JAHRBUCH - Glowfish
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408 C. G. Jung. Bebrütung", wobei Brütendes und Bebrütetes nicht zwei, sondern ein und dasselbe Wesen sind. Als Hiranyagarbha ist Prajäpati das aus ihm selber erzeugte Ei, das Weltei, in dem er sich selber bebrütet: Er kriecht also in sich selber hinein, wird zu seinem eigenen Uterus, geht schwanger mit sich selbst, um die Welt des Vielfachen zu gebären. So verwandelt sich Prajäpati auf dem Wege der Introversion in ein Neues, das Vielfache der Welt. Von besonderem Interesse ist, zu bemerken, wie sich Entlegenstes berührt. Deussen^) bemerkt: ,,In dem Maße, wie der Begriff tapas (Hitze) im heißen Indien zum Symbol der Anstrengung und Qual wurde, spielte auch jenes tapo atapyata über in den Begriff der Selbstkasteiung und trat dadurch in Zusammenhang mit der Vorstellung, daß die Schöpfung von Seiten des Schöpfers ein Akt der Selbstentäußerung ist." Selbstbebrütung-) und Selbstkasteiung und Introversion sind ganz nah zusammenhängende Begriffe. Denselben Gedankengang verrät die oben erwähnte Zosimosvision, wo es vom Orte der Verwandlung heißt: 6 xojiog rrjg äox7]oeg. Wir haben damals bemerkt, daß der Ort der Verwandlung eigentlich der Uterus ist. Die Vertiefung in sich selbst (Introversion) ist ein Eingehen in den eigenen Uterus und zugleich Askese. Aus dieser Handlung entsteht für die Philosophie der Brähmanas die Welt, für die nachchristlichen Gnostiker die Erneuerung und geistige Wiedergeburt des Individuums, das in eine neue geistige Welt geboren wird. Die indische Philosophie ist nur bedeutend kühner und konsequenter, sie nimmt auch an, daß aus der Introversion überhaupt die Schöpfung entstehe; wie es in dem wunderbaren Hymnus Rigveda 10, 129 heißt: (Teil I, „Da ward, was in der Schale war versteckt, Das Eine, durch der Glutpein Kraft geboren. Aus diesem ging hervor zuerst entstanden: Als der Erkenntnis Samenkeim, die Liebe^); — Des Daseins Wurzelung im Nichtsein fanden Die Weisen, forschend, in des Herzens Triebe*). 1) 1. c, S. 182. ^) Die stoische Vorstellung von der schaffenden Urwärme, in der wir Kapitel IV) bereits die Libido erkannt haben, gehört in diesen Zusammenhang, ebenso die Steingeburt des Mithras, die ,,solo aestu iibidinis" erfolgt. ') käma = SQOg. *) In der genauen Prosaübersetzung heißt dieser Passus: ,,Da entwickelte sich aus ihm zu Anfang Käma." (Deussen: Gesch. d. Phil., Bd. I, S. 123.) Käma ist die Libido. ,,Die Wurzelung des Seienden im Nichtseienden fanden die Weisen, indem sie mit Einsicht forschten, im Herzen."
Wandlungen und Symbole der Libido. 409 Diese philosophische Ansicht erfaßt die Welt als eine Libidoemanation, was auch vom erkenntnistheoretischen und psychologischen Standpunkt aus weitgehend akzeptiert werden muß, denn die Realitätsfunktion ist, wie wir früher ausführten, eine Triebfunktion mit dem Charakter der biologischen Anpassung. Wenn nun der geisteskranke Schreber den Weltuntergang herbeiführt durch seine Libidointroversion, so ist das eine durchaus konsequente psychologische Ansicht, so gut wie Schopenhauer durch die Verneinung (Heiligkeit, Askese) den Fehltritt des Urwillens, wodurch diese Welt geschah, annullieren wollte. Sagt nicht auch Goethe: ,,Ihr folget falscher Spur, Denkt nicht, wir scherzen! Ist nicht der Kern der Natur Menschen im Herzen?" Der Held, der die Erneuerung der Welt, die Besiegung des Todes zu leisten hat, ist die Libido, die, sich selber in der Introversion bebrütend, als Schlange das eigene Ei umschlingend, anscheinend mit giftigem Biß das Leben bedroht, um es in den Tod zu führen, und aus jener Nacht, sich selber überwindend, wieder gebiert. Nietzsche^) kennt dieses Bild: „Wie lange sitzest Gib acht! Du brütest mir noch Em Ei Ein Basilisken-Ei Aus deinem langen du schon auf deinem Mißgeschick Jammer aus." Der Held ist sich selber Schlange, sich selber Opferer und Geopfertes. Der Held ist selber von Schlangennatur, daher sich Christus mit der Schlange vergleicht; daher das erlösende Weltprinzip jener gnostischen Sekten, die sich Ophiten naimten, die Schlange war. Die Schlange ist der Agatho- und Kakodämon. Es ist daher begreiflich, wenn es in der germanischen Sage heißt, daß die Helden Schlangenaugen^) hätten. Ich erinnere auch an die oben gezogene Parallele zwischen den Augen des Menschensohnes und denen des tarpeischen Drachen. Auf den bereits erwähnten mittelalterlichen Bildern erscheint an Stelle des Herrn im Kelche der Drache, der mit ») Ruhm und Ewigkeit. Werke Vlir, I, S. 425. *) Grimm: Mythologie, III, S. III. Die Helden haben Schlangenaugeu wie die Könige: ormr i auga. Sigurdr heißt Ormr i Auga.
