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JAHRBUCH - Glowfish

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Die Destruktion als Ursache des Werdens. 487<br />

Dieses Symbol entsteht auf dem Wege der Identifikation.<br />

Eines Abends<br />

erzählte mir eine Kollegin (Medizinerin), wie gern sie ein Kind haben<br />

möchte. In der folgenden Nacht träumt sie, sie müsse in einen engen<br />

Gang hineinkriechen, der keine Durchgangsöffnung hat, sondern im Gebäude<br />

endigt (wie der Geburtskanal im Mutterleibe). Ich lasse sie mir<br />

zeigen, wie sie gekrochen ist, und sie erinnert sich,<br />

daß sie genau die Bewegungen<br />

eines Kindes bei der Geburt in erster oder zweiter Schädellage<br />

nachmachte. Dabei hatte sie Angst, sie könne nicht mehr hinein, der<br />

Gang sei zu eng und wird immer enger, so daß sie fast zerdrückt wird.<br />

Patientin Frau M. (Dementia praecox) sieht sich mit den Kindern<br />

ins Wasser ausgesetzt und die Seelen werden dann durch Christus<br />

gerettet, i. e. kommen als Kinder wieder auf die Welt (da ja die<br />

Destruktion zimi Werden führt). Auch Nietzsche liefert eine ähnliche<br />

Destruktionssymbolik bei der Geburt seines Gedankens, der bei ihm<br />

die Stelle des Kindes vertritt. Zarathustra wehrt sich gegen den<br />

Schöpfungsakt mit Ausdrücken des Ekels, wie wenn die Schöpfung<br />

etwas Unreines wäre. Das erinnert an seine Worte : ,,Wer gebären muß —<br />

ist krank, wer aber geboren hat — ist unrein." Selbstverständlich<br />

muß der die Stelle des Kindes vertretende Gedanke so gestaltet sein,<br />

daß er neben dem Wünschenswertesten auch das Grauenliafteste<br />

enthält, damit er der Sehnsucht Zarathustras, sich an seine Kinder<br />

zu verlieren, gerecht werden kann. Dieses ist auch der Fall : der Gedanke<br />

sagt das Höchste, daß der Übermensch immer wiederkehren wird, und<br />

das Niederste, daß der kleinste Mensch immer wiederkehren wird.<br />

Da nun Nietzsche sich beständig mit der höchsten Lebensbejahung<br />

beschäftigt, so sagt ihm zugleich sein Wunschgedanke, daß diese Bejahung<br />

ohne Verneinung nicht vorkommen kann, im Höchsten auch das<br />

Niederste enthalten ist. Diese grauenhafte Komponente ist auch tatsächlich<br />

imstande, Zarathustra zu überwältigen : 7 Tage liegt er wie tot<br />

regungslos da; er kämpft dabei mit einem schrecklichen Tiere, welclies<br />

seine eigene Tiefe ist, also seine eigene Sexualpersönliclikeit. Diesem<br />

beißt er den Kopf ab,<br />

er<br />

also mordet er seine eigene Sexualität und indem<br />

sich selbst mordet, erlangt sein abgründlicher Gedanke die höchste<br />

Lebenskraft und mit ihm der auferstandene Nietzsche.<br />

Interessant ist die Sage vom russischen Fürsten Oleg. Diesem wird<br />

prophezeiht, er werde von seinem geliebtesten Pferde den Tod erhalten.<br />

Um diesem Spruche zu entrinnen, übergibt er sein Pferd den Dienern<br />

und läßt es besonders gut behandeln. Nach einiger Zeit erfährt er,<br />

sein Pferd wäre tot. Klagend steht er an dessen Grabe und schimpft

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