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JAHRBUCH - Glowfish

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Wandlungen und Symbole der Libido. 439<br />

So wie ich glaube, mich lieben" —<br />

— „Still ist sein^) Zeichen<br />

Am dämmernden Himmel. Und einer steht darunter<br />

Sein Leben lang. Denn noch lebt Christus."<br />

Aber wie einst Gilgamesh, das Wunderkraut aus dem seligen<br />

Westland zurückbringend, von der dämonischen Schlange seines Gutes<br />

beraubt wird, so klingt auch Hölderlins Gedicht in einen schmerzlichen<br />

Klagelaut aus, der uns verrät, daß seinem Niedersteigen zu den<br />

Schatten kein sieghaftes Auferstehen mehr folgen wird:<br />

— „Schmählich<br />

Entreißt das Herz uns eine Gewalt,<br />

Denn Opfer will der Himmlischen jedes!"<br />

Diese Erkenntnis, daß man die rückschauende Sehnsucht (die<br />

inzestuöse Libido) opfern sollte, bevor die ,,Himmlischen" uns die Opfer<br />

„entreißen", wobei sie aber auch die ganze Libido mitnehmen, kam dem<br />

Dichter zu spät. Daher nenne ich es einen weisen Rat, den das Unbewußte<br />

unserer Autorin gibt, den Infantilhelden zu opfern. Dieses<br />

Opfer geschieht am besten, wie die erste Bedeutungsschicht ergeben hat,<br />

in einer völligen Hingabe an das Leben, wobei auch alle die unbewußt<br />

in familiären Banden gebundene Libido nach außen in die menschliche<br />

Gesellschaft gebracht werden muJ3, denn es ist für das Wohlbefinden<br />

des einzelnen erforderlich, daß er, nachdem er in seiner Kindheit bloß<br />

mitdrehendes Partikel in einem rotierenden System gewesen war,<br />

nunmehr erwachsen selber Zentrum eines neuen Systems werde. Daß<br />

ein derartiger Schritt auch die Lösung oder wenigstens die angestrengte<br />

Bearbeitung des eigenen sexuellen Problems impliziert, ist ohneweiters<br />

klar; denn, geschieht dies nicht, dann bleibt die nicht verwendete<br />

Libido unweigerlich im Inzestverhältnis stecken und macht das Individuum<br />

in wesentlichen Stücken unfrei. Wir erinnern uns hier daran,<br />

daß die Predigt Christi mit Rücksichtslosigkeit den Menschen von<br />

seiner Familie trennen möchte, und im Nikodemusgespräch sahen<br />

wir die besondere Bemühung Christi, der Inzestlibido Betätigung<br />

zu verschaffen. Beide Tendenzen dienen demselben Ziele,<br />

nämlich den<br />

Menschen zu befreien, einerseits den Juden aus seiner außerordentlichen<br />

Bindung an die Familie, die nicht höherer Einsicht, sondern<br />

größerer Weichheit und Unbeherrsch barkeit des inzestuösen Gefühles<br />

entspricht, daher die Kompensation dafür das Zwangszeremoniell des<br />

^) Des Vaters.

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