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JAHRBUCH - Glowfish

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"Wandlungen und Symbole der Libido. 421<br />

Die Prophezeiung Cliiwantopels ist eine Wiederholung aus<br />

Longfellows Hiawatha, wo der Dichter die Sentimentalität nicht umgehen<br />

konnte, am Schluß der Laufbahn des Helden Hiawatha noch den<br />

Heiland der Weißen hereinzubringen in Form der Ankunft der erhabenen<br />

Vertreter christlicher Religion und Sitte. (Man denke an das Heilandswerk<br />

der Spanier in Mexico und Peru!) Mit dieser Prophezeiung<br />

Chiwantopels ist die Persönlichkeit der Autorin wieder in nächste Beziehung<br />

zum Helden gesetzt, und zwar als das eigentliche Objekt der<br />

Sehnsucht Cliiwantopels. Gewiß hätte der Held sie geheiratet, wenn sie<br />

schon zu seinen Zeiten gelebt hätte; aber leider kommt sie zu spät.<br />

Dieser Zusammenliang beweist unsere obige Konstatierung, daß sich<br />

die Libido im Kreis herumbewegt: die Autorin liebt sich selbst, d. h.<br />

sie als Held ist gesucht von einer, die zu spät kommt. Dieses Moment<br />

des Zuspätkommens ist charakteristisch für die Infantilverliebungen:<br />

der Vater und die Mutter können nicht mehr eingeholt werden. Die<br />

Trennung der beiden Persönlichkeiten durch ,,10.000 Monde" ist<br />

eine<br />

Wunscherfüllung: damit wird die Injzestbeziehung in wirksamer Weise<br />

aufgehoben.<br />

Diese weiße Heldin wird auch unverstanden suchen (sie<br />

ist unverstanden, weil sie sich selber nicht recht verstehen mag) und<br />

nicht finden. Aber im Traum wenigstens werden sie sich finden, ,,et<br />

eile comprendra". Der nächste Satz des Textes lautet:<br />

,,Jai conserve<br />

mon corps inviole." Dieser stolze Satz, den natürlicli nur eine Frau<br />

aussprechen kann — denn ein Mann pflegt damit nicht zu prahlen —<br />

bestätigt nochmals, daß alle Unternehmungen nur Träume geblieben<br />

seien, daß der Körper aber ,,inviol e" unverletzt geblieben sei.<br />

Wenn der Held die Heldin im Traum besucht, dann weiß jedermann,<br />

was damit gemeint ist. Diese Behauptung des Helden, daß er unverletzt<br />

geblieben sei, weist zurück auf das mißglückte Attentat im vorigen<br />

Kapitel (Pfeilschütze) und erklärt uns nachträglich, wie eigentlich<br />

jenes Attentat gemeint war, nämlich als Ablehnung einer Koitusphantasie.<br />

Hier drängt sich nun der Wunsch des Unbewußten wieder<br />

mehr hervor, nachdem der Held sich das erstemal gedrückt hat und<br />

darauf schmerzvoll und hysterisch monologisierte: ,,La tentation<br />

souvent assaillira son äme — mais eile ne faiblira pas." Diese sehr<br />

kühne Behauptung verführt — noblesse oblige — das Unbewußte zu<br />

einer gewaltigen Aufschwellung infantilen Größenwahns; was inmier<br />

der Fall ist, wenn die Libido durch dergleichen Sprüche zur Regression<br />

gezwungen wird: ,,Ce n'est qu'une fois toutes les dix mille lunes qu'il<br />

nait une äme comme celle-la !" Hier macht sich der kleine Gernegroß

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