JAHRBUCH - Glowfish
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396 C. G. Jung. Schlange soll er ans Kreuz geschlagen werden, d. h. als zur Mutter Zurückstrebender soll er an der Mutter hängend sterben. Christus und der Drache des Antichristen haben ja nächste Berührung in der Geschichte ihres Auftretens und ihrer kosmischen Bedeutung. (Vgl. Bousset: Der Antichrist.) Die im Antichristmj'-thus sich bergende Drachensage gehört zum Leben des Helden und ist deshalb unsterblich. Nirgends in neueren Mythenformen sind die Gegensatzpaare so fühlbar einander nahe wie in Christ und Antichrist. (Ich verweise auf die bewundernswerte psychologische Scliilderung dieses Problems in Mereschkowskis Roman: Leonardo da Vinci.) Daß der Drache nur künstlich sei, ist ein hilfreicher und köstlicher rationalistischer Einfall, der für jene Zeit bedeutungsvoll ist. Damit wurden die unheimlichen Götter wirksam banalisiert. Die schizophrenen Geisteskranken bedienen sich gern dieses Mechanismus, um wirksame Persönlichkeiten zu depotenzieren, man hört öfter stereotype Klagen: ,,Bs ist alles gespielt, alles künstlich, gemacht" usw. Ein Traum eines Schizophrenen ist sehr bezeichnend: Er sitzt in einem dunkeln Raum, der nur ein einziges kleines Fenster hat, durch das er den Himmel sehen kann. Dort erscheinen Sonne und Mond, aber sie sind nur aus Ölpapier künstlich gemacht. (Ableugnung der deletären Inzesteinflüsse.) Der Abstieg von 365 Stufen weist auf einen Sonnenlauf, also wiederum auf die Höhle des Todes und der Wiedergeburt hin. Daß diese Höhle tatsächlich in Beziehung zur unterirdischen Todesmutter steht, dürfte aus einer Notiz bei Malalas, dem Historiker von Antiochia^), hervorgehen, welcher berichtet, daß Diocletian dort eine Krypte der Hekate geweiht habe, zu der man auf 365 Stufen hinabstieg. Auch in Samothrake scheinen ihr Höhlenmysterien gefeiert worden zu sein. Ebenso spielte im Dienste der Hekate die Schlange als regelmäßiges Symbolattribut eine große Rolle. Die Hekatemysterien blühten in Rom gegen das Ende des IV. Jahrhunderts, so daß sich die beiden obigen Legenden wohl auf ihren Kult beziehen könnten. Hekate^) ist eine richtige gespenstische Nacht- und Spukgöttin, ein Mar; sie wird auch reitend dargestellt und gilt bei Hesiod als Patronin der Reiter. Sie sendet das scheußliche nächtliche Angstgespenst, die Empusa, von der Aristophanes sagt, sie erschiene in eine blut- 1) Zitiert Cumont: Text, et Mon., I, S. 352. ") Vgl. Röscher: Lex. I, 2, 1885 ff.
Wandlungen und Symbole der Libido. 397 geschwellte Blase gehüllt. Nach Libanius hieß auch die Mutter des Aischines Empusa, und zwar darum, weil sie ex oxoreivöjv xojrcov xolg naiolv xal xdig yvvai^iv (bg/uäro. Empusa hat, wie Hekate, sonderbare Füße: ein Euß besteht aus Erz, der andere aus Eselsmist. Hekate hat Schlangenfüße, was, wie die der Hekate zugeschriebene Dreigestalt, auf ihre (auch) phallische Libidonatur hindeutet^). In Tralles kommt Hekate neben Priapos vor, auch gibt es eine Hekate Aphrodisias. Ihre Symbole sind Sclilüssel'^), GeißeP), Schlange*), Dolch^) und Fackel^). Als der Todesmutter sind ihr Hunde beigegeben, deren Bedeutung wir oben ausführlich erörtert haben. Als Türhüterin des Hades, als Hundegöttin von dreifacher Gestalt ist sie eigentlich mit Kerberos identisch. So bringt Herakles in Kerberos die Todesmutter überwältigt zur Oberwelt empor. Als die Geistmutter (Mond!) sendet sie auch den Wahnsinn, die Mondsucht. (Diese mythische Bemerkung sagt aus, daß die ,,Mutter" den Wahnsinn sende; weitaus die meisten Geisteskranklieiten bestehen auch tatsächlich in der Domination des Individuums durch Materialien derlnzestphantasie.) In iliren Mysterien wurde eine Rute, kevxöcpvXXog genannt, gebrochen. Diese Rute schützt die Reinheit der Jungfrauen und macht den wahnsinnig, der die Pflanze berührte. Wir erkennen