JAHRBUCH - Glowfish

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548 J. Nelken. merkwürdige Handhmgen, uriniert z. B. in den Pantoffel oder wirft sein Taschentuch in den Abtritt nnd bleibt sehr zurückgezogen und niedergedrückt. An einem Tage ist er sehr stuporös, will mit dem Abteilungsarzte nicht sprechen nnd wendet sich von ihm ab. „Alles sei verloren, er wolle mit dieser Erde nichts mehr zu tun haben, nur mit der Himmelskönigin möchte er weiter verkehren." In den Wachsaal versetzt, liegt er dort starr im Bette, verbigericrt stets: Merci, Merci, Merci — 3 mal gesagt", ..Messer, Messer, Messer, Messer — 4 mal gesagt" usw. Gegen Abend stieg er vielmal aus dem Bette, sprach von Kohlendunst und Gift, wurde immer lauter und aggressiv gegen andere Patienten. Er wird darauf in den unruhigen Wachsaal versetzt. Dort liegt Patient am folgenden Tag absolut negativistisch im Bette. Der Mund ist in Schnauzkrampf verzogen, die Augen sind geschlossen. Er wendet sich sofort ab, wenn man ihn anspricht; sogar mit dem Verfasser, auf den er sonst gewöhnlich eine deutliche Übertragung hatte, will er nicht sprechen. Unrein, schmiert. Am Abende sitzt der Patient im Bette gebeugt und bewegt sich langsam nach vorne und nach hinten; plötzlich beginnt er freudig auf- und abzuschnellen. — Auf Fragen gibt er keine Antwort, spricht aber manchmal monoton vor sich hin. Er spüre Schmerzen in der rechten Ferse, wie bei der Kreuzigung . . . die Himmelskönigin werde von den Menschen geschändet ... er sei keinen Augenblick sicher, vergiftet zu werden . . . er sei allein mit der Himmelskönigin auf der ganzen Erde geblieben. Dieser Zustand dauerte noch einige Tage. Der Patient kam nach und nach zum Sprechen, beruhigte sich allmählich und konnte wieder auf die halbunruhige Abteilung versetzt werden. Psychischer Inhalt. Die Zeit zwischen dem zweiten und dritten katatonischen Anfall ist eigentlich die Zeit der Erwartung der Himmelskönigin und auch der Angriffe seitens der feindlichen Partei. Patient bleibt ganze Nächte im Bette wach oder steht bei der Türe, bereitet sich zum Abgeholtwerden oder zum Beischlafe vor: er geht z. B. in den Kleidern ins Bett, will einmal auch den Hut ins Bett mitnehmen, oder zieht sein Hemd aus imd macht in seinem Bette Platz für die Gemahlin. Es scheint ihm, daß die Himmelskönigin in der Nähe sei, sie verkehrt geschlechtlich mit seinen Feinden : er lauscht und schaut zu. Manchmal hört er draußen die Himmelskönigin wie in Verzweiflung flüstern und vernimmt gleichzeitig das unheimliche Gemurr eines Stieres. Gegen Morgen versinkt er ganz erschöpft in Schlaf. Gegen Anfang des Anfalles ändert sich dieses Bild in charakteristischer Weise. Patient bemerkt z. B. in der Nacht, daß sich eine Luftmasse an seine Genitalien drückt: er glaubt, daß sich diese Luftmasse zur Himmelskönigin ,, materialisieren" werde, es treten aber andere Erscheinungen ein. In der Nacht sah er, als er bei der Tür stand, plötzlich den untern Teil eines Gesichtes, den Mund eines Weibes, so daß er den Eindruck bekam, es könne seine Schwester sein: das Gesicht hat die gleichen Lippen gehabt wie seine Schwester; es ekelte ihn vor diesem Gesichte. Dann rief er sich das Bild eines schönen Mädchens zurück, das er in einem grünen Heft gesehen hat. Die ganze Nacht hatte er starke Erektionen und mußte onanieren ; im Bette lag er zwischen sammet-

