JAHRBUCH - Glowfish
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432 C. G. Jung. mit der Welt sind zerrissen und laut tönt nun sein Hilferuf an die Mutter: Aciull. Herrlicher Göttersohn ! Da du die Geliebte verloren, Gingst du ans Meersgestad, weintest hinaus in die Flut, Weheklagend hinab verlangt in den heiligen Abgrund In die Stille dein Herz, wo, von der Schiffe Gelärm Fern, tief unter den Wogen, in friedlicher Grotte die schöne Thetis wohnet, die dich schützte, die Göttin des Meeres. Mutter war dem Jünglinge sie, die mächtige Göttin, Hatte den Knaben einst liebend am Felsengestad Seiner Insel gesäugt, mit dem kräftigen Liede der Welle Und im stärkenden Bad ihn zum Heroen gemacht. Und die Mutter vernahm die Wehklage des Jünglings, Stieg vom Grunde der See trauernd, wie Wölkchen herauf. Stillte mit zärtlichem Umfangen die Schmerzen des Lieblings, Und er hörte, wie sie schmeichelnd zu helfen versprach. Göttersohn! o war ich, wie du, so könnt ich vertraulich Einem der Himmlischen klagen mein heimliches Leid. Sehen soll ich es nicht, soll tragen die Schmach, als gehört ich Nimmer zu ihr, die doch meiner in Tränen gedenkt. Gute Götter! doch hört ihr jegliches Flehen der Menschen, Ach, und innig und fromm liebt ich dich, heiliges Licht, Seit ich lebe, die Erd' und deine Quellen und Wälder, Vater Äther, und dich fühlte zu sehnend und rein Dieses Herz — o sänftiget mir, ihr Guten, mein Leiden, Daß die Seele mir nicht früh, ach! zu früh verstummt, Daß ich lebe und euch, ihr hohen, himmlischen Mächte, Noch am fliehenden Tage danke mit frohem Gesang, Danke für voriges Gut, für Freuden vergangener Jugend, Und dann nehmet zu euch gütig den Einsamen auf. Diese Lieder schildern deutlicher, als man es mit dürren Worten zu schildern vermöchte, das stete Zurückbleiben und die immer größer werdende Entfremdung vom Leben, das allmählich tiefere Versinken in den mütterlichen Abgrund des eigenen Wesens. Zu diesen Liedern rückschauender Sehnsucht tritt befremdlich als ein unheimlicher Gast der apokalyptische Gesang Fat mos, umschleiert von den Nebeln der Tiefe, den umschlingenden „Wolkenzügen * der wahnsinnspendenden Mutter. In ihm leuchten die uralten Gedanken des Mythos wieder auf, die in Symbole gekleidete Ahnung des sonnenhaften Sterbens und Wiedererstehens des Lebens. Man wird Älmliches noch in Menge bei Kranken dieser Art finden. Ich gebe einzelne bedeutsame Stücke aus ,,Patmos" wieder:
Wandlungen und Symbole der Libido. 433 ,,Nah ist Und schwer zu fassen der Gott. Wo aber Gefahr ist, wächst Das Rettende auch." Diese Worte zeigen an, daß die Libido nun auf den tiefsten Grund gelangt ist, wo „die Gefahr gi-oß" ist. (Faust, II. Teil, Mütterszene.) Dort ist ,,der Gott nahe": dort fände der Mensch die innere Sonne, seine eigene sonnenhafte und sich wieder erneuernde Natur, verborgen im Mutterschoße wie die Sonne zur Nachtzeit: „In Klüften, Im Finsteni wohnen Die Adler und furchtlos gehen Die Söhne der Alpen über den Abgrund weg Auf leicht gebaueten Brücken." Mit diesen Worten schreitet das dunkelphantastische Gedicht weiter. Der Adler, der Sonnenvogel wohnt im Dunkeln — die Libido hat sich verborgen, hoch hinüber aber schreiten die Bewohner der Berge, wohl die Götter (,,Ihr wandelt droben im Licht"), Bilder der über den Himmel wandernden Sonne, die wie ein Adler die