darin das Motiv des heiligen Baumes, der als Mutter nicht berührt werden durfte (was nur ein Wahnsinniger sich erlauben dürfte). Als Alp erscheint Hekate in der Form der Empusa in einer VampyrroUe oder als Lamia, als Menschenfresserin, etwa auch in jener schöneren Weise der ,, Braut von Korintli". Sie ist die Mutter alles Zaubers und aller Zauberinnen, die Schutzheilige der Medea, denn die Macht der furchtbaren Mutter ist magisch und unwiderstehlich (vom Unbewußten ^) Die Dreigestalt wird auch auf den Mond bezogen (zunehmender, voller und abnehmender Mond), jedoch sind dergleichen kosmische Beziehungen in erster Linie projizierte Metapsychologie. ^) Faust, II. Teil. Mütterszene: Der Schlüssel kommt der Hekate JiQodvQa.ia zu als Türhüterin des Hades und psychopompischer Gottheit. Vgl. Janus, Petrus und Aion. *) Attribut der furchtbaren Mutter: Ishtar hat ,,das Roß mit Stachel und Geißel gequält und zu Tode gemartert." (Jensen: Gilgamesh hepos, S. 18.) Auch Attribut des Helios. erwähnt. *) Phallisches Angstsymbol. *) Tötende Waffe als Symbol des befruchtenden Phallus. *) Wird schon von Piaton als phaUisches Symbol bezeugt, wie oben
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Schlange soll er ans Kreuz geschlagen werden, d. h. als zur<br />
Mutter Zurückstrebender soll er an der Mutter hängend<br />
sterben. Christus und der Drache des Antichristen haben ja<br />
nächste<br />
Berührung in der Geschichte ihres Auftretens und ihrer kosmischen<br />
Bedeutung. (Vgl. Bousset: Der Antichrist.) Die im Antichristmj'-thus<br />
sich bergende Drachensage gehört zum Leben des Helden und ist deshalb<br />
unsterblich. Nirgends in neueren Mythenformen sind die Gegensatzpaare<br />
so fühlbar einander nahe wie in Christ und Antichrist.<br />
(Ich verweise<br />
auf die bewundernswerte psychologische Scliilderung dieses<br />
Problems in Mereschkowskis Roman: Leonardo da Vinci.) Daß<br />
der Drache nur künstlich sei, ist ein hilfreicher und köstlicher rationalistischer<br />
Einfall, der für jene Zeit bedeutungsvoll ist. Damit wurden die<br />
unheimlichen Götter wirksam banalisiert. Die schizophrenen Geisteskranken<br />
bedienen sich gern dieses Mechanismus, um wirksame Persönlichkeiten<br />
zu depotenzieren, man hört öfter stereotype Klagen:<br />
,,Bs ist alles gespielt, alles künstlich, gemacht" usw. Ein Traum eines<br />
Schizophrenen ist sehr bezeichnend: Er sitzt in einem dunkeln Raum,<br />
der nur ein einziges kleines Fenster hat, durch das er den Himmel<br />
sehen kann. Dort erscheinen Sonne und Mond, aber sie<br />
sind nur aus<br />
Ölpapier künstlich gemacht. (Ableugnung der deletären Inzesteinflüsse.)<br />
Der Abstieg von 365 Stufen weist auf einen Sonnenlauf, also<br />
wiederum auf die Höhle des Todes und der Wiedergeburt hin. Daß<br />
diese Höhle tatsächlich in Beziehung zur unterirdischen Todesmutter<br />
steht, dürfte aus einer Notiz bei Malalas, dem Historiker von Antiochia^),<br />
hervorgehen, welcher berichtet, daß Diocletian dort eine<br />
Krypte der Hekate geweiht habe, zu der man auf 365<br />
Stufen hinabstieg.<br />
Auch in Samothrake scheinen ihr Höhlenmysterien gefeiert worden<br />
zu sein. Ebenso spielte im Dienste der Hekate die Schlange als regelmäßiges<br />
Symbolattribut eine große Rolle. Die Hekatemysterien blühten<br />
in Rom gegen das Ende des IV. Jahrhunderts, so daß sich die beiden<br />
obigen Legenden wohl auf ihren Kult beziehen könnten. Hekate^)<br />
ist eine richtige gespenstische Nacht- und Spukgöttin, ein Mar; sie<br />
wird auch reitend dargestellt und gilt bei Hesiod als Patronin der<br />
Reiter. Sie sendet das scheußliche nächtliche Angstgespenst, die<br />
Empusa, von der Aristophanes sagt, sie erschiene in eine blut-<br />
1) Zitiert Cumont: Text, et Mon., I, S. 352.<br />
") Vgl. Röscher: Lex. I, 2, 1885 ff.