JAHRBUCH - Glowfish

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596 E. Jones. empfindungen) im Penis und hatte beständig den Drang, denselben zu kneten und seine Lage zu verändern. Mit 16 Jahren hatte er die Masturbation wieder aufgenommen und seither immer geübt, jedoch nie exzesisv; es war seine einzige direkte Sexualbetätigung. Zu den wichtigen Quellen sexuellen Interesses gehörten bei dem Patienteij auch Miktion und Urin, was leicht aus der Tatsache geschlossen werden kann, daß er jahrelang an übertriebener Häufigkeit der Miktion litt und zu gleicher Zeit Schwierigkeiten hatte, den Akt zu vollführen. Das Interesse war, wie dies oft der Fall ist, mit Exhibitions- und Schaulusttendenzen verknüpft, besonders in bezug auf seine Mutter und Schwester; die Quellen dieses Zusammenhanges brauchen nicht näher erläutert zu werden. In einer seiner Erinnerungen, wahrscheinlich war es nur eine Wunschphantasie, sah er sich auf seiner Mutter Schoß sitzen und fühlte ihren Urin durch ihr Kleid dringen und seinen Arm nässen. Die Beziehung dieser ganzen Komplexgruppe zum Regenwetter usw. wurde oben in dem Abschnitte über Exhibitionismus besprochen. Obschon er einige Fellatioerlebnisse mit dem Bruder und hauptsächlich der Schwester gehat hatte, schien seine Lippenund Mundregion als primäre erogene Zone nicht sehr aktiv, aber der Mund hatte sekundär große Bedeutung erlangt als untergeordnete Kloake. Er hatte beim Mund dasselbe Unreinlichkeitsgefühl wie beim ganzen übrigen Ernährungstraktus ; er hatte beständig den Drang, ihn auszuspülen und tat dies mehrmals des Tages. Bei seiner Arbeit mußte er bisweilen einen Zeddel in den Mund nehmen, um ihn zu halten und war dann genötigt, sorgfältigst die Hände zu waschen, da dieselben mit Speichel befleckt waren. Speichel war ihm besonders schädlich und er hatte einmal die Phobie, ein Mann speie ihm ins Auge oder in den Mund. Dies hatte eine doppelte Bedeutung: eine homosexuell-masochistische Angst vor Samen und den analerotischen Ekel vor Exkretionen aus einer Ernährungszone. Interessanter aber als dies waren die Manifestationen des „sekundären Autoerotismus", wie Freud es nennt. Sadger^) beschreibt diesen Prozeß folgendermaßen: „Der Trieb ist noch immer autoerotisch und eines fremden Objektes entbehrend. Er knüpft des weiteren immer an erogene Zonen an, genau wie beim Kinde mid bevorzugt dieselben Schleimhäute: Lippen und After. Insoweit läuft der sekundäre Autoerotismus dem primären parallel. Hingegen steht bei ersterem die Vorherrschaft der Geschlechtsorgane 1) Sadger: Dieses Jahrbuch, 1910, S. 105.

Einige Fälle von Zwangsneurose. 597 fest, 80 daß nur die einzige Aufgabe bleibt, das Membrum zur Schleimbaut der haupterogenen Zone zu führen, d. h. in den Mund oder Anus zu stecken." Diese beiden Wünsche waren bei unserem Patienten vorhanden. Er machte verzweifelte Versuche, seinen eigenen Penis zu küssen, natürlich vergebens; der Anblick eines seinen Penis leckenden Hundes oder einer Katze erregte ihn. Dann schwelgte er in Phantasien, in welchen er seinen Penis in seinen eigenen Anus einführte; darin wurde er noch bestärkt durch eine sonderbare Drohung seiner Mutter: ,J'll make you get up your own hole." Die Sache wurde aber kompliziert durch die Tatsache, daß der Patient zwei haupterogene Zonen mit männlichen Attributen behalten oder entwickelt hatte. Der männliche Sexualakt konnte nicht nur ausgeführt werden, indem eine vom Penis ausgehende Substanz (Samen) in eine Öffnung projiziert wurde, sondern auch eine vom Anus ausgehende (Flatus). Da der Anus in diesem Falle die absondernde Öffnung war, konnten als rezeptive nur Mund oder Nase dienen. Daher seine frühzeitige Vorliebe für Flatusgeruch und die späteren Elaborationen und Reaktionen gegen diese Tendenz. Wir haben oben gesehen, daß füi- ihn der Gedanke ein unbewußtes Äquivalent für Flatus war, eine Tatsache, die weitere Elaborationen dieses Komplexes ermöglichte. Wenn ihn gegen seinen Willen obszöne Gedanken erfüllten, spürte er einen unangenehmen Geschmack im Munde (rezeptives Organ) und er versuchte sich durch ausspeien oder Mundspülen davon zu befreien, wie er zum selben Zweck auch den Kopf zu schütteln pflegte. Er bediente sich dieser Symbolik auch in den zahlreichen Autosuggestionen, die er sich gab, eine Prozedur, bei der sich sein sekundärer Autoerotismus prachtvoll befriedigen ließ^). Er hatte aus verschiedenen Kulten und von Quacksalbern eine große Anzahl von Formeln für diesen Zweck, einige davon habe ich oben wiedergegeben. Den ersten Hinweis auf die Bedeutung dieser Prozedur erhielt ich durch die folgende Symptomhandlimg : Jedesmal, wenn er ein Beispiel der Autosuggestionen erzählte, was zuerst nur unter größten Widerständen geschah, wegen des magischen Geheimnisses, das damit verbunden war, bewegte er dazu die Hand von der Genital- 1) Soviel ich weiß, ist diese Symbolik noch nicht beschrieben worden, aber wenn meine Auslegung zutrifft, worüber im vorliegenden Fall kein Zweifel ist, ist sie jedenfalls gar nicht selten. Sie wirft ein Licht auf die Wirksamkeit verschiedener Rezepte für ..Willensstärkung durch Autosuggestion" und ist eine weitere Illustration zu der Tatsache, daß die Mittel, die zur Bekämpfung der Sexualität (e. s. Religion) gebraucht werden, selbst sexuell sind: Naturam expellas furca, tarnen usque reciuret.