Tiefe überfliegt. „Drum, da gehäuft sind rings Die Gipfel der Zeit Und die Liebsten nahe wohnen auf Getrenntesten Bergen, So gib unschuldig Wasser, Fittige gib mis treuesten Sinnes Hinüber zu gehn und wieder zu kehren!" Das erste ist ein dunkles Bild von Bergen und von Zeit — (wohl durch die über die Berge wandernde Sonne veranlaßt) ; das folgende Bild, ein Nahesein und im selben Getrenntsein der Liebsten, scheint auf das Leben in der Unterwelt zu deuten^), wo man mit allem, was ^) Vgl. die schöne Stelle in der Hadesfahrt des Odysseus, wo der Held seine Mutter umarmen will: ,,Ich aber, durchbebt von inmger Sehnsucht, Wollte umarmen die Seele der abgeschiedenen IMutter Dreimal strebt' ich hinan, voll heißer Begier der Umarmung; Dreimal hinweg aus den Händen, wie nichtige Schatten und Ti-aumbild, Flog sie; und heftiger ward in meinem Herzen die Wehmut." (Odyss. XI, 204 ff.) Die Unterwelt, die Hölle, ist ja der Ort unerfüllter Sehasucht. Das Tantalusmotiv gilt durch die ganze Hölle. Jahrbuch für psyohoanalyt. und psychopathol. Forschungen. IV. 2o
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Wandlungen und Symbole der Libido. 433<br />
,,Nah ist<br />
Und schwer zu fassen der Gott.<br />
Wo aber Gefahr ist, wächst<br />
Das Rettende auch."<br />
Diese Worte zeigen an, daß die Libido nun auf den tiefsten Grund<br />
gelangt ist, wo „die Gefahr gi-oß" ist. (Faust, II. Teil, Mütterszene.)<br />
Dort ist ,,der Gott nahe": dort fände der Mensch die innere Sonne,<br />
seine eigene sonnenhafte und sich wieder erneuernde Natur, verborgen<br />
im Mutterschoße wie die<br />
Sonne zur Nachtzeit:<br />
„In Klüften,<br />
Im Finsteni wohnen<br />
Die Adler und furchtlos gehen<br />
Die Söhne der Alpen über den Abgrund weg<br />
Auf leicht gebaueten Brücken."<br />
Mit diesen Worten schreitet das dunkelphantastische Gedicht<br />
weiter. Der Adler, der Sonnenvogel wohnt im Dunkeln — die Libido<br />
hat sich verborgen, hoch hinüber aber schreiten die Bewohner der Berge,<br />
wohl die Götter (,,Ihr wandelt droben im Licht"), Bilder der über den<br />
Himmel wandernden Sonne, die wie ein Adler die Tiefe überfliegt.<br />
„Drum, da gehäuft sind rings<br />
Die Gipfel der Zeit<br />
Und die Liebsten nahe wohnen auf<br />
Getrenntesten Bergen,<br />
So gib unschuldig Wasser,<br />
Fittige gib mis treuesten Sinnes<br />
Hinüber zu gehn und wieder zu kehren!"<br />
Das erste ist ein dunkles Bild von Bergen und von Zeit — (wohl<br />
durch die über die Berge wandernde Sonne veranlaßt) ; das folgende<br />
Bild, ein Nahesein und im selben Getrenntsein der Liebsten, scheint<br />
auf das Leben in der Unterwelt zu deuten^), wo man mit allem, was<br />
^) Vgl. die schöne Stelle in der Hadesfahrt des Odysseus, wo der Held<br />
seine Mutter umarmen will:<br />
,,Ich aber, durchbebt von inmger Sehnsucht,<br />
Wollte umarmen die Seele der abgeschiedenen IMutter<br />
Dreimal strebt' ich hinan, voll heißer Begier der Umarmung;<br />
Dreimal hinweg aus den Händen, wie nichtige Schatten und Ti-aumbild,<br />
Flog sie; und heftiger ward in meinem Herzen die Wehmut."<br />
(Odyss. XI, 204 ff.)<br />
Die Unterwelt, die Hölle, ist ja der Ort unerfüllter Sehasucht. Das Tantalusmotiv<br />
gilt durch die ganze Hölle.<br />
Jahrbuch für psyohoanalyt. und psychopathol. Forschungen. IV. 2o