatten, denn vom Kirchturm<br />

erklang die Turmuhr stündlich.<br />

• Die Polizeiordnung soll mit den Textstellen IIL 3 v verlesen werden 200 .<br />

Um die polizeilichen Vorschriften zu verinnerlichen, befahl die Regierung<br />

vier <strong>Jahre</strong> später im Okt 1679, die Gesetze sollten am 1. Tag eines jeden<br />

<strong>Jahre</strong>s (von der Kanzel) neu vorgelesen werden.<br />

• Im Hochzeits-Aufgebot (Proclamation) sollten keine zusammenhanglosen<br />

Dinge genannt werden, sondern nur Fakten, die die Vermählung betreffen.<br />

Das Paar sollte aber drei Florin (Gulden) bezahlen, wenn sie sich<br />

außerhalb ihrer zuständigen Gemeinde trauen ließ (29.6.1673 & 1.4.1677)<br />

• Während des Gottesdienstes darf man auch knien (Okt 1680)<br />

• Im November 1680 erlaubte der Kurfürst eine Kollekte zugunsten der<br />

Schulen im Amt Heidelberg.<br />

5.9. Toleranz & die Kalenderumstellung in<br />

1684 (Joh. Heinrich Bachmann 1764)<br />

Land zu besitzen oder besetzen ist eine Sache, sie geschickt zu verwalten eine<br />

andere. Dies gelingt nur, wenn der Verantwortliche sich in die Situationen<br />

199 ) Ordres du Sénat éclestique, Seiten 270 ff.<br />

200 ) vom 12. Juli 1673<br />

123


124<br />

124<br />

hineindenken kann und den Minderheiten Rechnung trägt. Darin zeigt sich dann<br />

die wahre Kunst, die langfristig Früchte trägt.<br />

1680 setzte Ludwig XIV. die so genannten 'Reunionskammern' ein, die für<br />

Gebiete, die er okkupieren wollte, irgendwelche Rechtsfiktionen aufstellten.<br />

Zahlreiche deutsche Städte wurden mitten im Frieden von französischen Truppen<br />

besetzt (Saarbrücken, Straßburg, Trier u.a.). Er ließ die so genannten<br />

Reunionskammern einrichten. Willfährige Juristen hatten Argumente<br />

herbeigezaubert, die keiner Überprüfung standhielten. Sie hatten den juristischen<br />

Auftrag, die politischen Gebietsansprüche irgendwie juristisch zu untermauern,<br />

um den militärischen Aktionen eine scheinbare Rechtfertigung zu verschaffen.<br />

Eines der Expansionsopfer war das Herzogtum Pfalz-Zweibrücken. Die<br />

Reunionskammer erklärte unser Herzogtum Pfalz Zweibrücken als <strong>Teil</strong> des<br />

französischen Staatsgebietes. Somit war der Herzog von Zweibrücken Untertan<br />

Frankreichs und sollte deshalb den französischen Treueid schwören. Auch schon<br />

vorher waren die Eigentumsverhältnisse verzwickt. Der schwedische König hatte<br />

Pfalz-Zweibrücken geerbt und war deshalb gleichzeitig dessen Herzog. Jedoch<br />

lebte er fernab von der Westpfalz. Er war auch Monarch, Majestät von Gottes<br />

Gnaden, stand deshalb auf gleicher Augenhöhe wie der Sonnenkönig und lehnte<br />

deshalb das Begehren (Vorgehen) Louis XIV als unverschämt ab.<br />

Der Schwedenkönig war weit weg und konnte nicht helfen. Auch der Deutsche<br />

Kaiser hatte im Osten dringendere Probleme. Er war gleichzeitig Kaiser von<br />

Österreich und ungarischer König. Das Osmanische Reich griff auf Veranlassung<br />

des christlichen Königs Ludwig XIV 1689 Österreich an und bedrohte massiv<br />

Wien.<br />

1684, 12. Dezember: Auch dies geschah unter der Schirmherrschaft Frankreichs.<br />

Ludwig XIV. hatte die Wiedervereinigung (= Réunion) mit dem linksrheinischen<br />

Gebiet angeordnet 201 . Für ihn handelte Monsieur de la Goupillière. Er war<br />

„Intendant“ (= Ministerpräsident) des neuen französischen Departements, das<br />

durch die Ströme Rhein, Mosel und Saar begrenzt war. Er war ein kluger Kopf.<br />

Am 12.12.1684 ordnete er im Namen seiner Majestät des franz. König die<br />

Einführung des Gregorianischen Kalenders an 202 : der genauer die<br />

Sonnenumrundung der Erde erfasst. Dies wissen wir durch den Eintrag des<br />

Pfarrers Dörhagen, Conrad im Heimkirchener Kirchenbuch vom 12.<br />

Dezember 1684.<br />

„Weil im Nahmen Ihro Königlichen Majestät in Frankreich anbefohlen<br />

von Weinachten an auch allhier die neue Zeit zu observieren, als werden<br />

nachgesetzte getauften Kinder, was die Sonntage betrifft, der neuen Zeit<br />

nach gesetzt werden“. Allerdings trauten die reformierten und<br />

lutherischen Pfarrer nicht der neuen, der katholischen Zeitrechnung. Und<br />

deshalb trugen sie über 20 <strong>Jahre</strong> lang alle Daten parallel mit der<br />

bekannten 10tägigen Verschiebung.<br />

201 ) „Als 1681, die Krone Frankreichs das Herzogthum Zweibrücken unter seine Hoheit gezogen hatte,<br />

so wurde auch gar bald die Katholische Religions-Übung in demselben eingeführt“ Bachmann,<br />

a.a.O, S 204<br />

202 ) Bachmann, Johann Heinrich. a.a.O. S. 204 ff


125<br />

1684, 21. Dezember: Auch dies geschah unter der Schirmherrschaft Frankreichs.<br />

Am 21.12.1684 erließ Monsieur de la Coupellières 203 im Namen seiner Majestät<br />

des franz. König folgende Toleranz-Vorschrift: 204 :<br />

1. In Orten, in denen 2 Kirchengebäude seien, sollte den Katholiken<br />

das kleinere zur Verfügung stehen.<br />

2. Hat der Ort aber nur eine Kirche, wie in Otterberg, dann sollten die<br />

Katholiken in dem Chor ihre Messe halten dürfen, während den<br />

Reformierten der größere <strong>Teil</strong>, das Langhaus zur Religionsausübung<br />

vorbehalten bleiben solle. Wo es nötig sei, könne auch das Langhaus<br />

vom Chor durch eine Mauer 205 abgetrennt werden, so wie es in der<br />

Abteikirche Otterberg dann auch geschah.<br />

3. Sollte der katholische Pfarrer einen Katholiken in dem Kirchenbezirk<br />

nachweisen, dann müsse dem Priester die Kirche zur Ausübung der<br />

Heiligen Messe geöffnet werden. Diese simultane Nutzung war aus<br />

heutiger Sicht zukunftsweisend, aber damals vielen ein Dorn im Auge,<br />

zumal sich die Pfarrer dann auch noch die Besoldung teilen mussten.<br />

Das tat dann richtig weh!<br />

Auch diese Regelungen wurden Bestandteil des umfangreichen<br />

Friedensvertrages von Ryswyk. Somit verbindlich für alle, egal zweibrückisch<br />

oder kurpfälzisch.<br />

Ein wichtiges Argument war die den Neubürgern gewährte Gewissenfreiheit und<br />

freie Religionsausübung. Das Patent versprach auch die Anstellung von<br />

Schweizer und französischen Predigern, sobald sich genügende Ansiedler<br />

„angepflanzt“ (= dauerhaft niedergelassen) hätten, Dabei sollten jedoch die<br />

bisherigen reformierten Gemeinden ihre deutschsprachige Liturgie beibehalten<br />

dürfen. Daraus entstanden in Otterberg dann drei evangelische Gemeinden, wovon<br />

eine französisch sprachig war.<br />

Das Einwanderungspatent des Kurfürsten war jedoch keine Rechtsreform (jus<br />

reformandi). Es war konform dem Pax Westphalica und der Analogie des<br />

Ryswyker Friedensschlusses 206 . Dadurch gab sich endlich ein Status quo<br />

zwischen den Religionen und die Regelung erzwang einen verpflichtenden<br />

Religionsfrieden. Ehen mit gemischten Ehepartnern erhielten von daher einen<br />

inneren religiösen Frieden, der von außen durch die Pfarrer nicht mehr gestört<br />

werden durfte. So saßen am häuslichen Tisch die reformierte <strong>Erlenbach</strong>er Mutter<br />

und ein katholischer Vater. Die Buben wurden katholisch und die Schwestern<br />

wurden reformiert getauft und erzogen. Die gleiche Regelung galt natürlich auch,<br />

203 ) Im Pfälzischen Erbfolgekrieg war Coupillière (Goupillière) wieder in der Pfalz. Am 25.11.1688<br />

nahm er als Intendant die Huldigung des Frankenthaler Stadtrates und Geistlichkeit entgegen. Aus<br />

Amberger Heinz, Dero Stadt Frankenthal, Frankenthal, S. 16<br />

204 ) Bachmann, Johann Heinrich. a.a.O. S. 204 ff<br />

205 ) In der Abteikirche wurde eine 1 Meter starke Trennmauer eingezogen.<br />

206 ) J.O.P. Art VII. Si vero aliqua communitas, eveniente mutationis cafu, domini fui<br />

Religionem amplexa, petierit suo fumtu exercitium, cou princeps cei domininus<br />

addictus est. Liberum esto, sine reliquorum praejudicio ei iliud, induigere, à<br />

successoribus non auserendum.<br />

125


126<br />

126<br />

wenn der Vater lutherisch und die Mutter reformierten Glaubens war 207 , wie<br />

der Vertrag von 1725 dann später auswies.<br />

Pfarrer Engelmann schrieb weiter, „man hat uns (zu dieser Ehe) einen<br />

Ehekontrakt geschickt, der in unserem Konsistorium aufbewahrt wird. Die zwei<br />

Ehepartner vereinbaren, dass die Buben lutherisch und die Mädchen im<br />

reformierten Glauben erzogen werden sollen. Und wenn der besagte Leicker vor<br />

ihr ohne Kinder stirbt, wird sie aus seinem Vermögen 100 Gulden erhalten. Stirbt<br />

sie aber vor ihm ohne Kinder, so soll er nach dem Tod des Zacharias Gaye und<br />

seiner Frau ein Drittel dessen Vermögens erben. Der Vertrag wurde am 24. Januar<br />

1725 geschlossen.<br />

Bei oder nach dem Hochzeitsessen dürfte es zu einem Eklat gekommen sein.<br />

Pfarrer Engelmann hielt in seinem Hochzeitsbuch unter NB fest, dass der Pfarrer<br />

Sauerwein ohne Abstimmung mit den Anderen, die Armen an die Hochzeitstafel<br />

eingeladen hätte. Anstatt wie in vergleichbaren Fällen die Heller und die Reste<br />

gleichmäßig unter den Brüdern der beiden Kirchengemeinden aufzuteilen.<br />

Dieses erzwungene friedliche Zusammenleben dehnte sich langsam auf die<br />

gesamte Gesellschaft aus und nahm den religiösen Eiferern ihre Motivation. Heute<br />

erzwingt die katholische Kirche jedoch wieder die katholische Trauung und die<br />

katholische Taufe der Kinder. (Aber was hilft es, wenn die Kirche ihre<br />

Anziehungskraft verloren hat und den Menschen nichts mehr vermitteln kann.<br />

Folgen: Kirchenaustritte, Kirchensteuereinnahmen brechen weg, Pfarrstellen<br />

werden gestrichen).<br />

Da Schule und Kirche eine Einheit darstellten, regelte die Verordnung von<br />

1703 auch den Schulbesuch. Da auch auf dem Lande an gar vielen Pfarreien nur<br />

ein Schulmeister war und es daher notwendig geschehen musste, dass Lutherische<br />

Kinder zu einem Reformierten oder reformierte Kinder zu einem lutherischen<br />

Schulmeister in die Schule geschickt wurden, so wurde sogleich verordnet, dass<br />

der Lehrer diese Kinder in beiden Katechismen unterrichten sollte. Dabei sollten<br />

alle unnötigen und anzüglichen Anführungen der Streitfragen vermieden bleiben.<br />

207 1725:. Am 8. Februar 1725 heiratete der ledige Jean Georg Leicker die Marie Susanne<br />

Gaye, Tochter des Zacharias Gaye, Bürger dieser Stadt. Der Bräutigam war von Beruf<br />

Müller und Sohn des verstorbenen Frederic Leicker, der in Wehrheim Hufschmied war. Er<br />

stammte aus dem Gebiet von Trier und Dillenburg, nahe Usingen. Georg war Lutheraner und<br />

seine Braut war reformierten Glaubens. Otterberg hatte übrigens seit <strong>Jahre</strong>sanfang einen<br />

eigenen lutherischen Pfarrer. Es war Johann Michael Sauerwein 207 , der die Trauung<br />

vornahm Pfarrer Engelmann schrieb weiter, „man hat uns (zu dieser Ehe) einen<br />

Ehekontrakt geschickt, der in unserem Konsistorium aufbewahrt wird. Die zwei Ehepartner<br />

vereinbaren, dass die Buben lutherisch und die Mädchen im reformierten Glauben<br />

erzogen werden sollen. Und wenn der besagte Leicker vor ihr ohne Kinder stirbt, wird sie<br />

aus seinem Vermögen 100 Gulden erhalten. Stirbt sie aber vor ihm ohne Kinder, so soll er<br />

nach dem Tod des Zacharias Gaye und seiner Frau ein Drittel dessen Vermögens erben.<br />

Der Vertrag wurde am 24. Januar 1725 geschlossen.<br />

Bei oder nach diesem Hochzeitsessen dürfte es zu einem Eklat gekommen sein. Pfarrer Engelmann<br />

hielt in seinem Hochzeitsbuch unter NB fest, dass der Pfarrer Sauerwein ohne Abstimmung<br />

mit den Anderen, die Armen an die Hochzeitstafel eingeladen hätte. Anstatt wie in<br />

vergleichbaren Fällen die Heller und die Reste gleichmäßig unter den Brüdern der beiden<br />

Kirchengemeinden aufzuteilen.


127<br />

Dabei wurde weiterhin angeordnet, dass dergleichen Kinder bis zum 15. Jahr in<br />

ihrer Religion unterrichtet werden sollten. Diese Religions-Verfassung blieb zu<br />

Herzogs Gustavs Regierungsantritt gültig“ (Bachmann S. 216 und 217)<br />

1704: Die reformierten Geistlichen beschwerten sich über diese Regelung.<br />

Grund war, die Regelung nähme keine Rücksicht auf die Eheverträge der<br />

Eheleute. Außerdem sahen die Reformierten eine Ungleichbehandlung in der<br />

Handhabung der Religionsübertritte. Träte ein reformiertes Kind aus der<br />

gemischten Ehe zum Lutheranischen Glauben über, wäre das ganz einfach und die<br />

Beamten und Räte begrüßten dies. Umgekehrt warf man den lutherischen Kinder<br />

Knüppel zwischen die Beine und erschwerte den Glaubenswechsel. Die<br />

Regierung (Gouvernement) müsste dazu seine Genehmigung geben. Die<br />

reformierten Geistlichen erhielten jedoch keine zufriedenstellende Antwort. Denn<br />

jedes Land hat seine eigenen Gesetze, die sich aus der Landeshoheit herleiteten.<br />

„Den 28. Jenner 1719 hob Herzog Gustav die Königlich Schwedische<br />

Regierungs-Verordnung auf, kraft derer bei katholisch vermischten Ehen der<br />

Geistliche der protestantischen Religion des einen Ehegatten die Casualien<br />

verrichten sollte und befahl, dass die Katholiken den Protestanten völlig<br />

gleichgestellt werden sollten. Dadurch wurde die Verordnung von 1703<br />

vollkommen auch auf die katholischen Einwohner ausgedehnt.“<br />

Dadurch wird es auch verständlich, dass die Pfarrer Kinder aus gemischten Ehen<br />

einmal lutherisch, ein anderes Mal katholisch getauft hatten. .<br />

Das Bistum Metz versuchte diese liberale Regelung zu unterlaufen und verbat<br />

jede gemischte Ehe, wenn der Partner sich nicht katholisch copulieren 208<br />

(verheiraten) ließen. Die aus dieser Ehe stammenden Kinder mussten allesamt<br />

katholisch getauft werden. Die Verordnung des Herzogs Samuel Gustavs regelte<br />

weitsichtig auch diese Fälle. Die neue Religionsverordnung ermöglichte den<br />

evangelischen Pfarrern, das gemischt religiöse Paar entweder lutherisch oder<br />

reformiert zu trauen.<br />

Als dann die Franzosen abzogen, hatten die Bürger 80 <strong>Jahre</strong> Kriegselend hinter<br />

sich. Dies war schlimm und die Seelen trauerten. Aber das Leben ging weiter.<br />

Keiner konnte den Kopf in den Sand stecken. Und es ging wieder aufwärts.<br />

Überall wurde gemauert und gezimmert. Mit dem wachsenden Wohlstand ab 1720<br />

bauten die Bürger in und um Kaiserslautern herum immer schönere und größere<br />

Häuser. Und wieder war der Gemeindewald <strong>Erlenbach</strong> und der Reichswald um<br />

den Gersweilerhof herum wieder der Baustofflieferant. Dies ging bis an seine<br />

Leistungsfähigkeit.<br />

5.10. Pfälzischer Erbfolgekrieg (1688- 1697)<br />

Als Ludwig XIV. 1686 als Schwager der Elisabeth Charlotte von Orléans<br />

(Lieselotte von der Pfalz) Erbansprüche auf die Pfalz erhob, bildete sich das<br />

Bündnis von Augsburg, zu dem sich der Kaiser, Spanien, Schweden,<br />

Brandenburg, Sachsen, Hannover, Holland und Savoyen vereinigten. Schließlich<br />

trat auch noch England diesem Bündnis bei. Ohne Kriegserklärung brachen die<br />

französischen Armeen mit etwa 30.000 Soldaten 209 unter dem Kommando des<br />

Generals Ezéchiel de Mélac am 24.September 1688 über Trier in die Pfalz und<br />

208 ) copulieren = heiraten, alter Ausdruck bis zum Ende des 18. Jahrhunderts.<br />

209 ) Die Kurpfalz hatte damals 4.000 Soldaten; 1.700 davon waren in Frankenthal stationiert.<br />

127


128<br />

128<br />

Nordbadens ein. Mélac befahl, „verbrennt die Pfalz“. Dies war <strong>Teil</strong> der Rache,<br />

dass Frankreich die Pfalz auch in dreijährigen Verhandlungen nicht zugesprochen<br />

bekam.<br />

18.11.1688: Frankenthal ergab sich als letzter linksrheinischer Platz Am<br />

Sonntag, den 21.11.1688 wurde Frankenthal dann drei Stunden lang<br />

geplündert. Die Festungsmauern wurden eingerissen und die Gräben verfüllt.<br />

Am 25.9.1689 morgens ab 8 Uhr wurde die menschenleere Stadt angesteckt.<br />

Sie brannte total nieder. Oberst d`Aloce vom Regiment Villeroy hatte dazu<br />

den Befehl gegeben (Angaben des Archivs Frankenthal)<br />

17.1.1689: beginnt die Zerstörung Heidelbergs und der umliegenden Dörfer.<br />

Fortsetzung der Brandschatzung war am 2.3.1689.<br />

5. bis 25.3.1689 Zerstörung Mannheims, linksrheinisch werden die<br />

Stadtbefestigungen von Oppenheim, Worms, Frankenthal und Speyer<br />

geschleift.<br />

25.5.1689: In Speyer 210 holten Soldaten auf der Suche nach Schmuck die<br />

Gebeine der Kaiser aus ihren Sarkophagen und warfen sie achtlos auf den<br />

Boden. Bevor die Soldaten die Häuser links der Linie Altpörtel & Dom am<br />

25.5.1689 ansteckten, gaben sie den Menschen eine halbe Stunde Zeit, ihre<br />

Behausungen zu räumen. Die Tränen & das Elend der Menschen erfreuten die<br />

Feuerteufel.<br />

25.5.1689: Worms brennt<br />

31.5.1689 Grünstadt und Wachenheim werden angesteckt.<br />

1689: Wegen der Invasion der französischen Truppen verließ Herr Pfarrer<br />

Charles Faucher Otterberg. Er ging mit über 100 Gläubigen nach Holzappel<br />

und war bis zu seinem Tod am 14.3.1690 auch deren erster Pfarrer. Er gab<br />

neben anderen Gütern drei Tagwerk Land in Weyler auf. Die Siedlung hatte<br />

nahe der Walkerei gelegen und gegenwärtig ist dies in der Nähe der<br />

Beutlermühle. Dieses alte Haus war vormals seit 1580 im Besitz des ersten<br />

wallonischen Pfarrers Otterbergs, des Herrn Clignet, Doktor der<br />

Theologie gewesen 211 .<br />

Die damalige franz. Besatzungsmacht von 1689 änderte die alten garantierten<br />

Besitzverhältnisse an der Stadtmühle und an dem Pfarrhaus der Französisch<br />

Reformierten Gemeinde. Außerdem verhinderten sie mit dem befreundeten,<br />

katholischen Kurfürsten Johann Wilhelm eine Nachwahl der Pfarrstelle<br />

Otterberg. Die Stadt Otterberg wurde Eigentümer. (Siehe unten). Pfarrer Jean<br />

Pierre Engelmann klagte ab 1716 vor dem höchsten kurpfälzischem Gericht in<br />

Heidelberg, bis er 1720 Recht bekam und die franz. reformierte<br />

Kirchengemeinde wieder in ihr altes Recht eingesetzt wurde. Aber die Stadt<br />

Otterberg und die Deutsch Reformierte Kirche Otterbergs erhoben dagegen<br />

Widerspruch und der Rechtsstreit ging jahrelang weiter.<br />

August 1689: Im heutigen Donnersbergkreis wurden Rockenhausen und<br />

Kirchheimbolanden und die umliegenden Dörfer, vielleicht auch Albisheim<br />

angezündet.<br />

210 ) 1688: Kurz vor dem Einmarsch wurde das Reichskammergericht nach Wetzlar verlegt.<br />

211 ) laut franz Akten des Konsistoriums, Band XII, Seite 298


129<br />

Sept. & Oktober 1689: Deidesheim (6.9.) Dürkheim, Frankenthal (25.9.1689)<br />

und Alzey (Oktober) werden sinnlos zerstört.<br />

Erst am <strong>Jahre</strong>sende 1688 formierte sich der Widerstand der Reichsfürsten. Es<br />

dauerte ein weiteres Jahr bis der offizielle Reichskrieg gegen Frankreich<br />

erklärt wurde. 1689 kamen die Truppen des Schwäbischen Kreises (Truppen<br />

aus Württemberg, Baden und 31 Reichsstädten) zum Einsatz, die sich bis<br />

dahin in Ungarn im Abwehrkampf gegen die Türken 212 befunden hatten.<br />

1690: Vor den heranrückenden Deutschen zogen sich Mélacs Truppen zurück<br />

und ließen die Pfalz in Not und Elend zurück. Aber vorher fackelten sie die<br />

Felder ab und aus den Weinbergen rissen die Soldaten die Weinstöcke heraus.<br />

Es dauerte lange <strong>Jahre</strong>, bis der Wiederaufbau gelang. Opfer der Flammen<br />

wurden auch 200 Burgen, die keinerlei militärischen Zweck mehr hatten. So<br />

auch Alt- und Neuleiningen.<br />

1692: Die französischen Truppen drangen erneut rechtsrheinisch vor und<br />

sprengten endgültig das Heidelberger Schloss.<br />

In den meisten Schlachten blieb Frankreich siegreich. Große<br />

Entscheidungsschlachten zu Land gab es nicht. Zur See wurde die Flotte<br />

Frankreichs von den Engländern bei La Hougue vernichtet (1692). Die<br />

Überspannung der französischen Kräfte zwang Ludwig zum Einlenken. Im<br />

Frieden von Rijswijk (1697) musste Frankreich ein <strong>Teil</strong> der<br />

rechtsrheinischen Eroberungen. Die nun französischen Festungen Landau und<br />

Saarlouis markierten die neue Grenzlinie entlang der Queich und der Saar. Das<br />

Elsass mit Straßburg blieb französisch.<br />

Saar, Pfalz, Baden: Unsere Vorfahren waren schutzlos der rigorosen Politik<br />

Ludwig XIV ausgesetzt. Eigentlich dürften wir ihn nicht Sonnenkönig nennen. Er<br />

verdient aus unserer Sichte Attribute, die seine menschenverachtende Denkweise<br />

charakterisieren. Seine Truppen überfielen ungestraft und unbedrängt die Pfalz.<br />

Zuerst brannten sie Bergzabern und Zweibrücken nieder.<br />

1688: Der Schreiner Otterbergs Hans Brunner war anfangs des <strong>Jahre</strong>s heimlich<br />

erschossen worden und wurde erst nach etlichen Wochen Anfang Mai 1688 im<br />

Wald gefunden. Sein Leichnam wurde am 5.5.1688 begraben.<br />

DAS LEBEN IM 18. JAHRHUNDERT<br />

6.1. Kirchen & Kirchenbücher 213<br />

6.1.1 Katholiken:<br />

212 ) (Der Reichstag in Regensburg hatte 1681 unter dem Eindruck der wachsenden Türkengefahr die<br />

Errichtung eines stehenden Heeres beschlossen, das die einzelnen Reichskreise - so auch der<br />

'Schwäbische Kreis' - zu stellen hatten)<br />

213 Quelle: Mayer E. Ortsgeschichte von <strong>Erlenbach</strong> in Pfälzische Geschichtsblätter (PFGBl 1, S.<br />

45 ff, eine monatliche Beilage zur Pfälzischen Presse<br />

129


130<br />

130<br />

Die Christianisierung kannte nur einen Glauben. Der Katholizismus löste die<br />

Vielgötterei der germanischen Vorfahren ab. Viele Jahrhunderte liegen im<br />

Dunkeln der Geschichte. Bis 1159 gehörte <strong>Erlenbach</strong> mit Otterberg zum<br />

Kirchenspiel Sambach. Unser Pfarrer unterstand dem Erzbischof von Mainz und<br />

dorthin flossen ein <strong>Teil</strong> der staatlichen Einnahmen. Dann tauchte mit dem Kloster<br />

Otterberg ein ungeliebter Konkurrent auf, der dem Pfarrer in Sambach Einfluss<br />

und Steuereinnahmen wegnahm. Aber dies war klein Einzelfall. Mit königlich,<br />

kaiserlichem Segen entstanden die Klöster Marienthal, Enkenbach, Lambrecht<br />

und so weiter. Aus Konkurrenz erwuchs Hass und innenpolitische Destabilität.<br />

Der Mainzer Erzbischöfe nahmen den intrigenreichen Kampf mit den Staufern<br />

auf, um sie zu schädigen, wo sie nur konnten. Gegen Ende des Mittelalters<br />

zerstörten dann noch die sinnlosen Fehden des Zweibrücker Herzogs Ludwig des<br />

Schwarzen mit dem Kurfürsten Friedrich dem Siegreichen bäuerliche und<br />

bürgerliche Existenzen. Die Reformation gab der katholischen Gemeinde den<br />

Rest. Aufschwung erlangte sie wieder im 30jährigen und in den nachfolgenden<br />

Kriegen. Aber die Rekatholisierung misslang. Die Kurpfalz blieb protestantisch<br />

und der Kurfürst gab die Richtlinien auch der Kirchen- und Schulpolitik vor. Da<br />

die Katholischen Kirchenbücher in Latein geschrieben sind, verschließt sich für<br />

mich den Nichtlateiner diese Informationsquelle. Aber im Franz. KB sind<br />

folgende Hinweise:<br />

Schockierend war folgende Notiz vom 13. Okt. 1727 auf Seite 289: „An alle<br />

Bürgermeister, Gerichtsschreiber und andere Personen, die von Amtswegen<br />

mit der Sache zu tun haben: Bei der letzten Schulvisite sahen wir, dass die<br />

katholischen Schüler weder lesen, noch schreiben können und dass die<br />

Kinder der Reformierten zu sehr viel mehr fähig sind.<br />

> Dass die Katholiken feiern können, weiß jedes Kind. In Otterberg schienen sie<br />

es jedoch 1729 etwas übertrieben zu haben. Mit Unterstützung des Kurfürsten<br />

schrieb der Oberste Kirchenrat aus Heidelberg. „Wir finden es sehr schlimm,<br />

dass die katholischen Feste (Otterbergs) zu profan sind, dass sie gegen die<br />

Deklaration verstoßen, an die sich auch die Reformierten halten müssen. Wir<br />

befehlen allen Pfarrern und Familienvätern, dass jeder in seinem Haus darauf<br />

achtet, dass er an Festtagen keine öffentliche Arbeit verrichtet und jeden Lärm<br />

vermeidet.“ (19.9.1729, pag 292)<br />

6.1.2. Lutheraner:<br />

Sie gehörten mal sehr früh zu Hochspeyer. 1717 kamen sie zu Kaiserslautern und<br />

ab 1722 zu Otterberg. Auf dem Foto vom 31.5.2005 sehen Sie das Lutherische<br />

Pfarrhaus Otterbergs 1725.<br />

Am 8. Februar 1725 (oo 8.2.1725) heiratete der ledige Jean Georg Leicker die<br />

Marie Susanne 214 Gaye, Tochter des Zacharias Gaye, Bürger dieser Stadt. Der<br />

Bräutigam war von Beruf Müller und Sohn des verstorbenen Frederic Leicker,<br />

der in Wehrheim Hufschmied war. Er stammte aus dem Gebiet von Trier und<br />

Dillenburg, nahe Usingen. Georg war Lutheraner und seine Braut war<br />

reformierten Glaubens. Otterberg hatte übrigens seit <strong>Jahre</strong>sanfang einen eigenen<br />

214 ) Sie war noch für das unerlaubte Tanzen am →5.6.1724 in Otterbach zu 15 X Strafe verurteilt<br />

worden. Die Tanzveranstaltung war aus Anlass des Otterbacher Marktes, ein Tag nach Pfingsten<br />

gewesen. Sie war dort mit 5 Otterberger Freundinnen gewesen.


131<br />

lutherischen Pfarrer. Es war Johann Michael Sauerwein 215 , der die Trauung<br />

vornahm. Dieser Pfarrer stammte aus Langstadt bei Babenhausen und war Sohn<br />

des Gerichtsschöffen Christoph. Von 1720 -1721 war er in Unterschefflenz tätig.<br />

Von 1722 bis 1729 betreute er die Otterberger Lutheraner. Er ging danach nach<br />

Alsheim 216 II.<br />

1732: am 27.11.1732 schrieb die oberste Kirchenverwaltung in Heidelberg: Den<br />

Protestanten ist es erlaubt, ihre Kinder von dem Pfarrer ihres Wunsches taufen zu<br />

lassen, wenn es in ihrem Ort keinen lutherischen Pfarrer gibt:<br />

1736 - 1739: war Johann Georg Winter Pfarrer der großen lutherischen<br />

Kirchengemeinde 217 mit ihren zahlreichen Dörfern, die Mehlbach, Olsbrücken,<br />

Hirschhorn, Katzweiler, Sambach, Otterbach, Otterberg, Baalborn und<br />

<strong>Erlenbach</strong> umfasste. Auch die lutherischen Wolfsteiner Sterbefälle sind dort<br />

notiert. Er starb am 23.7.1739: Im lutherischen Kirchenbuch steht<br />

„Herr Johann Georg Winter, Evang. Lutherischer Pfarrer allhier<br />

starb an einer neunwöchigen Krankheit mit Auszehrung, den 25ten<br />

ejus unter zahlreicher Begleitung und Laufpredigt von Herrn Pfarrer<br />

zu Lautern namens Jäger und dem damals bestellten Vicarius<br />

Johannes Schlosser begraben alt 40 Jahr, 19 Tag. Leichenpredigt über<br />

Gen 47 x 9“.<br />

Nachfolger wurde Johann Schlosser, der bis Ende 1741 tätig war. Ihm folgte 1742<br />

Johann Peter Polch: verheiratet mit Maria Magdalena Bohl aus Straßburg. Sie<br />

starb am 25.4.1749. Sie hatte etliche Wochen lang gehustet und unter<br />

Atembeschwerden gelitten. Nach einem dreitägigen Krankenlager starb sie<br />

dienstags morgens um 2 Uhr sanft und selig im Herrn Jesus. Tags drauf wurde sie<br />

von Herrn Pfarrer Jungk von Münchweiler beerdigt. Sie wurde 56 <strong>Jahre</strong> alt. Ihr<br />

Ehemann beschrieb sie als tugendreich und liebreizend.<br />

Pfarrer Polch hielt fleißig die Todesursachen fest. So können wir ergänzend zum<br />

franz. KB gut den Seuchenverlauf der <strong>Jahre</strong> 1740 – 1750 verfolgen. Seine letzte<br />

Eintragung im Otterberger Sterberegister war am 19. September 1749<br />

Johann Conrad Söder 1749 – 1756<br />

Er wurde 1721 in Grünstadt geboren. Seine Eltern waren die<br />

Wagnermeisterfamilie Philipp & Johanna Elisabetha Schweidt. Er ging 8 <strong>Jahre</strong><br />

lang in Grünstadt zur Schule, war von 1741 bis 1743 Student in Straßburg, danach<br />

in Halle. Seine erste Stelle war als Hauslehrer in Trarbach. Von 1746 bis 1748<br />

studierte er in Heidelberg. Seine erste Vikarstelle war in Otterberg 1748/49 unter<br />

Pfarrer Polch. Nach Polchs Tod am 19.9.1749 übernahm er dessen Amt bis 1756<br />

und wechselte danach nach Oppenheim, wo er am 16.4.1761 verstarb.<br />

215 ) Laut Gerhard Kaller, Ortschronik Otterberg, Band 2, S. 176. Sauerwein unterrichtete<br />

gleichzeitig die lutherischen Schüler. Er war bis 1729 in Otterberg, danach in Alsheim wo er<br />

allerdings abgesetzt wurde. Er starb dort am 1.3.1741 im Alter von 51 <strong>Jahre</strong>n. (Biundo)<br />

216 ) Am 18.12.1731 erhielt Pfarrer Sauerwein die Genehmigung für eine Kollekte für die lutherische<br />

Kirche in Alsheim „am Alten Rhein“.( Lt pag 292 Otterberger Akten)<br />

217 ) Laut der Überschrift im Sterberegister. Seine Schrift erkennt man auch in früheren und<br />

späteren Registern.<br />

131


132<br />

132<br />

6.1.3 Die Reformierten<br />

Seit der Reformation bildeten der Gersweilerhof, <strong>Erlenbach</strong>, Morlautern ein<br />

Kirchenspiel. Ab 1600 bis 1648 war auch Sambach dabei. Die Kirche in<br />

<strong>Erlenbach</strong> verfiel wohl gegen Ende des 30jährigen Krieges und die <strong>Erlenbach</strong>er<br />

und Höferer kamen ab 1648 zur Pfarrei Otterberg. Französisch sprechende<br />

Gläubige aus Liège (Belgien = Wallonien) und aus Sedan, Metz (Lothringen)<br />

wanderten zuerst um 1579 und dann wieder nach 1648 ein. 1684 setzte eine<br />

Massenflucht aus der heutigen Picardie und dem Grenzgebiet zwischen Nordost-<br />

Frankreich (Monts) und dem heutigen Belgien ein, nachdem Ludwig XIV die<br />

frühere Religionsfreiheit für Null und nichtig erklärt hatte. Der Kurfürst und der<br />

Pfalzgraf garantierte ihnen Glaubensfreiheit. Sie durften eine eigene franz.<br />

sprechende Gemeinde mit eigenem Pfarrer bilden.


