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JAHRBUCH - Glowfish

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440 C. G. Jun^. »•<br />

Kultus und die religiöse<br />

Angst vor dem unzurechnungsfähigen Jahwe<br />

ist. Wenn diu-ch kein Gesetz und durch keine wütenden Fanatiker<br />

und Propheten geschreck-t der Menscli seine inzestuöse Libido gewähren<br />

läßt und nicht zu höheren Zwecken befreit, dann ist er unter dem<br />

Einfluß unbewußten Zwanges. Denn Zwang ist unbewußter Wunscli.<br />

(Freud.) Dann steht er unter Libidozwang (eljuaQjuhn]) und seine<br />

Schicksale gehen nicht durch seine Hand; seine Tv^ai xal MoTqm fallen<br />

ihm von den Sternen. Seine unbewußt inzestuöse Libido, die so in<br />

primitivster Form angewandt ist, hält den Menschen, was seinen Liebestypus<br />

anbelangt, auf entsprechend primitiver Stufe, der Stufe der Unbeherrschbarkeit<br />

und des Ausgeliefertseins an die Affekte. Das war<br />

die psychologische Lage der ausgehenden Antike, und der Heiland<br />

und Arzt jener Zeit war der, der die Menschen zur Sublimierung ihrer<br />

inzestuösen Libido erziehen wollte^). Die Zerstörung der Sklaverei<br />

war dazu Postulat und Bedingung; denn das Altertum hatte die<br />

Arbeitspflicht und die Pflichtarbeit als soziale Bedingung prinzipiellster<br />

Bedeutung noch nicht erkannt. Sklavenarbeit war Zwangsarbeit,<br />

das Gegenstück zum ebenso unheilvollen Libidozwang der<br />

Besitzenden. Nur die Arbeitspflicht des Einzelnen war es, welche<br />

auf die Dauer jene regelmäßige ,,Drainage" des Unbewußten, das durch<br />

beständige Libidoregressionen überschwemmt wurde, ermöglichte.<br />

Die Faulheit ist aller Laster Anfang, weil im Zustande faulen Träumens<br />

die Libido reichlich Gelegenheit hat, in sich selber zu versinken, um<br />

durch regressiv wiederbelebte inzestuöse Bindungen zwingende Verpflichtungen<br />

zu schaffen. Davon befreit am besten regelmäßige<br />

Arbeit^). Die Arbeit ist aber nur dann Erlösung, wenn sie eine freie<br />

Tat ist und nichts mehr von infantilem Zwang an sich hat. Unter diesem<br />

Aspekt erscheint die religiöse Zeremonie zu gutem Teil als organisierte<br />

Untätigkeit und zugleich als Vorstufe des modernen Arbeitens.<br />

Wenn die Vision von Miß Miller das Problem der Opferung<br />

^) Diesen Zweck verfolgten eigentlich alle Mysterien. Sie schaffen Symbole<br />

von Tod und Wiedergeburt zur Betätigung und Erziehung der Infantillibido.<br />

Wie Frazer: The golden Bough. I, III, S. 442 ff. zeigt, haben auch exotische<br />

und barbarische Völker in ihren Mysterien dieselben Symbole des initiatorischen<br />

Sterbens und Wiedergeborenwerdens, genau wie auch Apulejus: (Metam. XI,<br />

23) von der Einweihung des Lucius in die Isismysterien sagt: ,,Accessi confiniuia<br />

mortis et calcato Proserpinae limine per omnia vectus elementa remeavi." Lucius<br />

starb figürlich (ad instar voluntariae mortis) und wurde wiedergeboren (renatus),<br />

^) Das hindert aber den modernen Neurotiker nicht daran, seine Arbeitspflicht<br />

zu einem Verdrängungsmittel zu machen und sich daran aufzureiben.

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