JAHRBUCH - Glowfish

JAHRBUCH - Glowfish JAHRBUCH - Glowfish

web568.rs013.glowfish.de
von web568.rs013.glowfish.de Mehr von diesem Publisher
01.11.2013 Aufrufe

Aus der psychiatrischen Universitätsklinik in Zürich. Analytische Beobachtungen über Phantasien eines Schizophrenen. Von Dr. Jan Nelken, gew. I. Assistenzarzt. A. Einleitung. Seit der loirzen Notiz Freuds^) über einen Fall von Paranoia (Dementia paranoides) und der Arbeit Jungs^) über die Psychologie der Dementia praecox wurde die Komplexpsychologie dieser Psychose weiter ausgebaut, und zwar nach beiden Richtungen hin : in der Richtung der psychischen Mechanismen und in der der Symbolik. Zwar sind die bis jetzt publizierten vollständigen Analysen der Dementia praecox noch nicht zahlreich, es bietet sich aber jedem Anstaltsarzt immerhin oft genug die Gelegenheit, bei seiner alltäglichen Tätigkeit auf die Freudschen Mechanismen zu stoßen. Auch die Forschung der individuellen SymboHk erlebte eine fruchtbare Erweiterung durch die psychoanalytischen Untersuchungen der folkloristischen und mythologischen Bildungen. Durch die Forschungen Jungs besonders angeregt, entschheße ich mich, eine ausführliche Psychoanalyse eines Schizophrenen dem Druck zu übergeben. Der Fall ist insofern nicht ohne Interesse, als der Kranke, ein chronischer Paranoider, gerade in der Zeit der Beobachtung mehrere katatonische Anfälle durchgemacht hat, bei denen er sich seinen tiefsten Phantasien hingab. Der Analyse gelang es, diese Phantasien in statu nascendi aufzudecken und die allmähliche Entwicklung der grundliegenden Komplexe zu beobachten. ^) Freud, Die Abwehr-Neuropsychosen. Sammlung kleiner Schriften zur Neurosenlehre, I. Folge. ^) Jung, Über die Psychologie der Dementia praecox.

; Analytische Beobachtungen über Phantasien eines Schizophrenen. 505 Die Analyse nahm die Zeit von 8 Monaten (Nov. 1910 bis Juli 1911) in Anspruch. In dieser Zeit war der Patient nicht immer der Analyse zugänglich: die reichste Produktivität fiel meistens auf die Stadien unmittelbar vor und nach den katatonischen Anfällen. Während der Anfälle selbst war er meistens sehr stark introvertiert und negativistisch das klinisclie Bild allein (z. B. motorisch-sprachliche Stereotypien) erschien besonders in den ersten Zeiten der Analyse ganz rätselhaft. Auch während der längeren Intervalle zwischen einzelnen katatonischen Anfällen zog sich der Kjanke in das Paranoide zurück und produzierte nichts Neues. Da ich anderseits bald bemerkte, daß sich die Phantasien des Patienten zu einem Komplexsystem entwickelten, wollte ich mit den Deutungen nicht vorauseilen; ich zog es vor abzuwarten, bis der nächste katatonische Anfall selbst die Deutung brachte. Alle diese Umstände übten einen Einfluß auf die Zeit und den Umfang der Analyse aus. Nachfolgend wird das Material meiner Arbeit in einer abgekürzten und geordneten Form wiedergegeben. Alle Familiennamen sind Pseudonym. B. Krankengeschichte. Der Patient ist 1865 geboren. Seine Eltern sind gestorben. Sein Vater war ein einfacher Seidenarbeiter, der sich emporgearbeitet hat und zur Zeit der Geburt des Patienten schon eine kleine Seidenweberei in Pacht hatte. Seine Mutter^) stammte aus einer besseren Familie. Bald nach der Heirat erkrankte sie an Nervenfieber, infolgedessen sich eine dauernde Nervenkrankheit entwickelte: ,,es hat sie ins Religiöse geworfen" imd sie wurde bald eine eifrige Anhängerin einer religiösen Sekte. — Einer von ihren Brüdern starb in einer Irrenanstalt. Ein anderer Bruder der Mutter war ein reicher Fabrikbesitzer, welcher in der Familie des Patienten als die Verkörperung des Wohlstandes und der Vornehmheit galt. — Die einzige Schwester^) des Patienten ist seit zirka 11 Jahren verheiratet. Die geistige Entwicklung des Patienten zeigte bis zu den Pubertätsjahren nichts Abnormes: er galt überall als ein gesimdes, ruhiges, gutes Kind, welches sich niemals etwas Unanständiges, weder im Wort noch im Handeln erlaubte. In der Primarschule und in einem Institut, in dem er sich weiter ausbildete, machte er gute Fortschritte. In dem Alter von ungefähr 14 Jahren trat eine Charakteränderung ein: der Patient, welcher bis dahin ziemlich fröhlich war, wurde außerordenthch schüchtern vmd vermied die Gesellschaft. Gleichzeitig erkrankte er an Gelenkrheumatismus und wählte sich den Vegetarismus als Hilfs- ') Mit dem Vornamen Elisabeth. -) Mit dem Vornamen Mathilde.

Aus der psychiatrischen Universitätsklinik in Zürich.<br />

Analytische Beobachtungen über Phantasien<br />

eines Schizophrenen.<br />

Von Dr. Jan Nelken, gew. I. Assistenzarzt.<br />

A. Einleitung.<br />

Seit der loirzen Notiz Freuds^) über einen Fall von Paranoia<br />

(Dementia paranoides) und der Arbeit Jungs^) über die Psychologie<br />

der Dementia praecox wurde die Komplexpsychologie dieser Psychose<br />

weiter ausgebaut, und zwar nach beiden Richtungen hin : in der Richtung<br />

der psychischen Mechanismen und in der der Symbolik. Zwar sind die<br />

bis jetzt publizierten vollständigen Analysen der Dementia praecox<br />

noch nicht zahlreich, es bietet sich aber jedem Anstaltsarzt immerhin<br />

oft genug die Gelegenheit, bei seiner alltäglichen Tätigkeit auf die<br />

Freudschen Mechanismen zu stoßen. Auch die Forschung der individuellen<br />

SymboHk erlebte eine fruchtbare Erweiterung durch die<br />

psychoanalytischen Untersuchungen der folkloristischen und mythologischen<br />

Bildungen. Durch die Forschungen Jungs besonders angeregt,<br />

entschheße ich mich, eine ausführliche Psychoanalyse eines<br />

Schizophrenen dem Druck zu übergeben. Der Fall ist insofern nicht<br />

ohne Interesse, als der Kranke, ein chronischer Paranoider, gerade in<br />

der Zeit der Beobachtung mehrere katatonische Anfälle durchgemacht<br />

hat, bei denen er sich seinen tiefsten Phantasien hingab. Der Analyse<br />

gelang es, diese Phantasien in statu nascendi aufzudecken und die<br />

allmähliche Entwicklung der grundliegenden Komplexe zu beobachten.<br />

^) Freud, Die Abwehr-Neuropsychosen. Sammlung kleiner Schriften<br />

zur Neurosenlehre, I. Folge.<br />

^) Jung, Über die Psychologie der Dementia praecox.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!