133<br />

Jacques Carron * 1655 in Frankfurt immatrikulierte sich am 20.6.1572 an der<br />

Uni Heidelberg. Von 1579 – 1599 war er französischer Pfarrer in Frankfurt.<br />

Vom 27.6.1602 bis 1605 betreute er die wallonische Pfarrei Otterbergs, ihm<br />

folgte: (Biundo # 735)<br />

1605 – 1614: Dr. Pierre Clignet aus Aachen, Sohn des ersten franz. Pfarrers<br />

Otterbergs. Er hatte auch in Heidelberg studiert und hatte sich eine Zeit lang in<br />

England und Holland aufgehalten. Vom 9.11.1605 bis 1614 war er der Hirte<br />

der Wallonen. (Biundo # 788)<br />

1633 bis 1638 Du Cloux, Barthélemy war wallonischer Pfarrer Otterbergs.<br />

Nach dem Kroatensturm von 1635 flüchtete er auch nach Metz. Er hielt die<br />

Trauerrede des am 10.8.1635 in Metz verstorbenen Herzogs Pfalz-<br />

Zweibrücken Johann II. (Biundo # 791)<br />

1649-1657 verwaltete Johann Heinrich Achenbach die wallonische<br />

Gemeinde Otterbergs. Er war mit Maria NN verheiratet. Seine Frau stand sehr<br />

oft als Patin zur Verfügung 218 . Von 1657-1659 war er Pfarrer der deutsch<br />

reformierten Kirche. Laut Biundo starb er am 12.3.1663 in Langenlonsheim.<br />

1660 – 1662: Benoit de Besson hatte in Genf Theologie studiert. Über 2<br />

<strong>Jahre</strong> war er Pfarrer Otterbergs.<br />

1662 bis 1667: August Couet aus Metz war franz. Pfarrer Otterbergs. Er<br />

müsste wohl 1667 in Otterberg verstorben sein. . Am 1.11.1668 war seine<br />

Witwe zusammen mit dem neuen Pfarrer Cerelott (auch Gresseau, Greslot)<br />

Patin/ Pate des Anthon de Hué gewesen. Antons Vater Johann war „Junker<br />

auf der Glashütte“.<br />

Ich entnahm dem Sterberegister der Französisch Reformierten Kirche, dass<br />

von 1668 bis zu seinem Tod 20.2.1678 Herr Antoine Cerelott 219 10 <strong>Jahre</strong> lang<br />

Pfarrer der Wallonen war. Der Sterbeeintrag schätzt den Verstorbenen auf 35<br />

– 36 <strong>Jahre</strong> 220 . (24.2.1670 ließ der deutsch reformierte Otterberger Schulmeister<br />

Johann Jacob Reiyff seinen Sohn Johann Nicola taufen).<br />

Schulmeister war seit 1652 Philipp Cordier, der im Alter von 70 <strong>Jahre</strong>n am<br />

22.12.1682 starb. Laut Sterberegister war er 30 <strong>Jahre</strong> lang franz. Schulmeister<br />

der wallonischen Pfarrgemeinde Otterberg gewesen. Seine Ehefrau Marie<br />

Cloteau † 29.11.1688.<br />

Sein Nachfolger wurde Antoine Migeot, der bis zum 14.2.1714 den Kindern<br />

Lesen und Schreiben beibrachte. Ihm folgte Pfarrer Charles Faucher, der aus<br />

Nîmes stammte. Er hatte an der berühmten theologischen Fakultät Heidelberg<br />

studiert und war in Otterberg von 1679 bis 1689 Hirte der wallonischen<br />

Kirchengemeinde gewesen. Kurz vor der französischen Invasion 1689 verließ<br />

er Otterberg und ging mit vielen seiner Schäfchen nach Holzappel. Dies waren<br />

vor allem die aus der großen Einwanderergruppe von 1684 mit über 150<br />

Personen.<br />

218 ) Frau Maria Achenbach war Patin: 17.11.1650 bei Nicola Mansar/ 1.9.1653 bei Gerard Thiere/<br />

20.8.1654 bei Marie Jeanne Cordier, Tochter des Schulmeisters Guillaume und seiner Frau<br />

Madelaine Cordier, / 1.4.1654 bei George André Masseau, /24.5.1654 war er selbst Pate bei<br />

Salomé Catharine Renard/ 12.8.1654 bei Jacob Friedrich Scholl, /5.3.1656 bei Philippe<br />

Malthourné etc.<br />

219 ) auch Gresseau, Greslot geschrieben!<br />

220 ) Bei Biundo fehlt dieser Pfarrer.<br />

133


134<br />

134<br />

Die 1689 verwaiste Kirche betreute der deutsch reformierte Pfarrer Johannes<br />

Weldener 221 bis 1712. Er dürfte in der pfarrerlosen Zeit die wallonische<br />

Kirchengemeinde betreut haben.<br />

> Im Dezember 1715 führte die Kirchenverwaltung den bilingualen Franzosen<br />

Jean Pierre Engelmann in sein seelsorgerisches Amt ein, der bis zu seinem<br />

Tod in 1751 die über 300köpfige Gemeinde leitete. Dieser Mann war damals<br />

und ist noch heute für uns ein großer Glücksfall, da er fleißig und sehr<br />

detailliert die Kirchenbücher und die Konsistorialakten führte. Deshalb<br />

können wir uns ein sehr gutes Bild über die <strong>Jahre</strong> 1716 bis 1750 machen. Da<br />

er auch lang anhängige Rechtsstreitigkeiten führte und darüber berichtete,<br />

konnte ich wertvolle Information gewinnen, die sogar die Zeit ab 1579<br />

erhellen.<br />

In Otterberg und seinen Filialen haben wir deshalb zwei reformierte<br />

Parallelkirchen, die<br />

• Deutsch-Reformierte Kirche & als Konkurrenz und Ergänzung die<br />

• Französisch-Reformierte Kirche,<br />

die mehr oder weniger gut miteinander harmonierten. Sie teilten sich das<br />

Langhaus der Abteikirche und hielten abwechselnd sonntags um 8 Uhr und 10<br />

Uhr Gottesdienst. Die beiden Pfarreien waren um 1726 in etwa gleichstark, bzw.<br />

die Pfarrer hatten anfänglich ein gleich hohes Einkommen. Nach 1734/35 wurde<br />

die deutsch ref. Gemeinde stärker.<br />

Alle vier Kirchengemeinden unterstanden der Obersten Kirchenverwaltung in<br />

Heidelberg. Die Pfarrer wurden verpflichtet die Kirchenbücher vollständig zu<br />

führen und alle drei <strong>Jahre</strong> Statistiken über die Bevölkerungsentwicklung nach<br />

Heidelberg zu schicken.<br />

Die Hohe Regierung (La Haute Regence) befahl den Pfarrern wiederholt und<br />

eindringlich die Augen aufzuhalten. Wer sich an seiner Tochter verging Inzeste), (<br />

wurde ausgepeitscht und aus dem Land gejagt. Auch war die Heirat unter<br />

direkten Blutsverwandten verboten. Die Hochzeiten von Cousin und Cousine<br />

mussten gemeldet und konnten genehmigt werden. (Verordnung vom 10.9.1743)<br />

6.2. Die traurige Ausgangslage<br />

Ludwig XIV. machte eine rücksichtslose und aggressive Außenpolitik. Er<br />

reklamierte für seine Schwägerin die Liselotte von der Pfalz 222 das Staatsgebiet<br />

der Churpfalz als französisches Staatsgebiet. 1688 begann General Mélac mit der<br />

Invasion. In diesem Zusammenhang flüchtete der wallonische Pfarrer Charles<br />

Faucher mit über 150 Gläubigen aus Otterberg und ließ sich in Holzappel nieder.<br />

Die Besatzungsmacht und ihre Helfer verhinderten eine Neuwahl eines<br />

calvinistischen Geistlichen, so dass die Wallonen - Gemeinde bis Ende 1715 kopf-<br />

221 ) Weldener, Weldner Johannes, * um 1639 in Niedenheim (Niederhessen) 1667 – 1670<br />

Schulmeister in Schweigern, 1670 bis 1673 Kantor und Schulmeister in Oppenheim, 1670 bis<br />

1677 Schulmeister und Diakon in Billigheim. 1677 bis 1680 Pfarrer in Godramstein. Ab 22.8.1680<br />

bis 1712 Pfarrer in Otterberg<br />

222 ) Elisabeth Charlotte * 27.5.1652 Sie war die Tochter von Carl Lutdwig & Charlotte, Tochter des<br />

Landgrafen Wilhelm V. von Hessen-Kassel.


135<br />

und führungslos blieb. Dankenswerterweise hatte der Pfarrer der Deutschen<br />

Gemeinde Pfarrer Johannes Weldener die Wallonen seelsorgerisch bis 1712<br />

mitbetreut, allerdings sehr zum Unmut seiner deutschsprachigen Glaubensbrüder,<br />

die ihn am liebsten fortgejagt hätten.<br />

Ab 1704 verschärfte sich die politische Lage, da hier bei uns der Spanische<br />

Erbfolgekrieg ausgetragen wurde. Während dieser <strong>Jahre</strong> lagen mehr oder weniger<br />

viele französische Truppen in Otterberg bzw. <strong>Erlenbach</strong>. Unter ihrem Schutz<br />

raubten die Katholiken den Franz. Reformierten ihre materiellen Grundlagen und<br />

begannen mit der Rekatholisierung. Als dann am 14.2.1714 noch der franz.<br />

Schulmeister Antoine Migeot 63jährig gestorben war, zeigte die wallonische<br />

Kirche leichte Auflösungserscheinungen, die die Katholischen Priester schamlos<br />

ausnutzten. Sie fühlten sich als Herren und das genossen sie. Sie nahmen sich<br />

frech Rechte auf Kosten der anderen Glaubensgemeinschaften heraus. Die<br />

Unterlagen berichten leider nicht, wie die Schule zwischen 1714 und 1717 bis zur<br />

Einstellung des Schulmeisters David Bourgeois betreut wurde. Meiner<br />

Einschätzung nach werden die Presbyter und Diakone eine Kurzbeschulung der<br />

Schulpflichtigen so organisiert haben, damit wenigstens die Kinder Lesen und<br />

Schreiben lernen konnten.<br />

Allerdings hatten die Französischen Politiker in ihrer Selbstherrlichkeit die Kräfte<br />

Frankreichs weit überschätzt und die Zählebigkeit der deutschen Staaten<br />

unterschätzt. Mit dem Frieden von Baden am 7.9.1714 endete vorübergehend<br />

der starke militärische & politische Einfluss Frankreichs im Südwesten<br />

Deutschlands. Weitere Erleichterrungen brachte der Tod des Kurfürsten Johann<br />

Wilhelm 223 von Pfalz Neuburg, der während des Pfälzischen Erbfolgekrieges<br />

weitab in Düsseldorf gelebt hatte. Er regierte von 1690 bis 1716 und favorisierte<br />

die Katholiken. Da Heidelberg weitgehend zerstört war, war die kurfürstliche<br />

Verwaltung eine Zeit lang in Weinheim. Als der Kurfürst 1712 schwer krank war,<br />

gab die kurpfälzische Kirchenverwaltung am 27. Mai die Order an alle Kirchen,<br />

für ihn (täglich) während seiner Krankheit zu beten, die bis zum 9. Sept. 1712<br />

andauerte. Anscheinend war er derart geschwächt, dass er bereits vier <strong>Jahre</strong> später<br />

am 18.6.1716 in Düsseldorf im Alter von 58 <strong>Jahre</strong>n starb.<br />

Da Jan Wilhelm 1716 todsterbenskrank war, übernahm Carl Philipp bereits am<br />

12. Juni 1716 die Regierungsgeschäfte. Alle Kirchengemeinden wurden<br />

angehalten, für den neuen Regierungschef Fürbittegottesdienste abzuhalten. (Laut<br />

„Ordres du Ven. Senat Éclestique“, Otterberger Archiv , S. 279). Für die<br />

Kurpfalz und den Südwesten änderte sich viel. Nicht nur, dass jetzt ein anderer<br />

Mann an der Spitze des Staates stand. Es wurde auch eine neue, aufgeklärte<br />

Politik gemacht. Die Bürger konnten langsam aufatmen, denn sie wurden von<br />

vielen Bedrückungen und Irritierungen befreit. Auch wirtschaftlich ging es<br />

bergauf. Es ist wohl ein großer Zufall, dass die Kurpfalz einen<br />

zukunftsorientierten Staatsmann erhielt und die Kirchengemeinde Otterberg<br />

tatkräftige Leute mit Visionen mit Pfarrer Engelmann einen hoch intelligenten<br />

Pfarrer bekam, der den Handlungs-Freiraum ausnutzte.<br />

223 ) Kurfürst Johann Wilhelm, Herzog von Jlich und Berg, * 19.4.1658 in Düsseldorf, † 18.6.1716<br />

in Düsseldorf. Seine Eltern waren Philipp Wilhelm (1615 – 1690) und Elisabetha Amalia<br />

Magdalena, Landgräfin von Hessen Darmstadt (1635 – 1709) Er war zwei mal verheiratet<br />

1. Ehe: Maria Anna Josepha Erzherzogin von Österreich: 2. Ehe in 1691 oo Anna Maria Louise,<br />

Prinzessin von Toscana Medici (1667 – 1743)<br />

135


136<br />

136<br />

Die Besatzer waren gegangen und viele Fremde kamen. Die kurfürstliche<br />

Verwaltung bekam kalte Füße und wies die Verwaltung und die Pfarrer an, „kein<br />

Fremder darf verheiratet werden oder sich hier niederlassen, bevor er nicht seinen<br />

Geburtsschein vorgelegt und einen lupenreinen Lebenslauf glaubhaft machen<br />

kann. (Anweisung vom 15.1.1718)“<br />

Es dauerte aber trotzdem noch 5 <strong>Jahre</strong> bis zum Ende des <strong>Jahre</strong>s 1721 bis in<br />

Otterberg die Anmaßungen und Selbstherrlichkeit der Katholiken wieder<br />

zurückgedrängt werden konnten.<br />

6.3. Pfarrer Engelmann<br />

Franz. Reformierter Pfarrer 1715 – 1751<br />

übersetzt von Dédé Uhrig, prof pour économie<br />

1715 – 1751<br />

Aller Anfang ist schwer<br />

Der 32jährige Pfarrer Jean Pierre Engelmann 224 kam hoffnungsfroh Ende 1715<br />

nach Otterberg. Ob er wusste, worauf er sich da einließ? Denn Otterberg war, wie<br />

es sich für ihn herausstellte, eine spannungsgeladene Stadt mit vier zerstrittenen<br />

christlichen Gemeinden, die eifersüchtig einander beäugten und keiner dem<br />

anderen einen Vorteil gönnten. Vor allem die franz. reformierte Kirche und deren<br />

Kirchenmitglieder waren wenig beliebt. Ihre gewandte Zweisprachigkeit und die<br />

dadurch ermöglichte geschickte internationale Spendenaktionen von der Schweiz<br />

bis nach Irland erregten Missgunst. Wir sind über die Streitigkeiten und das üble<br />

Ränkespiel zwischen 1715 und 1750 bestens informiert, denn der neue Pfarrer<br />

legte ein umfangreiches Protokollbuch an, das im Laufe der Jahrzehnte auf über<br />

300 Seiten anwuchs. Dort trug er nämlich alle wichtigen Beschlüsse seines<br />

Kirchenvorstandes ein.<br />

Pfarrer Engelmann war auch ein geschickter Verwaltungsfachmann. Die<br />

vorgesetzten Behörden schickten Erlasse und Informationen, die wie alle<br />

Schriftstücke in der Truhe (coffre du Consistoire) aufbewahrt wurden. Diese<br />

Unterlagen sind alle verloren gegangen. Aber Herr Engelmann hatte „ein<br />

Amtsblatt“ angelegt. In dieses chronologische Verzeichnis „Ordres du Ven.<br />

224 ) Jean Pierre Engelmann (Angeôme) wurde am 9.9.1783 in Holzach geboren. Er war Sohn des<br />

Jerôme Corneille und der Marie Helene Theiß. Zum Theologiestudium war er in Basel. (laut<br />

Biundo Seite 99) Er sprach perfekt Französisch, das erkennt man an den vielen Hundert Seiten<br />

seiner Prokollführung in französischer Sprache. Solche Sprachkenntnisse & -fertigkeiten erlernt<br />

kein Deutscher in wenigen <strong>Jahre</strong>n. Sein Sprachschatz ist umfassend und akademisch in seiner<br />

Wortwahl. Engelmann ging auch in eine französische Primärschule, denn seine Schrift ist<br />

romanisch und zeigt keinen einzigen Buchstaben der damals üblichen deutschen Kanzleischrift. Er<br />

sprach auch fließend Deutsch, aber er bevorzugte das Französische. Bei Einweihungen wählte er<br />

bewusst Französisch, während andere Festredner ihre Grußworte auf Deutsch verfassten. Die<br />

Oberschicht war in der damaligen Zeit sowieso frankophil. Ich kann mir gut vorstellen, dass er bei<br />

seinen zahlreichen Heidelberger Dienstreisen sowohl bei Gericht als auch mit seinen Vorgesetzten<br />

Französisch kommunizierte.<br />

Er heiratete am 6.4.1717 Marie Cunigunde Migeot, * 15.6.1694, † 15.9.1754. Sie war die<br />

Tochter des Schulmeisters Anthoine Migeot und der Marie Münch.


137<br />

Senat Ecléstiriale“ notierte er alle eingegangenen Schriftstücke mit einer kurzen<br />

Inhaltsangabe. Diese jeweils wenigen Zeilen sind doch so ausführlich, um sich ein<br />

gutes Bild machen zu können!<br />

Da unsere Franzosen aber auf keiner Insel der Glückseligkeit lebten, musste es<br />

zwangläufig zu Streit und Handgreiflichkeiten zwischen den Beteiligten kommen.<br />

Nicht nur Liebe, sondern vor allem Hass und Neid sind unheilvolle menschliche<br />

Triebfedern. Engelmann dokumentierte die Konflikte mit den Vorständen und<br />

Pfarrern der Deutsch Reformierten und der Katholischen Kirchengemeinde.<br />

Liebe Leser, bitte lesen Sie selbst, wie die Dinge damals zusammenhingen. Die<br />

Berichte wurden von Herrn Engelmann auf Französisch geschrieben. Sie zeigen,<br />

welches Organisationstalent in Pierre Engelmann steckte und wie viele starke<br />

Nerven er brauchte. Aber darüber hinaus hatte er einen hohen integrativen<br />

Charakter und konnte haltbare zwischenmenschliche Brücken bauen und<br />

konfessionelle Gräben überwinden. In dem Protokoll von 1724 wird er als<br />

durchsetzungsfähig, ernst und energisch, aber auch als sehr menschlich,<br />

ausgelassen und ausgesprochen höflich bezeichnet. Da Engelmann wie die<br />

meisten seiner Gemeindemitglieder auch fließend Deutsch sprach, war das<br />

Französisch für ihn keine unüberwindliche Sprachbarriere.<br />

Auch deutschsprachige Kaufverträge oder Notizen des Lautrer Ober Amtes sind<br />

festgehalten worden. Auch innerhalb der franz. Gemeinde wurde mit harten<br />

Bandagen gekämpft. Auch damals war wenig von christlicher Nächstenliebe zu<br />

spüren. Mobbing, üble Nachrede, ein umfangreicher Katalog von undenkbaren<br />

Gemeinheiten ist darin enthalten.<br />

Nun, am Sonntag, den 1.12.1715 hielt er seinen ersten Gottesdienst. Er predigte<br />

seinen >Schäfchen< von Frieden und Nächstenliebe. Seine ermahnenden Worte<br />

müssen auf fruchtbaren Boden gefallen sein. Aber heute wie damals hatten es die<br />

Menschen schwer, miteinander auszukommen. Wir Menschen sind nicht nur edel<br />

und gut. Einige von uns sind richtig fies. Schattenseiten unseres Charakters führen<br />

zu hässlichem Nachbarschaftsstreitigkeiten, Mobbing & Verleumdungen. So<br />

auch vor 300 <strong>Jahre</strong>n: Engelmann hatte sich als Vermittler für Streitigkeiten<br />

angeboten und davon machten die verzweifelten Familien dann reichlich<br />

Gebrauch.<br />

1715, Sonntag, den 22 Dezember, Gerade mal drei Wochen im Amt, hatte sich<br />

Pfarrer Engelmann mit den gegenseitigen Beleidigungen zweier Frauen zu<br />

beschäftigen. Er zitierte die Frau des Elias Renard und des Daniel Collet zu sich,<br />

die jede Gelegenheit genutzt hatten, um sich gegenseitig verbal in den Dreck zu<br />

ziehen. Pfarrer Engelmann legte beiden eine saftige Geldstrafe auf. Er versöhnte<br />

die beiden streitbaren Damen unter der Bedingung, er würde die erste Frau wieder<br />

zu einer Geldstrafe von zwei Florentinern zugunsten der Armenkasse verdammen,<br />

die als erste von neuem wieder anfinge.<br />

1716: Vier Wochen später, am 22.1.1716 standen Eheprobleme auf der<br />

Tagesordnung des Konsistoriums unter dem Vorsitz des Pfarrers Engelmann: Die<br />

Versammlung hatte die 62 jährige Susanne Nisset 225 eingeladen, die mit Antoine<br />

Thal (59 <strong>Jahre</strong> alt) verheiratet war. Sie hatte ihren Ehemann verlassen und<br />

weigerte sich, zu ihm zurückzukehren, da er bösartige Charakterzüge hatte. Thal<br />

hatte versprochen, zukünftig ganz anders leben und sich verhalten zu wollen. Er<br />

225 ) Susanne Nisset (Misset) starb 68 jährig am 3.6.1722. Anthoine Thal † 2.2.1725<br />

137


138<br />

138<br />

versprach, sich besser zu führen. Sie sagte aber, sie würde lieber sehr weit<br />

weglaufen, als die Füße dieses Scheusals weiter zu ertragen. Kraft seines Amtes<br />

versöhnte Pfarrer Susanne Nisset mit ihrem Mann.<br />

1717 auch Pfarrer Engelmann hauste mehr als er wohnte. Am 24.6., endlich,<br />

also 18 Monate nach seiner Amtseinführung hatte die franz. Kirchenverwaltung<br />

ein Einsehen. Sie mietete vom Herrn Abraham Cherdron ein Haus mit allen<br />

Annehmlichkeiten (jener Zeit) an, das den Ansprüchen des Pfarrers Engelmann<br />

entsprach. Die <strong>Jahre</strong>smiete betrug 10 hfl. (Die französische Kirchenverwaltung<br />

übrigens erwarb dieses Haus am 20.1.1719). Dort empfing Engelmann am<br />

19.12.1717 die Frauen des Louis Massaux und Jeannette Almo, die Frau des<br />

Meisters Rheineisen. Die beiden gehässigen Weiber hatten sich auf exorbitante<br />

Weise gegenseitig beleidigt, so dass der Frieden der Kirchengemeinde gefährdet<br />

war. Er verdonnerte die beiden Streithühner zur Versöhnung und drohte<br />

derjenigen einen Gulden Strafe zur Zahlung in die Armenkasse an, die zuerst<br />

wieder anfangen würde. (pag 237)<br />

6.4. Engelmann<br />

1. Mobbing & böse Gerüchte<br />

1717: Pfarrer Engelmann fand in seiner Gemeinde auch seine Liebe des<br />

Lebens. Engelmann bekam über seine Schwiegermutter Migeot das notwendige<br />

Hintergrundwissen, wofür ein Anderer lange Zeit gebraucht hätte. Seine<br />

Vorgänger waren vor den einflussreichen Bürgern eingeknickt, die sich die fetten<br />

Pfründe unter den Nagel gerissen hatten. Der Mühlenpächter wollte ihm keine<br />

Pacht zahlen, obwohl die Einkünfte aus der Otterberger Stadtmühle ihm<br />

zustanden. Also musste Engelmann vor dem höchsten kurpfälzischen Gericht in<br />

Heidelberg klagen. Engelmann hatte sich dadurch gründlich unbeliebt gemacht<br />

und einige wollten ihn schnell loswerden. Kein Trick war zu schmutzig. Sie<br />

setzten Gerüchte in die Welt und schwärzten ihn beim Heidelberger Kurfürsten als<br />

Gockel, Gauner, Lügner und Verleumder an. Das konnte sich Engelmann nicht<br />

gefallen lassen. Für den 3.1.1717 berief er das Konsistorium 226 in sein<br />

Pfarrzimmer ein. Zu dem Gespräch kamen auch der Glashüttenbesitzer<br />

Heydweiller und der deutsch reformierte Pfarrer Geisweid hinzu.<br />

Pfarrer Engelmann verlangte Aufklärung. Jacob Fortineux erklärte, er habe<br />

davon sprechen gehört, aber dies sei für ihn Weibergewäsch gewesen und er habe<br />

den Gerüchten keine Aufmerksamkeit geschenkt. Auch Jean Pierre Cherdron<br />

sagte das Gleiche aus.<br />

Michael Renard, Noé Tibé und Jean Valentin Luttringhaus sagten aus, am 2.<br />

Weihnachtstag seien sie bei dem besagten Noé Tibé gewesen. Jean Cordier sei<br />

dort hinzugekommen. Er habe behauptet, Herr Pfarrer Engelmann habe aus<br />

Holland 300 Florentiner 227 erhalten, ohne dass er dies jemanden erzählt hätte. Auf<br />

Nachfrage habe Cordier dies 3 bis 4mal wiederholt. Aber es hätten auch 500 hfl<br />

gewesen sein können. Er hätte daraufhin den Pfarrer angesprochen. Der wolle<br />

226 ) Protokoll laut S. 232 des Konsistoriums<br />

227 ) Der Betrag war als Sicherheit für die anstehenden Gerichtskosten im Mühlenstreit vorläufig<br />

eingesetzt worden.


139<br />

aber nur die armen Leute quälen und nichts davon rausrücken. Außerdem habe<br />

sich Engelmann verpflichtet, alle drei Wochen in Kaiserslautern Gottesdienst<br />

abzuhalten, obwohl man ihn eigentlich hier dringend nötig habe. Es sei nicht<br />

einzusehen, dass Engelmann seinen Lohn aus Otterberg bekäme, aber woanders<br />

seine Leistung erbringen würde.<br />

Das Konsistorium gewann nach der Befragung des Noé Tibé den Eindruck, dass<br />

einige wenige nach Mitteln gesucht hätten, um den Pfarrer Engelmann davon zu<br />

jagen 228 .<br />

1717: am 19.1.1717 war ich (Daniel Raquet) bei Jacob Cordier, unserem<br />

Lektor. Jean Cordier kam auch dorthin. Er beschimpfte Engelmann mit<br />

lächerlichen Aussagen. Er sagte, der Pfarrer habe keinen (guten) Charakter und<br />

dies in Anwesenheit des Thomas Menton. Er behauptete, Engelmann sei niemals<br />

Vikar gewesen und würde sich mit fremden Federn schmücken. Das ist die<br />

Wahrheit, dass Jean Cordier diese Reden geschwungen hatte. Gez. Daniel<br />

Raquet.<br />

2. Kampf um Mühle & Pfarrhaus<br />

Pfarrer Charles Faucher ging 1689 vor der Invasion der französischen Truppen<br />

aus Otterberg weg. Es war die Zeit des Pfälzischen Erbfolgekrieges gewesen, der<br />

vor allem in der Vorderpfalz ausgetragen wurde. Aber auf Druck des Franz.<br />

Königs Ludwig XIV, wurden die kürzlich eingewanderten Franzosen des Landes<br />

verwiesen, um sich in Holzappel niederzulassen. Mit ihnen ging auch Charles<br />

Faucher, der auch in Holzappel deren erster wallonischer Pfarrer wurde. Er starb<br />

dort recht bald am 14.3.1690. Die Zeit der verwaisten Pfarrstelle nutzte die Stadt<br />

Otterberg, um sich rechtswidrig den Besitz der verwaisten wallonischen<br />

Pfarrgemeinde anzueignen. Sie bemächtigte sich des Pfarrhauses, das rechts vor<br />

der Kirche stand, direkt vis à vis des deutschen Schulhauses. Genau wie die<br />

Mühle. Nicht nur, dass sie deren Einkünfte behielt, sondern sie vergab sie auch für<br />

400 Gulden als Lehen, damals Erbbestand genannt. Das Geld steckte die Stadt<br />

Otterberg ein.<br />

Die verwaiste Pfarrstelle wurde ab 1694 von dem Pfarrer Johannes Weldner<br />

(Weldener) der Deutsch reformierten Kirche mit betreut. Er hatte den Besitz der<br />

Französisch Reformierten Kirche bei Weyler (Weiler) auf 100 Gulden geschätzt.<br />

Der bestand aus einem alten Haus von 1579 und drei Tagwerk Land. Erster<br />

Bewohner und vielleicht Erbauer war der erste franz. Pfarrer Clignet, Doktor der<br />

Theologie gewesen. Bevor Pfarrer Charles Faucher 1689 vor den französischen<br />

Invasionstruppen floh, nahm er 40 Gulden aus der Kirchenkasse und hinterließ<br />

eine Schuldverschreibung in gleicher Höhe.<br />

Fast dreißig <strong>Jahre</strong> lang konnten sich die Stadt Otterberg und die Pächterfamilie an<br />

dem Zustand erfreuen. Dann kam aber Pfarrer Engelmann, der bereits im Frühjahr<br />

1716 die Willkür der Stadt Otterberg anprangerte und den Besitz für die<br />

>wallonische Kirchengemeinde< wieder einforderte. Dies schürte eine hitzige<br />

Diskussion zwischen den Profiteuren und den Klägern an. Widerwillig folgte die<br />

228 ) Bei dem Gespräch am 3.1.1717 waren anwesend: Georg Ludwig Geisweid, Jean Henry<br />

Heydweiler (60 J) als Zeuge, David Rogivaux, Jacob Veillard der Ältere (47) , Abraham<br />

Digeon der Ältere (42 <strong>Jahre</strong>) , die Diakone Louis Massaux (53) und Antoine Profit:<br />

139


140<br />

140<br />

franz. Kirchengemeinde den eigenen pastoralen Argumenten. Sie glaubte an<br />

keinen Erfolg. Um des lieben Friedens willen, sagten sie ja. Pfarrer Engelmann<br />

strengte dann beim Oberamt in Lautern einen Prozess an. Daraufhin stellte das<br />

Oberamt am 5.5.1716 den strittigen Besitz unter seine treuhänderische<br />

Verwaltung und verbot dem Müller weder etwas an die Stadtverwaltung zu<br />

liefern, noch etwas an den wallonischen Pfarrer zu leisten, bis die Sache<br />

entschieden sei. Dabei drohte die Behörde dem Müller für einen Verstoß die<br />

saftige Geldstrafe von 50 Gulden an. Da die Gerichtskosten hoch und Zeit bis zur<br />

Entscheidung lang war, musste die wallonische Kirchengemeinde zur Sicherheit<br />

einen Kostenvorschuss von 250 Gulden 229 vorlegen. (laut franz. Akten, pag<br />

238) Dies war sein erster Erfolg.<br />

Der Prozess wurde in Heidelberg mündlich verhandelt. Deshalb begab sich<br />

Engelmann zweimal nach Heidelberg, um Dokumente und seine Rechtsauffassung<br />

überzeugend darzustellen. Dies war am 15. Febr. 1717 und am 2. Februar 1718.<br />

Jedes Mal zahlte der engagierte Pfarrer die Reisekosten aus eigener Tasche.<br />

1718: Das Oberamt verwies in seiner Stellungnahme auf die schwierigen<br />

Rechtsverhältnisse in der Zeit des pfälz. Erbfolgekrieges. „Der Canon sei<br />

sequestiert worden, als der Kirchenstatus à temporare Capitmationis sehr geändert<br />

war“ (Übersetzt heißt dies, der Besitz sei beschlagnahmt worden, als sich die<br />

kirchlichen Machtverhältnisse zeitweise geändert hatten. (Abschrift ))<br />

Daraufhin fuhr Pfarrer Engelmann mit einer Vollmacht am nächsten Tag nach<br />

Heidelberg (24.5.1718), um wieder in den Besitzstand der besagten Mühle gesetzt<br />

zu werden 230 . Der zuständige Heidelberger Senat fasste am 27.5.1718 folgenden<br />

Beschluss, der als Auszug im franz. KB enthalten ist.<br />

„Die Wallonische Gemeinde zu Otterberg und in dessen Namen<br />

Pfarrer Engelmann berichtet dem Churpfälz. Kirchenrath, dass am 24<br />

dieses Monats von dem Oberamt Lauterns eine Sentenz, wie aus<br />

kopierlicher Beilag zu ersehen, ergangen ist, dadurch das Pfarrhaus<br />

den Wallonen und die Mühle der geistlichen Administration<br />

zugestehen werden soll. Die besagte Mühle war anno 1579 durch den<br />

Beschluss des Pfalzgrafen (wie die Capitulation zeiget) zu<br />

Heilszwecken (Seelenheil) dem wallonischen Priester gestiftet<br />

worden.<br />

Der Senat befahl dem Otterberger Pfleger Witt in Lautern die<br />

Rückgabe des Pfarrhauses. Aber an dem 30jährigen Lehensvertrag<br />

sollte nichts mehr geändert werden. Zur Entschädigung verpflichtete<br />

er dem Pfleger Witt, dem Pfarrer jährlich eine Pacht von 20 Malter<br />

Roggen zu liefern. Das Kirchen-Amt wählte diesen Umweg, damit<br />

„der Pfarrer um seiner Sicherheit willen, nichts mit dem Müller<br />

und der Stadt möge etwas zu tun haben“ (Dieser Beschluss war von<br />

L:C: Mieg & dem Sekretär Creuth abgezeichnet) pag 240.<br />

229 ) laut franz. Actum Lautern vom 24. May 1718, pag 238. Das Geld rührte aus einer holländischen<br />

Spende, die zu diesem Zweck vorläufig herangezogen worden war. Diese Verwendung führte zu<br />

hässlichen verbalen Auseinandersetzungen und Verleumdungen<br />

230 ) Übrigens, die Reisekosten für diese 10tägige Reise von 19 fl und 46 Kreuzern zahlte Engelmann<br />

zuerst mal aus eigener Tasche


141<br />

1718: Am Dienstag, den 31. Mai händigte der Sekretär dem Pfarrer Engelmann<br />

den famosen Urteilsspruch aus. Stolz und beseelt machte sich Jean Pierre auf den<br />

Heimweg. Was hatte er für Verdächtigungen und Demütigung aushalten müssen.<br />

Darüber hinaus hatte Engelmann für diese Sache hohe Ausgaben gehabt. Am<br />

Freitag, den 3. Juni, freitags vor Pfingsten stieg er am Otterberger Rathaus aus<br />

der Postkutsche. Seine Ankunft und sein triumphaler Sieg verbreiteten sich wie<br />

ein Lauffeuer. Viele feierten ihn, aber die unterlegenen Gegner schmiedeten<br />

hassvolle Pläne gegen ihn und seine Familie. Schon in der Nacht von Freitag auf<br />

Samstag bewarfen dunkle Gestalten am frühen Morgen zischen 4 und 5 Uhr und<br />

in der Heiligen Pfingstnacht, nämlich am Pfingstmorgen zwischen 1 und 2 Uhr<br />

ständig mit großen Steinen durch das Fenster sein Bett. Pfarrer Engelmann hatte<br />

sich mit Weib und Kind in äußerster Leib- und Lebensgefahr befunden, zumal<br />

unter den Wurfgeschossen ein ungefähr zwei Pfund schwerer Stein war. An der<br />

hinteren Haus- und Küchentür hatten sie einen Zettel angebracht. Es hatte den<br />

Anschein, als ob er nachts in Abrahams Cherdrons Haus geschrieben worden<br />

wäre:<br />

„Du Welscher- Schelm, du sollst mit Steinen gejagt werden,<br />

von uns Deutschen und Katholiken sollst Du noch gesteinigt werden,<br />

Du Mühlen-Frevler<br />

Pfarrer Engelmann zeigte diese Morddrohung seinem Kollegen Georg Ludwig<br />

Geisweid 231 , der ganz entsetzt folgenden Kommentar dazu schrieb:<br />

„Wir leben in einer Zeit, da man sich nicht um den mörderischen Geist<br />

des Teufels kümmert, keiner sich an den guten Geist Gottes hält,<br />

sondern nur an Satans zerstörerische Kräfte. Diese ganze Niederschrift<br />

verfasste der deutsch reformierte Pfarrer Geisweid mit Betrübnis<br />

am 7.6.1718 232 “<br />

1718: am 10. August 1718 trat das Konsistorium 233 zusammen. Pfarrer<br />

Engelmann hatte auf der ganzen Linie gesiegt und nun war es an den<br />

Verantwortlichen der Kirchengemeinde, die Leistungen ihres Pfarrers<br />

anzuerkennen und ihm zu danken. Bei Gott, es fiel ihnen schwer genug. Sie<br />

bedauerten, ihn nicht genug unterstützt zu haben und ihm Kummer und Ärger<br />

bereitet zu haben. Er habe gegen jede Erwartung und Hoffnung den Prozess<br />

gewonnen. Nun waren sie auch bereit, ihm die entstandenen Kosten für die vielen<br />

Reisen zu erstatten. Zudem hatten sie sich zweimal Geld von ihm geliehen.<br />

Insgesamt waren fast 42 Gulden aufgelaufen. Engelmann hatte sich durchgesetzt.<br />

Von nun an galt in dieser Gemeinde das Wort des Pfarrers Engelmann.<br />

231 ) Geisweid, Georg Ludwig war vom 2.6.1716 an 9 <strong>Jahre</strong> lang Pfarrer der deutsch reformierten<br />

Kirche Otterbergs. Er war verheiratet mit Johanna Catharina Tochter des Johannes Culman<br />

und der Maria Anna Rosina Schön Er starb am 4.4.1725 nach 9tägiger Krankheit. Er wurde 54<br />

<strong>Jahre</strong>, 4 Monate und 18 Tage alt. Seine Leichenpredigt hielt der Vorgesetzte und Inspektor<br />

Johann Caspar Crutziger (Cruciger) aus Lautern<br />

232 ) franz. Kirchenbuch, Band XII, pag 260.<br />

233 ) Dem Gremium gehörten neben dem Pfarrer: Pierre Cherdron der Ältere, Paquy Le Songne,<br />

d.Ä. Jacob Veillard der Ältere, Abraham Digeon der Ältere, Daniel Raquet Diakon,<br />

Anthoine Profit und Louis Parg an<br />

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142<br />

Ein zweiter Punkt dieser Sitzung war die Auszahlung von Sozialhilfe an die<br />

Armen der wallonischen Gemeinde durch die Diakone. Engelmann setzte durch,<br />

dass die Diakone Antoine Profit und Daniel Raquet nur noch dann Geld<br />

auszahlen durften, wenn er vorher die Auszahlung genehmigt hatte.<br />

1718: Das Protokollbuch des Konsistoriums verzeichnete im Dezember noch zwei<br />

Sitzungen Am 8 Dezember legte das Gremium die pastoralen Reisebegleitungen<br />

fest, von denen sich die Mitglieder ach so gerne drücken wollten. Jeweils ein<br />

