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JAHRBUCH - Glowfish

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Die Destruktion als Ursache des Werdens. 48o<br />

,,Der Mensch ist etwas, das überwunden werden muß," lehrt Zarathustra<br />

„damit der Übermensch zustande kommt." „Und wenn dir nunmehr<br />

alle Leitern fehlen, so mußt du verstehen, noch auf deinen eigenen Kopf<br />

zu steigen: wie wolltest du anders aufwärts steigen?"<br />

Der Sinn dieses Satzes ist: Du mußt verstehen, dich selbst zu<br />

überwinden (destruieren). Wie könntest du sonst das Höhere, das<br />

Kind schaffen? Im Kapitel „Seligkeit wider Willen ' klagt Zarathustra:<br />

„Ich lag augekettet an die Liebe zu meinen Kindern: das Begehren<br />

legte mir diese Schlinge, das Begehren, daß ich meiner Kinder Beute würde<br />

und mich an sie verlöre."<br />

Das Kind Zarathustras, der „abgründliche Gedanke" von der<br />

ewigen Wiederkunft der Dinge droht in Zarathustra ungeboren zu<br />

sterben, jedoch ruft ihn Zarathustra ins Leben.<br />

,,Du regst dich, dehnst dich, röchelst? Auf, auf! Nicht röcheln —<br />

reden sollst du zu mir ! Zarathustra ruft dich, der Gottlose ! Zarathustra,<br />

der Fürsprecher des Lebens, Fürsprecher des Leidens, Fürsprecher des<br />

Kreises!" ,,Heil mir! Du kommst, ich höre dich! Mein Abgrvmd redet,<br />

meine letzte Tiefe habe ich ans Licht gestülpt! Heil mir! Heran! Gib<br />

die Hand! — Ha! laß! Ha-ha! — Ekel, Ekel, Ekel — wehe mir!"<br />

Wie Zarathustra als Sonne (das Höchste) das tiefe Meer in sich<br />

einsaugt, so stülpt er jetzt das Tiefste aus sich heraus ans Licht (Analogen<br />

der Sonne = Liebe). Wir wissen, daß Nietzsche selbst das Licht ist<br />

(die Höhe), welches seine Mutter = das tiefe Meer in sich hineinsaugt.<br />

Durch diese Vereinigimg mit der Mutter wurde Nietzsche zur gebärenden<br />

Mutter. Auch hier stülpt er seine Tiefe in sein Licht hinein<br />

und befördert sie auf die Welt, wie sein Kind. Dies eriimert an die Kinderbruimen<br />

in der Mythologie: die Verstorbenen werden hier in Kinder<br />

zurückverwandelt und als solche wiedergeboren^). Wünsche^), welcher<br />

zahlreiche Belege dafür liefert, bemerkt ausdrücklich an einer Stelle:<br />

,,Die zum Himmel in Holdas Reich emporsteigenden Seelen der Verstorbenen<br />

können aber nicht ohneweiters wieder zurückkehren, sondern<br />

müssen in ihrem Brurmen zuerst erneuert werden". Wünsche meint,<br />

es liege der Vorstellung von dem Hervorholen der Neugeborenen aus<br />

Brunnen und Teichen der Gedanke zugrunde, daß das vegetative<br />

und animalische Leben aus der Unterwelt hervorkeime. Das ist ja ganz<br />

richtig, aber wenn das Unbewußte die Symbolik aus der Pflanzenwelt<br />

^) Vgl. Otto Rank: Lohengrinsage. Schriften zur angewandten Seelenkunde,<br />

herausgegeben von Freud.<br />

-) Ex Oriente lux. Die Sagen vom Lebensbaum und Letenswasser, altorient.<br />

Mythen von A. Wünsche, Leipzig 1905.

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