JAHRBUCH - Glowfish

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458 C. Ci. Jung. o- der Heros wieder. Nach allen früheren Materialien dürfte es nicht mehr schwierig sein, auch im christlichen Mysterium das Menschenopfer oder Sohnesopfer an die Mutter zu erkennen^). Wie Attis sich um seiner Mutter willen entmannte, so hängt^) sich Christus an den Lebensbaum, das Marterholz, die exdrr], die chthonische Mutter und kauft die Schöpfung dadurch los vom Tode. Indem er wieder eingeht in den Schoß der Mutter (Matuta, Pietä des Michelangelo), betätigt er im Tode, was der Urmensch Adam im Leben gesündigt hat, um durch seine Tat^) symbolisch der innersten und geheimsten Bedeutung der religiösen Libido zur höchsten Sättigung und zum uneigentlichsten Ausdruck zu verhelfen. Der Martertod Christi hat auch bei Augustin (Serm. app. 120, 8, zit. Dieterich 1. c. S. 131) tatsächlich die Bedeutung eines Hierosgamos mit der Mutter (entsprechend der Adonisfeier, wo Venus und Adonis aufs Brautlager gelegt wurden). „Procedit Christus quasi sponsus de thalamo suo, praesagio nuptiarum exiit ad campum saeculi; pervenit usque ad crucis torum (torus hat die Bedeutung von Bett, Pfühl, Beischläferin, Leichenbahre) et ibi firmavit ascendendo conjugium; ubi cum seutiret an- 1) Diese Auflösung berücksichtigt anscheinend nur die dogmatische Symbolik. Ich erwähne nur andeutend, daß dieser Opfertod auch ein Vegetationsrespektive Frühhngsfest war, aus welchem die Kultlegende erst entstanden ist. Auch die grundliegenden VoLksgebräuche enthalten in Variationen dieselben Grundgedanken. (Vgl. dazu Drews: Christusmythe, I, S. 37 ff.) 2) Ein ähnlicher Opfertod ist das Ende des Prometheus. Er wird an den Fels gefesselt. In anderer Version sind seine Ketten durch eine Säule gezogen, was auf die Fesselung an einen Baum hindeutet. Ihm geschieht zur Strafe, was Christus freiwillig auf sich nimmt. Das Schicksal des Prometheus erinnert daher an das jVIißgeschick von Theseus und Peirithoos, die am Felsen, der chthonischen Mutter, hängen blieben. Nach Athenaeus gebot Jupiter dem Prometheus, nachdem er ihn befreit hatte, eine Weidenkrone und einen eisernen Ring zu tragen, womit symbolisch seine Unfreiheit und Gebundenheit dargestellt war. (Phoroneus, der in Argos als Feuerbringer verehrt WTirde, war der Sohn der Melia, der Esche, daher Baumfesselung.) Robertson vergleicht die Krone des Prometheus mit der Dornenkrone Christi. Die Andächtigen tragen zu Ehren des Prometheus ebenfalls Kronen, um die Gebundenheit darzustellen. (Evang. Myth., S. 126.) In diesem Zusammenhange bedeutet daher die Krone dasselbe wie der Ring des Verlöbnisses — es sind die Requisiten des alten Hierosgamos mit der Mutter, die Dornenkrone (die nach Athenaeus ägyptischer Herkunft ist) hat die Bedeutung des schmerzhaften asketischen Verlöbnisses. Stieropfer. ^) Der Lanzenstich des Longinus ersetzt den Dolchstich im mithriscl on Auch dem gefesselten und geopferten Prometheus wird des ,,ehernen Keiles geschärfter Zahn" durch die Brust getrieben. (Aischylos: Prometheus.)

Wandlungen und Symbole der Libido. 4:59 helantem in suspiriis creaturam commercio pietatis se pro conjuge dedit ad poenam; et copulavit sibi perpetuo iure matronam." Dieser Passus läßt an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. Ähnlichen Tod stirbt der syrische Melkarth, der auf einem Seepferd reitend jährlich verbrannt wurde. Bei den Griechen hieß er Melicertes und wurde auf einem Delphin reitend dargestellt. Der Delphin ist auch das Eeitpferd des ^Vrion. Wir haben oben die Mutterbedeutung des Delphin kennen gelernt, so daß wir im Tode Melkarths wieder den negativ ausgedrückten Hierosgamos mit der Mutter erkennen köimen. (Vgl. Frazer: Gold. Bough. IV, S. 87). Dieser uneigentliche Ausdruck ist von größter teleologischer Bedeutung; er führt durch sein Symbol jene rückwärts, ins Anfängliche, Primitive, Triebhafte strebende Libido empor ins Geistige, indem er ihr dort zu einer geheimnisvollen, aber fruchtbaren Tätigkeit verhilft. Von der Wh-kung dieses Symbols auf das Unbewußte der abendländischen Menschheit zu reden, ist überflüssig. Ein Blick auf die Geschichte zeigt, welche schöpferischen Kräfte in diesem Zeichen entbunden wurden^). Die Vergleichimg des mithrischen und des christlichen Opfers dürfte klar zeigen, worin eigentlich die Überlegenheit des christlichen Symbols besteht : es ist die unumwundene Einsicht, daß nicht nur die niederen "Wünsche zu opfern sind, sondern die ganze Persönlichkeit. Das christliche Symbol verlangt die totale Hingabe; es zwingt zu einem wirkhchen Selbstopfer an höhere Zwecke, während das Sacrificium mithriacum, auf einer primitiveren Symbolstufe stehenbleibend, sich mit einem Tieropfer begnügt. Die religiöse Wirkung dieser Symbole ist als eine Orientierung des Unbewußten auf dem Wege der Imitation zu denken. So liegt auch in der Phantasie von Miß Miller eine innere Nötigung vor, daß sie vom Pferdeopfer zum Selbstopfer des Helden übergeht. Während ersteres das Aufgeben der Sexualwünsche symbolisiert, hat letzteres den tieferen und ethisch wertvolleren Sinn des Opfers der Infantilpersönlichkeit. Wir haben auch in der Psychoanalyse das Mißverständnis erlebt, daß es sich um das Aufgeben oder Ausleben der gewöhnhchen Sexualwünsche handle, während in Wirklichkeit das Problem die Sublimierung der Infantilpersönlichkeit ist, also mythologisch ausgedrückt — eine Opferung und Wiedergeburt des Infantil- 1) Es ist auch zu erwähnen, daß die nordische Mythologie denselben Gedanken der Fruchtbarkeit des Opfertodes an der Mutter kennt: Durch das Hängen am Lebensbaume gewann Odin die Kenntnis der Runen und den begeisternden Rauschtrank, der ihm Unsterblichkeit verlieh.