Kirchenältester und ein Diakon mussten ihn im nächsten Jahr an Ostern,<br />

Pfingsten, im September und in der Weihnachtszeit begleiten.<br />

1718: am 24 Dezember erschienen vor der Kirchenleitung Marie Renard, die<br />

Frau des Noé Tibé, Marie Bertram und die Frau des Paul Renard 234 . Diese<br />

zwei Schwägerinnen beleidigten sich gegenseitig in solch einer grausamen Art<br />

und Weise, dass der Familienfrieden gefährdet war. Die verbalen Angriffe<br />

geschahen aus Feindseligkeit und aus Hass heraus. Die Anwesenden machten<br />

beiden heftigste Vorwürfe und verlangte eine Korrektur ihres Handelns. Die<br />

Schwägerinnen wurden mit ihrer Zustimmung und zu ihrer Zufriedenheit wieder<br />

versöhnt. Sollte eine der Damen wieder mit niederträchtigen und schmutzigen<br />

Beschimpfungen anfangen, dann sollte die erste einen Ecus in die Armenkasse<br />

zahlen.<br />

1719: am 7.5.1719 musste Pfarrer Engelmann mal wieder gehässigen Streit<br />

zwischen den drei Schwestern schlichten. Der Kirchenälteste Herr Abraham<br />

Digeon und seine Schwester Nannette Digeon, die Frau des Henry Renard<br />

beklagten sich über ihre Schwester Rachel, die übrigens mit Jean Fromy<br />

(Froumy) verheiratet war. Rachel hatte immer wieder üble Gerüchte über ihre<br />

Geschwister verbreitet. Pfarrer Engelmann redete der Frau Froumy ins Gewissen,<br />

die daraufhin sich entschuldigte. Als Zeichen der Versöhnung reichten sich die<br />

Geschwister die Hände. Außerdem drohte der Pfarrer - wie in solchen Fällen<br />

üblich - allen Beteiligten eine Geldstrafe von 1 Gulden an, die als erste wieder mit<br />

dem Streit anfangen würden.<br />

6.5. Pfarr- & Schulhäuser & große Finanzprobleme<br />

Die Schulmeisterstelle war seit 174 verwaist. Es war höchste Zeit, einen Nachfolger<br />

zu bestimmen.<br />

1717: am 6. März (6.3.1717) war die Gesellschaft versammelt, um einen<br />

Vertrag mit dem zukünftigen Schuldiener 235 Herrn David Bourgeois zu<br />

schließen. Die Versammlung versprach ihm jährlich folgende Geld- und<br />

Sachleistungen zu zahlen: (vgl. → 24.8.1724)<br />

• eine Unterkunft,<br />

• einen Garten,<br />

234 ) Paul Renard † 25.9.1726, an Siene Fieber im Alter von 49 , seine Frau Marie Bertram †<br />

8.5.1742 im Alter von 61 <strong>Jahre</strong>n, Noé Tibé verstarb an Skorbut am 27.6.1744<br />

235 ) Der Drehenthaler Glashüttenbesitzer Herr Heydweiler (Heidweiler) finanzierte seit 1708 das<br />

Gehalt des am 18.2.1714 verstorbenen Lehrers Migeot, Schwiegervater des engagierten Pfarrers<br />

Engelmann


143<br />

• acht Malter Roggen, drei davon aus der kurpfälzischen Staatskasse und<br />

fünf von der (franz.) Otterberger Kirchenverwaltung<br />

• drei Malter Hafer, die er vom Kurfürsten bekommen würde<br />

• an Geld 24 Gulden, sechs aus der Staatskasse und 18 vom Otterberger<br />

Konsistorium<br />

• einen Wagen Heu<br />

• sechs Ster Holz<br />

Diesen Vertrag 236 legte die franz. Kirchenverwaltung dem Kirchensenat in<br />

Heidelberg zur Genehmigung vor. Die Zustimmung erreichte Otterberg am<br />

14.6.1717. Noch an diesem Tag nahm Bourgeois dann auch seinen Dienst auf.<br />

Allerdings hatte es mit dem Garten und der Unterkunft einen Haken, da der<br />

Garten vom reformierten Schulmeister Müller nicht herausgegeben wurde und<br />

die Unterkunft eine Bruchbude war, durch die Regen und Wind hindurch bliesen.<br />

Es dauerte weitere drei <strong>Jahre</strong>, bis Bourgeois ordentlich untergebracht war und im<br />

Herbst 1720 seinen Garten bewirtschaften konnte (siehe weiter unten). 237 Auch<br />

inhaltlich schildern die Unterlagen das didaktische Konzept: Gemäß der<br />

Anweisung vom 2.11.1716 sollten die Schulmeister solange den Stoff<br />

wiederholen, bis die Schüler das Gelernte nicht mehr vergessen hätten. (pag 279)<br />

Besonders witzig fand ich die Anweisung vom 5.2.1723 an Herrn Bourgeois,<br />

dass er nur auf Französisch unterrichten durfte. Beschwert hatte sich sein<br />

deutschsprachiger Kollege, der in ihm einen Konkurrenten entdeckte.<br />

1719: am 6.1.1719 trat wieder das Konsistorium unter der Leitung des Pfarrers<br />

zusammen. Zwei wesentliche Punkte bestimmten die Tagesordnung.<br />

1. die Versammlung beschloss, die armen Familien der franz. Kirchengemeinde<br />

im notwendigen Maße zu unterstützen und somit die Diakone zur<br />

Geldauszahlung zu berechtigen.<br />

2. Der Lehrer Bourgeois schilderte sehr drastisch die Armut einiger Familien. So<br />

seien manche nicht in der Lage, das Schulgeld ihrer Kinder zu bezahlen. Aus<br />

diesem Grund würden sie vernachlässigt und in ihrer Entwicklung<br />

benachteiligt. Die Anwesenden beschlossen das Schulgeld der Erstklässler, des<br />

Simon Heuser, dem „Buben“ der Elisabetha Chaumont 238 und des Jacob<br />

Winter, dem Sohn der Catharine Raquet 239 zu übernehmen. 240<br />

236<br />

) pag 236, unter Hälfte.<br />

237<br />

) Neben diesem gesicherten Einkommen kassierten die Schuldiener bzw die Schulmeister noch<br />

von den Eltern Schulgeld. Da Schulpflicht herrschte, kamen die armen Eltern dadurch<br />

zusätzlich in Zahlungsschwierigkeiten. Folglich könnte es einige Schulschwänzer gegeben<br />

haben. Sieben <strong>Jahre</strong> später laut Beschluss der Kirchengemeinde vom →15.6.1724 erhielt<br />

Bourgeois 8 ½ Malter Korn und 17,51 Florentiner an Geld.<br />

238<br />

) Simon Heuser wurde 1712 als Sohn der Eheleute Elisabetha Chaumont und des Alexander<br />

Heuser geboren. Die Ehe war nicht sehr glücklich, er ließ seine Ehefrau mit vier kleinen Kindern<br />

sitzen. . Er stammte aus Langenbach an der Bergstraße. Wo er verblieb, ist unbekannt. Simon<br />

Heuser starb 22jährig an einem heißen Fieber am † 10.5.1734<br />

239<br />

) Jacob Winter kam 1712 auf die Welt. Sein Vater Jacob Winter starb früh, die Mutter Catherine<br />

Raquet † 25.4.1751<br />

240<br />

) am → 27.12.1724 beschloss das Konsistorium wieder einkommensschwache Familien zu<br />

unterstützen. Für 1725 bezahlte die Kirche den Kindern Simon Heuser, Noé Bouquio, Anna<br />

Marie Étienne und Jean Pierre Henry das Schulgeld<br />

143


144<br />

144<br />

1719, 20.1.1719. Das Konsistorium erwarb nun die Haushälfte des Abraham<br />

Cherdron mit Ställen, einen Brunnen, die Färberei und den Garten hinter der<br />

Färberei für 250 Gulden. (pag 244 und 245) Die sie bereits am 24.6.1717 für<br />

Pfarrer Engelmann für jährlich 10 Gulden angemietet hatte (siehe oben). Der<br />

Stadtschreiber Pistorius verfasste den Kaufvertrag auf Deutsch und dort steht<br />

unter anderem zu lesen<br />

„Es verkauft Abraham Cherdron 241 mit Konsens (Zustimmung) seiner<br />

ehelichen Hausfrau Anna Sybilla sein Halb Haus und zwar das unterste an<br />

der Lautrer Gass, welches samt Hofrecht, Stallung = Brunnen = Färberei<br />

und daran gelegenem Garten mit allem Zubehör, das unten an Johann<br />

Leonhard Dietrich und oben an des Käufers <strong>Teil</strong> und hinten an die<br />

Stadtmauer gelegen ist. Der vereinbarte Kaufpreis sollte innerhalb von zwei<br />

<strong>Jahre</strong>n über den Pfleger Witt entrichtet werden. Zudem vereinbarten die<br />

Parteien, dass zwischen den zwei Grundstücken eine hohe Mauer zu<br />

errichten sei. Der Vertrag wurde von dem Stadtschreiber Herrn Pistorius<br />

ausgefertigt und von dem Raths-Bürgermeister Johann Philipp<br />

Morfilius 242 beglaubigt. Es unterschrieben Pfarrer Engelmann, Abraham<br />

Cherdron und seine Frau Anna Sybilla, Paquay le Soigne, (= Lesoine) Jacob<br />

Veillard, Abraham Digeon, Daniel Raquet, Antoine Profit und David<br />

Lacmann.“<br />

6.6. Immer neuer Ärger<br />

1719: Nach den Urteilen vom 24. und 31. Mai 1718 gaben sich die unterlegene<br />

Stadtverwaltung Otterberg und die Deutsch reformierte und Katholische Kirche<br />

noch nicht geschlagen. Sie ließen die „Franzosen“ erst mal ihren Scheinsieg<br />

auskosten, bevor sie im Februar 1719 wirkungsvoll zurückschlugen. Weder die<br />

Stadt noch der (kath.) Priester räumten oder gaben das vor der Kirche gelegene<br />

Pfarrhaus zurück. Sie pfiffen auf die zwei obigen Urteile. Der Rechtsstreit ging<br />

nun in das vierte Jahr und es war noch kein Ende abzusehen. Einziges Ergebnis<br />

war, die Französisch Reformierte Kirche war durch die Vorauszahlung der 250<br />

hfl. Gerichtskosten ruiniert und sie waren überhaupt nicht in der Lage, weitere 50<br />

Ecus als Kosten für die Zwangsvollstreckung zu entrichten. Außerdem beklagt die<br />

Aktennotiz vom Donnerstag, den 23.3.1719, Seite 247, das hinterhältige<br />

Vorgehen der Prozessgegner. Sie hätten außerdem erfolgreich den Hauskauf vom<br />

20.1.1719 angefochten. Sie argumentieren, es könne nicht sein, dass diese<br />

Gemeinschaft ohne Zustimmung des Kurfürsten ein Bürgerhaus erwerbe, um es<br />

dann in ein Pfarrhaus umzuwandeln. Die Nutzungsänderung hätte genehmigt<br />

werden müssen. Die franz. Kirchenverwaltung beschloss nun einstimmig, auf den<br />

Kauf des Hauses Abraham Cherdron zu verzichten. Stattdessen wollte die<br />

Kirchengemeinde sich um die kurfürstliche Zustimmung zu einer Spendenaktion<br />

bemühen. Aus der Kollekte sollte dann ein Bauplatz erworben werden, auf dem<br />

dann das neue Pfarr- und Schulhaus gebaut werden konnte. Die achtköpfige<br />

Führungsspitze beklagte das unchristliche Handeln der anderen Kirchen. Sie<br />

241 ) Abraham Cherdron, * 1673, † 28.3.1750, sein Vater Pierre † 20.11.1723<br />

242 ) Morfilius, Johann Philipp † 30.10.1730 im Alter von 79 <strong>Jahre</strong>n, seine Frau Elisabetha<br />

Margretha Bauer starb ein halbes Jahr später am 2.6.1731. Sie war 79 <strong>Jahre</strong>, 4 Monate und<br />

wenige Wochen alt geworden.


145<br />

hätten ihre Hand ausgestreckt, aber ihre Brüder (die anderen) hätten ganz im<br />

Gegenteil sich daran erfreut, dass sie sich ruiniert hätten 243 .<br />

Anfang 1719 ging es in Otterberg wieder rund. Die deutsch reformierten zogen<br />

über die „Franzosen“ her. Am 15. Februar spitzte sich die Situation zu. Im Haus<br />

des Hans Adam Sternberger waren einige Leute aneinander geraten. Vor allem<br />

David d`Ármes, der Kirchenälteste der Deutsch Reformierten Kirche hätte<br />

beleidigende Worte über die wallonische Kirchengemeinde in Gegenwart des<br />

Thomas Simon gefunden. Thomas musste sich anschließend offensichtlich bei<br />

Pfarrer Engelmann darüber beklagt haben, denn Pfarrer Engelmann lud ihn<br />

daraufhin zu einem Informationsgespräch zu sich ins Pfarrhaus. Er erzählte,<br />

Pierre Cherdron und sein Schwiegersohn David d`Ármes hätten in seiner<br />

Gegenwart Lügengeschichten verbreitet und wären ausfallend geworden. Das<br />

ganze hätte bereits im Haus des Abraham Cherdron angefangen, wo mehrere<br />

Männer anwesend waren. Es musste eine hitzige Debatte gewesen sein. David<br />

Armes hätte den 38 jährigen Peter Paul 244 mit Leib und Seele hinter ihm<br />

gestanden, der auch stark vom Leder gezogen hatte. Gemeinsam hätten sie Simon<br />

Thomas beleidigt. Sie hätten ihn als >Abtreiber< bezeichnet. Sie hätten gerufen:<br />

ihr Wallonen, ihr Schelmenleut, wollt alles an Euch ziehen.<br />

6.7. Pfarrhaus & Schule wurden 1720 gebaut<br />

1719: 6.5.1719: Der wallonischen Kirchengemeinde ging am 6.5.1719 die<br />

Genehmigung der Kurfürstliche Verwaltung in Heidelberg zu, von dem damals<br />

35jährigen Handelsmann und Otterberger Bürger Herrn Jean Adolf Heydweiler<br />

einen Bauplatz zu kaufen auf dem das neue Pfarr- und Schulhaus gebaut werden<br />

sollten. Noch am gleichen Tag teilte der Kirchenrat dies dem<br />

Grundstücksverkäufer mit und bat ihn gleichzeitig, seinen bisherigen Garten nicht<br />

mehr zu bepflanzen. Jean Adolf Heydweiler 245 sah nun die günstige Gelegenheit,<br />

den Verkaufspreis nach oben zu korrigieren und forderte mehr als die gedachten<br />

40 Gulden. Aber Heydweiler konnte diese Forderung angesichts der prekären<br />

Finanzlage der franz. reformierten Gemeinde nicht mehr realisieren. In dem<br />

geführten Gespräch und dem sich anschließenden Vertrag beim Bürgermeister<br />

wurde auch die Grundstücksgröße von 80 x 50 Yard festgelegt.<br />

27.7.1719: Pfarrer Engelmann reiste innerhalb von wenigen Wochen schon<br />

wieder nach Heidelberg 246 . Diesmal blieb er 10 Tage. Er wollte zum einen die<br />

243 ) Diese Aktennotiz wurde von allen Anwesenden eigenhändig unterschrieben. Dies waren Pierre<br />

Cherdron, Paquay le Sogne, Jacob Veillard, Abraham Digeon, Daniel Raquet, Anthoine Profit,<br />

David Laman, Jean Pierre Cherdron.<br />

244 ) Johann Peter Paul * 9.10.1690, starb am 27.2.1749 im Alter von 58 <strong>Jahre</strong>n<br />

245 ) Heydweiler, Johann Adolf war Mitglied der Deutsch Reformierten Kirche; † 22.2.1744 im<br />

Alter von 60 <strong>Jahre</strong>n und etliche Wochen. Er war mit Anna Maria verheiratet, die am 7.10.1749<br />

im Alter von 62 <strong>Jahre</strong>n und 14 Tagen verstarb. In diesem Sterbeeintrag wird Johann Adolf als<br />

Wollenwebermeister bezeichnet.<br />

246 ) 22.5.1719: Pfarrer Engelmann reiste mit Herrn Inspektor Cruciger, Herrn Keller, dem<br />

Kirchenältesten der Deutsch Reformierten Kirche und dem Kirchenältesten Bolus von Miesau<br />

nach Heidelberg. Die Vier waren Deputierte aller evangelischen Kirchen des Oberamtes<br />

Lautern. Ihre Bitte war die Wiedereinführung des Heidelberger Katechismus, der 1681 von<br />

dem damaligen Kurfürsten verboten worden war. Der Beschluss zur Reise war in dem Chor der<br />

Lauterer Stiftskirche gefallen, in dem sich alle Pfarrer und jeweils ein Kirchenältester wenige<br />

Tage vorher versammelt hatten.<br />

145


146<br />

146<br />

dringend benötigte amtliche Spendenerlaubnis erhalten, wenn die<br />

Spendensammler nicht als Bettler auftreten wollten. Zum anderen wollte er die<br />

Hochverehrte kurfürstlichen Forstverwaltung um das benötigte Bauholz aus dem<br />

kurfürstlichen Otterberger Wald bitten. Jeder Wunsch war so wichtig wie der<br />

andere. Am 2.8.1719 nahm Pfarrer Engelmann die Spendenerlaubnis in Empfang<br />

und erhielt außerdem die Zusage für 84 Eichenstämme. Gleichzeitig wies die<br />

kurfürstliche Forst- & Jagdverwaltung den Lauterer Forstmeister Rettig an, die 84<br />

Stämme zur Fällung auszusuchen & freizugeben.<br />

Kaum von der Reise zurück, schloss der Kirchenrat 247 am 17.8.1719 mit dem<br />

Zimmermann Christoph Zeusig von Winnweiler einen Werkvertrag über die<br />

Errichtung von zwei Fachwerkhäusern. Zeusig sollte dafür 135 Gulden und ein<br />

Fass Wein erhalten. Am gleichen Tag wurde man auch mit Philippe Daniel<br />

Froumy einig. Er sollte nach Hanau bei Frankfurt fahren, um dort bei den<br />

Glaubensbrüdern großzügige Spenden für den Hausbau einzusammeln. Man gab<br />

ihm als Reisegeld 4 Gulden mit und versprach ihm als Lohn für je 100 Gulden<br />

Spenden 30 Gulden (= 30 %). Man hatte sich von dieser Reise ein großes<br />

Spendenaufkommen versprochen. Doch seine Reise wurde finanziell ein absolut<br />

enttäuschender Reinfall, denn die Hanauer Calvinisten gaben ihm nur 4 Gulden.<br />

Der Betrag deckte noch nicht einmal die Reisekosten. Fromy (Froumy) kehrte<br />

mit hängenden Schultern frustriert wieder zurück. Dem franz. Kirchenrat stand<br />

nun der Angstschweiß auf der Stirn. Es musste unbedingt schnell Geld her.<br />

15.9.1719 in ihrem Gottvertrauen schickten die Otterberger zwei Leute zum<br />

Spendensammeln in die Schweiz. Dies waren der Lektor und Schuldiener David<br />

Bourgeois 248 und Jacob Tibé. Auch sie hatten eine Abschrift der kurfürstlichen<br />

Spendenerlaubnis bei sich. Ebenfalls erhielten sie als Reisegeld 4 Gulden. Als<br />

Lohn und Anreiz für ihren Spendenerfolg sollten sie ein Drittel der Spenden<br />

bekommen. Bei der Auswahl der Sponsoren 249 gingen sie diesmal geschickter<br />

vor. Wegen des großen Erfolges 250 , schickten sie danach jährlich einen<br />

Deputierten in die finanzkräftigen Zentren. Und dabei scheuten sie auch nicht<br />

die weitesten Reisewege. Anscheinend waren die Geldsammler erfolgreich, so<br />

3.6.1719: Seine Excellenz Herr Doktor Mieg, erster Rat des Hochverehrten Kurfürsten<br />

besuchte alle Kirchen und Schulen des Lauterer Amtsbezirks. Am Samstag, den 3.6.1719 kam<br />

er nach Otterberg und speiste mit einigen Leuten im Gasthaus Zum Löwen, die ihn von<br />

Lautern aus begleitet hatten. Gegen Ende des Essens schickte der edle Herr (und Schnorrer)<br />

nach 2 franz .Konsistorialräten, die das feudale Essen bezahlen mussten. Und dies bei leeren<br />

Kassen. Gastwirt war übrigens David Heydweiler, der 69jährig am 21.9.1730 verstarb.<br />

247 ) Der 8 köpfige Kirchenrat setzte sich wie folgt zusammen: Pierre Engelmann, die<br />

Kirchenältesten Pasquay le Soigné († 4.11.1734 mit 86 <strong>Jahre</strong>n), Jacob Vieillard, Abraham<br />

Digeon, Daniel Raquet und die Diakone Antoine Profit, David Lacmann und Jean Pierre<br />

Cherdron<br />

248 ) Zum einen waren durch die Aufhebung der franz. Religionsfreiheit Zehntausende Calvinisten<br />

nach Holland und England geflüchtet, wo sie rasch zu Wohlstand gekommen waren. Ich<br />

war sehr überrascht zu lesen, dass der Schulmeister David Bourgeois 248 1719 dorthin reiste.<br />

Herr Engelmann hatte mit Bourgeois einen sinnvollen Vertrag geschlossen, der es Bourgeois<br />

erlaubte, während seiner Reise seinen Lebensunterhalt bezahlen zu können, andererseits ihn<br />

motivierte, besonders aktiv zu werden. Denn Bourgeois bekam ein Drittel der Spenden.<br />

249 ) Es waren u.a. die franz. reform Gemeinden in Holland, England und Frankfurt (Hanau).<br />

Außerdem bekamen sie 500 Gulden vom Landgrafen von Hessen-Kassel.<br />

250 ) Es waren 259 Gulden laut Kaller, Gerhard, Otterberg, Band 2, S. 167 unten. Ob dies nach<br />

Abzug der Provision war?


147<br />

dass sie am 3.8.1720 nochmals auf Spendenreise nach Holland und England<br />

geschickt wurden.<br />

Derweilen ging es in Otterberg Schlag auf Schlag voran. „Am 30. und 31 August<br />

gingen der kurfürstliche Forstmeister Rettig 251 und der Pfleger des Klosters,<br />

Herr Witt in den Otterberger Wald und markierten geeignete Eichen für die<br />

beiden Häuser im Fachwerkstil. Bereits am 4. September fällten die Zimmerleute<br />

und zahlreiche Arbeiter der Kirchengemeinde die 84 ausgesuchten, mächtigen<br />

Eichen an nur einem Tag. Am 14. September erhielt der Grundstücksverkäufer<br />

Adolf Heydweiler die vereinbarten 40 Gulden, die sich die franz. reformierte<br />

Kirchenverwaltung bei dem Müller der Eselsmühle Samuel Weckmann 252<br />

geliehen hatten. „Man tat dies in der guten Hoffnung, dass der Liebe Gott uns in<br />

diesem Unternehmen unterstützen werde. Zu seinem Lob und zu unserer Gnade“.<br />

Wieso gerade der? Er war der Schwager des Otterbergers Jean Jacob Fortineux,<br />

der am 7.5.1711 dessen Schwester Maria Elisabetha in Alsenborn geheiratet<br />

hatte. 253<br />

Im Winter 1719/1720 richtete Zeusig mit seinen Leuten das Bauholz. Im April<br />

1720 war es nun so weit. Am 22. und 23 April wurden die Fachwerkhäuser in nur<br />

zwei Tagen 254 errichtet. Diese Neubauten waren natürlich auch wertvolle<br />

Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen für die zahlreichen arbeitslosen Tagelöhner der<br />

französisch reformierten Kirchengemeinde.<br />

Neben den gelernten Zimmerleuten Zeusigs arbeiteten 30 Arbeiter der franz.<br />

Kirchengemeinde. Als Lohn erhielten die Otterberger Helfer an diesen zwei<br />

Arbeitstagen morgens frisches Brot und ein Glas Schnaps, mittags ein Sol (?)<br />

Brot und einen Schoppen Wein und abends das Gleiche wie morgens. Um 16<br />

Uhr konnten die Schaffer sich etwas erholen. Pfarrer Engelmann hält in se m<br />

Bericht fest, jeder sei damit sehr zufrieden gewesen. Wie wir gesehen haben, war<br />

das Brot neben dem Alkohol das Hauptnahrungsmittel der Arbeiter. Im Frühjahr<br />

1719 kletterten die Brotpreise derart, dass der Zimmermeister Zeusig bei dem<br />

vereinbarten Preis viel Geld verloren hatte. Anscheinend hatte er seine Arbeiter<br />

nicht mit Geld, sondern auch mit Brot bezahlt. Seine beiden Kompagnons Pierre<br />

& George Römer 255 drohten den Gesellschaftsvertrag zu kündigen, wenn die<br />

franz. Kirchengemeinde nicht mehr bezahlen würde. Der Kirchenrat sah dies ein<br />

251 ) Dieses Amt des kurfürstlichen Forstmeisters im „Reichswald“ war erblich und seit über 100<br />

<strong>Jahre</strong>n übte jeweils der älteste Sohn Rettig das ertragreiche Amt aus. Sein Nachfahr Daniel<br />

Rettig ritt am → 4.10.1804 mit Napoleon über die Schlachtfelder um Kaiserslautern herum.<br />

252 ) Samuel Weckmann * 1.8.1684 auf der Eselsmühle als 2. Sohn des Müllers Severin<br />

Weckmann und der Anna Magdalena NN auf die Welt. Er war mit der Maria Magda<br />

Hackenbrug verheiratet und hatte 7 Kinder. Seine Schwester Maria Elisabetha oo Jean Jacob<br />

Fortineux. 1731 überfiel eine Räuberbande seine Mühle, fesselten ihn und ließ ihn liegen. Die<br />

Gangster nahmen alle Vermögensgegenstände mit. Samuel starb an den Verletzungen.<br />

253 ) Jean Jacob wurde am 17.10.1690 in Holzappel geboren. Er war Sohn des Jonas Fortineux<br />

und der Susanna Rosina Spohn. Er hatte am 7.5.1711 in Alsenborn die Maria Elis.<br />

Weckmann seine erste Ehefrau geheiratet, die 33jährig am 31.3.1728 im Kindbett starb.<br />

Insgesamt war er vier Mal verheiratet. Jean Jacob Fortineux wanderte mit seinen Kindern<br />

aus.<br />

254 ) Am 19. April 2006 entstand in Otterberg, auf dem Oberen Geißberg ein Fachwerkhaus auch<br />

nur in einem Tag. Dabei waren ein Kran und drei Arbeiter im Einsatz, die die vorgefertigten<br />

Holzteile zusammenfügten. Also nur 1/10 der Arbeitskräfte von 1719. Es ist verwunderlich<br />

wie schnell und akurat die Handwerker vor 300 <strong>Jahre</strong>n arbeiteten.<br />

255 ) Die beiden Brüder hatten öfters Streit miteinander, der in 1721 eskalierte.<br />

147


148<br />

148<br />

und legte noch 7 Gulden drauf. Die Zimmerleute bauten in den nächsten Wochen<br />

die Fußböden und Decken ein, damit das Haus begehbar wurde.<br />

Am 26. Mai bestellte die Kirchenverwaltung bei Franz Faulhaber alle<br />

notwendigen Steine, den Sand und den Kalk. Er sollte dafür 50 Gulden erhalten.<br />

Als am 6.6.1720 die Ställe aufgebaut wurden, hätten viele Leute zugeschaut. Die<br />

Gipserarbeiten dürften erst gegen Mitte Oktober abgeschlossen worden sein, denn<br />

das Haus war bei seinem Erstbezug noch absolut feucht. Heute rechnet man mit<br />

einer Trockenzeit von 28 Tagen.<br />

1720: Am Montag, den 11. November bezog Pfarrer Engelmann das neue<br />

Pfarrhaus. Es war nicht riesig, bot aber einer großen Pfarr-Familie genug Platz.<br />

Leider war der Umzug voreilig, denn innen war es allerdings noch ganz feucht.<br />

Und zwar so stark, dass er riskierte, mit seiner Familie dort zugrunde zu gehen.<br />

Morgens waren Bett und Bettzeug von den Feuchtigkeit der Außenmauern und<br />

Wänden vollkommen nass. Dieser verfrühte Umzug ist sehr erstaunlich, zumal das<br />

Gebäude keine einzige Tür hatte und es erbärmlich zog. Grund für diesen<br />

voreiligen Umzug, war das inzwischen vergiftete Verhältnis zu dem früheren<br />

Vermieter Abraham Cherdron. Der hektische Umzug ist umso bemerkenswerter,<br />

als seine hochschwangere Frau Marie Cunigunde Migeot kurz vor der Geburt<br />

ihrer Tochter Charlotte Pauline Engelmann stand. Die Wehen hatten bereits<br />

eingesetzt. Am nächsten Tag, Dienstag abends um halb acht Uhr kam das<br />

Mädchen im neuen Pfarrhaus auf die Welt. Die feierliche Kindtaufe des kleinen<br />

Sonnenscheins war am darauf folgenden Sonntag, den 17.11.1720. Die Taufe 256<br />

nahm laut Taufeintrag Pfarrer Geisweid in der franz. Kirche vor. Der Vater<br />

schrieb ausdrücklich, dass Ludwig Geisweid die ganze Zeremonie auf<br />

Französisch hielt. An der zuerst feuchten Wohnung wird es wohl nicht gelegen<br />

haben, dass die kleine Charlotte fünfjährig bereits am Samstag, den 22.12.1725 an<br />

einem lang anhaltenden Fieber und am Ende an wässerigen Schwellungen<br />

verstarb.<br />

1720: ab 3. August: 1720 reiste Herr David Bourquoi, Lektor dieser Kirche als<br />

Deputierter nach Holland und England, um dort Geld einzusammeln. Leider war<br />

er in Amsterdam krank geworden und hatte dort sieben Wochen lang<br />

daniedergelegen. Er konnte erst in der Pfingstwoche 1721 zurückkehren. Der<br />

Erfolg der Reise lässt sich aus dem Buch der Kollekte ersehen. Auch die<br />

interessanten Reiseberichte überzeugten. Das Handgeld von einem Drittel der<br />

Einnahmen hatte ihm die Schmerzen und seinen Kummer gelindert. Diesen<br />

Provisions- Vertrag hatte ich mit ihm geschlossen. (vgl. nächste Spendenaktion<br />

24.6.1721) 257<br />

1721: ebenfalls am 24. Juni 258 trat das Konsistorium wegen Philippe Daniel<br />

Fromy zusammen, um noch einige Fragen wegen seiner Reise nach Frankfurt zu<br />

klären. Er war 1719 das erste Mal in diese reiche, freie Reichsstadt geschickt<br />

worden, um Spenden beim dortigen Französischen Konsistorium in Frankfurt zu<br />

256 ) Paten waren: Pfarrer Jacob Knochel von Oberingelheim, der Händler Sebastian Stuckrad<br />

von Lautern, Frau Charlotte Keller, die Ehefrau des Jean Henry Heidweiler (Chef der<br />

Drehenthaler Glashütte) und Frau Pauline, Frau des Andreas Hager, Bürger von<br />

Oberingelheim. Von Frau Hager kannte Engelmann nicht den Geburtsnamen. (Welche<br />

Beziehungen hatte Engelmann zu Ingelheim?)<br />

257 ) Gemäß Protokollbuch XII, Seite 298, erfolgte die Reisekosten- und Spendenabrechnung erst<br />

am 15.6.1724. Siehe unten, Suchbefehl →15.6.1724<br />

258 ) Suchbegriff für Excel → 24.6.1721. vorherige Spendenaktion siehe 3.8.1720


149<br />

sammeln. Er hatte laut Protokoll vom 17.8.1719 jedoch nur 4 Gulden erhalten.<br />

Viele der Frankfurter Kirchenleute schienen sich auch noch 2 <strong>Jahre</strong> danach wegen<br />

der mickrigen Spende zu schämen Sie schrieben, Philippe Daniel Froumy sollte<br />

nochmals kommen, um weitere vier Gulden in Empfang zu nehmen. → 3.8.1720<br />

1721: am Freitag, den 6ten Juli (6.7.1721) machte ich mit Jean Haque einen<br />

Vertrag, damit er die Schul-Glocken stimmen sollte. Denn unser Schuldiener<br />

Bourgeois beschwerte sich über den Glockenklang. Da er nämlich zum Läuten<br />

verpflichtet ist:<br />

• drei Mal während des Tages,<br />

• Sonn- und Feiertags und immer<br />

• an jedem ersten Mittwoch jeden Monats<br />

• bei Gefahren wie Brand, Unwetter<br />

erhält der Schuldiener zusätzlich jährlich vier Gulden. In 1722 war Lehrer<br />

Bourgeois wohl eine längere Zeit abwesend. Jean Henry Digeon übernahm für<br />

einen Gulden das Läuten. (aus KB, Band XII, Seite 267) Ob der Gulden dem<br />

Schuldiener Bourgeois abgezogen wurde, ist nicht vermerkt.<br />

1726: am 20.12.1726 prüfte das Konsistorium die Abschlussrechnung die vom<br />

Pfarrer Engelmann vorgelegt worden war.<br />

6.8. Mist vor der Kirchentür (1721)<br />

Hintergrund des ganzen Ärgers war die aggressive Außenpolitik Frankreichs.<br />

1689 entfachte Ludwig XIV den Pfälzischen Erbfolgekrieg und wenige <strong>Jahre</strong><br />

später folgte auf unserem Gebiet der Spanische Erbfolgekrieg. Während dieser<br />

<strong>Jahre</strong> lagen mehr oder weniger französische Truppen in Otterberg bzw. <strong>Erlenbach</strong>.<br />

Unter ihrem Schutz raubten die Katholiken den Franz. Reformierten ihrer<br />

materiellen Grundlagen und begannen mit der Rekatholisierung. Hinzu kam die<br />

Kopflosigkeit der Franz. Reformierten Gemeinde Otterbergs. 1689 flüchtete<br />

Charles Faucher und bis 1715 war die Gemeinde ohne eigenen Pfarrer gewesen.<br />

Bis 1712 betreute der Pfarrer Johannes Weldener die Wallonen seelsorgerisch.<br />

Als dann am 14.2.1714 noch der franz. Schulmeister Migeot gestorben war, zeigte<br />

die wallonische Kirche leichte Auflösungserscheinungen, die die Katholischen<br />

Priester schamlos ausnutzten.<br />

Aber Frankreich hatte seine eigene Kräfte und die Zähigkeit des Deutschen<br />

Reiches und seiner Freunde unterschätzt. Selbst ausgepowert kam es am 7.9.1714<br />

zum Frieden von Baden, durch den unter anderem die Reformierten Kirchen<br />

wieder in ihre alten Rechte eingesetzt wurden. Es dauerte aber weitere sechs <strong>Jahre</strong><br />

bis die Kurpfalz die Kraft zurück gewonnen hatte, dies auch in materielles Recht<br />

umzusetzen.<br />

10. Dezember 1720 Der „Landrat“ des Oberamtes Lautern gab den Katholiken<br />

die unbedingte Anweisung, den Reformierten Otterbergs wieder in ihre alten<br />

Rechte einzusetzen. Er gewährte eine Frist von 14 Tagen (auf Französisch<br />

15 Tage), die die Katholiken natürlich verstreichen ließen. Auch der<br />

gedruckte und verlesene Befehl vom 18.2.1721 blieb ohne Wirkung.<br />

10. März: Diesmal schrieb das Kirchenamt in Heidelberg und veranlasste die<br />

Wiedereinsetzung zum 17.3.1721. Es verfügte ausdrücklich:<br />

• Man kann niemand dazu verpflichten mit der Prozession zu gehen oder<br />

das Kreuz zu den Kranken zu tragen,<br />

149


150<br />

150<br />

• Arbeiten, die keinen Lärm machen, sind an katholischen Festtagen<br />

möglich,<br />

• Die Reformierten können nicht gezwungen werden, ihr Haus bzw. ihren<br />

Straßenabschnitt für die Prozession zu schmücken,<br />

• Niemand kann gezwungen werden, eine katholische Hebamme zu<br />

nehmen oder ihre Kinder durch diese oder kath. Diakone taufen zu<br />

lassen.<br />

• Was die Trauung gemischter Ehen betrifft, bleibt es bei der alten<br />

Erklärung.<br />

Was glauben Sie, lenkte die katholische Kirchenführung Otterbergs ein?<br />

Nein, im Gegenteil!<br />

11. April, am heiligen Karfreitag verließen die Katholiken in einer Prozession<br />

laut singend ihre Kirche und zogen runter vor unser Kirchenportal, um uns<br />

dort zu provozieren. An diesem Platz stellten sie auch ihr Kreuz ab,<br />

wogegen wir heftig protestierten. Außerdem kippte der französische<br />

Schulmeister seinen Mist vor unsere Kirchentür. Des Weiteren brachten sie<br />

fünf Tage später am Kreuz eine unerhört gemeine Inschrift an, die der<br />

Landrat am 28ten durch den Schreiner Daniel Louis entfernen ließ. Im<br />

Verlauf der nächsten Wochen eskalierte das skandalöse Auftreten der<br />

Katholiken. Insbesondere tat sich deren Schulmeister unrühmlich hervor.<br />

Dies hatte den Ehrenwerte Kirchensenat in Heidelberg aufgeschreckt und<br />

der ließ sich darüber informieren.<br />

3. Mai: Die Katholiken hatten den Brauch, dass der Priester die Kranken<br />

aufsuchte, um mit ihnen zu beten und eventuell die letzte Ölung zu geben.<br />

Der Pfarrer zog mit jeweils zwei Messdienern zu dem Haus des Kranken,<br />

wobei der erste das Kreuz trug. Die Gruppe wurde von einem Soldaten<br />

begleitet. Alle waren verpflichtet, zu knien, wenn der zu Verehrende an<br />

ihnen vorbei getragen wurde. Verweigerte ein Passant den Kniefall, dann<br />

durfte der Soldat ihn mit Schlägen auf die Knie zwingen. Am 3.5.1721 hob<br />

der oberste Kirchen Senat in Heidelberg diese Regelung auf. Die Fußgänger<br />

mussten jetzt nur noch zur Seite gehen und den Hut ziehen 259 .<br />

12 Juni, Donnerstag, am Fest Gottes betraten katholische Jugendliche die<br />

reformierte Kirche und behinderten die Deutsch Reformierten am Gebet. Sie<br />

machten mit der Kirchenglocke während des gesamten Gottesdienstes einen<br />

unglaublichen Lärm. Und dies auch während der anschließenden<br />

Kindstaufe. Dieser skandalöse Vorfall setzte sich draußen fort. Diese Bande<br />

eilte zum neuen Pfarrhaus, das sie zu plündern begannen. Herr<br />

Bürgermeister Daniel Thomas Raquet eilte herbei, um zu versuchen, sie<br />

aus der Stadt zu führen, wo er sie zur Strafe 3 Tage schmoren ließ, um sie zu<br />

bessern.<br />

13. Juni, Freitags: Der katholische Pfarrer wurde aufgefordert dem David<br />

d`Ármes den Betrag von 40 Kreuzern zurück zu erstatten, den er ihm als<br />

Strafe im Jahr 1718 abgenommen hatte.<br />

259 ) siehe den Erlass vom 8.6.1729: “Die reformierten Milizionäre oder Soldaten des Nationalen<br />