Analytische ßeobachtuageu über Phautasien eines Scliizophrenen. 549 weichen Körpern, wie in Flammen, beim Erwachen onanierte er wieder. In der folgenden Nacht schien ihm das Zimmer ganz fremd. Er wurde geweckt und die Himmelskönigin sagte ihm, daß seine vermutliche Schwester Mathilde im Zimmer sei und ihn küssen wolle. Es schien ihm, als hätte sie ihn in ihre Gewalt bringen wollen. Wenn er im Bette gewesen wäre und geschlafen hätte, dann hätte sie sich seines Körpers bemächtigt, dann wäre er verloren gewesen, im Körper und im Geiste wäre er zu seiner Schwester hinübergezogen, dann wäre er zum Teufel geworden. Er blieb dann bei der Tür, damit sie sich nicht „dematerialisieren" könne. Bei der Tür muß er das Bewußtsein verloren haben, und dann fühlte er wie einen Schlag auf die Stirn und die Nasenwurzel. Er hatte den Eindruck bekommen, er habe furchtbar mit der Schwester gekämpft mid furchtbar mit den Fäusten dreingeschlagen. Im Bette neben ihm sei ein Mann, wie der Majordomus, gewesen. Dieser Mann hat ihm seine Rute über die Augen gehalten und Urin darauf abgelassen. Nachher habe sich in diesem Bette seine Mutter befunden „mit dem Inhalte von allen Verwandten der Mutter". Auf sein Bett sei wieder die Luftmasse gekommen. Er glaubte wieder, es sei die Luftmasse von seiner Ehegemahlin, es habe sich aber ein Brandgeruch verbreitet, die Masse stammte wahrscheinlich von seiner Mutter, welche ihn benutzen wollte. Um sich gegen die Angriffe der Mutter zu w^ehren, habe er mit Fäusten gegen seine Geschlechtsteile geschlagen. Am nächsten Morgen habe im Bett eine ganz fremde Gestalt gelegen. Er hatte überhaupt den Kindruck, daß der Samen aus seinem Körper durch höllische Mächte herausgepumpt werden könne. In verschiedenen Körperteilen habe er die Gifte gespürt, welche in seinen Körper eingeführt worden seien, gegenwärtig und in der früheren Zeit. In verschiedenen Teilen seines Körpers haben sich Giftmischungen gesammelt; es kam ihm vor, als habe er einen ungeheuer starken Körper, welchen man durch nichts umbringen kann. In den Unterschenkeln hatte er einen besonderen Schmerz — sie seien wie gebrochen gewesen — er hatte das Gefühl, wie wenn er mit schweren Eisenstangen Schläge auf die Beine bekommen hätte. Durch alles, was er beobachtet hat, bekam er den p^indruck, daß es eine wunderbare Nacht gewesen sei imd daß er doch Gott sein müsse. Es war wie ein Zurückgehen zum Urgotte; es schien ihm. daß er wieder von Menschen gekreuzigt, gehängt^) worden sei: es sei ihm so gewesen, wie wenn ihm die Knochen im Halse auseinandergegangen wären, und er könne tatsächlich nicht schlucken. Es kam ihm auch vor, wie w^enn die Himmelskönigin eine Urgöttin gewesen wäre, als sei sie in die Vergangenheit noch weiter zurückgegangen als er, wie wenn sie die Mutter Gottes wäre. Es kam ihm vor, als ob er die ganze Zurückentwicklung der Menschheit, seiner Ehegemahlin, auch *) Das Motiv des Aufhängens der Götter findet sich in der Antike (z. B. Apollo und Marsyas) und tritt besonders stark bei den Sonnengöttern Vorderasiens hervor. Nach den Worten des eddischen Havanial hing auch Odin neun Nächte hindurch an einem vom Wind bewegten Baum, ,, verwundet von Speer, geweiht dem Odin, er selber, sich selb-st."