458 C. Ci. Jung. o-<br />

der Heros wieder.<br />

Nach allen früheren Materialien dürfte es nicht mehr<br />

schwierig sein, auch im christlichen Mysterium das Menschenopfer<br />

oder Sohnesopfer an die Mutter zu erkennen^). Wie Attis sich<br />

um seiner Mutter willen entmannte, so hängt^) sich Christus an den<br />

Lebensbaum, das Marterholz, die exdrr], die chthonische Mutter und<br />

kauft die Schöpfung dadurch los vom Tode. Indem er wieder eingeht<br />

in den Schoß der Mutter (Matuta, Pietä des Michelangelo), betätigt er<br />

im Tode, was der Urmensch Adam im Leben gesündigt hat, um durch<br />

seine Tat^) symbolisch der innersten und geheimsten Bedeutung der<br />

religiösen Libido zur höchsten Sättigung und zum uneigentlichsten<br />

Ausdruck zu verhelfen. Der Martertod Christi hat auch bei Augustin<br />

(Serm. app. 120, 8, zit. Dieterich 1. c. S. 131) tatsächlich die Bedeutung<br />

eines Hierosgamos mit der Mutter (entsprechend der Adonisfeier,<br />

wo Venus und Adonis aufs Brautlager gelegt wurden).<br />

„Procedit Christus quasi sponsus de thalamo suo, praesagio<br />

nuptiarum exiit ad campum saeculi; pervenit usque ad crucis torum<br />

(torus hat die Bedeutung von Bett, Pfühl, Beischläferin, Leichenbahre)<br />

et ibi firmavit ascendendo conjugium; ubi cum seutiret an-<br />

1) Diese Auflösung berücksichtigt anscheinend nur die dogmatische Symbolik.<br />

Ich erwähne nur andeutend, daß dieser Opfertod auch ein Vegetationsrespektive<br />

Frühhngsfest war, aus welchem die Kultlegende erst entstanden ist.<br />

Auch die grundliegenden VoLksgebräuche enthalten in Variationen dieselben<br />

Grundgedanken. (Vgl. dazu Drews: Christusmythe, I, S. 37 ff.)<br />

2) Ein ähnlicher Opfertod ist das Ende des Prometheus. Er wird an den<br />

Fels gefesselt. In anderer Version sind seine Ketten durch eine Säule gezogen,<br />

was auf die Fesselung an einen Baum hindeutet. Ihm geschieht zur Strafe, was<br />

Christus freiwillig auf sich nimmt. Das Schicksal des Prometheus erinnert daher<br />

an das jVIißgeschick von Theseus und Peirithoos, die am Felsen, der chthonischen<br />

Mutter, hängen blieben. Nach Athenaeus gebot Jupiter dem Prometheus,<br />

nachdem er ihn befreit hatte, eine Weidenkrone und einen eisernen Ring zu<br />

tragen, womit symbolisch seine Unfreiheit und Gebundenheit dargestellt war.<br />

(Phoroneus, der in Argos als Feuerbringer verehrt WTirde, war der Sohn der<br />

Melia, der Esche, daher Baumfesselung.) Robertson vergleicht die Krone<br />

des Prometheus mit der Dornenkrone Christi. Die Andächtigen tragen zu Ehren<br />

des Prometheus ebenfalls Kronen, um die Gebundenheit darzustellen. (Evang.<br />

Myth., S. 126.) In diesem Zusammenhange bedeutet daher die Krone dasselbe<br />

wie der Ring des Verlöbnisses — es sind die Requisiten des alten Hierosgamos<br />

mit der Mutter, die Dornenkrone (die nach Athenaeus ägyptischer Herkunft<br />

ist) hat die Bedeutung des schmerzhaften asketischen Verlöbnisses.<br />

Stieropfer.<br />

^) Der Lanzenstich des Longinus ersetzt den Dolchstich im mithriscl on<br />

Auch dem gefesselten und geopferten Prometheus wird des ,,ehernen<br />

Keiles geschärfter Zahn" durch die Brust getrieben. (Aischylos: Prometheus.)

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