Regimentes können nicht gezwungen werden, bei katholischen Prozessionen zu assistieren oder<br />

zu dienen, weder sich auf die Knie zu werfen noch den Hut zu ziehen. (pag 291)“


151<br />

14. Juni: Ein Tage später, am Samstag, nach dem Fest Gottes, aber vor der<br />

Prozession, ließ der Bürgermeister in der ganzen Stadt durch den<br />

Polizeidiener (Sergeanten) kundtun, dass jeder seinen Gehweg und die<br />

Straße zu reinigen hätte. Und diejenigen, die nichts für die Prozession zu tun<br />

gedenken, sollten sich in ihren Häusern aufhalten. Das ganze war<br />

merkwürdig, warum nicht gesagt wurde, warum diese Order erging. Das<br />

Ganze ging auf den<br />

• katholischen Pfarrer,<br />

• den Herrn Bürovorsteher und<br />

• den Herrn Bürgermeister Raquet zurück, der katholisch war<br />

Am gleichen Tag sollte Marie Louise Faulhaber beerdigt werden.<br />

Während der Beerdigungs-Zeremonie stieg der katholische Schuldiener auf<br />

ein Podest direkt neben den Glockenseilen auf der Galerie, um die Söhne<br />

Faulhabers in ihrem Kirchengesang zu verbessern. Er ließ 5 bis 6mal die<br />

Fensterscheiben erklingen. Er kam alsbald wieder herunter, um die Seile<br />

wieder aufzunehmen. Am Ende seiner Störung pries er lauthals die Mutter<br />

Gottes und ließ wieder kath. Kirchenlieder erklingen. Er tat alles, um die<br />

Beerdigung zu stören. Ungefähr gegen 3 Uhr verschwand er mit einem<br />

Riesen Lärm.<br />

24. Juni, nachmittags: Nach diesem aggressiven Auftreten der kath. Jugendlichen<br />

und des Schulmeisters machte der Pfarrer Engelmann einen Vertrag mit dem<br />

Zimmermann Peter Römer 260 . Schul- und Pfarrhaus sollten sicher<br />

werden. Deshalb sollte um die zwei Gebäude ein hoher und massiver<br />

Bretterzaun aus Eichenholz entstehen. Zu diesem Zweck sollte Peter Römer<br />

dicke Pfosten in den Boden rammen und sie durch dicke Eichenbretter<br />

verbinden. Als weiteren Schutz gegen Vandalismus bekamen sowohl das<br />

Pfarrhaus als auch das Schulhaus bemerkenswerte Haustüren. Außerdem<br />

entstanden im Schulhof in der Hofecke gegenüber dem Backofen zwei<br />

Schweineställe. Dafür erhielt Peter Römer 9 Florentiner = hfl.<br />

15. Juli terrorisierten uns wieder die Katholiken. Punkt 10 Uhr begannen die<br />

Katholiken die Glocken zu läuten, während wir Wallonen beteten. Sie<br />

läuteten, während der Predigt, während aller Gebete, eigentlich während des<br />

ganzen Gottesdienstes. Ihre gehässige Ausrede war, sie hätten ein Kind vom<br />

Weinbrunner Hof zu beerdigen gehabt. Allerdings hatten sie den toten<br />

Körper bereits morgens um 7 Uhr vor das neue Portal gestellt. Unverschämt<br />

wie sie waren, begannen sie mit der Beerdigung, als auch wir um 10 Uhr<br />

mit unserem einstündigen Gottesdienst begannen, der bis 11 Uhr andauerte.<br />

1721: (7.7.1721) Am Samstag, den 7ten Juli 1721 betrat der Schuldiener Herr<br />

Bourgeois das neue schöne Schulhaus 261 , um dort zu wohnen und um dort<br />

den Unterricht zu halten. Die offizielle Einweihung war am Samstag, den<br />

28.7.1721. „Am 28. Juli 1721 hatte der Inspektor Johann Caspar Crusiger<br />

(Cruciger) die Güte, hierher zu kommen, um die neue Schule einzuweihen.<br />

Herr Sebastian Stuckrade 262 hatte ihn begleitet. Die Feierlichkeiten<br />

begannen mit einem Psalm-Gesang. Dann hielt Herr Cruciger auf Deutsch<br />

260 ) Peter Römer oo 1.4.1728 Johanna Elisabetha Cherdron, die Tochter des Abraham Cherdron.<br />

261 ) Es ist zweieinhalb stöckig . Neben dem zentralen Eingang mit drei Stufen sind links und rechts<br />

drei Fenster. Zeichnung in Kaller, Gerhard, Otterberg Bd II, S. 168<br />

262 ) Stuckrad, Sebastian, ein Händler aus Lautern, Patenonkel seiner Tochter Charlotte Pauline<br />

151


152<br />

152<br />

eine schöne Rede über das Schicksal und die Bestimmung dieser Kirche und<br />

Kirchengemeinde. Ich (Pfarrer Engelmann) sprach natürlich auf<br />

Französisch. In meiner Rede hob ich die Notwendigkeit von Schulen und<br />

Bildung hervor. Große Bedeutung käme der Erziehungsaufgabe der Eltern<br />

zu. Ebenso fand ich lobende Worte über unseren Schuldiener Bourgeois.<br />

Gegen Ende sangen wir einen Psalm zusammen und ich spendete der großen<br />

Versammlung ihren Segen, die derart zahlreich war, dass alle Straßen, selbst<br />

die Seitenstraßen voll von Leuten waren. Übrigens beschult unser<br />

Schuldiener 80 bis 90 Kinder. Jährlich erhält er dafür 2 Gulden von<br />

„Weckes“. Zusätzlich bekam er einen kleinen Garten zugeteilt.<br />

Nach der Einsegnung des Schulhauses begab sich der Inspektor Cruciger in<br />

das Pfarrhaus. Dort hatte er auf Befehl des Herrn Pflegers Witt den<br />

64jährigen (deutsch reformierten) Schulmeister Johann Georg Müller 263 zu<br />

sich bestellt. Er befahl dem älteren Lehrer einen seiner zwei Schulgärten<br />

dem wallonischen Schulmeister Bourgeois abzugeben. Da der Garten ja<br />

bepflanzt war, sollte der wallonische Pfarrer ihm als Entschädigung Geld für<br />

die Arbeit und die Pflanzen geben. Nach dem Gespräch ging Bourgeois mit<br />

Herrn Inspektor zu dem besagten Garten und nahm ihn in Besitz. (Diese<br />

Aktion war notwendig gewesen, nachdem sich der Schulmeister Müller<br />

jahrelang erfolgreich geweigert hatte, einen der beiden Gärten abzugeben.).<br />

25.8.1721 erschien vor hiesigem Consistorium Jean David Pierot, der der franz.<br />

reform Gemeinde angehörte. Er berichtete, er sei am 17. Juli zufällig<br />

(occasionshalber) in David Lacmanns Behausung gekommen, als dort<br />

unter anderem Disputen (Discours) von Abraham Digeon ein<br />

Wollenknapp allhier, von der Wallonen Gemeinde, dermaßen über die<br />

deutsche Gemeinde gelästert worden sei, dass er Pierot dies nicht länger<br />

verschweigen könne. Unter anderem habe der besagte Digeon die deutsche<br />

Gemeinde beschuldigt (angefochten), dass sie zur gleichen Zeit vorgehabt<br />

hätte, die Wallonen auszurotten. Besonders habe sich der grobe Knecht und<br />

Galgenvogel, der Schulmeister Schneider hervor getan. Tatsächlich hätten<br />

die „Deutschen“ den Wallonen die Kirche mit Gewalt entreißen wollen. Die<br />

>Hundsschläger< wollten mit Prügeln und Hunden vorgehen, diese üblen<br />

>Galgenvögel und GewürmReformierte Teutsche Consistorium< ein<br />

Protokoll, das als Kopie Bestandteil des Franz. Reformierten Kirchenbuchs<br />

wurde. Das Protokoll ging an das Oberamt in Kaiserslautern. Die Beamten<br />

des Lautrer Oberamtes machten sich nun ernsthafte Sorgen über den<br />

Otterberger Religionsfrieden, zumal Mitglieder der katholischen Gemeinde<br />

zu Übergriffen neigten. Die Beschuldigungen Jean David Pierots lösten<br />

heiße Diskussionen aus und beschäftigten alle mehr als drei Monate.<br />

263 ) Müller, Johann Georg, † 18.5.1728 im Alter von 71 <strong>Jahre</strong>n, somit im Juni 1657 geboren.<br />

264 ) Heydweiler = Heidweiler = Heidweiller, Eigentümer der Drehenthaler Glashütte


153<br />

24. August: Der Ehrenwerte Kirchenrat in Heidelberg versetzte die Reformierte<br />

Kirche (auch Otterbergs) wieder in ihre Rechte auf der Grundlage des<br />

Friedenvertrages von Baden von 1714, wobei den Katholiken eine Frist<br />

von nochmals 8 Tagen eingeräumt wurde.<br />

30. August (30.8.1721) erschienen vor mir (Pfarrer Engelmann) die Brüder<br />

Heinrich und David Römer, die einige Schwierigkeiten miteinander<br />

hatten. Sie hatten sich gegenseitig beleidigt und hatten miteinander<br />

Zwietracht während einer langen Zeit. Sie wurden versöhnt, dass derjenige,<br />

der als erster wieder mit dem Streit beginnen würde, Unruhe zu stiften,<br />

müsse eine deftige Strafe in die Armenkasse bezahlen.<br />

Am Dienstag, den 2. September zitierte Baillif 265 (= Amtmann) die zwei<br />

Zeugen zu sich. Es waren Abraham Digeon, der Tuchhändler und David<br />

Lacmann der Ältere. Sie waren zugegen gewesen, als Jean David Pierot<br />

die Verantwortlichen der Deutsch Reformierten Kirche in unentschuldbarer<br />

und beleidigender Form verleumdet hatte. Da David Digeon 266 seine<br />

hasserfüllten Unterstellungen nicht beweisen konnte, verurteilte ihn der<br />

Amtmann (= Baillif) zu dreitägiger Kerkerhaft in Lautern. Der<br />

Verurteilte wurde im Oktober festgenommen und in das „Verließ<br />

geworfen.“<br />

Am Tag drauf, den Mittwoch, den 3.9.1721 suchte mich Joh. Heinrich<br />

Faulhaber der Ältere auf, um sich über Abraham Digeon zu beklagen,<br />

denn er habe ihn als Zeugen für die obige haarsträubende Geschichte<br />

benutzen wollen. Faulhaber sagte, eigentlich habe er nichts gegen Digeon,<br />

was aber wahr sei, müsse wahr bleiben. Ich besänftigte die Beiden und zur<br />

Versöhnung reichten die Zwei sich die Hand. Ich erteilte daraufhin den zwei<br />

Streithähnen meinen Segen.<br />

22. September: So ließen sich Herr Heyler und der Bezirkssekretär Hamann<br />

am Montag nach Otterberg kutschieren, um den Klagen der französisch &<br />

deutsch reformierten Gemeinden auf den Grund zu gehen. Zu dem Gespräch<br />

waren die Pfarrer der franz. (Engelmann) und deutschen Kirchengemeinde<br />

(Geisweid) wie auch die katholischen Pater Quavirian und Agritius<br />

eingeladen worden. Zugegen war auch der Bürgermeister Daniel Thomas<br />

Raquet.<br />

Da es Mittagszeit war, wollte man zuerst speisen. Herr Heydweiler war für<br />

den Service zuständig, ihm half der Beklagte Jean David Pierot. Am<br />

Nachbartisch saßen die Kirchenältesten der Deutsch Reformierten Kirche:<br />

die Herren Keller, Palmann und Hofmann, (der stellvertretender<br />

Bürgermeister) jeder von ihnen mit einem Glas Wein. Diese deutsch<br />

reformierten Herren begannen sich über die sehr pikanten Gerüchte und die<br />

Geschichten lustig zu machen, die ja erst kürzlich geschehen waren. Der<br />

deutsche Pfarrer Geisweid erzählte in groben Zügen die haltlosen<br />

Lügengeschichten Pierots. Er schilderte auch die Übergriffe der kath.<br />

Jugendlichen vom 12.6.1721. Er wandte sich zwei- bis dreimal an den<br />

Pfarrer Engelmann. Pastor Geisweid wünschte ausdrücklich, dass der<br />

elende Pierot endlich seine haltlosen Lügenmärchen zurücknehmen sollte,<br />

265 ) Funktion eines heutigen Landrates.<br />

266 ) Laut vorliegendem Protokoll bezeichneten die Deutsch Reformierten Digeons Aussagen<br />

als Schändung und Schmähung . Er sei sein gottloser Lästerer.<br />

153


154<br />

154<br />

damit die gehässigen Nachreden ein Ende nehmen sollten. Herr Engelmann<br />

reklamierte seinerseits die unverschämten Übergriffe der katholischen<br />

Jugend und des katholischen Schuldieners. Die Herren gerieten über die<br />

gegenseitigen Vorwürfe und haltlosen Verleumdungen miteinander derart<br />

in Zorn, dass sie vergaßen, die süßen Pillen der Mildtätigkeit & christlicher<br />

Nächstenliebe zu schlucken. (so schrieb Engelmann)<br />

Nach dieser hektischen Diskussion ließ Herr Heyler direkt danach– noch in<br />

Otterberg- von dem katholischen Sekretär Baillival ein Protokoll<br />

anfertigen. Heyler hatte sich persönlich davon überzeugt, dass die Vorwürfe<br />

Pierots völlig aus der Luft gegriffen waren und dass er Machtworte<br />

sprechen musste, wenn die Spannungen nicht weiter eskalierten sollten.<br />

Deshalb entschied er unter dem Datum vom 27. September 1721 wie folgt:<br />

„Weil der Kläger Pierot seine Anklage nicht beweisen konnte und der damit<br />

einen Aufstand unter beiden Gemeinden verursacht hat, ist selbiger<br />

dermaßen zur künftigen Wahrung des Religionsfriedens zu einer dreitägigen<br />

Haftstrafe condammiert (verurteilt) worden, Lautern den 27ten 7bris 1721,<br />

gezeichnet Heyler, Oberamt Lautern“ (franz. KB Band XII, S.260<br />

22. September: Noch am 22.9. entschied der Baillif folgendes und erteilte<br />

den Katholiken nachstehende Auflagen<br />

• Zur Wiedergutmachung muss der katholische Pfarrer an die<br />

Reformierten Kirchen 2 Gulden zahlen,<br />

• Der katholische Schulmeister darf die Glocken nicht mehr während<br />

des Gottesdienstes der Reformierten läuten<br />

• Die Deutschen dürfen morgens um 8 Uhr Gottesdienste abhalten,<br />

• Dem katholischen Schulmeister ist es verboten, seinen Mist vor die<br />

Kirchentür der Reformierten Kirche zu kippen.<br />

6.9. Schulden & kein Geld<br />

1722: 28.8.1722: Am Montag, den 24. August 1722 legte Pfarrer Engelmann dem<br />

Kirchenvorstand seinen Rechenschaftsbericht über die Ausgaben des Schul- &<br />

Pfarrhauses vor, der den Zeitraum von 1719 bis zum 17.8.1722 betraf. Alle<br />

Ausgaben waren vernünftig und angemessen. Die Kassenprüfer fanden alles in<br />

Ordnung. Sie waren rundum zufrieden. Darunter waren unter anderem:<br />

• Abraham Digeon lieferte 12 Ster Holz für Schule und Pfarrhaus.<br />

Er bekam dafür 1,20 hfl.<br />

• Henry Digeon läutete in Abwesenheit des Schuldieners<br />

Bourgeois die Glocken. Dafür bekam er 1,00 hfl.<br />

• Frau Catharina Digeon lieferte die ganzen <strong>Jahre</strong> schöne<br />

Blumensträuße für das Pfarrhaus und den Kirchenraum. Als<br />

Anerkennung erhielt sie 1,30 hfl.<br />

• Da waren noch an Herrn Paquay Le Sogne alte Rechnungen<br />

offen. Er hatte Steine für die beiden Häuser geliefert, ihm standen<br />

10 hfl zu.<br />

• Hamann Sauvit war gewiss ein guter Freund und Mitglied<br />

unseres Consistoriums, er sollte 50 hfl bekommen.


155<br />

• Und da waren noch die Bauleistungen des Herrn Daniel Thomas<br />

Raquet, die mit 50 hfl honoriert werden sollten.<br />

• Und da waren noch 0,20 Gulden, die wir Herrn Daniel Thomas<br />

Raquet schuldeten. Er hatte in Lautern für uns Wein gekauft, den<br />

Jacob Veillard (Villiard) und Abraham Pfaff angeliefert hatten.<br />

Der Landgraf von Hessen-Kassel hatte eine großzügige Spende von 500 Gulden<br />

zugesagt und den Betrag bei seinem Besuch in Heidelberg abgegeben. Der<br />

Kurfürst gab das Geld zur Verwaltung dem Heidelberger Kirchensenat. Das Geld<br />

war aber in Otterberg noch nicht eingetroffen. Die Kirchenkasse war somit<br />

gähnend leer. Pfarrer Engelmann vertröstete die Bauunternehmer mit der<br />

Spendenzusage des Landgrafen.<br />

1723: 24.2.1723: der Kirchenvorstand war wegen der vielen Briefe versammelt,<br />

die dieser Tage eingegangen waren. In einem wurde ich (Pfarrer Engelmann)<br />

gebeten, nach Frankfurt zu reisen, um wieder Spenden in Empfang zu nehmen.<br />

Kaum war ich von der Reise zurück, musste ich nach Heidelberg, um Vorwürfe<br />

abzuwenden, die unsere Kirche bedrohten. Andererseits hatte der S.A.S.<br />

Landgraf von Hessen-Kassel viel Geld gespendet. Der Betrag sollte für die<br />

Kirchensanierung verwendet werden. Aber der verehrte Kirchensenat wollte nicht<br />

das Geld zur Bezahlung alter Schulden verwendet wissen. Es kam ein Vergleich<br />

zustande. 50 Ecus sollten zur Bezahlung der dringlichsten Schuldentilgung<br />

eingesetzt werden. Die Gläubiger hatten sich zwar anfänglich mit Schuldscheinen<br />

zufrieden gegeben, aber ihnen brannten selbst auch die mangelnde Liquidität auf<br />

den Nägeln. So forderten sie bei jeder Gelegenheit Engelmann auf, sich um die<br />

Auszahlung des großen Restbetrages zu kümmern. (siehe 7.5.1724)<br />

1723: am 8.9.1723 bat mich das Konsistorium, nochmals eine Reise nach<br />

Heidelberg zu machen, um dort den Restbetrag aus der Spende des S.A.S. Herrn<br />

Landgrafen von Hessen Kassel in Empfang zunehmen.<br />

1723: 7.10.1723, am ersten Mittwoch des Monats Oktober erschien vor mir die<br />

Frau des Georg Wattier 267 . Sie erzählte, ihr Mann sei während des ganzen <strong>Jahre</strong>s<br />

krank gewesen und hätte deshalb nicht arbeiten können. Sie fragte, ob wir nicht<br />

die Güte hätten, ihr einige Gulden (Florin) zu leihen. Ich stimmte zu und ließ ihr in<br />

drei Raten ohne Schuldschein 4 Gulden auszahlen.<br />

1724: am 7. Mai 1724 (7.5.1724) trafen sich drei Hauptgläubiger im Pfarrhaus.<br />

Es ist verständlich, dass sie dem Pfarrer Jean Pierre Engelmann heftig zusetzten,<br />

denn es ging auch um ihre Existenz. Sie hatten weitere Leistungen auch im<br />

Hinblick der Spendenzusage des Landgrafen von Hessen-Kassel erbracht. Nun<br />

wollten sie endlich Geld sehen. Da musste es wohl hoch hergegangen sein. Pfarrer<br />

Engelmann beschrieb zwar nicht die Stimmung, man kann sich aber gut vorstellen,<br />

wie gereizt da gefordert und argumentiert wurde. Der Pastor versicherte glaubhaft,<br />

die Auszahlungsverzögerung läge nicht an ihm, sondern am Kirchen Senat in<br />

Heidelberg. Darauf verlangten die Gläubiger einstimmig, da müsse jemand<br />

unverzüglich nach Heidelberg fahren, um die Auszahlung zu beschleunigen.<br />

Engelmann schreibt im Einzelnen:<br />

267 ) Wattier, George, * 3.6.1689, † 5.11.1745<br />

155


156<br />

156<br />

1. Jacob Veillard (Villiard) bat eindringlich, ihm 100 Ecus der<br />

hessischen Spende im Voraus zu zahlen, die noch in den Händen des<br />

ehrwürdigen Kirchen-Senats sei, damit er seine Schuld an Wasem von<br />

Dielkirchen bezahlen könne.<br />

2. Herr Daniel Thomas Raquet verlangte, ihm solle im Voraus aus der<br />

besagten Spende die Summe von 100 Gulden ausgehändigt werden.<br />

(Seit 1722 hatte er also den Bau und Ausbau der Gebäude weiter<br />

vorangetrieben und war in Vorlage getreten)<br />

3. Abraham Louis fordert eindringliche 30 Gulden Abschlag im Voraus.<br />

Der Betrag sei eine Restschuld, die die Kirchengemeinde dem<br />

verstorbenen Pfarrer Charles Faucher noch geschuldet habe. Der<br />

Betrag sollte an seinen Sohn Carl Theodor, Pfarrer in Casselle (Kassel)<br />

gezahlt werden.<br />

Die Versammlung diskutierte das weitere Verfahren. Sie kamen zu folgendem<br />

Beschluss. Am nächsten Montag, den 12. Mai sollte der Schulmeister Bourgeois<br />

nach Heidelberg fahren. Er sollte dort beim ehrwürdigen Kirchen Senat vorstellig<br />

werden und Kopien der drei Schuldverschreibungen vorlegen. Die Original-<br />

Obligationen sollten jedoch gesiegelt dem Herrn Inspektor in Lautern überreicht<br />

werden, um ja sicher zu stellen, dass sie nicht im Papierkorb der Justiz<br />

verschwinden, sondern dass der Eingang im Protokollbuch der Stadt registriert<br />

wird. (Dienstweg). Nach baldiger Bearbeitung soll Herr Inspektor den Betrag an<br />

Herrn Engelmann auszahlen. (aus franz. Protokoll, vgl. S. 269, Band XII franz.<br />

KB)<br />

1724: am 3.6.1724 hatte sich die Gesellschaft versammelt. Tagesordnung war die<br />

Spenden- und Reisekostenabrechnung des Schulmeisters David Bourgeois. Aus<br />

dem Sitzungsprotokoll ist nicht ersichtlich, welches Spenden- und Reisejahr dies<br />

betraf. Nach dem Inhalt dürfte es die lange Spendenreise von 1720/21 gewesen<br />

sein. Bitte lesen sie:<br />

„am 15.6.1724 versammelte sich die Gesellschaft. Herr David Bourgeois<br />

Schulmeister gab Rechenschaft über seine Spenden-Sammelaktion zur<br />

Zufriedenheit und Befriedigung der ganzen Gemeinde ab….Der besagte<br />

Herr Bourgeois übergab gleichzeitig eine Bittschrift. Er schilderte, während<br />

seiner siebenwöchigen Krankheit in Holland hätte er um sein Leben<br />

gefürchtet und das wenige Geld, das er in Holland gesammelt hätte, hätte er<br />

ausgeben müssen. Darüber hinaus hätte er zwei Louis d´Or geopfert, die er<br />

in England bekommen hatte. Er habe auf seinen Reisen sehr viel zu erleiden<br />

gehabt, auch seien seine Kosten hoch gewesen, dass es ungerecht sei, ihn<br />

allein die Bürden tragen zu lassen. Daraufhin beschloss man mit der<br />

Mehrheit der Stimmen, ihm 7 Gulden und 47 Kreuzer zu zahlen, zuzüglich<br />

50 Gulden für seine Bemühungen<br />

Am gleichen Tag gewährte das Konsistorium dem Schulmeister Bourgeois<br />

folgendes Gehalt: Er sollte ab dem 1. Juli 8 ½ Malter Korn und an Geld den<br />

Betrag von 17 fl. 51 X (Kreuzer) bekommen.


157<br />

6.10. Tanz & Familienzwist<br />

Die Menschen vor 300 <strong>Jahre</strong>n kannten nicht unser luxuriöses Leben, aber sie<br />

waren nicht weniger glücklich. Sie genossen genauso die schönen Seiten des<br />

Lebens, so wie wir es heute auch tun. Jung sein war und ist wie Schweben. Die<br />

Liebe ist eine herrliche Achterbahn der Gefühle. Die ernsten Probleme waren<br />

auch damals wie heute weit weg, obwohl das Elend, die Krankheiten und das<br />

Sterben allgegenwärtig waren. Die Obrigkeit erließ eine Vielzahl von<br />

Vorschriften, die wie ein Korsett die Freiheiten der Menschen einschränkten.<br />

Aber hielten sie sich auch daran? So z.B. das Tanzverbot vor und nach Feiertagen.<br />

So war in der Kurpfalz (mit Sicherheit auch im Zweibrückischen) der Tanz vor<br />

und nach Pfingsten strengsten verboten. Doch da lesen wir auf Seite 300 im Band<br />

XII des franz. Reformierten Protokollbuches:<br />

Am 15.6.1724 tagte der Kirchenrat Otterbergs. Als 3. Punkt der Tagesordnung<br />

hatten sie sechs Mädchen vorgeladen, die gegen das strenge Tanzverbot<br />

verstoßen hatten. Sie hatten am 5. Juni anlässlich des Marktes in Otterbach der<br />

dortigen Tanzveranstaltung beigewohnt. Am Vorabend war noch Pfingsten<br />

gewesen und sie hatten am Abendmahl teilgenommen. Die zwei Mädchen, die<br />

getanzt hatten, mussten 15 Kreuzer bezahlen, die vier anderen Begleiterinnen<br />

hatten je 10 Kreuzer Strafe zu entrichten. Das Protokollbuch benennt<br />

• Anne Jeanne, Dienerin bei Valentin Luttringshausen (15 X)<br />

• Marie Susanne Gaye 268 , Tochter des Zacharias Gaye (15 X)<br />

• Jeanne Elisabeth Bouquio, Tochter des Daniel B (10 X)<br />

• Marie Elisabeth Bouquio Tochter des Jacob B, (10 X)<br />

• Catherine Renard, Tochter der Marie Raquet (10 X)<br />

• Charlotte Renard, Tochter des Paul Renard (10 X)<br />

16.6.1724: Da am Vortag das Konsistorium nicht alle Probleme hatte abhandeln<br />

können, vertagte es sich auf den nächsten Tag. Auf der Tagesordnung stand nun<br />

der heftige Streit zwischen Maria Louis, der Frau des Jean Pierre Cherdron und<br />

der Anne Marie Tibé, Frau des Valentin Luttringshausen. Die zwei Frauen<br />

hatten Streit wegen eines verendeten Hahnes bekommen und hatten sich<br />

gegenseitig beleidigt und hatten zweimal das Abendmahl verpasst. Nach<br />

ernsthaftem Tadel und guten Ermahnungen wurden die beiden Streithähne<br />

miteinander versöhnt und ermahnt keinen Streit wieder anzufangen, sonst hätte<br />

ihnen eine Strafzahlung in die Armenkasse gedroht.<br />

6.11. Alter Immobilien - Rechtsstreit 1689 - 1724<br />

Pfarrer Engelmann kämpfte an vielen Fronten. Dass er dies managen konnte,<br />

beweist seine hohe Intelligenz und das dazu notwendige Organisationsvermögen.<br />

Nun eine Geschichte, die im Band XII, S.298 ff von ihm beschrieben worden ist:<br />

268 Sie heiratete am 8.2.1725 den Lutheraner Jean Georg Leicker . Die Eheleute schlossen einen<br />

Ehevertrag, wonach ihre Mädchen reformierten und ihre Buben lutherischen Glaubens erzogen<br />

werden sollten. Siehe → 5.2.1725<br />

157


158<br />

158<br />

Der Doktor der Theologie N. Clignet 269 wurde 1579 der erste Pfarrer der<br />

Wallonischen Kirchengemeinde Otterbergs. Er baute in der kleinen<br />

Siedlung Weyler ein gemischt genutztes Wohn- & Bauernhaus, zu dem drei<br />

Tagwerk Land gehörten. Dieser Besitz war und blieb anscheinend im<br />

Eigentum der Kirchengemeinde. Der Pfarrer Charles Faucher floh 1689<br />

vor den französischen Invasionstruppen, weil er als Calvinist die<br />

Verfolgung und Abstrafung der Katholiken fürchtete. Aus der Kirchenkasse<br />

nahm er 40 Gulden und hinterließ darüber einen Schuldschein (Obligation)<br />

Ab 1694 betreute der Pfarrer der Deutsch Reformierten Kirche Johannes<br />

Weldner (Weldener) die französischen Gläubigen. Er taufte deren Kinder,<br />

feierte das Abendmahl mit der Gemeinde, sprach den Ehesegen und<br />

beerdigte deren Toten. Dies wollte er aber nicht umsonst tun. Im Hinblick<br />

auf den von ihm geschätzten Wert der Immobilie von Weyler in Höhe von<br />

100 Gulden, wollte er 60 Gulden haben. Aber keiner gab ihm einen<br />

rechtsgültigen Schuldschein. Da die Franzosen seine Geldforderungen<br />

ablehnten, übertrug er 1714 seine Ansprüche an die Verwaltung der<br />

Katholischen Kirche. Ob er aber von den Katholiken Geld dafür bekam, ist<br />

aus den Akten nicht ersichtlich.<br />

Da die wallonische Pfarrei auch um 1700 immer noch kein Geld hatte,<br />

verkaufte sie ihre Forderung gegenüber Charles Faucher an Herrn Thomas<br />

Menton. Er starb bald darauf und da seine Witwe ohne Einkünfte war,<br />

verarmte sie sehr schnell. Sie veräußerte die Forderung an diesem<br />

Kirchengut in Weyler an Nicolas Closset. Und von ihm geriet das Papier<br />

mit den damit verbundenen Genussrechten in die Hände der Katholiken<br />

Pfarrer Engelmann war ein Kämpfer, der auch in schwierigen Situationen<br />

nicht die Übersicht verlor. Er suchte nach Möglichkeiten, diesen kleinen<br />

Besitz wieder in kirchliches Eigentum zurückzuführen. Er schrieb 1720 den<br />

Sohn des Charles Faucher Herrn Carl Theodor Faucher 270 , Pfarrer der<br />

wallonischen Gemeinde in Casselle (= Kassel) an und bat um die Güte,<br />

dieses als Geschenk der Otterberger Gemeinde zu machen. Er wiederholte<br />

das Schreiben in 1721 und 1723. Erst am 1.5.1724 kam das<br />

Antwortschreiben des Herrn Faucher, das vom 14.4.1724 datiert war. Er<br />

schenkte darin das Gut der franz. reformierten Kirche, unter der Bedingung,<br />

dass die wallonische Kirchengemeinde, die Kosten und Gebühren der<br />

Rückübertragung bezahlen sollten. Sie sollte sich mit Nicol Closset einigen<br />

und ihm das verlangte Kapital von 40 fl plus Gebühren zahlen. Aber die<br />

Forderungen Clossets waren exorbitant. Er verlangte zusätzlich 66 Gulden<br />

und 22 ½ Kreuzer, die wohl aus der Dienstleistung Weldeners stammten.<br />

Aber der dadurch entfachte Prozess hatte einen längeren Atem, als man<br />

glaubte. Am 2.8.1724, das war der erste Mittwoch des Monats, bat mich das<br />

Konsistorium wieder nach Heidelberg zu fahren, denn der Rechtsstreit um<br />

269 ) Clignet N., stammte aus Amsterdam, wurde von dort von den Spaniern vertrieben. Er war von<br />

1567 bis 1578 Pfarrer der wallonischen Gemeinde bei Heidelberg und zog mit dem größten <strong>Teil</strong><br />

seiner Gemeinde nach Otterberg. Er war bis 1586 Pfarrer in Otterberg, wo er auch verstarb. Sein<br />

Sohn Balduin wurde am 4.5.1573 im Gymnasium Hornbach aufgenommen. (laut Biundo, # 787)<br />

270 ) Carl Theodor Faucher wurde um 1682 in Otterberg geboren und wuchs in Holzappel auf. Laut<br />

Biundo war er 1701 bis 1703 Pfarrer in Friedrichsthal, aber die meiste Zeit war er Pfarrer in der<br />

Pfarrkirche zu Kassel, wo er auch 1743 verstarb. Ich kann mir gut vorstellen, dass er es war, der<br />

die großzügige Geldspende des Landgrafen von Hessen Kassel einfädelte.


