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JAHRBUCH - Glowfish

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Wandlungen und Symbole der Libido. 395<br />

,,Und ich sah einen Engel herabkomnien vom Himmel, mit dem<br />

Schlüssel des Abgrundes tmd einer großen Kette auf seiner Hand. Und er<br />

griff den Drachen, die alte Schlange, das ist der Teufel und Satan, und band<br />

ihn auf tausend Jahre, und warf ihn in den Abgrund, und schloß zu und<br />

legte<br />

Siegel darauf^)."<br />

Aus dem Anfang des V. Jahrhunderts erwähnt der anonyme<br />

Autor einer Schrift ,,de promissionibus"^) folgende sehr ähnliche<br />

Legende :'<br />

,,Apud urbem Romam specus quidam fuit in quo draco mirae magnitudinis<br />

mechanica arte formatus, gladium ore gestans^), oculis rutilantibus<br />

gemmis*) metuendus ac terribilis apparebat. Hinc annuae devotae<br />

virgines floribus exornatae, eo modo in sacrificio dabantur, quatenus<br />

inscias munera deferentes gradum scalae, quo certc ille arte diaboli draco<br />

pendebat, contingentes impetus venientis gladii perimeret, ut sanguiuem<br />

funderet innocentem. Et hunc quidam monachus, bene ob meritum cognitus<br />

Stiliconi timc patricio, eo modo subvertit; baculo, manu, singulos gradus<br />

palpandos inspiciens, statim ut illum tangens fraudem diabolicam repperit,<br />

eo transgresso descendens, draconem scidit, misitque in partes; ostendens<br />

et hie deos non esse qui manu fiunt."<br />

Der den Drachen bekämpfende Held hat vieles mit<br />

dem Drachen gemeinsam, respektive er übernimmt Eigentümlichkeiten<br />

von ihm, z. B. die Unverwundbarkeit, Wie die Fußnoten<br />

zeigen, geht die Ähnlichkeit noch weiter (funkelnde Augen, Schwert<br />

im Munde). Als Psychologem übersetzt, ist der Drache auch nur die<br />

nach der Mutter strebende verdrängte Libido des Sohnes, also sozusagen<br />

der Sohn selber. So ist der Sohn der Drache, wie auch Christus<br />

sich selbst mit der Scldange identifiziert, die einstmals — similia similibus<br />

— , die Schlangennot in der Wüste bekämpft hat. (Joh, 3, 14.) Als<br />

') Apokal, 20, 1 ff.<br />

") Zitiert Cumont: Text, et Mon., t., I, S. 351.<br />

') Wie sein Gegenstück, der apokaljütische ,, Menschensohn", aus dessen<br />

Munde ein ,, scharfes zweischneidiges Schwert" geht. Apokal, 1, 16. Vgl. Christus<br />

als Schlange und der die Völker verführende Antichrist. (Vgl. dazu Apokal, 20, 3.)<br />

Demselben Motiv des bewehrten Drachens, der die Weiber ersticht, begegnen<br />

wir in einer Mythe des Oysterbaistammes auf Vandiemensland : ,,Ein Stacholroche<br />

lag in der Höhlung eines Felsens, ein großer Stachelroche ! Der Stachelroche<br />

war groß, er hatte einen sehr langen Speer. Aus seinem Loche erspähte er die<br />

Frauen, er sah sie tauchen; er durchbohrte sie mit seinem Spieß, er tötete sie,<br />

er brachte sie weg. Eine Zeitlang waren sie nicht mehr zu sehen." — Das Ungeheuer<br />

wurde dann von den beiden Helden getötet. Sie machten Feuer (!) und<br />

belebten die Frauen wieder. (Zitiert bei Frobenius: 1. c., S. 77.)<br />

*) Die Augen des Menschensohnes sind wie Feuerflamme". Apokal, I, 15.

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