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JAHRBUCH - Glowfish

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Wandlungen und Symbole der Libido. 463<br />

welche als Schlange die Rolle des Opferers übernimmt und den Helden<br />

dem Tode und der Wiedergeburt überantwortet.<br />

Wie am Anfang unserer Untersuchung der Name des Helden uns<br />

nötigte, von der Symbolik des Popocatepetl, als des schaffenden Teiles<br />

des menschlichen Körpers, zu reden, so gibt uns das Ende des<br />

Millerschen Dramas nochmals Gelegenheit, zu sehen, wie der Vulkan<br />

auch dem Tode des Helden assistiert und durch ein Erdbeben ihn in<br />

die Erdtiefe verschlingen läßt. Wie der Vulkan dem Helden Namen<br />

und Geburt gegeben, so verschluckt er ihn am Ende der Tage wieder^).<br />

Aus den letzten Worten des Helden erfahren wir, daß seine ersehnte<br />

Geliebte, die einzig ihn versteht. Ja - ni - wa -ma heißt. Wir<br />

finden in diesem Namen jene aus Longfellows Hiawatha uns bekannten<br />

Lallworte aus der ersten Kindlieit des Helden: Wawa, wama,<br />

mama. Die Einzige, die uns wirklich versteht, ist die Mutter. Denn<br />

verstehen (althochdeutsch firstän) leitet sich wahrscheinlich ab aus<br />

einer urgermanischen Vorsilbe fri, die mit TtEQi, um, herum, identisch<br />

wäre; ahd. antfriston = verdolmetschen wird mit firstän als<br />

identisch<br />

zusammengestellt. Daraus ergäbe sich eine Grundbedeutung von verstehen<br />

als ,,sich um etwas herumstellen^)." Gomprehendere und xazaovXÄüjußdveiv<br />

drücken ein ähnliches Bild aus, wie das deutsche<br />

„erfassen". Das Gemeinsame dieser Ausdrücke ist das ,,Umgeben"<br />

und „Umfassen". Und es ist kein Zweifel, daß nichts in der Welt<br />

uns je so gänzlich umfaßt wie die Mutter. Wenn der Neurotiker<br />

klagt, daß die Welt „verständnislos" sei, sagt er damit indirekt,<br />

daß ihm die Mutter fehle. Paul Verlaine hat in seinem Gedicht<br />

„Mon reve familier" diesen Gedanken in schönster Weise ausgesprochen:<br />

Je fais souvent ce reve etrange et penetrant<br />

D'une femme inconnue et que j'aime et qui m'aime<br />

Et qui n'est chaque fois ni tout ä fait la meme,<br />

Ni tout ä fait une autre, et qui m'aime et me comprend.<br />

') Vgl. die empedokleische Sehnsucht Hölderlins. Ebenso die Höllenfahrt<br />

Zarathustras durch die Hadesöffnung des Vulkans. Der Tod ist das Wiedereingehen<br />

in die Mutter. Daher auch der ägyptische König Mykerinos seine Tochter<br />

in einer hölzernen und vergoldeten Kuh beisetzen ließ. Das war die Garantie<br />

der Wiedergeburt. Die Kuh stand in einem Prunkgemache und es \\Tirden ihr<br />

Opfer gebracht. In einem andern Gemach nahe bei dieser Kuh standen die<br />

Bildnisse der Kebsweiber des Mykerinos (Herodot, II, S. 129 f.).<br />

*) Kluge: Deutsche Etymologie.

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