159<br />

den kleinen Besitz Weyler ging seinem Ende entgegen. Außerdem sollte ich<br />

bei dieser Gelegenheit den Restbetrag aus der Hessischen Großspende<br />

loseisen, die immer noch von dem Kirchensenat eingefroren war. Das Geld<br />

wurde auch dringend zur Bezahlung der anstehenden Gerichtskosten<br />

benötigt. Die Abreise war für Montag, den 7ten August vorgesehen. Aber<br />

am Vortag (Sonntag) erreichte mich das Schreiben des Hochverehrten<br />

Kirchlichen Kirchensenats mit der Aufforderung eine umfangreich<br />

statistische Aufstellung der Otterberger Gläubigen mitzubringen. Sie stellten<br />

eine ganze Reihe von Fragen. Unter anderem wollten sie wissen, welche<br />

Familien rein wallonisch und wie viele deutsch/wallonisch seien. Auch<br />

welch andere Nationalitäten vertreten seien. Gäbe es schweizerisch –<br />

wallonische Ehen? Ob die Söhne genauso gut Deutsch wie Französisch<br />

sprächen. Wie viele Personen lebten in jeder Familie?<br />

Da ich diese Fragen in der Eile der Zeit nicht so schnell und umfassend<br />

beantworten konnte, bat ich den Schulmeister und den Gemeindesekretär<br />

um Mitarbeit. Wir brauchten drei Tage, um alle Fragen zufrieden stellend zu<br />

beantworten. Danach lebten in der wallonischen Gemeinde am Stichtag<br />

7.8.1724 insgesamt 314 Personen, die aus 179 Kindern und 185 bereits<br />

konfirmierten Gläubigen bestanden 271 . Durch diese Recherche verschob<br />

sich der Abreisetag auf Mittwoch.<br />

Als ich (Pfarrer Engelmann) in Heidelberg ankam, zahlte mir der<br />

Ehrenwerte Kirchensenat sofort die restlichen 95 Gulden aus der Hessischen<br />

Spende aus, um damit das besagte Gut (Weyler) ohne jede Schwierigkeiten<br />

auslösen zu können. Das Gericht verfügte, dass Closset seine 40 Gulden<br />

und zusätzlich 26 Gulden an Gebühren erhalten sollte. Es wurde auch<br />

festgelegt, dass der Gesamtbetrag von 66 Gulden in Anwesenheit des<br />

Zeugen Bürgermeisters Hoffmann überreicht und quittiert werden sollte.<br />

Ich repräsentierte sehr gut unsere Kirche und sagte, Otterberg hätte die<br />

zahlreichste (=größte) wallonische Kirchengemeinde der Kurpfalz. Und es<br />

sei meine Aufgabe, ihren Bestand zu sichern. Der Ehrenwerte Kirchensenat<br />

gewährte mir ein <strong>Jahre</strong>sgehalt von 50 Ecus und einen ½ Fuder Wein. Ich<br />

trug auch die Sorgen über die Schule und die des Schulmeisters vor. Man<br />

versprach mir weitere Hilfen oder „Süßigkeiten“ (= Sonderzuwendungen)<br />

Auf Seite 302 Aktenanhang der Konsistorialakten sind zwei Schreiben in<br />

Kopie eingefügt. Das erste stammt vom (Donnerstag) 10.8.1724, ausgestellt<br />

in Heidelberg vom Pastor Creutz, dass Pfarrer Engelmann 75 Gulden an<br />

Geld und einen halb Fuder Wein erhalten soll.<br />

Das zweite Schreiben war daraufhin der Erlass (Dekret) der Churfürstlichen<br />

Administration in Mannheim vom Montag, den 14. August 1724 an den<br />

Pfleger Witt in Otterberg, dem Pfarrer Engelmann rückwirkend für das Jahr<br />

1724 und auch zukünftig 75 Gulden (= 50 Ecus) zu zahlen. Diese<br />

Verfügung wurde von den drei Herren: B. Linck, J. Wilhelmi und Jacobi<br />

unterschrieben.<br />

271 ) Laut Gerhard Kaller, Band 2, S. 163: waren es 91 Familien: 46 waren rein französisch = 92<br />

Personen. 26 wallonische Männer hatten deutsche Frauen und in 19 Familien war die Mutter<br />

französisch sprechend. Demnach waren 49 Personen entweder Witwer, ledig oder sonst wie<br />

alleinstehend.<br />

159


160<br />

160<br />

6.12. 1724 ein erfolgreiches Spendenjahr<br />

Tagung vom 24.8.1724<br />

1724: 24.8.1724 trat das Konsistorium wieder unter meinem Vorsitz zusammen.<br />

Auf der Tagesordnung standen folgende Punkte<br />

• Rechnungsprüfung über den 2. Bauabschnitt des Neubaus des Pfarr- und<br />

des Schulhauses seit dem 17.8.1722 und bis heute, die zur vollen<br />

Zufriedenheit und Befriedigung der gesamten Versammlung<br />

vorgenommen wurde.<br />

• Das Mähen der Wiesen durch Halfrique Othem während der letzten drei<br />

<strong>Jahre</strong> (also seit 1721). Dafür sollte er pro Jahr 1 fl 40 X erhalten. Das<br />

Gleiche stand dem Abraham Louis für 1724 zu. Er sollte 4 fl dafür<br />

erhalten. Außerdem fand ich in der alten Spendenabrechnung aus Köln,<br />

auf der Rückseite des Blattes 19, dass ihm ⅔ eines Gold Louis d´Or<br />

zustünden. Er hatte aber nur ½ Louis d´Or (Goldstück) erhalten.<br />

• Und da waren noch die Forderungen des Herrn Bourgeois. Er hatte im<br />

letzten Mai eine Dienstreise nach Heidelberg gemacht und noch kein<br />

Geld dafür bekommen. Außerdem hatte er Reparaturen und<br />

Veränderungen im Schulhaus getätigt. Zudem hatte er in den Wiesen<br />

Entwässerungsgräben gezogen. Man kam mit ihm überein, für all seine<br />

Mühen und Anstrengungen die Summe von 65 Gulden auszuzahlen,<br />

sobald man dies könne.<br />

• Die kurpfälzischen Sachleistungen an den Schulmeister Bourgeois<br />

standen immer noch offen. Am 1.7.1724 hatte er 8 ½ Malter Roggen<br />

bekommen sollen Der Pfleger Witt wurde verpflichtet, ihm am nächsten<br />

Tag den Roggen zu liefern und zudem am 1.10.1724 nochmals die gleiche<br />

Menge. (vgl. → 6.3.1717)<br />

• Es wurde beschlossen, aus der besagten Summe von 300 fl aus Holland,<br />

50 fl mit 100 florins anzufordern, die noch in Frankfurt lägen. Zu diesem<br />

Zweck wolle man auf Herrn Stückrad von Lautern einen<br />

Auszahlungsschein über 100 Ecus ziehen, der zusammen mit den<br />

angefallenen Zinsen für sieben Monate 103 Ecus ausmachen würde. Herr<br />

Paquay le Soigne sollte gegen seinen eigenen Schuldschein und einer<br />

Hypothek auf seinen Besitz berechtigt werden, das Geld in Frankfurt zu<br />

holen. (am 24.8. schreibt Engelmann bereits von dieser großzügigen<br />

Spende und erst am 8.9.1724 zeigt er den Brief aus Amsterdam)<br />

• Die Nutzung des kleinen Gutes Weyler wurde festgelegt. Demnach sollte<br />

Engelmann ⅔ nutzen und dem Schulmeister 1/3 des Ertrages zustehen<br />

Tagung vom 8.9.1724<br />

1724, am 8. September (8.9.1724) versammelte sich die Gemeinschaft und<br />

(Pfarrer Engelmann) ich präsentierte ihnen ein Schreiben des Ehrenwerten<br />

Wallonischen Konsistoriums aus Amsterdam. Man teilte uns mit, dass eine<br />

großherzige Person, die weder bekannt, noch genannt werden wollte, nur um den<br />

Segen Gottes zu erhalten, unserer Kirche den Betrag von 300 Holländischen


161<br />

Gulden gespendet hätte. Das macht in deutschem Geld 156 Ecus & 54 X oder<br />

234 fl & 54 X. (Der in Aussicht gestellte Betrag machte die Anwesenden<br />

offensichtlich sehr glücklich, so dass sie den Fuß von der Ausgabenbremse<br />

nahmen. Das Geld wurde sofort verteilt)<br />

Gleichzeitig trug uns der Schulmeister Herr Bourgeois seine Bitte vor, endlich<br />

auch bezahlt zu werden. Er hatte 15.6.1723 uns seine Rechnung vorgelegt, die<br />

noch offen stand. Seine Gläubiger würden ihn unter Druck setzen.<br />

Man beschloss außerdem aus der besagten Summe 4 fl, 47 X an mich zu bezahlen<br />

und für das Dreivierteljahr, beginnend mit dem 1.12.1723 bis zum 1.9.1724 den<br />

Betrag von 112 fl und 30 X (Kreuzer)<br />

Tagung vom 27.12.1724<br />

Die versammelte Kirchenleitung blickte mit Stolz auf die Leistungen vergangener<br />

<strong>Jahre</strong> zurück. Nur Dank Gottes, seiner Gnade war dies möglich gewesen. Sie<br />

erinnerten sich, dass die Gemeinde solange ohne Pfarrer gewesen sei und es hätte<br />

die Gefahr bestanden, dass sie vollständig ausgelöscht worden wäre. Vor allem in<br />

den <strong>Jahre</strong>n 1704 und 1714 war es besonders schlimm gewesen, nachdem der Herr<br />

Schulmeister Migeot gestorben war und die Kirchengemeinde vollständig kopflos<br />

war. Wir selbst, aber auch unsere Feinde hätten gerne gesehen, wenn unser kleines<br />

Licht erloschen wäre. Aber durch die Gnade Gottes erhielten wir einen Pfarrer,<br />

wie ihn die wallonische Pfarrgemeinde niemals vorher hatte. Durch seine Kraft<br />

seien die Mühle und das alte Schulhaus, der kleine Grundbesitz in Weyler<br />

zurückgegeben worden und umfangreiche erfolgreiche Spendenaktionen hätten<br />

wieder eine solide Basis geschaffen. Als ewigen Dank sollte ein Dankgottesdienst<br />

am 10. Januar 1725 abgehalten werden.<br />

• Man konnte nun beruhigt in die Zukunft blicken und viel Gutes tun. Die<br />

ärmsten der Halbwaisen brauchten in 1725 kein Schulgeld zu zahlen. Dies<br />

waren Simon Heuser, Noé Bouquio, Anne Marie Etienne und Jean<br />

Pierre Henry. (siehe → 6.1.1719)<br />

• Auch an die zwei ärmsten Witwen dachte man. So war Louis Étienne am<br />

18.4.1723 im Alter von 30 <strong>Jahre</strong>n und 6 Monaten gestorben. Seiner Witwe<br />

Elisabethe La Valle sprach das Konsistorium vier >Bichets grains des<br />

pauvres< (Armenunterstützung) zu. Seine Tochter Anne Marie war vom<br />

Schulgeld befreit worden (siehe oben). Die Witwe des Pierre Baulard<br />

bekam die Hälfte. (Der Todestag des Pierre Baulard ist im KB nicht<br />

festgehalten worden.)<br />

• Für die Kirchenreinigung suchte die franz. Kirchenverwaltung drei<br />

Witwen, die jeweils Samstags vor den Konfirmationen gemeinsam mit den<br />

Frauen der „Deutschen“ das Gotteshaus (= franz. temple) reinigen würden<br />

(Demnach waren in 1725 mindestens neun Frauen mit der<br />

Kirchenreinigung beauftragt)<br />

6.13. Gesangbuch, Säufer, geile Böcke und anderes<br />

Die Aufzeichnungen des Pfarrer Engelmanns in 1725 betreffen unterschiedlichste<br />

Bereiche, von denen ich die spektakulärsten herausgreife:<br />

161


162<br />

162<br />

• Der Herr Inspektor schrieb unter dem 20ten März, der Ehrenwerte<br />

Kirchensenat in Heydelberg habe ein neues Gesangbuch in Deutscher<br />

Sprache drucken lassen. Die Pfarrer, die es gerne hätten, sollten es sich<br />

kommen lassen. Der Buchpreis sei je nach Lederart etwas unterschiedlich.<br />

Das Buch in Haut des Wildschweins würde 68 X und in der Haut eines<br />

Kalbes 70 X kosten. (Ich wählte bewusst die direkte Französische<br />

Wortwahl, um die wertvolle Buchbindung zu veranschaulichen.) Diese<br />

Bücher durften aus der Armenkasse bezahlt werden.<br />

• Der Juni und Juli 1725 waren derart verregnet, dass auf Anweisung des<br />

Kurfürsten der oberste Kirchenrat landesweit die Anweisung gab, am 22.<br />

Juli einen Tag des Gebets- und der Fürbitte zu halten, um die Gnade und<br />

Schutz Gottes zu bitten, denn jedermann befürchtete einen totalen<br />

Ernteausfall. Und tatsächlich, danach wurde es ein wenig besser.<br />

• Am 19. September kam der Befehl von oben, wie Disziplinlosigkeiten<br />

behandelt werden sollten. Die Anweisung betraf ausdrücklich die Lügner,<br />

Säufer, die geilen Böcke und Speichellecker. Die sollten zuerst<br />

abgemahnt werden. Die Sünder sollten sich reumütig zeigen und dann ihr<br />

Fehlverhalten öffentlich vor der Kirche bedauern. Sollten sie sich weigern<br />

sich zu bessern, sollte dies von der Kanzel herab öffentlich gemacht<br />

werden. Dann wollte man dieses unwürdige Mitglied durch die Kirche<br />

bestrafen.<br />

• Am 26. September sollten die Pastoren dem Ehrenwerten Kirchensenat in<br />

Heidelberg eine Aufstellung über ihre Gläubigen schicken, aus der die<br />

Anzahl der Männer, Frauen und Kinder hervorgehen sollte. Diese<br />

Anweisung betraf alle drei christlichen Kirchen, egal ob lutherisch,<br />

reformiert oder katholisch.<br />

• Am 11ten Oktober kam die Anordnung für eine glückliche Niederkunft<br />

und gesundes Wochenbett der Frau Gräfin, Gattin des Kurfürsten zu<br />

bitten. Das Kind Prinz Charles kam am 24. November morgens um 5 Uhr<br />

auf die Welt.<br />

• Unter dem Datum vom 3. November erlaubte die Kurfürstliche<br />

Verwaltung eine Spendensammlung zum Wohle der Kirchenreparatur in<br />

Rockenhausen.<br />

• Das folgende Dekret ist datiert vom 22.11.1725. Die Steuerkommission<br />

hatte den Wert der Otterberger Stadtmühle auf 130 fl geschätzt. Sie<br />

schrieb, diese sei ein Gut der wallonischen Kirche. Pfarrer Engelmann<br />

wies auf die schlimmen Folgen des Religionskriegs hin. Die<br />

Kriegskommission hätte am 21. August 1725 die Mühle für frei erklärt.<br />

Die Schatzung beträfe also nicht die Mühle, sondern die Stadt Otterberg.<br />

Außerdem sei der Wert auf 50 fl taxiert worden, die anderen 80 Gulden<br />

des Wertes sollten aus anderen Quellen erstattet werden. (Was genau<br />

hinter diesen Worten steckt, ist interpretationsfähig)<br />

6.14. Einrichtung von Witwenkassen<br />

Im Monat November 1726 kam ein interessantes Dekret des Hochverehrten<br />

Kultur-Senats aus Heidelberg an. Fakt war, starb der Pfarrer, dann verarmte sehr<br />

schnell seine Witwe. Dieser soziale Absturz war himmelschreiend und erbarmte


163<br />

das Herz des Kirchen- Senats. Er verordnete & gründete die Einrichtung von<br />

Unterstützungskassen für die Witwen der reformierten Pfarrer (=<br />

Witwenkassen). (In diesen Fonds zahlten die lutherischen Pfarrer nichts ein).<br />

Demnach sollte jeder Pfarrer 1 % seines Einkommens für 1726 und 1727<br />

einzahlen, bis 100 Gulden erreicht seien. Der Senat tagte turnusgemäß diesmal auf<br />

dem Münchhof. Der zukünftige Sitz sollte auf dem neuen Schloss in Mannheim<br />

sein.<br />

Zu diesem Zweck schrieb der Oberste Kirchensenat mittels Rundbriefe die<br />

Pfarreien an. Er verlangte von den Pfarrern und Schulmeistern eine exakte<br />

Aufstellung all ihrer Einkünfte, die in Getreide, Wein und Geld bestanden. Die<br />

Statistik sollte dann über den Inspektor Cruciger an die Verwaltung in Heidelberg<br />

gehen. (pag 291 unten) Durch die erste Sammlung kamen übrigens 33 Gulden<br />

zusammen.<br />

Name des Pfarrers<br />

Betrag in<br />

fl<br />

1734 1736<br />

Inspektor Cruciger von Lautern 4,0 8,82<br />

Recteur de Lautern 1,30<br />

Conrecteur de Lautern 1,12<br />

Minister Fischer, zweiter Pfarrer 3,0 2,30<br />

Pierre Engelmann, wallonischer Pfarrer<br />

Otterbergs<br />

3,0 1,42 3,50<br />

Herr Pistor, deutscher Pfarrer Otterbergs 3,0 2,00 4,30<br />

Herr Myrtesius, Pfarrer von Alsenborn, †<br />

29.3.1734<br />

3,0 † 4,20<br />

Herr Wagner, Pfarrer von Rockenhausen 3,0 2,36 5,00<br />

Herr Soling, Pfarrer in Katzweiler 3,0 2,00 3,30<br />

Herr Seuterling, Pfarrer von Steinwenden 3,0 3,00 5,00<br />

Herr Müller, Pfarrer von Miesau 3,0 1.3ß 5,00<br />

Rothselberg keine 1,30 2,0<br />

Trippstadt keine 2,00<br />

Herr Jung, Rektor in Lautern, Pastor in<br />

Wallalben<br />

Herr Moelter, Konrektor in Lautern 1,30<br />

2,0 1,00<br />

Waldfischbach keine 2,00 2,20<br />

Herr Himmelsberger, Pastor in Wolfstein, der<br />

eine Spende ankündigte<br />

1,45 2,40<br />

Zweikirchen 1,36<br />

Herr Vigelius, Pfarrer in Alsenbrück 0,45 1,30 1,50<br />

Summe 33,20 33,24 55,20<br />

163


164<br />

164<br />

Die gesunkenen Einnahmen der Pfarrer im jahr 1734 spiegeln die gesunkenen<br />

Pfarrereinnahmen durch die Besetzung französischer Truppen wieder. Neben<br />

Otterberg waren Rockenhausen, Miesau und der Pfarrbezirk Katzweiler betroffen.<br />

In die Einnahmen von 1736 sind auch die „Sapiences“ in Höhe von 20 Gulden<br />

eingerechnet. Obwohl die Beiträge zur Routine wurden, kamen die meisten<br />

Pfarrer in Zahlungsverzug und die Kirchenverwaltung musste immer wieder per<br />

Rundbrief mahnen.<br />

6.15. Kindtaufen vor 1730<br />

1721: Am Montag, den 30ten Juni kam Maria Barbara Raquet, die Tochter des<br />

David Raquet und der Anne Marie Froumy (Froumi) auf die Welt. Am Sonntag,<br />

den 6ten Juli war die Taufe: Paten waren:<br />

• Herr Pierre Hubin, Bürger und Tuchfabrikant dieser Stadt,<br />

• Maria Barbe Bopp(in), Frau des Herrn David Heydweiler, Besitzer des<br />

Gasthauses >Zum Goldenen Löwen < (seine erste Ehe oo 10.10.1688)<br />

Hinweis des Pfarrers: dies war das 19. Kind des Ehepaares<br />

1721: am r kam Marie Susanne, Tochter des Herrn Pierre Lavalle auf die<br />

Welt. Pierre Lavalle war Chirurg Otterbergs. Er war mit Marie Toussaint<br />

verheiratet. Die Kindstaufe war dienstags. Als Paten standen<br />

• Herr Guillaume Pommier, Händler aus Isenburg bei Frankfurt,<br />

• Herr Jean George Merck, lediger Sohn des Kilian Merck, Vogt aus<br />

Imsbach<br />

• Susanne Gayet, Frau des Pierre Toccard, Schuhmacher und Bürger<br />

Otterbergs,<br />

• Marie Susanne, Tochter des Daniel Thomas Raquet, Gerichtsschreiber<br />

und Bürgermeister der Justiz.<br />

1722. am Samstag, den 25. April 1722 gegen 10 Uhr morgens wurde Auguste<br />

Louise Geisweid geboren. Die Eltern waren der 51 jährige Pfarrer Herr Ludwig<br />

Geisweid und seine Frau Jeanne Catharina Culman. Das Kind wurde von mir<br />

(Pfarrer Engelmann) in einer deutschen Predigt getauft. Patentante war die<br />

Großmutter des Kindes Maria Anna Rosine geb. Schoen (Schön), Witwe des<br />

verstorbenen Herrn Johann Culman (Kullmann), im Leben Mitglied des<br />

Gerichts dieser Stadt.<br />

Die franz. Pfarrgemeinde hielt intensive Kontakte zu den anderen geflüchteten<br />

Franzosen aus dem kriegerischen Sonnenreich Ludwig XIV. Sie stellten den sehr<br />

jungen (18jährigen) Le Talle aus Hanau als Lehrer ein, sammelten persönlich<br />

Geld bei ihren Glaubensbrüdern in ganz Westeuropa. Auch nach dem Auszug<br />

vieler Freunde und Verwandte nach Holzappel blieb man in Verbindung und lud<br />

sich gegenseitig zu Familienfesten ein: Bei der Kindtaufe des Isaac Menton am<br />

9.1.1724 war Isaac Besancon aus Mannheim anwesend.<br />

1723: Am Donnerstag, den 9ten April kam Pierre Paul Cherdron auf die Welt.<br />

Seine Eltern waren David Cherdron und Anne Margarethe Spitz. Die Kindtaufe<br />

war sonntags drauf. Die Paten waren<br />

• Peter Paul, Küfer und Bürger Otterbergs


165<br />

• Paul Jacob Cherdron, Sohn des Meisters Jaques Cherdron aus<br />

Holzappel<br />

• Maria Christine Andreas, Frau des Jean Philippe Wattier<br />

• Susanne Profit, Tochter des Antoine Profit, Diakon unserer Kirche<br />

1723: am Donnerstag, den 20ten Mai kam Marie Elisabeth Etienne morgens<br />

zwischen 8 und 9 Uhr auf die Welt. Sie war die Tochter des vor 5 Wochen<br />

verstorbenen Louis Etienne, der 30jährig am † 18.4.1723 verschieden war. Dies<br />

war ein harter Schlag für die hochschwangere Frau Elisabeth Lavalle gewesen.<br />

Die Halbwaise wurde am folgenden Sonntag getauft. Paten waren:<br />

• Gerichtsherr Daniel Thomas Raquet, des Gerichts<br />

• Herr Pierre Toccard, Schuhmacher und Bürger Otterbergs<br />

• Frau Marie Cunigunde Migeot, Frau des Pfarrers Pierre Engelmann,<br />

• Philipp Heinrich Schenck, und<br />

• Jeanne Elisabeth Rinck, Frau des Peter Busch, Einnehmer der Stadt.<br />

1724<br />

Am Donnerstag, den 3. Februar zwischen 21 & 22 Uhr Am Donnerstag, den<br />

3. Februar zwischen 21 & 22 Uhr starb Marie Susanne Maus, geborene<br />

Raquet, im Kindbett, wo sie seit Montag den 31. Januar um5 Uhr gelegen<br />

hatte. (Ihr Sohn Benjamin kam am Montag, 5 Uhr auf die Welt. Das<br />

Problem war, die Nachgeburt war in ihr geblieben. Der Chirurg (Lavalle,<br />

Lavalle) kam, der auf Anweisung des Herrn Doktors, am Donnerstag 13 und<br />

14 Uhr "sie ihr von Hand zog". Sie starb am gleichen Tag zwischen 9 und 10<br />

Uhr abends. Sie war weniger24 <strong>Jahre</strong>, weniger 15 Tage alt. Die<br />

Leichenpredigt hielt Pfarrer Engelmann über Gen 35, n 17.18. Der kleine<br />

Benjamin wurde am Sonntag, den 6ten Februar getauft. Seine Paten waren<br />

seine Großeltern David Raquet und Anne Marie Fromy (Froumy)<br />

1725: Maria Elisabetha Moers, Tochter der Eheleute Caspar Mörs von<br />

<strong>Erlenbach</strong> und seiner ehel. Hausfrau Maria Elisabetha NN (unleserlich) ist<br />

geboren am 8. Oktober nachmittags gegen 2 Uhr und getauft worden<br />

Sonntags, den 14ten Patter war Caspar Villiard (Veillard) von <strong>Erlenbach</strong><br />

ledigen Standes, Goden: Anna Elisabetha Jost, Carl Jost von Sambach<br />

eheliche Tochter und Maria Elisabetha Mangold, des Herrn Schultheißen<br />

Mangolds zu <strong>Erlenbach</strong> eheliche Tochter.<br />

Das Jahr 1726<br />

1726: am Sonntag, den 10.2.1726 kam Johann Berg, Sohn der Eheleute<br />

Johann Jost Herbach und seiner Ehefrau Anna Margretha Kleinin morgens<br />

zwischen 8 und 9 Uhr auf die Welt. Ist getauft worden freitags auf dem<br />

Gersweilerhof, war der 15te. Paten & Goten waren<br />

• Georg Glück, Wagner und Bürger, (Onkel)<br />

• Johann Jacob Korn, auch Bürger (Onkel)<br />

• Catharina Kleinin, Georg Glücks Hausfrau (Tante) und<br />

• Barbara Herbach, Johann Jacob Korns Hausfrau (Tante)<br />

165


166<br />

Das Paar hatte 1725 geheiratet!<br />

166<br />

1726: am 19.3.1726 wurde Anna Sara, Tochter der Eheleute Christoph<br />

Breyer und seiner Frau Anna Maria aus <strong>Erlenbach</strong> am Dienstag geboren.<br />

Die Taufe war am Sonntag, den 24ten. Die Paten waren<br />

• Caspar Villiard von <strong>Erlenbach</strong>,<br />

• Balthasar Jung, Schafhirte in <strong>Erlenbach</strong>, (später Schwiegervater des Peter<br />

Herbach)<br />

• Sara Profit, Frau des Antoine Profit und<br />

• Anna Catharina Jung, Hausfrau des Balthasar<br />

1726: am Mittwoch, den 3.4.1726 wurde Anna Barbara, Tochter des Heinrich<br />

Heydweiller und seiner Hausfrau Anna Catharina Wolff von <strong>Erlenbach</strong> geboren.<br />

Die Taufe war am 8ten. Paten und Goden waren<br />

• Conrad Wolff, der Mutter Bruder aus <strong>Erlenbach</strong>,<br />

• Anna Margretha Heydweiller, Tochter des David Heydweiller<br />

1726: am Sonntag, den 1.9.1726 wurde Johannes Wilking (Vilcain) geboren.<br />

Seine Eltern waren Johann Adam Wilking (Vilcain) und Maria Margretha<br />

Mörschin, beide von <strong>Erlenbach</strong>. Die Taufe war am Sonntag, den 8. September.<br />

Paten und Goden waren:<br />

• Johannes Weber, Bürger und Hufschmied,<br />

• Johannes Mangold, Schultheiß von <strong>Erlenbach</strong>,<br />

• Susanna, des Leonhard Dietrich Hausfrau<br />

• Johannetta, des obigen Schultheißen eheliche Hausfrau<br />

6.16. Mischehen & Soldaten- Hochzeiten<br />

1725:. Am 8. Februar 1725 heiratete der ledige Jean Georg Leicker die Marie<br />

Susanne Gaye, Tochter des Zacharias Gaye, Bürger dieser Stadt. Der<br />

Bräutigam war von Beruf Müller und Sohn des verstorbenen Frederic Leicker, der<br />

in Wehrheim Hufschmied war. Er stammte aus dem Gebiet von Trier und<br />

Dillenburg, nahe Usingen. Georg war Lutheraner und seine Braut war<br />

reformierten Glaubens. Otterberg hatte übrigens seit <strong>Jahre</strong>sanfang einen eigenen<br />

lutherischen Pfarrer. Es war Johann Michael Sauerwein 272 , der die Trauung<br />

vornahm<br />

Pfarrer Engelmann schreibt weiter, „man hat uns (zu dieser Ehe) einen<br />

Ehekontrakt geschickt, der in unserem Konsistorium aufbewahrt wird. Die zwei<br />

Ehepartner vereinbaren, dass die Buben lutherisch und die Mädchen im<br />

reformierten Glauben erzogen werden sollen. Und wenn der besagte Leicker vor<br />

ihr ohne Kinder stirbt, wird sie aus seinem Vermögen 100 Gulden erhalten. Stirbt<br />

sie aber vor ihm ohne Kinder, so soll er nach dem Tod des Zacharias Gaye und<br />

272 ) Laut Gerhard Kaller, Ortschronik Otterberg, Band 2, S. 176


167<br />

seiner Frau ein Drittel dessen Vermögens erben. Der Vertrag wurde am 24. Januar<br />

1725 geschlossen.<br />

Bei oder nach dem Hochzeitsessen dürfte es zu einem Eklat gekommen sein.<br />

Pfarrer Engelmann hielt in seinem Hochzeitsbuch unter NB fest, dass der Pfarrer<br />

Sauerwein ohne Abstimmung mit den Anderen, die Armen an die Hochzeitstafel<br />

eingeladen hätte. Anstatt wie in vergleichbaren Fällen die Heller und die Reste<br />

gleichmäßig unter den Brüdern der beiden Kirchengemeinden aufzuteilen.<br />

1728: Am Dienstag, den 10ten Februar (10.2.1728) erhielten Herr Jean Pierre<br />

Le Talle, Lektor und Schuldiener dieser (französischen) Kolonie und Fräulein<br />

Sara Profit, die Tochter des Antoine Profit (Bürger dieser Stadt) ihren<br />

Hochzeitssegen. Das Paar hatte sich am 7.12.1727 verlobt. Der Lehrer Le Talle<br />

stammte aus Hanau und war Sohn des Abraham le Talle. (Er trat als 18jähriger<br />

1726 sein Amt an, als Nachfolger des Schulmeisters Bourgeois. Er starb bereits †<br />

am 2.10.1745 im Alter von 37 <strong>Jahre</strong>n. Er war somit 19 <strong>Jahre</strong> lang Lehrer der franz<br />

ref. Gemeinde).<br />

Die Pfarrer der drei evangelischen Kirchen verstanden sich anfänglich<br />

offensichtlich gut 273 und vertraten sich gegenseitig bei Krankheit und<br />

Abwesenheit. Im Frühjahr 1728 lag Pastor Johannes Pistor an Fieber krank<br />

danieder. Herr Engelmann vertrat ihn und hielt die Gottesdienste der deutsch<br />

reformierten Kirche auf Deutsch<br />

1728: am Dienstag, den 30ten März erhielten Jean Nicolas Lambert, Sohn des<br />

verstorbenen Johannes Lambert von Birren im Bezirk Metz und Maria<br />

Margaretha Schuler, Tochter des verstorbenen Casimir Schuler, im Leben Bürger<br />

dieser Stadt den Ehe- Segen auf Deutsch durch den wallonischen Pfarrer, da der<br />

deutsche Pfarrer Fieber hatte. (oo 30.3.1728)<br />

1728: Am Donnerstag den 1. April erhielten Georg Römer, * in Bolanden,<br />

von Beruf Zimmermann, lediger Sohn des Nicolas Römer und Jeanne Elisabetha<br />

Cherdron, Tochter des Abraham Cherdron, den Ehe-Segen in deutscher Sprache,<br />

da der Pastor der deutschen Gemeinde noch krank war.<br />

Soldaten des Kurfürsten von der Pfalz waren Berufssoldaten. Der Kurfürst<br />

versorgte sie, wenn sie gesund oder krank waren. Aber eine besondere Fürsorge<br />

wollte er nur für sie und nicht für deren Familien übernehmen. Deshalb verbot er<br />

ihnen auch; während der langen Dienstzeit zu heiraten. Aber in den meisten<br />

Fällen hatten sie bereits mit ihren Lebensgefährtinnen Kinder. Aber heiraten<br />

durften sie erst, wenn sie aus dem Militärdienst ausgeschieden waren. Pfarrer<br />

Engelmann traute 1728 und 1729 zwei ehemalige Soldaten. Bitte lesen Sie selbst<br />

1728: am 31. Oktober, abends wurden durch die Hand des wallonischen Pfarrers<br />

im Pfarrhaus Valentin Spohn, Sohn des Nicolaus Spohn und Maria Magdalena<br />

Fix(in) katholisch römischen Glaubens getraut. Sie stammte aus Monheim im<br />

Gebiet von Neuburg, Pfalz Superieur (Pfalz Zweibrücken). Diese zwei Personen<br />

hatten ein Kind zusammen. Jedoch bevor er sie heiraten konnten, war der besagte<br />

273 ) 1730 und 1731 scheint das Verhältnis zwischen Engelmann und Pfarrer Pistor getrübt<br />

gewesen zu sein. Da fand ich auf Seite 292 folgenden Vermerk Engelmanns: „am 4.4.1731<br />

forderte Herr Inspektor Cruciger die beiden Pastoren und die Konsistorien auf, in Einheit und<br />

Brüderlichkeit zu handeln und jeder der beiden Pfarrer sollte der eine dem anderen in der<br />

Verwaltung im Namen des Heiligen Geistes helfen, so wie das früher auch üblich war.<br />

167


168<br />

168<br />

Spohn Soldat gewesen und er konnte sie nicht heiraten, solange er diente.<br />

Nachdem er seinen Abschied erhalten hatte, bat er drum verheiratet zu werden,<br />

jedoch ohne Proklamation. Der Herr Inspektor (Cruciger) befahl mir am 28ten<br />

Februar, das Paar zu verheiraten, aber mit dem Versprechen in die Hand, dass sie<br />

ihre Kinder im reformierten Glauben erziehen würden. Und da der zuständige, der<br />

deutsch reformierte Pfarrer abwesend war, traute ich die beiden mit Zustimmung<br />

des Herrn Inspektors in meinem Pfarrhaus, nachdem ich ihnen den<br />

Hochzeitsschein ausgehändigt hatte. Dies entsprach den vorgegebenen neuen<br />

Vorschriften seiner Hoheit des S.A.E. Kurfürsten. Anwesend waren seine<br />

Schwäger, der Schlosser Herr Daniel Thomas Raquet und Peter Römer.<br />

1728: Elias Louis, der Sohn des Kirchenältesten Jean Lous und das katholische<br />

Fräulein Catharina Cronenberg, eine Witwe wollten heiraten. Diese zwei<br />

Personen hatten sich das Eheversprechen gegeben, mit der Zusage, ihre Kinder im<br />

Sinne der reformierten Kirche zu erziehen und Mitglieder der wallonischen Kirche<br />

zu werden. Das Paar hatte ein gemeinsames Kind, das am 14.5.1724 geboren<br />

worden war. Sie wünschten schon damals zu heiraten, aber da er Soldat im Dienst<br />

des S.A.E. Kurfürsten der Pfalz war, konnte er die Hochzeitsgenehmigung nicht<br />

erhalten. Er musste erst seine Dienstzeit ableisten. Am 28.11.1728 wurde er<br />

entlassen. Sie suchten den katholischen Pfarrer auf, aber der Priester wollte weder<br />

die Proklamation vornehmen noch die Sakramente der Ehe spenden, weil ihm die<br />

Ehefrau nicht versprach, ihre bisherigen noch die zukünftigen Kinder im<br />

katholischen Glauben erziehen zu lassen. So baten sie mich, sie zu trauen<br />

So nahm ich am Sonntag, den 6ten März, 1729 am Abend, bei Kerzenlicht im<br />

Pfarrzimmer die Trauung vor. Anwesend waren die Kirchenältesten die Herren<br />

David Raquet, Abraham Digeon, Jean Pierre Cherdron und Jean Louis der<br />

Vater des Bräutigams.<br />

6.17. Hofnachrichten<br />

Vor 300 <strong>Jahre</strong>n gab es zwar weder Radio noch Fernsehen. Verordnungen und<br />

Erlasse wurden per Schelle verkündet. Die Nachricht von überregionaler<br />

Bedeutung kam per Rundbrief, die der Pfarrer von der Kanzel herab verlas.<br />

Darunter waren auch Krankenberichte und Todesnachrichten::<br />

• Am 11. August 1717 sollten alle in die Kirche kommen. Wir wollten<br />

beten, damit Gott unsere Kaiserlichen Truppen im Kampf gegen die<br />

Türken segnen möge<br />

• Am 5ten Januar 1718 sollte man für die Frau S.A.S. kurfürstliche<br />

Prinzessin Elisabeth Auguste beten, wegen ihrer Hochzeit mit dem<br />

S.A.S. Prinzen von Sulzbach ihrem Verlobten.<br />

• Am 11ten Oktober 1725 kam die Anordnung, für eine glückliche<br />

Niederkunft und gesundes Wochenbett der Frau Gräfin, Gattin des<br />

Kurfürsten zu bitten. Das Kind Prinz Charles kam am 24. November<br />

morgens um 5 Uhr (gesund) auf die Welt.<br />

• Die Regierung schrieb uns am 21.12 1727, eine große Krankheit habe<br />

unvorhergesehen unseren geliebten Landesherrn befallen. Wir wurden<br />

gebeten, außerordentliche Gebete in den Kirchen und Schulen


169<br />

abzuhalten, um eine baldige Wiederherstellung und dauerhafte Gesundheit<br />

unseres Souveräns zu erhalten.<br />

• 1728: Die Hohe Landesregierung gab am 15. August 1728 ein<br />

Kommunique über den schlechten Gesundheitszustand des Kurfürsten<br />

heraus, das am 18ten durch den Herrn Inspektor an uns übermittelt wurde.<br />

Die Hohe Regierung ordnete Bitten und Fürbitten an, um die Gnade Gottes<br />

für unseren Herrn S.A.E. Kurfürsten Karl Philipp zu erlangen, der<br />

schwer krank daniederlag. Ich (Engelmann) veröffentlichte diese Bitt- und<br />

Gnadenaktion am Donnerstag, den 19ten. Bereits am nächsten Morgen<br />

um 8 Uhr waren die wallonischen Gemeindemitglieder in unserer Kirche<br />

versammelt. Wir flehten Gott inständig, er möge unserem Landesherrn<br />

seine Gesundheit wieder voll schenken und sie ihm noch einige <strong>Jahre</strong><br />

bewahren. Die Deutschen kamen aus gleichem Grund um 10 Uhr in der<br />

wallonischen Kirche zusammen.<br />

Am 23. Aug. veranlasste der Ehrenwerte Kirchensenat nochmals einen<br />

außerordentlichen Jugend- und Gnadengottesdienst, der landesweit am 8.<br />

September über die Psalm-Texte 86 x 9 bis zum Ende und über Esa 48 x<br />

17,18,19 und Hebräer 6 x 7, 8 abzuhalten war. Dasselbe wurde am 23.<br />

dito wiederholt. Dann kam am 1. Oktober die erlösende Nachricht, dass<br />

unser Landesvater voll und ganz wieder hergestellt sei. Deshalb hielten wir<br />

am 3.10. in allen reformierten Kirchen des Oberamtes Kaiserslautern einen<br />

Dankgottesdienst ab.<br />

• 1728:. Es war Sonntag, der 14. Februar, da hielten wir laut Anweisung<br />

des Ehrenwerten Kirchensenats den Trauergottesdienst. Anlass war das<br />

Ableben von S.A.S. Madame la Princesse und Pfalzgräfin Elisabeth<br />

Auguste, Tochter des regierenden Kurfürsten Karl Philipp und<br />

Ehefrau des Herrn Pfalzgrafen von Sultzbach. Sie war am Freitag, den<br />

30ten Januar zwischen 1 und 2 Uhr nachmittags gestorben, nachdem man<br />

aus ihr einen toten Prinzen gezogen hatte. Zudem ließen wir<br />

auftragsgemäß alle Glocken 6 Wochen lang läuten. Und zwar täglich drei<br />

Stunden lang: Morgens zwischen 6 und 7 Uhr, am Mittag ab 11 bis 12<br />

Uhrund am Abend von 6 bis 7 Uhr<br />

Die oben stehende Order erreichte uns am Freitag, den 6 Februar mitten in<br />

der Nacht. Die zwei reformierten Pfarrer liefen, um Herrn Palmann zu<br />

finden, der in Abwesenheit des Herrn Bürgermeister Valentin Keller die<br />

Amtsgeschäfte führte Der wies über den Stadtbürgermeister den Chef der<br />

Wachmannschaft an, zwei seiner 10 Leute sollten am nächsten Tage mit<br />

dem regelmäßigen Trauergeläut beginnen. (pag 289)<br />

• 1729: Der Herr S.A.S. Pfalzgraf war krank. Der Oberste Kirchensenat<br />

ordnete einen Bittgottesdienst an und gab auch die Bibelstellen vor. Aber<br />

alles Beten am 8. Juli war umsonst.<br />

• 1729 Der Herr S.A.S. Pfalzgraf und Prinz von Sultzbach war gestorben.<br />

Aus diesem Anlass ordnete die oberste Kirchenbehörde am 19. Juli 1729<br />

ein Totengeläut an: Man sollte 6 Wochen lang täglich dreimal alle<br />

Glocken und zwar von morgens um 6 bis 7 Uhr, mittags von 12 bis 13<br />

Uhr und am Abend von 6 bis 7 Uhr läuten Aus diesem Grunde sorgten<br />

sich die Otterberger Bürgermeister und auch der <strong>Erlenbach</strong>er Schultheiß<br />