548 J. Nelken.<br />

merkwürdige Handhmgen, uriniert z. B. in den Pantoffel oder wirft sein<br />

Taschentuch in den Abtritt nnd bleibt sehr zurückgezogen und niedergedrückt.<br />

An einem Tage ist er sehr stuporös, will mit dem Abteilungsarzte<br />

nicht sprechen nnd wendet sich von ihm ab. „Alles sei verloren,<br />

er wolle mit dieser Erde nichts mehr zu tun haben, nur mit der Himmelskönigin<br />

möchte er weiter verkehren." In den Wachsaal versetzt, liegt<br />

er dort starr im Bette, verbigericrt stets: Merci, Merci, Merci — 3 mal<br />

gesagt", ..Messer, Messer, Messer, Messer — 4 mal gesagt" usw. Gegen<br />

Abend stieg er vielmal aus dem Bette, sprach von Kohlendunst und Gift,<br />

wurde immer lauter und aggressiv gegen andere Patienten. Er wird darauf<br />

in den unruhigen Wachsaal versetzt. Dort liegt Patient am folgenden<br />

Tag absolut negativistisch im Bette. Der Mund ist in Schnauzkrampf<br />

verzogen, die Augen sind geschlossen. Er wendet sich sofort ab, wenn<br />

man ihn anspricht; sogar mit dem Verfasser, auf den er sonst gewöhnlich<br />

eine deutliche Übertragung hatte, will er nicht sprechen.<br />

Unrein, schmiert.<br />

Am Abende sitzt der Patient im Bette gebeugt und bewegt sich langsam<br />

nach vorne und nach hinten; plötzlich beginnt er freudig auf- und abzuschnellen.<br />

— Auf Fragen gibt er keine Antwort, spricht aber manchmal<br />

monoton vor sich hin. Er spüre Schmerzen in der rechten Ferse, wie bei<br />

der Kreuzigung . . . die Himmelskönigin werde von den Menschen geschändet<br />

... er sei keinen Augenblick sicher, vergiftet zu werden . . .<br />

er sei allein mit der Himmelskönigin auf der ganzen Erde geblieben. Dieser<br />

Zustand dauerte noch einige Tage. Der Patient kam nach und nach zum<br />

Sprechen, beruhigte sich allmählich und konnte wieder auf die halbunruhige<br />

Abteilung versetzt werden.<br />

Psychischer Inhalt. Die Zeit zwischen dem zweiten und dritten<br />

katatonischen Anfall ist eigentlich die Zeit der Erwartung der Himmelskönigin<br />

und auch der Angriffe seitens der feindlichen Partei. Patient<br />

bleibt ganze Nächte im Bette wach oder steht bei der Türe, bereitet sich<br />

zum Abgeholtwerden oder zum Beischlafe vor: er geht z. B. in den Kleidern<br />

ins Bett, will einmal auch den Hut ins Bett mitnehmen, oder zieht sein<br />

Hemd aus imd macht in seinem Bette Platz für die Gemahlin. Es scheint<br />

ihm, daß die Himmelskönigin in der Nähe sei, sie verkehrt geschlechtlich<br />

mit seinen Feinden : er lauscht und schaut zu. Manchmal hört er draußen<br />

die Himmelskönigin wie in Verzweiflung flüstern und vernimmt gleichzeitig<br />

das unheimliche Gemurr eines Stieres. Gegen Morgen<br />

versinkt er ganz erschöpft in Schlaf. Gegen Anfang des Anfalles ändert<br />

sich dieses Bild in charakteristischer Weise. Patient bemerkt z. B. in<br />

der Nacht, daß sich eine Luftmasse an seine Genitalien drückt: er glaubt,<br />

daß sich diese Luftmasse zur Himmelskönigin ,, materialisieren" werde, es<br />

treten aber andere Erscheinungen ein. In der Nacht sah er, als er bei<br />

der Tür stand, plötzlich den untern Teil eines Gesichtes, den Mund eines<br />

Weibes, so daß er den Eindruck bekam, es könne seine Schwester sein:<br />

das Gesicht hat die gleichen Lippen gehabt wie seine Schwester; es ekelte<br />

ihn vor diesem Gesichte. Dann rief er sich das Bild eines schönen Mädchens<br />

zurück, das er in einem grünen Heft gesehen hat. Die ganze Nacht hatte<br />

er starke Erektionen und mußte onanieren ; im Bette lag er zwischen sammet-

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