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JAHRBUCH - Glowfish

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Die Destruktion als Ursache des Werdens, 483<br />

zu werfen vermag, warum wir bei den in autoerotischer Isolierung<br />

lebenden Dementia- praecox-Kranken so oft, wenn nicht beständig, die<br />

homosexuelle Komponente antreffen^). Nietzsche wird zur Frau,<br />

indem er sich mit der Mutter identifiziert, wobei er letztere in sich<br />

hineinsaugt. Dazu trägt bei, daß Nietzsche, infolge der autoerotischen<br />

Isolierung, auch im Bewußtsein nicht in der Gegenwart lebt, sondern<br />

in seiner eigenen Tiefe, welche noch der Zeit angehört, da das Kind<br />

in seinem Geschlechtsleben ungenügend differenziert sich beim Brustsaugen<br />

der Mutter gegenüber passiv weiblich verhält. Ist Nietzsche<br />

weiblich, so verhält sich seine Mutter ihm gegenüber als Mann, ebenso die<br />

später die Stelle der Mutter annehmende Tiefe oder sein „abgründlicher<br />

Gedanke" von welchem bald die Rede sein wird, mit welchem er<br />

wie mit sich selbst kämpfte. Die Mutter ist für Nietzsche er selbst<br />

und er selbst — seine Mutter.<br />

Bei jeder Liebe muß man zwei Vorstellungsrichtungen unterscheiden<br />

: die eine — wie man liebt, und die andere — wie man geliebt<br />

wird. Bei der ersten Richtung ist man selbst Subjekt und liebt das<br />

nach außen projizierte Objekt, bei der zweiten ist man in den Geliebten<br />

verwandelt und liebt sich, als sein Objekt. Beim Manne, welcher die<br />

aktive Aufgabe hat, das Weib zu erobern, herrschen die Subjektvorstellungen<br />

vor, bei der Frau hingegen, welche den Mann zu verlocken<br />

hat, gewinnen auch normaliter die rückläufigen Vorstellungen die Oberhand.<br />

Damit hängt die bekannte weibliche Koketterie zusammen:<br />

die Frau denkt, wie sie ,,ihm" gefallen wird, damit hängt auch die<br />

stärkere Homosexualität und Autoerotik der Frau zusammen^); in ihren<br />

Geliebten verwandelt, muß sich die Frau bis zu einem gewissen Grade<br />

männlich fühlen, als Objekt des Mannes kann sie sich selbst oder ein<br />

anderes Mädchen lieben, welches ihre ,, Wunsch persönlichkeit" ist,<br />

i. e. so ist, wie die Liebende sich selbst sehen möchte, natürlich immer<br />

schön. Eiimaal traf ich eine Kollegin in großer Entrüstung über einer<br />

Reihe von ihr beschriebener Briefkouverts ; an keinem gelang ihr die<br />

schöne Schrift, die sie am ersten Kuvert vollbrachte. Die Schrift<br />

war mir bekannt. Auf meine Frage, was die gewünschte Schrift ihr<br />

sage, fiel ihr plötzlich ganz riclitig ein, ihr Geliebter schreibe so. Das<br />

Bedürfnis nach Identifikation mit dem Geliebten war demnach so groß,<br />

^) Vgl. Otto Rank: Beiträge zum Narzissismus. Jahrbuch III, I. Hälfte.<br />

-) Man denke nur an die leidenschaftlichen Küsse und Umarmungen bei<br />

jungen Mädchen. Diese für die Frau nicht auffallende Art der Freundschaft<br />

\Wirde beim Manne sehr sonderbar anmuttm.<br />

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