169


170<br />

170<br />

und Schulmeister darum, ob für diesen täglichen Kraftakt auch genügend<br />

Leute bereitstanden. (pag 292 oben)<br />

6.18. Ausläufer des Polnischen Erbfolgekrieges von<br />

1733 /35<br />

Schon wieder waren die bedrohlichen Gewitterwolken des nächsten Krieges am<br />

Himmel. Am 17.10.1733 verschickte der in Heidelberg ansässige Ehrenwerte<br />

Kirchensenat einen gedruckten Rundbrief, „der den Krieg betraf. Er bat darin den<br />

Pfarrer, zwei außerordentliche und eindringliche Friedens-Gebete pro Woche zu<br />

halten. Anhaltspunkt war der Hinweis auf geeignete Psalme. Pfarrer Engelmann<br />

hielt deshalb jeden Mittwoch und Samstag um 8 Uhr morgens Bittgottesdienste<br />

ab“ Die Deutsch Reformierten waren jeweils zwei Stunden später zusammen.<br />

23.12.1733 Die Otterberger Kirchengemeinde trat wie jedes Jahr im Dezember<br />

zusammen, um wie üblich für das kommende Jahr 1734 einen neuen<br />

Kirchenvorstand zu wählen. Aber wegen dieser unsicheren Kriegszeiten plädierte<br />

Pfarrer Engelmann dafür, das Konsistorium so zu belassen, wie es war.<br />

Einstimmig wurde dies beschlossen und als Nachrücker für den am 24.1.1733 an<br />

offener Schwindsucht (Tbc) verstorbenen Herrn David Raquet wählte die<br />

Versammlung Herrn Jean Pierre Cherdron“<br />

Und dann kamen sie. Hier in der Westpfalz gab es aber keinen militärischen<br />

Widerstand. .<strong>Erlenbach</strong>, Otterberg und die anderen Orte des Kirchspiels bekamen<br />

eine große französische Besatzung. Davon blieb keine Hütte oder Haus verschont.<br />

Selbst in den neuen Pfarr- und Schulhäusern logierten französische Soldaten.<br />

Deshalb konnte Pfarrer Engelmann über ein halbes Jahr im Pfarrhaus keine<br />

Versammlung abhalten. Um die Stimmung nicht anzuheizen, verordnete die<br />

weiter funktionierende kurpfälzische Verwaltung am 26.5.1734 als erstes<br />

Bürgerruhe, Kein Pfarrer sollte von der Kanzel öffentlich über die<br />

Kriegsgründe 274 nachdenken (raisonnieren) Die Hohe Regierung untersagte den<br />

Predigern zudem über andere Religionen herzuziehen, sie zu verleumden und<br />

unter keinen Umständen zu beleidigen. Außerdem dürfte kein Pfarrer<br />

kurpfälzische Soldaten ohne Genehmigung ihres Regimentes verheiraten. Sehr<br />

274 ) Kriegsgrund war der Kampf um die Thronfolge in Polen August II., der Starke, Kurfürst von<br />

Sachsen und König von Polen, war am 1. Februar 1733 verstorben. Um den polnischen<br />

Königsthron bewarben sich Stanislaus Leczynsky und August III., der Sohn Augusts des<br />

Starken. Der französische König Ludwig XV. unterstützte Stanislaus, für August entschieden<br />

sich der deutsche Kaiser Karl VI. und die Zarin Anna Iwanowna von Russland. Hierüber kam<br />

es zum polnischen Erbfolgekrieg, der von 1733 bis 1738 dauerte und erneut hohe Lasten von<br />

vielen pfälzischen Gemeinden forderte.<br />

Als im Herbst 1733 sächsische Truppen in Polen einmarschierten, erklärte der französische<br />

König Deutschland den Krieg. Der französische General Belle Isle ordnete von Metz aus die<br />

Belagerung der Festung Trarbach an. Trier wurde besetzt. Das Reich gab dem bereits<br />

70jährigen Prinzen Eugen den Oberbefehl über die Reichsarmee.<br />

Die Franzosen hatten am 29. Oktober 1733 über Kehl die deutsche Grenze überschritten,<br />

wegen des bevorstehenden Winters aber bei Straßburg Winterquartiere bezogen. Alles, was die<br />

Besatzungsarmee benötigte, musste die Bevölkerung des besetzten Gebietes beibringen.


171<br />

viel deutlicher ist die Anweisung vom 20.9.1735, die die Bezeichnung<br />

„Reiteraktionen“ trägt. „ Man muss sein Möglichstes tun, um geheime Geburten<br />

(Wochenbette) von Prostituierten zu verhindern, denn hinterher würden die<br />

Kinder oft umgebracht oder massakriert“. Dieser Befehl ist eine Wiederholung der<br />

Verordnung vom 18. Februar 1726“, in der die Huren als verdächtige und<br />

unkeusche Personen benannt werden.<br />

„Da die franz. Soldaten in Otterberg (und Umgebung) so zahlreich und in allen<br />

Häusern untergebracht waren und selbst das Pfarr- und Schulhaus dermaßen mit<br />

Franzosen belegt war, dass der Otterberger Kirchenvorstand keinen Platz fand, um<br />

sich zu treffen, beschloss man, das Konsistorium 275 so zu belassen wie es war,<br />

ohne Neuwahlen durchzuführen. Anstelle des verstorbenen Diakons Paul Jacob<br />

Digeon wurde der Pfarrer verpflichtet, selbst die Verwaltung des Geldes bis zum<br />

6. März 1735 zu übernehmen Anstelle des Verstorbenen benannte man den<br />

Herrn Jean Pierre Hubin. Sonst beließ man es beim Alten. Noch nicht einmal<br />

ein Nachrücker für den toten Jacob Menton wurde berufen“<br />

Die französische Armee hatte es sich bequem gemacht. Anstatt ein Winterquartier<br />

irgendwo auf freiem Feld aufzuschlagen, mussten alle Bewohner des Kirchspiels<br />

Soldaten aufnehmen. Die Einwohner hatten die Kosten der Unterbringung der<br />

französischen Soldaten zu tragen. Die Bürger wurden dadurch dreifach gestraft.<br />

Durch die teueren Kostgänger stiegen die Lebensmittelpreise. Zudem hatten<br />

einige französische Soldaten, eventuell die Offiziere ihre Mätressen, Geliebten im<br />

Schlepptau Aber am schlimmsten war die vernichtende Typhusseuche, die<br />

gleichermaßen unter Freund und Feind wütete. Da die Seuche jeden gefährdete,<br />

befahl der französische Stadtkommandant Otterbergs Montmoremy, dass die<br />

Toten noch am Sterbetag unter die Erde müssten.<br />

Durch die französischen Kontributionen sind <strong>Erlenbach</strong> und Otterbach wie die<br />

Schafe nur geschoren 276 , aber nicht geschlachtet worden. Andere pfälzische<br />

Dörfer waren schlimmer dran.<br />

6.19. Der Kirchenrat 1736 – 1738<br />

• Die Franzosen waren abgerückt und das normale Leben schien wieder<br />

seinen Lauf zu nehmen. Auch die Kirchengemeinden wählten wieder wie<br />

üblich am <strong>Jahre</strong>sende ihren Vorstand für das nächste Kalenderjahr, der aus<br />

vier Presbytern (Ältesten) und vier Diakonen bestand. Am Sonntag, den<br />

11. Dezember 1735 war es wieder so weit. Nach dem Gottesdienst wählten<br />

die Gläubigen für das Jahr 1736 Herrn Antoine Profit anstelle des<br />

ausscheidenden Noé Tibé, (der zum Diakon gewählt wurde) und für den<br />

verstorbenen Jacob Menton kam Herr Valentin Luttringhausen. Auch<br />

bei den Diakonen bestand ein fester Rang, so dass jede Position einzeln<br />

gewählt wurde: 1.) Jean Pierre Hubin, 2.) Noé George Tibé (→ Henry<br />

Baudevin), 3.) Francois Daniel Renard (→ Isaac Froumy) 4.) Jean Digeon<br />

(→ David Renard)<br />

275 ) Das Konsistorium für 1735 bestand aus drei Ältesten: Noé Tibé, Jean Daniel Raquet, Jean<br />

Pierre Cherdron und den 4 Diakonen Henry Baudevin, Isaac Froumy, David Renard und Jean<br />

Pierre Hubin<br />

276 ) Albisheim musste Betten in die Festung Frankenthal liefern<br />

171


172<br />

172<br />

• 14.12.1736: Die Gemeinde war wieder versammelt, um das Konsistorium<br />

für das Jahr 1737 neu zu wählen. Herr Engelmann konnte die Mitglieder<br />

überzeugen, in der momentanen, schwierigen Situation den<br />

Kirchenvorstand nicht zu wechseln. Auf die Kirchengemeinde kämen<br />

etliche Unwägbarkeiten zu, die nur mit erfahrenen Männern an seiner Seite<br />

zu bewältigen wären. Nachdem der Pfarrer die Gründe dargelegt hatte,<br />

beschloss die Gesellschaft mit der Mehrheit ihrer Stimmen, den<br />

Kirchenvorstand für das Jahr 1737 so zu belassen, wie er war.<br />

• Am 23. Dezember 1737 gab es wieder Neuwahlen und die Versammlung<br />

wählte mit der Mehrheit ihrer Stimmen an Stelle des Jean Daniel Raquet,<br />

den Anwalt oder Vogt dieser Stadt Herrn Philippe Daniel Froumy.<br />

David Lacman nahm die Stelle des Daniel Raquet ein und auch bei den<br />

Diakonen gab es zwei Änderungen: Neu im Gremium waren auch Jean<br />

Philipp Wattier (→ Jean Pierre Hubin), Jean Vent 277 ( → Georg Noé<br />

Tibé)<br />

6.20. Glück & Trauer (eine Übersicht der <strong>Erlenbach</strong>er Familienereignisse<br />

bis 1750)<br />

Quellen sind die Deutsch- & Französisch Reformierten & die Lutherischen<br />

Kirchenbücher Otterbergs. Inwieweit das katholische KB herangezogen werden<br />

kann, hängt von den Latein-Kenntnissen des Autors ab.<br />

277 ) Jean Vent starb am 13.1.1742 auf tragische Weise, weil ihm niemand helfen konnte. „Er<br />

hatte ein großes Geschwulst am Kopf und heißes Fieber. Der Chirurg hatte sich<br />

geweigert, ihn zu schneiden. Während seine Frau den Chirurgen heim begleitete, nahm<br />

Jean um 2 Uhr nachmittags sein Rasiermesser, um sich selbst zu rasieren, wie er es<br />

üblicherweise immer tat. Aber unglücklicherweise schnitt er sich in die Gurgel, woran er<br />

eine 1/4 Stunde später starb. Man informierte die verantwortlichen Mediziner und den<br />

Gerichtsbeamten, die den Fall untersuchten und die gaben die Leiche frei. Jean wurde<br />

ehrenvoll am 16. Januar gegen Abend begraben. Er war alt ungefähr 30 <strong>Jahre</strong>.“ Aus dem<br />

franz. Sterberegister


173<br />

Vorwort: In allen Bereichen waren <strong>Erlenbach</strong> und der Gersweilerhof nie Inseln.<br />

Die Kriege fegten über die beiden Orte hinweg und die Seuchen machten vor den<br />

Hütten nicht halt. Genauso waren die familiären Bande. Alle Familien waren mit<br />

allen anderen über viele Ecken miteinander versippt. Deshalb wäre es töricht, die<br />

genealogische Forschung auf <strong>Erlenbach</strong> zu beschränken<br />

1683: am 15. März ehelichte Hans Jacob Mörsch (Mersch) von <strong>Erlenbach</strong><br />

Apollonia Berck von Grünstadt. (Heinrich Herzog verweist hier beim H.J.<br />

Mörsch auf das Bürgerbuch KL # 4893 und Trippstadt oo # 173)<br />

1688: lebte auf dem Gersweilerhof Hans Wilhelm Jacob, der am 27.4.1688 Anna<br />

Catharina Beyer (Breyer) heiratete.<br />

1700: 2. Juli, David Schöneck, Sohn des Wilhelm Schöneck von Morlautern<br />

heiratete die Tochter des Herrn Schultheißen Caspar Becker von <strong>Erlenbach</strong>.<br />

1712: 10. Juli, Johann David Schneider, Sohn des Johann Matthes Schneider von<br />

<strong>Erlenbach</strong> heiratete Susanna Margretha Rupp, Tochter des Johann Peter Rupp<br />

aus <strong>Erlenbach</strong><br />

1713, 31. Januar, Johannes Villiard (Veillard) von <strong>Erlenbach</strong> heiratete Maria, die<br />

Tochter des Nicolaus Utzig von Otterberg.<br />

1717: 19.6.1717 starb Sabina Christina Villiard, Ehefrau des Caspar Villiard von<br />

<strong>Erlenbach</strong> im Alter von 44 <strong>Jahre</strong>n.<br />

1717: 29.6.1717 starb Jacob Villiard (Veillard) von <strong>Erlenbach</strong> im Alter von 50<br />

<strong>Jahre</strong>n.<br />

1724: am Dienstag, den 12.12.1724 wurde Johann Leonhard Herbach, der Sohn<br />

des Jacob Herbach vom Gersweilerhof und seiner ehelichen Hausfrau geboren<br />

und Sonntags, den 17ten getauft worden. Taufzeugen waren Leonhard Schmidt<br />

von Neunkirchen und seine eheliche Hausfrau, Großvater und Großmutter<br />

mütterlicherseits.<br />

Was war in 1725?<br />

• Dienstag, den 27.2.1725 wurde David Mörsch, Caspar Mörsch von<br />

<strong>Erlenbach</strong> und seiner ehel. Hausfrau Söhnlein geboren und getauft<br />

worden sonntags, den 4. März. Taufzeugen waren David Cherdron und<br />

seine ehel. Hausfrau Anna Catharina von <strong>Erlenbach</strong><br />

• am Donnerstag, den 1.3.1725 wurde Johann Paul Knieriemen, der Sohn<br />

des Joh. Theobald Knieriemen des Jüngeren und seiner ehelichen Hausfrau<br />

Söhnlein geboren und am Mittwoch, den 7ten dito getauft. Taufzeugen<br />

waren Paul Knieriemen, Johann Jacob Cherdron und Maria Schneider,<br />

alle drei waren wohnhaft in <strong>Erlenbach</strong>. Dieser Junge starb 19jährig<br />

1744.<br />

• „Charlotta Elisabetha Catharina Heydweillerin, des Herrn Frantz Henrich<br />

Heidweiller, Hüttenherr auf der Drehenthaler Glashütte und Frau<br />

Catharina Micheroux, beider Eheleute Töchterlein ist samstags vor<br />

Ostern, den 31.3.1726 morgens geboren worden und getauft am<br />

Donnerstag den 5ten April, an eben dem Tag als Herr Pfarrer Geisweid<br />

gestorben ist. Taufzeugen waren Herr Valentin Keller, Rathsverwandter<br />

dahier und Herr Johann Michael Wolff, Bürger und Handelsmann in<br />

Baumholder, beide Onkels und Frau Anna Charlotta, geborene Keller,<br />

Herrn Johann Henrichs Heydweillers Eheliebste auch Hüttenherr auf<br />

173


174<br />

174<br />

besagter Glashütte, und Jungfrau Elisabetha Micheroux, Herrn Francain<br />

Micheroux eheliche Tochter, beide Tanten (tantes)“<br />

• „am Mittwoch den 18.4.1725 wurde Johann David Wilkain (Vilcain,<br />

Wilking) Johann Adam Vulcain und Maria Margretha (Margritha)<br />

Mörsch, beider Eheleute Söhnlein sonntags, den 22ten dito geboren und<br />

getauft worden. Patter waren Johann Jacob Weichteich, Bürger und<br />

Steinhauer von Lautern, David Böhmer, Herrn Georg Böhmers<br />

nachgelassener Rathsverwandter dahier Sohn Goden waren Maria<br />

Catharina, des Patters Weichteich eheliche Hausfrau und Jeanne<br />

Elisabetha Vulquins, Jean Vulquins eheliche Tochter“ (Der Vater Adam<br />

starb † 13.10.1734 in <strong>Erlenbach</strong> im Alter von 33 <strong>Jahre</strong>n) Der Bruder<br />

Johann Wilhelm kam am Donnerstag, den 20.12.1731 auf die Welt.<br />

• Mai, Johann Jost Herbach, Sohn des Peter Herbach, Hofmann auf dem<br />

Gersweiler Hof und Jungfer Maria Margretha Klein, Tochter des Jacob<br />

Klein, Einwohner, Schneidermeister und Krämer von Ulmet werden<br />

copuliert.<br />

• am Sonntag, den 5.8.1725 wurde gegen Mittag Maria Susanna Korn,<br />

Tochter des Jacob Korn und der Maria Barbara geborene Herbachin<br />

geboren und am 9ten getauft. Patter ist Henrich Dichon (Digeon) ledigen<br />

Standes Goten Maria Susanna, Hausfrau des Philipp Hermann,<br />

Weißgerber und Anna Maria Herbachin, ledigen Standes vom<br />

Gersweilerhof.<br />

• 8.12.1725 wurde Maria Susanna Winter, Tochter der Eheleute Jacob<br />

Winter und seiner Ehefrau Catharina Raquet abends gegen 4 Uhr in<br />

Sambach geboren und den 10ten getauft. Patter waren Bartholomäus<br />

Helwig, Rathsverwandter hier, Noé Tibé, Wallone und ledigen Standes,<br />

Goden waren Susanna Helwig, eheliche Hausfrau des Leonhard Dietrich,<br />

Bürger und Tuchmacher, Maria Susanna Renner, ledigen Standes, Tochter<br />

des verstorbenen Jacob Renner.<br />

1726: 18. Juni: Wilhelm Schopp, Gemeinsmann und Witwer aus Otterbach<br />

heiratete Anna Sabina Rupp, Tochter des Johann Peter Rupp aus <strong>Erlenbach</strong>. Sie<br />

starb am 24.1.1763 im Alter von 56 <strong>Jahre</strong>n.<br />

1726: 12. November: Johann Peter Knieriemen wurde mit Jungfer Anna<br />

Christina, Tochter des Mathias Brügel von Weselberg, sickingische Herrschaft im<br />

Schulhaus zu <strong>Erlenbach</strong> copuliert.<br />

1727: 22. April, Heinrich Cherdron, Sohn des verstorbenen Abraham Cherdron<br />

von <strong>Erlenbach</strong> heiratete Anna Maria, die Tochter des Peter Herbach, Hofmann<br />

auf dem Gersweilerhof. Die Copulation (Eheschließung) geschah im <strong>Erlenbach</strong>er<br />

Schulhaus<br />

Das Jahr 1728<br />

• 13. Januar: Johann Jacob Cherdron von <strong>Erlenbach</strong> heiratete Maria<br />

Magdalena Fischer von Messersbach<br />

• am 15. Februar starb Valentin Caub, ehemaliger Schulmeister in<br />

<strong>Erlenbach</strong>. Er hatte auch in und außerhalb der Pfalz an der Schule gedient.<br />

Er wurde alt 74 <strong>Jahre</strong>, 3 Monate, 3 Wochen, er wurde am 17ten begraben


175<br />

• am 21ten März starb Maria Magdalena Caub, geborene Schüler, 2.<br />

Ehefrau des Schulmeisters Valentin Caub. In 1. Ehe war sie mit David<br />

Schreiber verheiratet. Sie wurde ungefähr 78 Jahr alt.<br />

• am 29. Mai starb Anna Maria Herbach, Ehefrau des Peter Herbach,<br />

Hofmann auf dem Gersweilerhof, begraben am 31ten. Der Witwer<br />

heiratete am 22.2.1729 die Schäferstochter Christina Jung. Ihr Vater<br />

Balthasar war Schäfer zu <strong>Erlenbach</strong> und wohnte dort im Schäferhaus.<br />

• am 12. Dezember starb Paul Knieriemen von <strong>Erlenbach</strong> im Alter von 54<br />

<strong>Jahre</strong>n. (Seine Witwe hieß Anna Elisabetha)<br />

Im Jahr 1729<br />

• 1. Februar. Johann Paul Knieriemen, der Sohn des Theobald Knieriemen<br />

heiratete Maria Elisabetha, die Tochter des <strong>Erlenbach</strong>er Schultheißen<br />

Johannes Mangold. Laut dem vermissten Lagebuch war er auch noch<br />

1741 tätig. (Ihr Bruder Johannes heiratete am 23.6.1744)<br />

• Am 14.2. starb Peter Rupp, Gemeinsmann in <strong>Erlenbach</strong> im Alter von 72<br />

<strong>Jahre</strong>n und 8 Monaten.<br />

• am 17.2. starb Maria Elisabetha Wirth, geborene Haufbauen<br />

(Hausbauer), Witwe des David Wirth, sie ist die Schwiegermutter des<br />

Peter Herbach, Hofmann auf dem Gersweilerhof. Sie wurde am 1. März<br />

in <strong>Erlenbach</strong> begraben.<br />

• am 22. Februar: Peter Herbach, Witwer und Hofmann auf dem<br />

Gersweilerhof heiratete Christina Jung, die Tochter des Johann Balthasar<br />

Jung, der damals Schäfer in <strong>Erlenbach</strong> war. (Sie starb am 2.7.1776 als<br />

betagte Frau im Haus des <strong>Erlenbach</strong>er Schäfers; lt Sterbeeintrag lebte sie<br />

am Bettelstab!)<br />

• am 6ten April starb Johann Theobald Knieriemen, Gemeinsmann in<br />

<strong>Erlenbach</strong> im Alter von 52 <strong>Jahre</strong>n. → seine Witwe Margretha starb am †<br />

6.2.1760 im Alter von über 80 <strong>Jahre</strong>n.<br />

1730: am 31.10. heiratete David Schöneck von Morlautern, Sohn des David die<br />

Maria Catharina Maurer, Tochter des Johann Adam Maurer aus Ransweiler.<br />

Sie starb als Witwe im Alter von 86 <strong>Jahre</strong>n am 21.9.1781<br />

Im Jahr 1731:<br />

• 10.4.1731 Johann Caspar Cherdron, * 19.1.1711, Sohn des Abraham<br />

Cherdron von <strong>Erlenbach</strong>, heiratet Maria Susanna Haaß, Tochter des<br />

Johann Georg Haas, Schneider und Bürger in Otterberg. Er starb am<br />

16.4.1733. Ihre 2. Ehe war bereits am 4.8.1733<br />

• 17.4.1731 Theobald Villiard, Sohn des verstorbenen Jacob Villiard<br />

(Veillard) aus <strong>Erlenbach</strong> († 29.6.1717 im Alter von 50 J), heiratete Anna<br />

Catharina Kirch, Tochter des Georg Kirch, Hofmann auf der Drehenthaler<br />

Glashütte<br />

175


176<br />

176<br />

• Am Freitag, den 15.6.1731 gebar die Rosina Catharina Cullmann in<br />

<strong>Erlenbach</strong> 278 , ihren Sohn Johannes Laurentius. Als Vater des Kindes gibt<br />

sie Johannes Leibich von Dienheim bei Oppenheim an, der auch<br />

reformierter Religion war. Johannes ist Dragoner bei Capitain Frey vom<br />

Herzogl. Gräflichen Wittgensteiner Regiment und war bei der Kindstaufe<br />

am 19. Juni anwesend. Taufzeugen waren Leonhard Herbach, der eheliche<br />

Sohn des Peter Herbachs vom Gersweilerhof und Maria Salome<br />

Knieriemen, Tochter des verstorbenen Pauls Knieriemen von <strong>Erlenbach</strong>.<br />

Wie auch Lorentz Bayer, Dragoner in dem vorgenannten Regiment war.<br />

• 4.9.1731 Johann Leonhard Haffner, Sohn des Theobald Haffner von<br />

Erfenbach heiratete Maria Catharina, die Tochter des am 6.4.1729<br />

verstorbenen Theobald Knieriemen aus <strong>Erlenbach</strong>.<br />

• 21.10.1731: am Sonntag kam Johann Peter Fischer auf die Welt. Die<br />

Eltern Lorenz und Anna Sybilla Riemenschneider freuten sich und ließen<br />

den Sohn am Donnerstag, den 25.ten in <strong>Erlenbach</strong> taufen. Johann Peter<br />

war übrigens Hirte auf dem Gersweilerhof. Als Paten standen die Eheleute<br />

Johann Peter Herbach und Anna Christina Jung vom Gersweilerhof und<br />

der Onkel Joh. Christoffel Fischer von Rohrbach.<br />

• 20.12.1731, es war Donnerstag kurz vor Weihnachten und Maria<br />

Margretha Mörsch schenkte ihrem Sohn Johann Wilhelm Wilking<br />

(Vilcain, Vulcain) das Leben. Der Kindsvater war Johann Adam<br />

Wilking 279 . Taufzeugen waren der Rotgerber Johann Wilhelm Anspach<br />

und Maria, Frau des Strumpfwebers Valentin Luttringhausen aus<br />

Otterberg. <strong>Erlenbach</strong>er Paten waren Johann Wilhelm Schopp und Anna<br />

Elis Knieriemen, Witwe des Pauls, der am † 12.12.1728 im Alter von 54<br />

<strong>Jahre</strong>n gestorben war.<br />

1732: am 20.8.1732 starb Barbara Biber, geborene Hartmann im Alter von<br />

ungefähr 49 <strong>Jahre</strong>n. Sie stammte aus Diettelsheim aus der Grafschaft<br />

Marienborn. Sie war die Ehefrau des verstorbenen <strong>Erlenbach</strong>er Hirten<br />

Henrich Biber gewesen.<br />

Im Jahr 1733<br />

• am 16ten April starb Johann Caspar Cherdron (* 19.1.1711) Einwohner<br />

und Hufschmied zu <strong>Erlenbach</strong> im Alter von 21 <strong>Jahre</strong>n und 3 Monaten. Er<br />

hatte am 10.4.1731 die Maria Susanna Haaß geheiratet. Er war also bei<br />

der Hochzeit 19 <strong>Jahre</strong> alt gewesen. (→ 4.8.1733)<br />

• am 7ten Mai starb Valentin Jäger, geboren in Neuhofen in Hessen, Amt<br />

Schwarzenfels, der sich mit Frau Anna Catharina, Tochter des Valentin<br />

Müller auf der alten Glashütte samt den Kindern etliche <strong>Jahre</strong> aufgehalten<br />

hatte, starb als Beisasse in <strong>Erlenbach</strong>, im Alter von 45 <strong>Jahre</strong>.<br />

• am 4.8.1733 heiratete Johann Jacob Höhn, Hufschmied, Sohn des<br />

Antonius, Erbbeständer zu Neuhemsbach die Maria Susanna Haaß,<br />

Witwe des Caspar Cherdrons, Hufschmied in <strong>Erlenbach</strong>. Der am<br />

16.4.1733 im Alter von 21 <strong>Jahre</strong>n gestorben war. (Ihr Vater war Johann<br />

Georg Haaß, ein Schneider aus Otterberg).<br />

278 ) die Tochter des Philipp Reinhard Cullmann, Bürger zu Lautern<br />

279 ) Johann Adam Wilking † 24.12.1734


177<br />

• 29. September: Johann Leonhard Herbach, Sohn des Peter Herbach vom<br />

Gersweilerhof heiratete Maria Johannetta Schneider, Tochter des Peter<br />

Schneider von <strong>Erlenbach</strong>.<br />

• am 5ten Oktober starb Anna Catharina Riemenschneider, Frau des<br />

reformierten Schulmeisters Jost Riemenschneider im Alter von 77<br />

<strong>Jahre</strong>n. Sie ist eine geborene Lemmer und stammt aus Metz. (Ihre<br />

Tochter Catharina war mit David Cherdron, dem Kirchenvorsteher zu<br />

<strong>Erlenbach</strong> verheiratet. 280 .<br />

• 18ten 8bris wurde Maria Margretha Meyer von <strong>Erlenbach</strong> begraben, alt<br />

34 Jahr.<br />

• den 3ten Nov ist Maria Catharina Kraftin zu <strong>Erlenbach</strong> begraben<br />

worden, alt 34 Jahr.<br />

1734: Polnischer Krieg & wieder französische Besatzung,<br />

• 8. Mai: Johann Leonhard Kaffitz (Caffitz), Sohn des Hubert von<br />

Neukirchen heiratete Anna Margaretha Schneider, Tochter des Johann<br />

David Schneider von <strong>Erlenbach</strong>, die am 14. Mai 1787 im Alter von 73<br />

<strong>Jahre</strong>n verstarb. Anna Margretha muss also um 1714 geboren sein<br />

• am 2ten September starb Maria Catharina Schneider, eine geborene<br />

Mörsch, Witwe des Matheis (Matthias) Schneider, gewesener Einwohner<br />

von <strong>Erlenbach</strong> im Alter von ungefähr 86 <strong>Jahre</strong>n<br />

• am 13.10.1734 starb Johann Paul Wilking im Alter von 34 <strong>Jahre</strong>n.<br />

• am 21ten Dezember starb Barbara, die so genannte Schweizerin, eine arme<br />

Frau, die sich 20 <strong>Jahre</strong> lang in <strong>Erlenbach</strong> aufgehalten hatte, im Alter von<br />

50 <strong>Jahre</strong>n.<br />

1737: am 5.3. wurde Johann Jacob Herbach mit Maria Eva Hegel, Tochter des<br />

Johann Georg Hegel, Glasmacher auf Drehenthal kopuliert.<br />

1738: am 4.2. wurde Sebastian Altmaaß, Sohn des Sebastian A. von Sambach mit<br />

der Anna Margretha Knieriemen († 12.4.1784 im Alter von 60 <strong>Jahre</strong>n), Tochter<br />

des Theobald Knieriemen von <strong>Erlenbach</strong> kopuliert.<br />

1738, 2. Juli: Lorenz Scheid, Witwer und Kuhhirte auf dem Gersweilerhof<br />

heiratete Elisabetha, die Witwe des Nicol Borg, gewesener Tagelöhner auf dem<br />

Kreuzhof.<br />

1738: 18.11.: Johann Philipp Heyl, Jun vom Weinbrunner Hof wurde mit Maria<br />

Magdalena Schneider, des Peter Schneiders eheliche Tochter copuliert.<br />

(<strong>Erlenbach</strong>, luth. KB)<br />

Im Jahr 1740:<br />

• 13. Oktober, Johann Jacob Münch, Sohn des verstorbenen Christian<br />

Münch von Neukirchen heiratete Catharina Schneider, die Tochter des<br />

David Schneider, Einwohner in <strong>Erlenbach</strong>.<br />

• 9.8. die Jungfrau Maria Margretha Mangold, Tochter des einflussreichen<br />

<strong>Erlenbach</strong>er Schultheißen Johannes Mangold heiratete den Müller Johann<br />

280 ) Steinebrei Hans, 300 <strong>Jahre</strong> Auswanderung aus Otterberg, Kaiserslautern 1999, S. 40<br />

177


178<br />

178<br />

Jacob Heckmann, Sohn des Müllermeisters Valentin Heckmann aus<br />

Großkarlbach. (siehe oo → 1.2.1729 & → 23.6.1744)<br />

• 13.10. wurde Johann Jacob Münch, Sohn des verstorbenen Christian<br />

Münch von Neukirchen mit Catharina, Tochter des David Schneider,<br />

Einwohner von <strong>Erlenbach</strong> kopuliert<br />

• 23. Oktober starb Jost Riemenschneider, reformierter Schulmeister in<br />

<strong>Erlenbach</strong> im Alter von 80 <strong>Jahre</strong>n und 8 Monaten. Seine Frau war bereits<br />

am 5. Oktober 1733 im Alter von 77 <strong>Jahre</strong>n verstorben. Sie stammte aus<br />

Metz und war eine geborene Lemmer, sie war also eine Hugenottin, die<br />

durch die Religionspolitik Ludwig XIV vertrieben worden war. Ihr<br />

Urenkel wurde 1823 wiederum Lehrer in <strong>Erlenbach</strong><br />

1741: am 17.1. Johann Valentin Haaß (luth), weyland Simon Haaßens<br />

gewesener Bürger zu Rockenhausen ehelicher Sohn wurde mit Maria<br />

Magdalena, weyland Paul Knieriemen († 12.2.1728) eheliche Tochter<br />

reformiert copuliert.<br />

1742, 2. Juli, Valentin Knieriemen, Sohn des verstorbenen Paul Knieriemen (†<br />

12.12.1728) heiratete Barbara Knobel, Tochter des verstorbenen Jacob,<br />

gewesenen Beisassen von der Weinbrunner Glashütte.<br />

1742, 13. November: Johann Jacob Schlabach, Witwer und Hirte in <strong>Erlenbach</strong><br />

heiratete Anna Catharina, Witwe des Valentin Jäger von der alten Glashütte.<br />

(Seine erste Frau Catharina Elisabetha war am 15.4.1742 gestorben)<br />

1744: 23.6.: Ist Johannes Mangold, des Johannes Mangold, Herrn Schultheißen<br />

zu <strong>Erlenbach</strong> ehelicher Sohn und Elisabetha Catharina des Jacob Carra,<br />

Erbbeständer auf Münchschwanderhof nach dreifacher Proclamation nach<br />

gehaltener Hochzeits-Predigt copuliert worden. (→ seine Schwester oo 1.2.1729)<br />

vgl. lutherisches Kirchenbuch pag 216, oo Maria Margretha in 1740.<br />

1744, 17.11.1744 Peter Herbach der Hofmann auf dem Gersweilerhof: seine<br />

Söhne sind vor 7 <strong>Jahre</strong>n in das neue Land (Amerika) gezogen. Er wurde auch am<br />

15.1.1744 erwähnt.<br />

1745: 25. Mai: Gebert, Johannes, Witwer von <strong>Erlenbach</strong> heiratete Maria Clara,<br />

Tochter des Abraham Jung von Konken, Oberamt Lichtenberg, Herzogtum<br />

Zweibrücken.<br />

1745: 7.8.1745 wurde Maria Catharina Mangold, Tochter des Johann Mangold,<br />

Gm in <strong>Erlenbach</strong> geboren und † 16.1.1782<br />

1746: 1. Februar: Es heiratete Georg Peter Becker, ein Schmied, der mit Anna<br />

Eleonora Tochter des Meisters Morphilius (Morfilius), Bürger und Schmied in<br />

Otterberg in Hurerei gelebt. NB Die zwei Personen haben sich vor der<br />

Eheschließung fleischlich vermischt. Vor der Copulation war sie 8 Tage im<br />

Kindbett gewesen. Am Tage der Taufe von Anna Magdalena wurden die beiden<br />

nach getaner Kirchenbuße copuliert.<br />

1746: 23.6.1746 luth. KB: ist Johannes Mangold, des Johannes Mangold Herrn<br />

Schultheißen zu <strong>Erlenbach</strong> ehelicher Sohn und Elisabetha Catharina des Jacob<br />

Carra, Erbbeständer auf dem Münchschwanderhof nach dreimaliger<br />

Proklamation bei gehaltener Hochzeitspredigt copuliert worden.<br />

1749: am 9.10.1749 starb in <strong>Erlenbach</strong> der Korporal (Soldat) der kurfürstlichen<br />

Armee Johann Peter Mörsch im Alter von 26 <strong>Jahre</strong>n, 8 Monaten und etlichen


179<br />

Tagen. Er war der Sohn des Caspars und der N. Mörsch. Seine Mutter war an<br />

seinem Todestag 64 <strong>Jahre</strong> alt. → Sie starb 5 <strong>Jahre</strong> nach ihm am 16.12.1754 im<br />

Alter von 69 <strong>Jahre</strong>n. Die Familie gehörte der Deutsch Reformierten Kirche an.<br />

1751: am 10.6.1751 starb der Soldat Franz Henrich Mehlbeck im Alter von 33<br />

<strong>Jahre</strong>n und 4 Monaten.<br />

6.21. Leiden & Sterben 1724 – 1751<br />

Jean Pierre Engelmann war seit Ende 1715 Pfarrer der französisch reformierten<br />

Gemeinde Otterbergs. Aber erst ab 1725 notierte er penibel die zahlreichen<br />

Sterbefälle. Aber seine ersten Aufzeichnungen bis 1724 sind teilweise<br />

unvollständig und sagten zuerst nichts über die individuellen Todesursachen aus.<br />

Durch Häufungen und Vergleich mit anderen Kirchenbüchern können wir heute<br />

bis 1723 ziemlich sicher Seuchen in <strong>Erlenbach</strong> und Umgebung nachweisen. Die<br />

Alten starben wohl an Altersschwäche, aber was war mit den Kindern und den<br />

unter 50 Jährigen. Woran starben die? In keiner Zeit berichten die vier Pfarrer<br />

etwas von Krankheiten und deren Verläufe.<br />

Doch dann nach 1724 änderte sich das schlagartig. Pfarrer Engelmann hatte die<br />

nervenaufreibenden Prozesse hinter sich und nun hatte er Zeit für die<br />

Familienaufzeichnungen. Das Sterberegister (le mortuaire) des Peter<br />

Engelmann offenbart nun die Leiden der Menschen und dokumentiert das Sterben<br />

fast 27 <strong>Jahre</strong> lang. Nicht nur dass er die Todkranken zu Hause aufsuchte und mit<br />

ihnen betete und sah und horte, worunter sie litten.<br />

Die Verstorbenen wurden im Haus oder neben dem Haus aufgebahrt und am<br />

Beerdigungstag von der Familie hinausgetragen. Der Pfarrer ging voraus und die<br />

Trauergemeinde schritt hinter dem Sarg her. Da die meisten arm waren, war ihr<br />

Leichnam in einem Sack eingenäht und lag auf einer Bahre. Die Beerdigungen<br />

erfolgten immer zur vollen Stunde und die Kirchenglocken läuteten die<br />

Zeremonie ein. Jedermann erkannte am Glockenton, ob ein Mann, eine Frau oder<br />

ein Kind zu Grabe getragen wurde. Auf dem Weg zum Grab sang die<br />

Trauergemeinde entsprechende Lieder und die Klageweiber weinten unaufhörlich.<br />

Bei den Selbstmördern oder den Ungetauften war dies anders. Den Pfarrern, egal<br />

ob reformiert oder lutherisch, war es untersagt, diese Verblichenen mit Gesang,<br />

Glocken, Geräuschen und Zeremonien (wie ein stilles Gebet) zu beerdigen. Sie<br />

wurden also sang- und klanglos in einer abseits gelegenen Friedhofsecke<br />

beerdigt. So verlangte es die Hohe Regierung in ihrem Erlass vom 31. Mai 1743.<br />

Mit den Ungetauften dürften Juden und Mennoniten gemeint gewesen sein<br />

Heutige Krankheiten verlaufen vielfach harmlos, damals waren sie teilweise<br />

tödlich. Patienten mit schweren, unheilbaren Erkrankungen erfahren heute<br />

Linderung, eine Schmerztherapie. Wenn wir den Tod als unseren Freund ansähen,<br />

würden wir schmerzfrei, beseelt der Ewigen Ruhe entgegen gleiten. Doch vor<br />

300, 250 <strong>Jahre</strong>n war das ganz anders gewesen.<br />

Die vom Pfarrer Jean Pierre Engelmann gemachten Beschreibungen in seinem<br />

Sterberegister, führen uns das Sterben im frühen 18. Jahrhundert als einen<br />

grausamen Prozess des Leidens, der Schmerzen, der Hoffnungslosigkeit vor<br />

179


180<br />

180<br />

Augen. Die Angehörigen sahen verzweifelt zu, wie der geliebte Mensch zum <strong>Teil</strong><br />

aufglühte und dann dahin siechte. Kein Arzt, keine Medizin konnten Linderung<br />

bringen. Wir können das Elend, die Tränen das Unglück der Sterbenden und ihrer<br />

Angehörigen nur erahnen. Nachstehend: einige Zitate aus dem französischen.<br />

Sterberegister, mit dem Versuch einer Systematisierung der Todesursachen:<br />

Erklärung zum Friedhofsfoto: Dieser Friedhof wurde 1830 geöffnet und löste den<br />

alten Friedhof ab, auf dem das „Neue Schulhaus“ vor 120 <strong>Jahre</strong>n errichtet wurde.