596 E. Jones.<br />

empfindungen) im Penis und hatte beständig den Drang, denselben zu<br />

kneten und seine Lage zu verändern.<br />

Mit 16 Jahren hatte er die Masturbation<br />

wieder aufgenommen und seither immer geübt, jedoch nie<br />

exzesisv; es war seine einzige direkte Sexualbetätigung. Zu den<br />

wichtigen Quellen sexuellen Interesses gehörten bei dem Patienteij auch<br />

Miktion und Urin, was leicht aus der Tatsache geschlossen werden<br />

kann, daß er jahrelang an übertriebener Häufigkeit der Miktion litt<br />

und zu gleicher Zeit Schwierigkeiten hatte, den Akt zu vollführen.<br />

Das Interesse war, wie dies oft der Fall ist, mit Exhibitions- und Schaulusttendenzen<br />

verknüpft, besonders in bezug auf seine Mutter und<br />

Schwester; die Quellen dieses Zusammenhanges brauchen nicht näher<br />

erläutert zu werden. In einer seiner Erinnerungen, wahrscheinlich<br />

war es nur eine Wunschphantasie, sah er sich auf seiner Mutter Schoß<br />

sitzen und fühlte ihren Urin durch ihr Kleid dringen und seinen Arm<br />

nässen. Die Beziehung dieser ganzen Komplexgruppe zum Regenwetter<br />

usw. wurde oben in dem Abschnitte über Exhibitionismus<br />

besprochen. Obschon er einige Fellatioerlebnisse mit dem Bruder<br />

und hauptsächlich der Schwester gehat hatte, schien seine Lippenund<br />

Mundregion als primäre erogene Zone nicht sehr aktiv, aber der<br />

Mund hatte sekundär große Bedeutung erlangt als untergeordnete<br />

Kloake.<br />

Er hatte beim Mund dasselbe Unreinlichkeitsgefühl wie beim<br />

ganzen übrigen Ernährungstraktus ; er hatte beständig den Drang,<br />

ihn auszuspülen und tat dies mehrmals des Tages.<br />

Bei seiner Arbeit<br />

mußte er bisweilen einen Zeddel in den Mund nehmen, um ihn zu halten<br />

und war dann genötigt, sorgfältigst die Hände zu waschen, da dieselben<br />

mit Speichel befleckt waren. Speichel war ihm besonders schädlich<br />

und er hatte einmal die Phobie, ein Mann speie ihm ins Auge oder in den<br />

Mund. Dies hatte eine doppelte Bedeutung: eine homosexuell-masochistische<br />

Angst vor Samen und den analerotischen Ekel vor Exkretionen<br />

aus einer Ernährungszone. Interessanter aber als dies waren die<br />

Manifestationen des „sekundären Autoerotismus", wie Freud es<br />

nennt.<br />

Sadger^) beschreibt diesen Prozeß folgendermaßen: „Der Trieb<br />

ist noch immer autoerotisch und eines fremden Objektes entbehrend.<br />

Er knüpft des weiteren immer an erogene Zonen an, genau wie beim<br />

Kinde mid bevorzugt dieselben Schleimhäute: Lippen und After.<br />

Insoweit läuft der sekundäre Autoerotismus dem primären parallel.<br />

Hingegen steht bei ersterem die Vorherrschaft der Geschlechtsorgane<br />

1) Sadger: Dieses Jahrbuch, 1910, S. 105.

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