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Bebrütung", wobei Brütendes und Bebrütetes nicht zwei, sondern ein und<br />
dasselbe Wesen sind. Als Hiranyagarbha ist Prajäpati das aus ihm<br />
selber erzeugte Ei, das Weltei, in dem er sich selber bebrütet: Er kriecht<br />
also in sich selber hinein, wird zu seinem eigenen Uterus, geht schwanger<br />
mit sich selbst, um die Welt des Vielfachen zu gebären. So verwandelt<br />
sich Prajäpati auf dem Wege der Introversion in ein Neues, das Vielfache<br />
der Welt. Von besonderem Interesse ist, zu bemerken, wie sich<br />
Entlegenstes berührt. Deussen^) bemerkt: ,,In dem Maße, wie der<br />
Begriff tapas (Hitze)<br />
im heißen Indien zum Symbol der Anstrengung<br />
und Qual wurde, spielte auch jenes tapo atapyata über in den Begriff<br />
der Selbstkasteiung und trat dadurch in Zusammenhang mit der<br />
Vorstellung, daß die Schöpfung von Seiten des Schöpfers ein Akt der<br />
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Selbstbebrütung-) und Selbstkasteiung und Introversion sind<br />
ganz nah zusammenhängende Begriffe. Denselben Gedankengang<br />
verrät die oben erwähnte Zosimosvision, wo es vom Orte der Verwandlung<br />
heißt: 6 xojiog rrjg äox7]oeg. Wir haben damals bemerkt,<br />
daß der Ort der Verwandlung eigentlich der Uterus ist.<br />
Die Vertiefung<br />
in sich selbst (Introversion) ist ein Eingehen in den eigenen Uterus<br />
und zugleich Askese. Aus dieser Handlung entsteht für die Philosophie<br />
der Brähmanas die Welt, für die nachchristlichen Gnostiker<br />
die Erneuerung und geistige Wiedergeburt des Individuums, das in eine<br />
neue geistige Welt geboren wird. Die indische Philosophie ist nur bedeutend<br />
kühner und konsequenter, sie nimmt auch an, daß aus der<br />
Introversion überhaupt die Schöpfung entstehe; wie es in dem wunderbaren<br />
Hymnus Rigveda 10, 129 heißt:<br />
(Teil I,<br />
„Da ward, was in der Schale war versteckt,<br />
Das Eine, durch der Glutpein Kraft geboren.<br />
Aus diesem ging hervor zuerst entstanden:<br />
Als der Erkenntnis Samenkeim, die Liebe^); —<br />
Des Daseins Wurzelung im Nichtsein fanden<br />
Die Weisen, forschend, in des Herzens Triebe*).<br />
1) 1. c, S. 182.<br />
^) Die stoische Vorstellung von der schaffenden Urwärme, in der wir<br />
Kapitel IV) bereits die Libido erkannt haben, gehört in diesen Zusammenhang,<br />
ebenso die Steingeburt des Mithras, die ,,solo aestu iibidinis" erfolgt.<br />
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*) In der genauen Prosaübersetzung heißt dieser Passus: ,,Da entwickelte<br />
sich aus ihm zu Anfang Käma." (Deussen: Gesch. d. Phil., Bd. I, S. 123.) Käma<br />
ist die Libido. ,,Die Wurzelung des Seienden im Nichtseienden fanden die Weisen,<br />
indem sie mit Einsicht forschten, im Herzen."