181<br />

Ernährungsmängel<br />

Für mich war es schockierend zu lesen, dass in und um <strong>Erlenbach</strong> sich einige<br />

Menschen nicht gesund und ausreichend ernähren konnten. Bisher war ich der<br />

Meinung, nur auf langen Seefahrten konnte Skorbut ausbrechen. War dies<br />

Vitaminmangel? Sehr überraschend, dass gerade im Juli jemand an Skorbut stirbt,<br />

wo eigentlich viele Früchte zur Verfügung stehen. Was waren die Ursachen?<br />

Missernten, Armut? Hatte sich die Familie Louis der äußerst vitaminreichen<br />

Kartoffel verweigert?<br />

1728: am Dienstag, den 20ten Juli starb zwischen 2 und 3 Uhr morgens<br />

Daniel Louis am heißen Fieber, begleitet von Skorbut-Flecken und einem<br />

Schlag am 9. Tag seiner Krankheit. Er wurde 33 <strong>Jahre</strong> minus 15 Tage alt.<br />

Auf Wunsch seiner Frau beerdigte ich ihn mit einem Lied des Psalms 23 am<br />

Mittwoch den 21ten dito. (Wahrscheinlich führten mehrere Ursachen zu<br />

seinem frühen Tod!)<br />

1728: Am Montag, den 29ten November gegen 5 Uhr am Abend starb an<br />

heißer Krankheit, begleitet von Skorbut Jean Lotharius Sigismone<br />

Massance. Er war 27 <strong>Jahre</strong>, 8 Monate und 6 Tage alt (somit geboren am<br />

23.3.1701)<br />

10.5.1731 Marie Salomé Raquet, Tochter des Herrn Daniel<br />

Donnerstag Thomas Raquet, Schreiber der Justiz, starb am<br />

Donnerstag, den 10. Mai gegen 4 Uhr nachmittags<br />

an einem Skorbut Anfall oder Mattigkeit, alt 7 <strong>Jahre</strong><br />

weniger 3 Wochen<br />

1.5.1733<br />

Freitag, am ersten Tag des Mai starb Abraham Daniel Le<br />

Talle<br />

an den Masern. Sohn des Abraham Le Talle, alt<br />

1 Jahr und 6 Wochen.<br />

(wurde mit seiner Tante zusammen begraben)<br />

2.5.1733 Samstag, den 2. Mai gegen 4 Uhr morgens starb an<br />

einer Art Skorbut und Mattigkeit Marie Susanne<br />

Le Talle, Frau des David d´Armes, sie war<br />

34 <strong>Jahre</strong> und 3 Wochen und 3 Tage alt.<br />

Die beiden wurden zusammen beerdigt.<br />

17.6.1733 Am Mittwoch, den 17. Juni zwischen 7 und 8 Uhr<br />

morgens starb nach einem Skorbut- Anfall, der vor<br />

zwei <strong>Jahre</strong>n mit schrecklichen Bauchschmerzen<br />

begonnen hatte. 6 Wochen vor seinem Tod bildete<br />

sich an seinem Bauchnabel ein Geschwulst, das<br />

aufplatzte und eine Art Eiter floss heraus. Genauso<br />

181


182<br />

182<br />

wie aus seinem Gesäß. (Es starb) Jean David Winter,<br />

Sohn des verstorbenen Jacob Winter, alt 18 J, 6 M<br />

(seine Mutter Cath. Raquet starb 66 jährig → † 25.4.1751<br />

27.6.1744 Noé Tibé, starb am 27. Juni gegen 7 Uhr morgens an<br />

einer Sorte ärmlichen Fiebers und an Skorbut,<br />

war alt 65 Jahr minus 2 Monate<br />

(siehe Francois Tibé † 23.11.1740<br />

Kindbett & Frauenleiden<br />

• 1724: Am Donnerstag, den 3. Februar zwischen 21 und 22 Uhr starb<br />

Marie Susanne Maus, geborene Raquet im Kindbett, wo sie seit<br />

Montag, den 31. Januar um 5 Uhr gelegen hatte. Das Problem war, die<br />

Nachgeburt war in ihr geblieben. Der Chirurg Lavalle kam, der auf<br />

Anweisung des Herrn Doktors am Donnerstag zwischen 1 und 2 Uhr<br />

nachmittags sie (die Nachgeburt) ihr von Hand zog. Sie starb am gleichen<br />

Tag zwischen 21 und 22 Uhr<br />

• 1726: 10. Oktober: In der Nacht vom Donnerstag auf Freitag, vom 10. auf<br />

den 11. Oktober, zwei Stunden nach Mitternacht, starb Anne Cherdron,<br />

Witwe des Paul Cordier dem Ersten und Frau des Michael<br />

Rheinberger, in 2. Ehe, an einer äußerst schmerzhaften Gebärmutter,<br />

gefolgt von einem Geschwulst, daher rührte eine Verhärtung des ganzen<br />

Körpers. Am Sonntag, den 6ten hatte sie hinter dem Paravent (Schirm)<br />

eine Schröpfung gemacht und sie hatte die Regel wieder bekommen. Am<br />

folgenden Tag ergriff sie ein Schüttelfrost und wahnsinnige Schmerzen an<br />

der Gebärmutter, woran sie am vierten Tag ihrer Krankheit starb. Sie<br />

wurde 51 <strong>Jahre</strong> und 1 Monat alt.<br />

• 1728: Am Mittwoch, den 31. März, gegen 6 Uhr abends starb Marie<br />

Elisabetha Weckmann, Frau des Jacob Fortineux 281 im Kindbett,<br />

nachdem sie 8 Tage lang an der Geburt ihres Kindes gearbeitet hatte. Sie<br />

hat einen Sohn am gleichen Tag (31.3.) geboren, der sofort getauft und<br />

Pierre genannt wurde, war aber zwei Stunden nach der Geburt gestorben<br />

und ward im Sarg in ihre Arme gelegt worden. Sie wurde am 2. April<br />

durch den wallonischen Pfarrer beerdigt, da der deutsche Pfarrer der<br />

Kirchengemeinde krank war. Sie war 33 <strong>Jahre</strong> weniger 5 Wochen alt.<br />

(Der Eintrag im deutsch reformierten Kirchenbuch dagegen ist dürftig).<br />

281 ) Maria Elisabetha Weckmann kam im Januar 1693 auf der Eselsmühle auf die Welt. Sie heiratete<br />

1711 in Alsenborn Jean Jacob Fortineux, * 17.10.1690 in Holzappel. Sie lebte nicht lange. Ihr<br />

Mann heiratete insgesamt vier Mal und wanderte 1742 in die USA aus


183<br />

• 1729: Am Freitag, den 13. Mai, starb im Kindbett Anne Susanne<br />

Cordier, nachdem sie eine Viertelstunde vorher einen Sohn zur Welt<br />

gebracht hatte. Sie war die Frau des Jean David Louis und starb ungefähr<br />

eine Stunde nach Mittag, sie war 28 <strong>Jahre</strong>, 3 Monate und 15 Tage alt.<br />

• 1733: Am Samstag, den 7. November gegen 10 Uhr morgens starb im<br />

Wochenbett Marie Salomé Cordier, die Frau des Nicolaus Kümel. Das<br />

Kind blieb bei ihr, vielmehr im Arm haltend, nachdem Herr Dr. Vermker<br />

sie geschnitten (Kaiserschnitt) hatte. Sie war 29 <strong>Jahre</strong> weniger 3 Monate<br />

alt.<br />

Lungenerkrankungen:<br />

24.1.1733 Am Samstag, den 24. Januar, nach 2 Uhr des Morgens<br />

starb Herr David Raquet, an offener Schwindsucht und<br />

Wassersucht, er hatte am 20. und 23ten jeweils gegen<br />

Mitternacht zwei Schlaganfälle, er wurde 67 J und 2 M<br />

(sein Sohn Jean Pierre starb 31jährig an Epilepsie →<br />

22.1.1742 Susanne Elisabeth Rochelle, Witwe des verstorbenen<br />

Herrn Daniel Thomas Raquet, starb am Montag den<br />

22. Januar um 11 Uhr vor Mittag an Lungen-Mattigkeit<br />

alt 54 <strong>Jahre</strong><br />

10.8.1742 Philipp Henry Wattier, Sohn des George Wattier<br />

starb an der Beklemmung der Brust, die ihn oft<br />

befallen hatte, am Freitag den 10.Aug, alt 3 J, 1 M 17 T * 23.6.1739<br />

(Der Vater Jean George Wattier starb → † 5.11.1745<br />

27.3.1743 Jean Christoph Weld, geboren in Sembach, starb am<br />

Mittwoch den 27. März um 11 Uhr vor Mittag an<br />

einer Lungen-, Rippenfellentzündung gefolgt von einem<br />

Schlaganfall, alt 43 <strong>Jahre</strong><br />

4.6.1730 Sonntag, den 4. Juni starb an einer Schwindsucht<br />

verursacht durch einen Ausfluss, an dem er sechs<br />

lange <strong>Jahre</strong>, jeden Tag gelitten hatte, étant tombé<br />

sur (fur) les parties Nobles Jean Philippe Cherdron<br />

Sohn des Herrn Pierre Cherdron, alt 18 <strong>Jahre</strong>, 6 W<br />

und 4 Tage<br />

5.4.1744 Francois Bernhard, Sohn des Herrn Bernhard<br />

Hutmacher dieser Stadt, starb an Verstopfung der<br />

Brust und an Krämpfen am Ostersonntag um 17 Uhr<br />

und wurde Osterdienstag durch Herrn Kandidaten<br />

183


184<br />

184<br />

Blasius 282 entsprechend der Anweisungen des Herrn<br />

Inspektors beerdigt.<br />

8.4.1751 Jean Valentin Luttringhausen, starb an „Quarte Fiebe“r<br />

an galié Brust, Kolik und bösartigem Ausfluss um<br />

Mitternacht von Donnerstag auf Freitag, 8 auf 9. April<br />

alt 59 <strong>Jahre</strong>, 6 Monate und 8 Tage<br />

wurde am Ostertag beerdigt.<br />

(seine Frau Anne Marie Tibé war 42 jährig gestorben † 21.3.1735<br />

Durchblutungsstörungen & Herzschwäche<br />

9.4.1726 Am Dienstag, den 9. April zwischen 8 und 9 Uhr abends<br />

starb Mathieu Guillot, Flüchtling aus Frankreich<br />

geboren in Sainte Croix, in der Nähe von Die im<br />

Dauphiné an einem schwarzen Bein, alt 94 <strong>Jahre</strong>, 4 M<br />

26.10.1729 Am Mittwoch, den 26. Okt. zwischen Mittag und<br />

13 Uhr starb an Mattigkeit in Folge eines Schlaganfalls<br />

Frau Elisabeth Etienne, Frau des Abraham Bouquio<br />

Sie hatte bereits vor 8 bis 9 <strong>Jahre</strong>n einen gehabt, den<br />

zweiten an Ostern und den dritten Schlag ungefähr<br />

vor 6 Wochen. Sie war ungefähr 45 <strong>Jahre</strong> alt.<br />

Windpocken oder Masern in 1725?<br />

Der reformierte Pfarrer Geisweid war seit Anfang Januar 1725 schwer krank, so<br />

dass er sein Amt nicht mehr ausüben konnte. Er starb am 5.4.1725. Die<br />

Beerdigungen, Hochzeiten und Taufen der Deutsch Reformierten Gemeinde nahm<br />

für ein halbes Jahr Pfarrer Pierre Engelmann vor, bis die Aufsichtsbehörde einen<br />

Nachfolger bestimmt hatte. Die Kirchenbucheintragungen im Reformierten<br />

Kirchenbach von Jan- Juli 1725 jedoch nahm ein Unbekannter vor, vielleicht der<br />

Schulmeister oder ein Kirchenältester.<br />

Die zahlreichen Kleinkinder starben 1725 an den Kinder- Blattern. Die Seuche<br />

kannte keine Gemarkungsgrenze.<br />

Masern<br />

282 ) Blasius, Johannes, immatrikulierte sich 1728 in Heidelberg, war 1744 bis 1752 reformierter<br />

Inspektor Bobstadts, von 1752 bis 1771 Spektor der wallonischen Pfarrei Billigheim † 1771,<br />

Quelle Biundo # 411


185<br />

scheinen im Verlauf der letzten Jahrhunderte eine sehr häufige Krankheit mit<br />

Todesfolge gewesen zu sein. Sie trat laut Kirchenbuch seuchenhaft im Jahr<br />

1725/26 auf. Der Begriff Masern taucht erstmals in den folgenden <strong>Jahre</strong>n auf.<br />

1733: Freitag, am ersten Tag des Monats Mai 1733 starb Abraham Daniel Le<br />

Talle an den Masern. Sohn des Abraham Le Talle, alt 1 Jahr und 6 Wochen. Er<br />

wurde zusammen mit seiner Tante Marie Susanne Le Talle, der Frau des David<br />

d´Armes beerdigt, die samstags an einer Art Skorbut und Mattigkeit im Alter<br />

von 34 <strong>Jahre</strong>n, 3 Wochen und 3 Tagen gestorben war. (Es ist für den Laien<br />

auffällig, dass Engelmann hier zwei unterschiedliche Krankheiten angibt)<br />

11.4.1738 Jean Francois Nicolai, Sohn des Georg N, starb am<br />

Freitag, den 11.4. um 8 Uhr abends an Masern und<br />

Krämpfen (siehe auch → † 1.1.1743)<br />

10.5.1738 Marie Madelaine Wattier, Tochter des Jean Philipp<br />

Wattier, starb am schleichenden Fieber der Masern<br />

am Dienstag den 10ten Mai, alt 7 J, 8 M und 4 Tage<br />

6.5.1738 Maria Louis, Tochter des Jacob Karl Louis starb<br />

an Masern und Krämpfen am Pfingstmontag den<br />

6ten Mai morgen, alt 47 Wochen minus 1 Tag.<br />

Ruhr<br />

verursacht durch verseuchtes Trinkwasser, forderte regelmäßig ihre Opfer. Hier<br />

einige Beispiele:<br />

1726, Am Samstag, den 3. August, morgens um 6 Uhr starb Daniel Le Jeune<br />

(Jung), Sohn des verstorbenen Daniel Jung und der Elisabeth Digeon an einem<br />

Fieber, begleitet von der Ruhr, alt 46 <strong>Jahre</strong> und 2 Monate.<br />

1727: Am Montag, den 15. September, zwischen 6 und 7 Uhr morgens starb Anne<br />

Marie Simon, Witwe des Jean Haque (Hach) an der Ruhr, sie war 64 <strong>Jahre</strong> und<br />

8 Tage alt.<br />

1734: Montags, morgens vor dem Sonnenaufgang verstarb an der Ruhr Anna<br />

Maria Etienne, Tochter des Louis Etienne, alt 16 <strong>Jahre</strong> und 1 Monat. (Dies ist<br />

besonders bemerkenswert, da gerade zu dieser Zeit der Typhus innerhalb von 6<br />

Monaten fast 100 Menschen ins Grab holte)<br />

1738: Maria Susanna Raquet, Witwe des Hermann Bauer, starb an Ruhr am<br />

Montag, den 14. Juli, abends um 6 Uhr, war 66 <strong>Jahre</strong> alt.<br />

1744: Marie Susanne, geb. Simon, Frau des Martin Dellai, starb an einem<br />

Défluction der Ruhr, Harngrieß und Steinen, am Sonntag, den 26ten 7bris nach 11<br />

Uhr abends, sie war 72 <strong>Jahre</strong> und 26 Tage alt.<br />

185


186<br />

186<br />

1734: Am Donnerstag, den 20. Mai, um 4 Uhr morgens verstarb an dieser<br />

Krankheit, die mit einem Fieber beginnt, gefolgt von Erbrechen, dann<br />

Schwellungen, zuerst am lou, dann am ganzen Körper, mit einem großen Feuer,<br />

Peter Heinrich Cherdron, Sohn des Hans Peter Cherdron, alt 4 <strong>Jahre</strong>, 4 Monate,<br />

weniger 4 Tage.<br />

1738: am 11. Februar: Maria Magdalena Cherdron, Tochter des David<br />

Cherdron starb an Kopfweh und Erbrechen, gefolgt von Krämpfen. Die Krankheit<br />

dauerte 3 Tage, am Mittwoch, den 12. Februar morgen zwischen 3 und 4 Uhr, alt<br />

11 <strong>Jahre</strong> und 2 Monate.<br />

Schlaganfall<br />

3.12.1740 Samstag, den 3. Xbre morgens starb an inneren<br />

Krämpfen und einem Schlaganfall Maria Catharine<br />

Engelskirch, Tochter des Jean Balthasar Engelskirch<br />

Schwiegersohn und Aufseher des Herrn Winterstein<br />

in der Glasbläserei (Glashütte)<br />

17.2.1740 Mittwoch, den 17.2. gegen 8 Uhr abends starb nach<br />

dem dritten Schlaganfall Judith Fortineux, Frau des<br />

Hans Adam Müller, alt 57 <strong>Jahre</strong>, weniger 11 Tag<br />

3.3.1742 Antoinette Morion, Witwe des verstorbenen<br />

Samstag August Wattier, starb am Samstag den 3. März<br />

morgens zwischen 8 und 9 Uhr ganz plötzlich, während<br />

sie ihre Suppe aß an Altersschwäche und Schlaganfall,<br />

alt 80 <strong>Jahre</strong><br />

12.10.1740 Jean Francois Renard, Sohn des Franz Daniel Renard<br />

Mittwoch starb am heißen Nessel-Fieber, am Mittwoch den<br />

12. 8bris am 8ten Tag seiner Krankheit, alt 7 J minus 3 M<br />

23.11.1740 Francois Tibé, Sohn des Noé George Tibé starb<br />

am Ausfluss, dehnte sich über die Achselhöhle<br />

aus und befiel das Herz, verursachte eine Hitze mit<br />

Krämpfen, starb in der Nacht vom 23. auf den 24 9bre<br />

alt 14 Monate und 13 Tage.<br />

5.12.1740 Jean Heinrich Eckhard, Bürger und Nagelschmied<br />

dieser Stadt; starb am 5. Xbre am 11.Tag seiner<br />

heißen Krankheit an einem plötzlichen Schlaganfall,<br />

alt 36 <strong>Jahre</strong> und 3 Wochen


187<br />

19.12.1740 Marie Susanne Schüler, Frau des Jean Pierre Hubin<br />

starb am Montag, den 19. Xbre um die Mittagszeit<br />

am 5. Tag ihrer hitzigen Krankheit<br />

alt 25 <strong>Jahre</strong> minus 4 Monate<br />

6.4.1741 Jacob Villiard starb an diene blähender Kolik<br />

36 Stunden der Krankheit am 6. April, um 7 Uhr<br />

morgens, alt 71 <strong>Jahre</strong> minus 6 Wochen<br />

9.5.1742 Anne Susanne Renard, Tochter des Jacob Renard,<br />

Mittwoch starb an Masern oder vielmehr an Pocken, die ihr<br />

zuerst die Sinne am Mittwoch, den 9. Mai um 10 Uhr<br />

abends am dritten Tag der Krankheit genommen<br />

(keine Altersangabe)<br />

Pocken<br />

17.12.1733 Am Donnerstag, den 12 Xbre starb gegen 3 Uhr<br />

Donnerstag nachmittags an Pocken und Krämpfen Marie Sara<br />

Tochter des Herrn Jean Pierre Le Talle, Schulmeister † 2.10.1745<br />

dieser Kirchengemeinde (ohne Altersangabe)<br />

22.6.1745 Marie Cunigunde Wattier, Tochter des Jean Philipp Wattier<br />

Dienstag starb am dritten Tag ihrer Krankheit an den Pocken, zuerst<br />

hatte sie nur ganz wenige Pocken, dann war aber der ganze<br />

Körper blau von ihnen. bedeckt. Und das Blut rann durch<br />

After und Scheide, durch Mund, Nase und selbst durch die<br />

Augen. Sie starb dienstags, den 22. Juni, morgens um 9 Uhr<br />

sie war 3 <strong>Jahre</strong> 7 Monate und 17 Tage alt.<br />

Gelbsucht & Wassersucht<br />

1726: Am Sonntag, den 29. Dezember, morgens um 6 Uhr starb Jean Hacque<br />

(Hach) an einer Wassersucht, die ihn am 10. Oktober wie durch eine<br />

Beklemmung der Brust ihn krank machte. Und 8 bis 16 Tage später begingen<br />

diese <strong>Teil</strong>e sich aufzublähen. Die Schwellung stieg bis zu seinem Herz. Am 12.<br />

Dezember öffnete der Chirurg diese Dinger und eine große Menge Wasser floss<br />

heraus. Am 24. Dezember bekam er hohes Fieber (Feuer) und die Vergiftung. Er<br />

starb im Alter von 54 <strong>Jahre</strong>n, 2 Monaten und 8 Tagen = * 21.10.1672.<br />

187


188<br />

188<br />

1730: Am Sonntag, den 19. Dezember gegen 8 Uhr morgens starb an einer<br />

Wassersucht Frau Judith De Groot, Witwe des Herrn Matthieu Gabel, gesagt von<br />

meiner Tante bei Herrn Jean Heydweiler, alt 79 <strong>Jahre</strong>. (Jean Heydweiler war<br />

67jährig am 4.2.1724 gestorben)<br />

1733: Am Mittwoch, den 18. November, um 3 Uhr morgens starb an Cachexie<br />

oder verursacht von Gelbsucht, begleitet von Quarte Fieber, gefolgt von<br />

Wassersucht pectorale nach einem Schlag vor 28 Stunden Herr Daniel Thomas<br />

Raquet, Gerichtsschreiber und Ältester dieser Kirche, alt 53 <strong>Jahre</strong>, 8 Monate und<br />

12 Tage.<br />

1745: Jean Georg Wattier, starb am Freitag, den 5. November gegen 4 Uhr<br />

morgens an einem Ausfluss am rechten Knie, der die Folge einer wassersüchtigen<br />

Verletzung war. Er schlief 2 <strong>Jahre</strong> lang wegen der grausamen<br />

Schmerzen auf der linken Seite. Und am Abend vor seinem Tod glühte sein Bein.<br />

Er wurde 56 <strong>Jahre</strong>, 5 Monate und 2 Tage alt.<br />

27.4.1747 Marie Louise Faulhaber, Frau des Daniel Hertzog<br />

Müller der Ölmühle starb an einer Sorte der Hektik<br />

begleitet von starkem Fieber und Gelbsucht am<br />

Samstag, den 22. April, um 11 Uhr vor Mittag, alt<br />

24 <strong>Jahre</strong>, 10 Monate und 18 Tage. * 9.6.1722<br />

22.8.1747 Marie Louis, Frau des Herrn Francois Faulhaber<br />

Dienstag Bürgermeister der Justiz, starb an schwarzer Gelbsucht<br />

und Wassersucht am Dienstag, den 22. August zwischen<br />

1 und 2 Uhr morgens, alt 52 <strong>Jahre</strong>, 5 M und 15 Tage<br />

2.8.1748 Jean Philipp Le Talle, Sohn des Abraham Le Talle<br />

starb an Quarte Fieber, gefolgt von Hektik und starker<br />

Wassersucht, die bis in die Zehenspitzen ging<br />

er litt 9 Wochen und am Ende hatte er Krämpfe<br />

gestorben am Freitag, Tag des Sanarif, 2. August<br />

gegen 2 Uhr nachmittags, war 19 <strong>Jahre</strong> alt.<br />

Der Keuchhusten<br />

ist eine akute, stark ansteckende Infektionskrankheit der oberen Luftwege, die<br />

damals epidemisch auftrat. Vor allem Kleinkinder sind/waren davon betroffen.<br />

Nach einer Inkubationszeit von 7 – 14 Tagen kommt es zu einem<br />

katharrähnlichen Stadium. Die anschließende Anfallphase ist durch die<br />

typischen krampfartigen Hustenstöße gekennzeichnet. Die 5 – 50 Anfälle<br />

innerhalb eines Tages, treten vor allem nachts auf und sind mit Lufthunger,<br />

Erstickungsgefühl sowie Blaufärbung des Gesichts (blauer Husten) begleitet. Bei<br />

Kleinkindern unter vier Monaten fehlen diese charakteristischen Anfälle. An ihrer<br />

Stelle kommt es zu lebensbedrohlichen Erstickungsanfällen. Die meisten<br />

Todesfälle treten in diesem Alter auf. Auch heute sterben noch Kinder wie damals<br />

an dem plötzlichen Kindstod, Welch ein Schock für die Eltern, wenn sie morgens


189<br />

ins Kinderbett schauen und ihr Sonnenschein aus unerklärlichen Gründen<br />

verstorben ist.<br />

Diese hohe Kindersterblichkeit hielt bis ins 20. Jahrhundert hinein an. Sehr<br />

erstaunlich, bis 1920 war in <strong>Erlenbach</strong> jeweils mindestens die Hälfte der<br />

verstorbenen Kinder, bei durchschnittlich 2 Totgeburten.<br />

6.22. Auswanderungen bis 1750<br />

Die Massenflucht von 1709<br />

Zuerst die Viehseuche von 1708, dann der brutale Horrorwinter von 1708/09. Es<br />

drohte eine Hungersnot, zumal die französischen Truppen als Folge des<br />

Pfälzischen und Spanischen Erbfolgekrieges alles konfisziert hatten.<br />

Ausreichendes Saatgut gab es nicht, das Vieh war weggetrieben und<br />

abgeschlachtet. Ein Viertel der Pfälzer entflohen der Not. Nur weg, den Rhein<br />

runter. Sie folgten den englischen Verlockungen und Versprechen, Virginia,<br />

North Carolina, New York und Pennsylvania aufzubauen. Seit 1706 hatte Josua<br />

Harsch unter dem Pseudonym Josuah Kochenthal eine Werbeschrift<br />

herausgegeben, die jeweils schnell vergriffen war und deshalb mehrmals neu<br />

aufgelegt wurde. Sie hatte die Auswanderungswelle „maßgeblich beeinflusst, weil<br />

in ihr der Eindruck erweckt wurde, als hätten alle Auswanderungswilligen von der<br />

britischen Regierung die gleiche Hilfe und Unterstützung zu erwarten, die<br />

Kochenthal und seine Gefährten zuteil geworden waren. Die propagandistische<br />

Wirkung dieser Broschüre war ungeheuerlich“. 283<br />

Hans Steinebrei 284 fand mehrer Otterberger Familien, die unsere Heimat<br />

verließen. Dies waren unter anderem Nicolaus Kuntz und Johann Adolf Weber.<br />

Im Frühsommer 1709 lagerten, vegetierten allein 40.000 Pfälzer in selbst<br />

gegrabenen Erdhöhlen vor den Toren Londons, um auf den Abtransport nach<br />

Amerika zu warten. Pro Schiff konnten damals nur 200 – 300 Personen<br />

mitgenommen werden. Das damals dort herrschende Elend, Chaos, Seuchen kann<br />

man sich nur schwer vorstellen. Das Elend war katastrophal, so dass die<br />

Hungernden jedes Angebot annahmen, um diesem zum Himmel schreienden Leid<br />

zu entrinnen. Die oben genannten Nicolaus Kuntz und Adolf Weber verdingten<br />

sich nach Irland. Aber auch dort kamen sie auf keinen grünen Zweig, so dass sie<br />

1718 wieder in Otterberg auftauchten.<br />

Auf den Schiffslisten konnten etliche Personen festgestellt werden, die aus<br />

unseren Dörfern stammen. Hans Steinebrei fand die Familie Franz Lucas, dem<br />

mit Frau und sechs Kindern 1709 die Auswanderung gelang.<br />

Weihnachten 1709 schifften sich in London 3.000 Pfälzer ein, aber die Schiffe<br />

verließen erst Ostern 1710 den Hafen, nachdem der neue Gouverneur New Yorks<br />

an Bord gegangen war. Die Überfahrt dauerte zwei Monate und mehr als 600<br />

Pfälzer gingen tot in Leichensäcken über Bord. Eins der 10 Schiffe strandete in<br />

283 ) Pfälzer in Amerika, Herausgeber: Institut für Pfälzische Geschichte, 1995, S. 22 ff.<br />

284 ) Hans Steinebrei, 300 <strong>Jahre</strong> Auswanderung aus Otterberg, Otterbach 1999, Seite 14 ff<br />

189


190<br />

190<br />

Sichtweite New Yorks, aber ohne dass einer der Passagiere oder Besatzungsleute<br />

ertrunken wäre. Wegen der großen Ansteckungsgefahr steckten die englischen<br />

Behörden die Neuankömmlinge dann erstmal in Quarantäne.<br />

Die englische Kolonialverwaltung ließ im August 1710 die Neuankömmlinge den<br />

Hudson River stromaufwärts ansiedeln. Ihre Aufgabe war es, für die Admiralität<br />

aus dem Holz Teer und Pech zu kochen, um damit die vielen, vielen Schiffe<br />

abdichten zu können „Aber das Unternehmen scheiterte. Das für den Unterhalt der<br />

Kolonisten seitens der britischen Regierung bereitgestellte Geld floss in die<br />

Taschen des gerissenen Indianeragenten Robert Livingston. Bald herrschten<br />

wiederum Hunger und Not in den armseligen Blockhütten der Palatines. Mitte<br />

1711 brach die Unzufriedenheit unter den Eingewanderten offen aus. Selbst durch<br />

Gewalt waren sie nicht mehr zur Weiterarbeit zu bewegen. Nach vergeblichen<br />

Beschwichtigungsversuchen überließ sie daher Gouverneur Hunter die Pfälzer<br />

zuletzt einfach ihrem Schicksal. Nach dieser Revolte blieben etwa 200 Pfälzer<br />

Familien am Hudson River. Im März 1713 zogen 50 Familien unter indianischer<br />

Führung zum Schoharie, wo sie sieben neue Siedlungen gründeten. Sie erhielten<br />

die Namen der Familienchefs: Brunnendorf, Fuchsdorf, Gerlachsdorf, Hartmanns-<br />

, Kneiskern-, Schmidts- und Weisendorf“ 285<br />

Aber auch diesen Niederlassungen war wiederum keine Zukunft beschieden, da<br />

der Fiskus und Landspekulanten den Palatines erneut das dem Urwald<br />

abgerungene Land streitig machte. Nach unliebsamen Prozessen brachen deshalb<br />

die meisten noch einmal nach Westen in das Land der Irokesen auf. Mittelpunkt<br />

dieses Gebietes wurde Stone Arabia, das später in Palatine umbenannt wurde<br />

1739 erbauten die Kolonisten sich ihr kulturelles Zentrum, eine Schule und<br />

Kirche, in der noch jahrzehntelang auf Deutsch gelehrt und gepredigt wurde. Sehr<br />

schnell wuchs die Bevölkerung auf 3.000 Menschen. Die Palatines (Pfälzer)<br />

waren dadurch stark genug, sich in den Indianerkriegen zu behaupten, die<br />

zwischen 1740 und 1783 viele Blutopfer forderten.<br />

Ein nicht unbeträchtlicher <strong>Teil</strong> dieser Siedler, darunter die Familie Ried 286 aus<br />

Baalborn, entschloss sich einer Einladung des Gouverneurs Keith zu folgen und<br />

nach Pennsylvania zu ziehen. Mitten im Winter 1722/23 bahnten sie die ersten<br />

einen Pfad durch die Wildnis zum oberen Susquehanna. Von hier ließen sie sich<br />

auf Flößen flussabwärts bis zur Einmündung des Swatara treiben und paddelten<br />

dann flussaufwärts, bis sie das Tal der Schildkröten erreichten Unter Führung von<br />

Hartmann Windecker konnten sie hier endlich in Penn`s Woods ihre Heimstätte<br />

errichten. 1728 folgte eine weitere Familiengruppe unter Conrad Weiser, der noch<br />

im gleichen Jahr Womelsdorf gründete. Die freundliche Aufnahme der<br />

Zugewanderten zog weitere Kolonisten nach, die im 18. Jahrhundert Pennsylvania<br />

bevorzugten.<br />

Auswanderung 1730 – 1770<br />

Wie Sie oben gelesen haben, waren in Otterberg und Umgebung in jedem Haus<br />

französische Soldaten einquartiert. Die wollten versorgt werden. Mit Sicherheit<br />

285 ) Palatines in America, a.a.O. S.23 ff.<br />

286 ) Johann Jacob Fortineux, * 17.10.1690 in Holzappel heiratete in 4. Ehe am 15.1.1739 in Rohrbach<br />

die Maria Elisabetha Culman, die Witwe Ried.


191<br />

bezahlten sie keinen Kreuzer für ihren Unterhalt. Vielleicht waren in den 14<br />

Häusern des Gersweilerhofes keine Soldaten untergebracht, aber mit Sicherheit<br />

kamen die Höferer in dieser über halbjähriger Otterberger/<strong>Erlenbach</strong>er<br />

Besatzungszeit nicht ungeschoren davon. Was die Höferer nicht freiwillig gaben,<br />

wurde ihnen mit Gewalt entrissen.<br />

Zudem rissen die Seuchen und Krankheiten Jahr für Jahr, Tag für Tag geliebte<br />

Menschen aus dem Leben. Am schlimmsten wütete das Fleckfieber in 1734 und<br />

1735. Für die Betroffenen war es aber auch genauso schlimm, wenn ihre<br />

Angehörigen an der Mangelerkrankung Skorbut oder an der Schwindsucht elendig<br />

eingingen. Keine Kinderkrankheit verschonte die Bevölkerung 1738 grassierten<br />

die Masern. Nichts sprach dafür, hier in diesem eigentlich so schönen Landstrich<br />

zu bleiben.<br />

6.23. Familie Fortineux wanderte 1742 aus<br />

Text: So wird ein Bündel von gravierenden Gründen unsere armen Vorfahren aus<br />

diesem Land getrieben haben. Darunter waren Jost Herbach mit seiner Familie und<br />

sein Schwager Johann Henrich Cherdron, deren Schicksal von William Henry<br />

Harbaugh (Herbach) recherchiert wurde. Hans Steinebrei fand 37 Otterberger, die in<br />

diesem Zeitraum diesem Kirchspiel den Rücken zukehrten. Die Stammbäume der<br />

Familie Fortineux und ihr Schicksal in Amerika wurde von der Familie selbst<br />

recherchiert und in einem dicken Buch 1989 in den USA veröffentlicht.<br />

(Quellenangabe in der Fußnote)<br />

Fortineux, Johann Heinrich, * 22.9.1708, getauft am 25.9.1708 ging am<br />

19.6.1730 in Rotterdam an Bord der Thistle of Glasgow. In Dover gingen<br />

nachmals Passagiere an Bord. Das Schiff erreichte nach über 2 Monaten am<br />

29.8.1730 Philadelphia. Er war der erste der Familie Fortineux, der in der<br />

Neuen Welt ankam. Mit anderen Deutschen Siedlern ließen sie sich<br />

nordwestlich von Philadelphia in Falkners Swamp nieder. Johann Heinrich<br />

schrieb dann die Stadtverwaltung in Otterberg an und bat um die Auszahlung<br />

seines Erbteils. Dabei ließ er auch Grüße an seine Schwester ausrichten.<br />

Heinrich heiratete die Maria Catharina Berger, wann und wo konnte nicht<br />

festgestellt werden. Aber ihr erstes Kind Susanna Catharina kam im Oktober<br />

1737 auf die Welt und wurde am 17.6.1738 von Pfarrer Stoever getauft. Der<br />

Vater kam bei einem Gewitter im Juli 1753 um, als er im Vorgarten seines<br />

Hauses von einem Blitz getroffen wurde. Seine Frau war eine erfolgreiche<br />

Geschäftsfrau gewesen. Durch Geschick machte sie viel Geld und konnte so<br />

1755 und in 1761 jeweils 436 acres Land kaufen. Sie starb in 1794. ) 287<br />

287 ) Quelle: The Fortineux Familiy in America, USA 1989 by Fortiney<br />

Genealogy Family Inc. Library Catalogqu Cord # 89 – 51498, Seite 85<br />

191


192<br />

192<br />

Fortineux Jonas, † in Landcaster, PA nach 1750 * 11.9.1677<br />

USA 1742 Oo Rosina Spohn oo 15.9.1701<br />

Die Auswanderer gingen in Rotterdam an Bord des Schiffes Loyal Judith<br />

und kamen am 23.9.1742 in Philadelphia an<br />

Kinder<br />

1 Maria Rosina * 22.4.1704<br />

USA 1739 2 Johann David * 15.6.1706<br />

blieb in Otterberg 3 Jacob * um 1707<br />

USA 1737 4 Johann Franz * 15.3.1711<br />

5 Johann Michael * 15.3.1711<br />

USA 6 Johann Michael * 9.1.1714<br />

USA 1737 7 Melchior, * in Landstuhl * 9.7.1716<br />

USA 1742 8 Maria Rosina, * in Landstuhl * 30.10.1718<br />

USA 1742 9 Maria Catharina, * Landstuhl * 23.9.1721<br />

USA 1742 10 Maria Magdalena, * Landstuhl * 23.3.1724<br />

USA 1742 11 Johann Jonas, * Landstuhl * 15.4.1728<br />

Fortineux, Jonas,* 11.9.1677 in Otterberg, Strumpfstricker oo Rosina Spohn<br />

aus Katzenbach bei Rockenhausen. Als der das Segelschiff „Loyal Judith“ in<br />

Rotterdam betrat, begleiteten ihn seine Frau Maria Susanna Spohn und drei<br />

seiner Töchter. Dies waren Maria Rosina, Maria Katharina und Maria<br />

Magdalena und sein jüngster Sohn Johann Jonas, 14 <strong>Jahre</strong> alt. Jonas dürfte<br />

wohl Analphabet gewesen sein, denn er machte auf der Schiffsliste hinter<br />

seinem Namen ein Kreuz. . Das Schiff erreichte nach über zwei Monaten<br />

Philadelphia am 23.9.1742. Vier seiner Söhne waren bereits in America und<br />

hatten das Geld für die Überfahrt bezahlt. Dies waren Franz oo mit Elisabetha<br />

Magdalena Wurtz, Michael und Melchior, die 5 <strong>Jahre</strong> vorher ausgewandert<br />

waren und in Lancaster Pennsylvania siedelten. Dann war noch David mit<br />

seiner Frau, die drei <strong>Jahre</strong> vorher am 3.9.1739 in Philadelphia von Bord<br />

gegangen waren. So war die Familie was fast komplett, nur Jacob war in<br />

Otterberg geblieben (* 1707) 288<br />

Fortineux, Johann Jacob der Ältere, * 17.10.1690 in Holzappel, jüngster Sohn<br />

des zeitweilig nach Holzappel geflüchteten Jonas Fortineux und der Sara<br />

Menton, war in Otterberg Bäcker, wo er zwischen1718 und 1737 in<br />

Steuerlisten aufgeführt wurde. Er war viermal verheiratet. Sein Sohn Samuel<br />

* 24.7.1723 wanderte 1742 aus.<br />

288 ) Quelle: The Fortineux Familiy in America, USA 1989 by Fortiney<br />

Genealogy Family Inc. Library Catalogqu Cord # 89 – 51498, Seite 85


193<br />

6.24. Jost Herbach vom Gersweilerhof in<br />

den U.S.A.<br />

By William Henry Harbaugh<br />

Peter Herbach was probably born in the Netherlands in 1674. The presumption<br />

that the Herbachs came from the Netherlands is based on the following. The<br />

church book of the Protestant congregation of Waldfischbach states that Braun<br />

Herbach came from the Netherlands & had his daughter baptized in the church of<br />

Heltersberg in 1693. At that time he lived on the Aschbacherhof no more than 4<br />

miles south of Kaiserslautern. The same record indicates that Braun Herbach was<br />

a Mennonite. The church book of the Reformed congregation at Otterberg reports<br />

that the Mennonite Wilhelm Herbach became a member of that church in 1710.<br />

Since the family name Herbach was unknown in the Palatinate until the later part<br />

of the seventeenth century, it is reasonable to assume that the few Herbach in the<br />

Kaiserslautern area at that time were all of one stock<br />

Peter Herbach 289 was married with Anna Maria Wirth. He had with her at least<br />

5 children. She died on May 29 th 1728 on their little farm on the Gersweilerhof.<br />

The widower was fit enough to marry a second time on March 27 th 1729. His<br />

young second wife Christine Jung, was the daughter of the shepherd of<br />

<strong>Erlenbach</strong>. This couple had another son. His name was Johann Peter. It is<br />

unknown whether the young stepmother came along with the older children of her<br />

husband.<br />

At least two children of Peter Herbach & Anna Maria Wirth emigrated to the<br />

U.S.A. probably in 1737. This had been:<br />

• Jost Herbach, * about in 1700, he was a farmer. He married in the famous<br />

old (German Reformed) Church of Otterberg on May 3 rd 1725. His bride<br />

Maria Margaretha Klein was the daughter of Jacob Klein, a master tailor<br />

and grocer of Ulmet, a small village 20 miles northwest of KL. The young<br />

family lived on the Gersweilerhof, where all their four children are born.<br />

Their first boy Johann Berg was born on Jan. 10 th (→ * 10.1.1726) and<br />

baptized on next Friday on the Gersweilerhof. Godfathers were the uncles<br />

Johann Jacob Korn oo Herbach and Georg Glück who was married with<br />

a sister of the kids mother.<br />

• Anna Maria Herbach married on April 22 nd 1727 Johann Henrich<br />

Cherdron, * July 8 th 1706 in Otterberg. His parents were the pretty rich<br />

Abraham Cherdron & his wife Anna Margretha Veillard (Villiard) They<br />

left Germany perhaps together with the family of their brother in law. In<br />

any case their five children 290 had been with them on board<br />

1. Johann Peter, bapt 12.2.1728<br />

289 ) Peter Herbach died on May 13 th in 1753 on the Gersweilerhof, in the age of 79 years, where he<br />

owned a farm. His second wife died † 2.7.1776 in miserable poverty<br />

290 ) Liste laut: Steinebrei, Hans, 300 <strong>Jahre</strong> Auswanderung aus Otterberg, Otterbach 1999, S. 40<br />

193


194<br />

194<br />

2. Maria Catharina, * 16.2.1730<br />

3. Johann Leonhard, * 10.9.1732<br />

4. Eva Margretha, * 3.12.1734<br />

5. Johann Caspar, * 31.3.1737<br />

In any event, the farmer Jost Herbach Jest’s sister Anna Maria married on April<br />

22nd 1727 Johann Henrich Cherdron 291 , born 8.7.1706 in Otterberg. These two<br />

families emigrated in 1737. This is established by the protocols of the council of<br />

Kaiserslautern for 1744. These state that Jost Herbach left for the New Land<br />

seven years earlier.<br />

Die Überfahrt war mit Sicherheit nicht kostenlos. Woher hatte Jost das viele Geld<br />

für sich und seine große Familie? Außerdem erwarb er in Pennsylvania Land und<br />

landwirtschaftliche Geräte. Nach Ansicht von Henry Harbaugh und meiner<br />

Überzeugung nach, verkaufte er seinen Hof auf dem Gersweilerhof und<br />

finanzierte damit den Transfer und den Neubeginn in den heutigen U.S.A.<br />

Jost war wie sein Schwager ein Mann voller Energie, Initiative und<br />

Unternehmungslust. Sonst hätten sie diese abenteuerliche Atlantik Überquerung<br />

nicht unternommen und wären sehr schnell gescheitert. Er war größer als jeder<br />

Durchschnitts-Einwanderer. Jost war wie ein Familienforscher schrieb, ein<br />

Kraftprotz mit energischem Geist, viel Mut. Ein ganzer Kerl, der sich mutig den<br />

Gefahren stellte und mit Zähigkeit das Grenzleben gestaltete.<br />

1739 besaß Jost Harbaugh bereits 100 Acres Land in Maxaway township. Dies ist<br />

ein Tal zwischen Reading und Alertown. Wenige <strong>Jahre</strong> später steht sein Name in<br />

der Steuerliste als einer der ersten dauerhaften Siedler westlich des majestätischen<br />

Susquehanna Stromes. In diesem lieblichen York County = Bezirk lebten fast<br />

ausschließlich Deutsche. Dort baute er 1743 ein Blockhaus, 40 Fuß im Quadrat<br />

groß und half, die Deutsch Reformierte Kirche in der neuen Siedlung Kreutz<br />

Creek zu gründen. Neben der Schule entstand auch eine deutschsprachige Schule,<br />

in die seine in Amerika geborenen Kinder lesen und schreiben lernten.<br />

Mit seiner ersten Frau Maria Margretha Klein hatte er zwei weitere Söhne.<br />

Nach ihrem Tod heiratete Jost wieder, denn seine kleinen Söhne waren<br />

unversorgt. Auch seine zweite Frau stammte aus Deutschland. Mit ihr zeugte er<br />

drei Töchter. Jost starb 1762. Sein Besitz hatte einen Wert von schätzungsweise<br />

1.000 Pfund Sterling. Dies war in jener Zeit eine relativ große Summe. In seinem<br />

Testament legte er fest, dass all seine Kinder den gleichen Betrag erben sollten,<br />

egal ob jung oder alt<br />

Während seine jüngsten Kinder zur Schule gingen, zogen seine drei ältesten<br />

Söhne in klassischer Pionier Art in Richtung Westen. Georg, der älteste siedelte<br />

in einem fruchtbaren Tal, in der Nordwest Ecke des Frederick County, im<br />

heutigen Staate Maryland, direkt hinter der Mason und Dixon Linie. Seine<br />

jüngeren Brüder Ludwig & Jacob zogen nach und sie teilten das riesige Land<br />

unter sich auf. Deshalb erhielt diese Gegend sehr bald den Namen Harbaugh<br />

Valley.<br />

291 ) Cherdron, Joh. Heinrich * 22.4.1727 in Otterberg. His parents are Abraham Cherdron & Anna<br />

Margretha Veillard


195<br />

6.25. Wetter & Unwetter bis 1793<br />

in der Nord- und Westpfalz<br />

In früheren Jahrhunderten waren die jahreszeitlichen Unterschiede anscheinend<br />

viel krasser als heute. Sehr kalte, schneereiche Winter und heiße trockene<br />

Sommer. Und natürlich alle 10 <strong>Jahre</strong>, entsprechend der Sommerflecken 292 ,<br />

verregnete <strong>Jahre</strong>. Der Odenbach und seine zufließenden Bäche spiegelten sowohl<br />

längere Trockenheit als auch die Regenperioden wider. Und im Juli (jeden <strong>Jahre</strong>s)<br />

krachte es immer wieder. Schwere Gewitter gingen nieder und brachten<br />

Verderben.<br />

1633/34: Der Winter war so kalt, dass der Rhein zugefroren war. (laut Marschall<br />

Turenne)<br />

1658: „Elisabetha Orth, Hausfrau des Johann Orth, > 1. Februar 1658 im Alter<br />

von 64 <strong>Jahre</strong>n, 46 <strong>Jahre</strong> in der Ehe gelebt, als man den Leichnam zur Erde<br />

bestattet, ist ein solch großer Schnee gewesen, dass man schwerlich zum<br />

Gottesacker hat kommen mögen; viel Schnee sey bey der Leich gewesen, dass<br />

70jährige Männer dergleichen nicht gedachten“ 293 Der ganze Winter war überaus<br />

bitterkalt und lang anhaltend. Es gab sehr viel Schnee. Die Wintervorräte waren<br />

schnell aufgebraucht. Damit das Vieh nicht verhungerte, holten die Bauern das<br />

Stroh von den Strohdächern und verfütterten es. Aber nicht nur die Haustiere und<br />

die Bevölkerung litten Not, auch „ist viel Wildbrett, zumal Hasen, Reh und Vögel<br />

gestorben“ 294 Die anormale Kälteperiode dauerte nach Überlieferungen bis etwa<br />

zum 10. April Das Frühjahr blieb kalt und nass. Die Wachstums- und Reifephase<br />

für die Feldfrüchte war viel zu kurz, so dass die magere Ernte eine Hungersnot<br />

auslöste.<br />

„Es ist dieses Jahr (1680) eine solch schreckliche Kält gewesen, dass die Mosel<br />

von Koblenz bis obenhin zugefroren war, dass man auch bis Trier ohne<br />

Abwechslung über das Eis auch mit einem schweren Last hat fahren können.“ Im<br />

Juni gab es regional überdurchschnittlich viele Gewitter, die die Feldfrüchte<br />

verwüsteten und das unreife Obst von den Bäumen schlug. Der Juli und August<br />

sollen extrem trocken und heiß gewesen sein. Der Herbst war regenreich. Der<br />

Novemberschnee läutete einen langen harten Winter 1681 ein. Das Frühjahr<br />

begann viel versprechend, aber wochenlange Trockenheit ließ alle Hoffnungen<br />

und Träume verdörren. Die Ernte war dementsprechend miserabel Gemäß uralter<br />

Tradition zahlt der Bauer am Martinstag seine Pacht und Steuern.<br />

1681. Der für Nußbach, Hefersweiler und Relsberg verantwortliche Steuercensor<br />

(Steuereinnehmer) Hans Michel Keypp aus Rudolfskirchen ritt am 10.<br />

November von Hof zu Hof, um die fälligen Steuern zu kassieren. Nach einer<br />

freundlicher Begrüßung und einem Gasttrunk kommt Keypp zur Sache. Er hat<br />

einen Auftrag. Er will die fälligen Abgaben einnehmen. Unsere Großbauern<br />

wollen natürlich alles bis auf den letzten Heller zahlen, aber das schlechte Wetter<br />

in 1680 und 1681 hatte allen einen Strich durch die Rechnung gemacht. Beim<br />

292 ) so sagen die Meteorologen<br />

293 ) Kirchenbuch Lauterecken, Sterberegister<br />

294 ) Rüdiger Glaser, Klimageschichte Mitteleuropas, Primus Verlag, Darmstadt 2001, S. 156 ff<br />

195


196<br />

196<br />

besten Willen, die Bauern zahlten, was sie konnten, das Meiste blieben sie<br />

allerdings schuldig. Keypp erstellte daraufhin eine Schuldnerliste, die noch heute<br />

im Landesarchiv Speyer, C 23, # 7 aufgehoben wird. Einige Beispiele:<br />

Hans Wilhelm Scheer, Hefersweiler, 28 Gulden<br />

Philipp Kissel, Hefersweiler 14 Gulden<br />

Michel Braun, Relsberg, bleibt schuldig, 33 Gulden, 3 Kreuzer<br />

Hans Petter, Relsberg, bleibt schuldig 38 Gulden, 7 Kreuzer<br />

Schermers seine Erben, bleiben schuldig 56 Gulden (Morbach)<br />

Insgesamt addierte Keypper 316 Gulden Steuerschulden<br />

1708, am 28. August arbeitete Johann Peter Eckhard in Neu Wolfstein.<br />

Abends auf dem Heimweg nach Wörsbach geriet Johann Peter in ein schweres<br />

Gewitter. Es ist nicht überliefert, ob er unter einem Baum Schutz suchte.<br />

Zwischen Rossbach und Relsberg erschlug ihn ein Blitz<br />

1708: Eine Katastrophe folgt der anderen. Nach der schlimmen Viehseuche in<br />

1708, war der Winter 1708/1709 extrem hart. Es wird berichtet, dass in der<br />

Vorderpfalz sogar der Wein in den Kellern gefroren sei und die Vögel tot vom<br />

Himmel fielen. Dieser extreme Winter löste wohl die größte Auswanderungswelle<br />

in 1709 aus.<br />

1712, am 4. Juni verheerte ein Wolkenbruch das Land (Ortschronik<br />

Niederkirchen S. 54 und 297) und bedeckte die Talsohle „vom Bruch aufwärts in<br />

Richtung Norden (wahrscheinlich die Harzhütte) hoch mit Geröll und Grund. An<br />

diesem Unglückstag wurde die Bellenmühle total zerstört, die erst 13 <strong>Jahre</strong><br />

vorher wieder errichtet worden war. Die Wassermassen hatten nichts als einen<br />

Steinhaufen übrig gelassen. Was nicht zu glauben ist, sogar die Mühlsteine<br />

wurden ein gutes Stück von der Mühle getrieben. 1 “ 295<br />

1720: Der Winter war sehr mild, aber regenreich. Es goss wie aus Kübel Die<br />

Wege waren matschig, die Bäche oft unpassierbar. Pfarrer Feuerbach wollte am<br />

5.1.1720 Johannes Müller 296 in Rudolfskirchen taufen, der am 3. Januar in Seelen<br />

auf die Welt gekommen war. Pfarrer Feuerbach war es bei bestem Willem<br />

unmöglich, das heilige Sakrament zu spenden. Denn der Odenbach führte<br />

Hochwasser und der Pfarrer „konnte wegen des grässlichen Hochwassers nicht<br />

über die Bach kommen“. Deshalb nahm Pfarrer Streuber von Rathskirchen die<br />

Taufe vor (Kirchenbucheintrag Seelen)<br />

1720, am 1. Juli, nachts um 2 Uhr ging im Odenbachtal ein schreckliches<br />

Sommergewitter nieder. Alle hatten mit Recht fürchterliche Angst, denn der<br />

1 ) Die Ortschronik Niederkirchen bezieht sich auf einen Akt, im Besitz von Frau Elsa Maier<br />

295 ) Die Bellenmühle existierte bereits vor 1618. Im Jahr 1650 erhielt Anton Schmidt die<br />

Betriebserlaubnis Seine Tochter Elisabetha heiratete Martin Neubrecht, der nach dem Tod des<br />

Schwiegervaters die Mühle führte. Auch nach dem frühen Tod Martin Neubrechts im <strong>Jahre</strong><br />

1707 blieb die Mühle im Familienbesitz. Die Tochter Barbara, * 5. Januar 1701, oo 17. Febr.<br />

1722 Johannes Edinger. Die Familie Edinger betrieb die Mühle mindestens bis 1798.<br />

296 ) Eltern: Johann Heinrich Müller oo Maria Catharina


197<br />

liebe Gott strafte wieder mit wütenden Blitzen und ohrenbetäubenden<br />

Donnerschlägen das sündige Leben. Viele fielen in ihren elenden Hütten und<br />

Häusern auf die Knie und beteten lauthals und baten flehentlich um Verschonung.<br />

Die Todesangst war berechtigt. So auch die 17jährige Maria Catharina Forell 297<br />

aus Relsberg, die beim reichen Pfarrer Feuerbach für ein Jahr angestellt worden<br />

war. Sie betete inbrünstig mit dem Knecht zusammen in der untersten Pfarrstube<br />

und dann: „mit einem entsetzlichen Donnerschlag traf der Blitz die auf den Knien<br />

Betende und tötete sie augenblicklich. Bei sehr volkreicher Versammlung wurde<br />

sie am 2ten Juli christlich zur Erde bestattet. Ihres Alters 17 Jahr weniger 14<br />

Wochen“. Der noch nicht erfundene Blitzableiter hätte Wunder gewirkt.<br />

1725: Der Juli, vielleicht auch der Juni 1725 waren so verregnet, dass auf<br />

Anweisung des Kurfürsten der oberste Kirchenrat die allgemeine Order gab, am<br />

22. Juli einen Bitt- und Fürbittegottesdienst abzuhalten. Man bat Gott, uns doch<br />

seine Gnade und sein Erbarmen zuteil werden zu lassen, denn man befürchtete<br />

allgemein, der Dauerregen würde die ganze Ernte verderben. Tatsächlich hörte<br />

der Regen danach ein wenig auf (Page 283 der franz. Akten Otterbergs)<br />

1727: Der Witwer Michael Becker wollte am 9.12.1727 die Witwe Anna Maria<br />

Schwab in der lutherischen Kirche zu Rudolfskirchen ehelichen. Beide stammten<br />

aus Seelen. Damals war es üblich, dass die ganze Hochzeitsgesellschaft in<br />

feierlichen Zug sich zur Kirche begab Dies war aber wegen des hohen Schnees<br />

unmöglich. So traute Pfarrer Feuerbach das Paar in der lutherischen<br />

Konfessionsschule Seelen. Mit Sicherheit war dies genauso feierlich. Und die<br />

Hochzeitsgesellschaft konnte direkt vor Ort, ohne großen Kraftaufwand feiern<br />

„1728, sonntags, den 18. Juli, war in dieser Gegend ein sehr großes Donner-<br />

und Hagelwetter. Die meisten Schloßen waren alle wie große Baumnüsse, viele<br />

aber unter denselben wie große Hühnereier. Es hat alles im Feld, sonderlich zu<br />

Heinzenhausen, Lohnweiler und Berschweiler, erschlagen, so dass die armen<br />

Leute gar nichts ernten können. Dabei war so große Wasserflut, wodurch viel<br />

Vieh und an anderen Orten auch Menschen ertrunken. Gott lasse diese Warnung<br />

nicht vergebens sein, sondern lasse sie dahin gelingen, dass wir Buße tun“ 298<br />

1728, freitags, den 30. Juli, war in dieser ganzen Gegend ein starkes<br />

Erdbeben, doch ist alles gottlob, ohne Schaden abgegangen. Wie hernach die<br />

Zeitungen gemeldet, so ist es in Worms und anderen Orten viel stärker gewesen,<br />

indem es Schornsteine, Häuser und Mauern umgeworfen! Gott lasse uns diese und<br />

andere Dinge merken und lernen den mächtigen Gott zu fürchten!“ 299<br />

1733, Montagnachmittag, den 18. Mai, zwischen 1 und 2 Uhr ist ein starkes<br />

Erdbeben vernommen worden. Es tat drei Stöße, die ersten zwei waren gewaltig,<br />

297 ) Forell, Maria Catharina, * 16.9.1702 in Niederkirchen, Tochter des Hanß Jacob Forell &<br />

Gödel, Anna Barbara, wurde in 1717 mit 13 ¾ <strong>Jahre</strong>n konfirmiert. Hans Jacob Forell war<br />

wahrscheinlich Müllerknecht auf dem Aßbacher Hof. Er stammt ais Mörsfeld bei Alzey und<br />

wurde um 1671 geboren, er starb am 25.2.1726 in Relsberg (Sohn des Johann Heinrich Forell)<br />

298 ) Chronik der Stadt Lauterecken, 1968, S. 219, oben,<br />

299 ) ebenda, S. 219,<br />

197


198<br />

198<br />

dass nicht allein alle Gebäude erschüttert, sondern auch Steine von den<br />

Schornsteinen gefallen und Risse in die Mauern gekommen. An anderen Orten ist<br />

dienstags noch einmal eine Erschütterung verspürt worden. Ach, wenn doch<br />

dadurch die harten Herzen der Menschen sich zur Buße bewegen ließen!“ 300<br />

1735, 20. Januar führte der Odenbach starkes Wasser. Es war so schlimm, dass<br />

Pfarrer Feuerbach nicht den reißenden Fluss überqueren konnte. Aber wer sollte<br />

die Beerdigung des Johann Nicol Lanzer in Seelen vornehmen, der 2 Tage<br />

vorher 46 jährig verstorben war. Wie so oft, sprang sein Schwiegersohn Wendel<br />

Schneider, Pfarrer in Heimkirchen ein, der nur den kurzen Höhenweg zu nehmen<br />

hatte. (Kirchenbuch Seelen)<br />

1739, „den 21ten April wurde Johann Leonhard Philippi, des weyland Peter<br />

Philippi, Gemeinsmann in Rudolfskirchen nachgelassener ehelicher Sohn mit<br />

Maria Catharina, Johann Beckers, Schneider und Gemeinsmann in Seelen<br />

eheliche Tochter im Schulhaus eingesegnet. Weilen von meinem Krankenbett<br />

nicht konnte abkommen, so hat Herr Pfarrer Schneider von Heimkirchen den<br />

Copulations Actum wegen des anhaltenden Wetters und Schnees zu Seelen in<br />

Rudolph Mohrs Haus verrichtet“. Dies schrieb Pfarrer Johannes Feuerbach ins<br />

KB Seelen. Übrigens war Rudolf Mohr ein Schweizer Einwanderer, der am<br />

30.10.1703 Anna Christina, die Witwe des Albini Lantzer geheiratet hatte. 1714<br />

hatten ihn die Reichsgrafen von Reipoltskirchen zum Schultheißen gemacht.<br />

Dieses Amt begleitete er bis zu seinem Tod am 10.4.1754. „Er starb ganz<br />

plötzlich, ohne krank zu sein. Seines Alters 84 Jahr, 4 Monate und 10 Tage“<br />

„1741 war die Kälte so groß, dass sie die von 1709 übertroffen hat. Auch das<br />

Wasser hat viel Schaden getan, indem es sechsmal ausgeloffen und von dem<br />

Schlossgraben bis fast an den Kirchhof gegangen“ 301 . Trotz regionaler<br />

Unterschiede ist dieser Winter der kälteste des 18. Jahrhunderts gewesen 302<br />

„Anno 1742 ist der Glan zu Meisenheim (wegen Trockenheit) still stehen<br />

geblieben, des Nachts um 12 Uhr bis den anderen Tag 10 Uhr“. 303<br />

Am 24. August 1746 ist ein unglückliches Donnerwetter eingefallen,<br />

dergleichen die hiesige Gegend noch nicht erlebte. In den umliegenden Orten<br />

entstanden bis Meisenheim große Schäden. In Niedereisesbach wurde eine<br />

Nürnberger Bibel, die in der Stube auf dem Fenster gestanden und auf ein Stück<br />

Holz zu liegen kam, (vom Wasser des Glans) bis Rehborn mitgenommen und dort<br />

unbeschädigt herausgefischt. In Offenbach wurde das Brauhaus zum Löwen samt<br />

den darauf gebauten Zimmern und dem Hausrat in den Glan getrieben. In der<br />

Klosterkirche stand das Wasser einen Tag danach noch 8 Zoll (25 cm) hoch. (KB<br />

Lauterecken)<br />

300 ) ebenda, S. 219,<br />

301 ) Albert Zink, Chronik der Stadt Lauterecken, 1968, S. 219 unten<br />

302 ) Rüdiger Glaser, Klimageschichte Mitteleuropas, a.a.O. S. 180<br />

303 ) Aus dem Deckblatt des Handbuchs von Johann Peter Braun, leider ohne Datumsangabe ; Die<br />

<strong>Jahre</strong> 1741 bis 1744 waren extrem trocken, ebenso 1757 (lt. Rüdiger Glaser)


199<br />

1751 Das Kirchenbuch Niederkirchen berichtete von einem Unglück am 7. Mai<br />

1751, als der unbeaufsichtigte Johann Peter Pfleger zur Mittagszeit „in die<br />

Bach fiel und ertrunken ist“. Der Pfarrer schreibt, am 6. May hätten heftige<br />

Regenfälle den Odenbach anschwellen lassen. Oder nach einer langen<br />

Trockenperiode, wie in 1752, als katastrophale Regenfälle niedergegangen seien,<br />

die das Odenbachtal überschwemmt hätten. In Niederkirchen, bei der<br />

Biegenmühle, ertrank am 15. Juli die unverheiratete, 36jährige Anna Juliana<br />

Gödel aus Hefersweiler, die zu Besuch bei ihren Geschwistern war. Sie war<br />

gerade dabei, Forellen zu putzen!<br />

1754: Am 4ten März 1754 kam Wilhelm Mohr, der Sohn der Eheleute Johann<br />

Michael Mohr und seiner Ehefrau Anna Catharina auf die Welt. Die Mohrs<br />

stammten aus der Schweiz und waren R.R. = Reformierter Religion, eine der<br />

drei akzeptierten christlichen Glaubensrichtungen nach dem 30jährigen Krieg. Die<br />

Mohr Familie lebte inmitten der lutherischen Nordpfalz. Heute versteht keiner<br />

mehr, was überhaupt die Christen trennt. Aber damals. Wilhelm, der Sohn des<br />

Schweizer Immigranten Rudolphs war integriert. Glauben hin, Glauben her.<br />

Wegen minimalster theologischer Differenzen isoliert zu sein. Nein, er fühlte sich<br />

in Seelen sauwohl und ließ seinen Sohn Johann Jacob vom lutherischen Pfarrer<br />

taufen. Die Paten waren aus Berzweiler, Messersbach, Reichsthal Gemeinsam<br />

wollte die Gesellschaft mit dem Pfarrer in die Rudolfskirchener Kirche<br />

prozessieren. Aber „die sehr kalte Witterung in loco Seelen“ machte einen Strich<br />

durch die Planung. Die Taufe fand im Seelener Schulhaus statt<br />

(Kirchenbucheintrag Seelen).<br />

1757: Das im Februar abgegangene Eis verursachte Zerstörungen, wie sie die<br />

ältesten Leute noch nicht erlebt hatten. In den Wiesen hätten drei und mehr<br />

Schuh 304 (etwa 90 cm) hoch der Kies und Schutt gelegen. Das Wasser hätte die<br />

Äcker zerrissen, die Wintergerste weggerissen. Zur Schadensbeseitigung seien<br />

drei oder mehr Jahr notwendig gewesen! 305<br />

1760, 2. Juli, Unwetter in Neuhemsbach 306 : Ein Neuhemsbacher, * 1756 und<br />

1836 dort gestorben, berichtete von einem schrecklichen Unwetter. Den<br />

Erzählungen nach, soll seine Mutter ihre Familie aufgefordert haben, auf die Knie<br />

zu fallen und zu beten, denn der „Jüngste Tag“ sei da. „Man hörte in der Luft nur<br />

Getöse, als wenn alle himmlischen Heerscharen in Anzug wären, um mit der Welt<br />

Gericht zu halten“ Einige Tage später verbreitete sich die Nachricht, dass<br />

Neuhemsbach fast gänzlich zerstört sei. Das plötzlich einsetzende Unwetter<br />

überraschte viele Hemsbacher auf dem freien Feld, wo sie bei Erntearbeiten<br />

waren. Kein Baum, kein Strauch boten Schutz. Die eiergroßen Schloße verletzten<br />

die Schutzlosen derart am Kopf, dass sie mit blutigen Köpfen heimeilten. Auch da<br />

gab es keinen großartigen Schutz mehr, denn der Hagelsturm hatte die<br />

Strohdächer zerstört. Dies war schlimm, aber reparabel Am schlimmsten aber war,<br />

dass die Ernte vernichtet war und sie ohne fremde Hilfe verhungern mussten. Die<br />

Gebete und die Not erweichten so das Herz des Prinzen Sayn von Wittgenstein,<br />

dass sie in seinem Wald Holz fällen und auf eigene Rechnung verkaufen durften.<br />

304 ) Schuh und /oder Fuß, war die alte Maßeinheit<br />

305 ) Albert Zink, Chronik der Stadt Lauterecken, 1968, 314<br />

306 ) Oskar Weller, Schloßen schlagen blutige Köpfe, aus „Die Rheinpfalz“, 2.7.2003<br />

199


200<br />

200<br />

Da doch mit staatlicher Hilfe alles ziemlich glimpflich verlaufen war, beschlossen<br />

die Neuhemsbacher auf Vorschlag und Drängen des Pfarrers Höpfners von<br />

Sembach, den 2. Juli als Schloßentag, als Buß-, Bet- und Dankestag jährlich mit<br />

einem Festgottesdienst zu feiern..<br />

1764: den 31ten Januar wurde Michel Willrich, Erbbeständer und Witwer zu<br />

Berzweiler mit Anna Elisabetha, Michel Hasemanns, Gemeinsmann und<br />

Kirchenvorstehers zu Nußbach Tochter, nach geschehener 3mahliger<br />

Proklamation wegen allzu stürmischen Wetters in Berzweiler im Haus<br />

copuliert“ (KB Berzweiler)<br />

1764: „Johann Peter Lanzer, Wagner in Seelen, wurde den 6ten März mit<br />

Maria Magdalena Sattler, des Schuhmachermeisters von Finckenbach, Heinrich<br />

Sattlers Tochter pravia trina Proclamation in loco Seelen, weilen man wegen des<br />

tiefen Schnees nicht nach Rudolfskirchen (Kirche) kommen können, in des<br />

dasiegen Censoren Peter Schwab Haus copuliert“ (aus dem Hochzeitsregister<br />

Seelen von 1764)<br />

1770: Dieser Winter war extrem hart. Jeden Tag Schneefälle, besonders die<br />

Höhenlagen waren betroffen. So auch in Seelen. Johannes Zimmer hatte<br />

rechtzeitig im Herbst den Hochzeitstermin mit seiner geliebten Anna Catharina<br />

Geip festgelegt. Da unser Pfarrer Feuerbach für viele Dörfer im Umkreis<br />

zuständig war, mussten sich die Verlobten auch nach ihm richten. Am 18.<br />

Februar sollte die Ehe in der festlich geschmückten, neuen Kirche in<br />

Rudolfskirchen geschlossen werden. Aber der Wettergott machte dem Paar einen<br />

Strich durch die Rechnung. Feuerbach kam im Schlitten nach Seelen und dann<br />

war Schluss. Er hielt die Zeremonie im lutherischen Schulhaus Seelen ab, da<br />

„wegen des tiefen Schnees“ der Gang nach Rudolfskirchen einfach unmöglich<br />

war.<br />

1770/ 1771: Kaum hatte sich die Landwirtschaft erholt, brachen neue<br />

Unglücke herein, die Missernten der <strong>Jahre</strong> 1770 und 1771 in ganz Westeuropa<br />

und in deren Gefolge eine allgemeine Hungersnot. Die Getreidepreise<br />

explodierten und waren fast unbezahlbar. Um Saatgut kaufen zu können, mussten<br />

die Bauern einen Kredit von z.B. 200 Gulden aufnehmen. Sie gaben<br />

Wiesengrundstücke, Äcker, Gebäude im Wert von über 400 Gulden als<br />

Unterpfand. Konnten Zins und Tilgung dann nicht gezahlt werden, so war dies<br />

für die Familie eine Katastrophe.<br />

1776: Aus dem unveröffentlichten Handbuch des Johann Peter Braun 307 ,<br />

Niederkirchen, (letzte Seite) entnehmen wir folgenden Eintrag: „Den 17ten Juli<br />

hat der Herr, großer Gott, Donnerwetter geschickt in der Nacht um ein Uhr, dass<br />

die Früchte auf dem Felde alle zerschlagen wurden, dass man keine Handvoll<br />

mehr kann schneiden, kein Korn, kein Spelz (= Dinkel), kein Haber (= Hafer) und<br />

gar keine Früchte mehr auf dem Felde und die Bäume aus den Wurzeln gerissen<br />

und dem Johannes Braun, ein Kelter Schob 308 , ein Viehstall, ein Bierhaus, den<br />

307 ) Johann Peter Braun, Niederkirchen, * 16.12.1807, > 7.9.1884, oo 13.2.1830 Carolina Braun<br />

308 ) Wir würden heute Kelterschuppen schreiben!

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