JAHRBUCH - Glowfish

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392 C. G. Jung. Siegfried: „Du holdes Vöglein ! Dich hört ich wohl nie; Bist du im Wald hier daheim? — Verstund ich sein süßes Stammeln! Gewiß sagt es mir was — Vielleicht — von der Hoben Mutter?" — Dieser Psychologie sind wir bereits bei Hiawatlia begegnet. Durch seine Zwiesprache mit dem Vogel (Vogel ein Bild des Wunsches, der beflügelten Sehnsucht, wie Wind und Pfeil) lockt sich Siegfried aber Faf ner aus der Höhle. Seine Wünsche kehrten zurück nach der Mutter chthonische Dämon, der höhlenbewohnende Waldschrecken, und der kommt hervor. Fafner ist der Schatzhüter, in seiner Höhle liegt der Hort, die Quelle des Lebens und der Macht. Die Mutter besitzt die Libido des Sohnes und neidisch bewacht sie sie. In psychologische Sprache übersetzt, heißt es: Die positive Übertragung gelingt nur durch Ablösung der Libido von der Mutterimago, dem inzestuösen Objekt überhaupt. Auf diese Weise allein gewinnt man seine Libido, Schatz und dazu bedarf den unermeßlichen es eines gewaltigen Kampfes, des ganzen Anpassungskampf es^). Den Gewinn dieses Kampfes mit Fafner hat die Siegfriedsage reichlich ausgemalt: Nach der Edda ißt Siegfried Fafners Herz, den Sitz des Lebens. Er gewinnt die Tarnkappe, durch deren Zauber sich Alberich in eine Schlange verwandelt hat. Das deutet auf das Häutungsmotiv, die Verjüngung. Mit der Tarnkappe kann man bewirken, daß man verschwindet und sich verwandelt. Das Verschwinden bezieht sich wohl auf Sterben und das unsichtbare Zugegensein wohl auf die unsichtbare Gegenwart im Mutterleib. Eine glückverheißende Kappe ist auch die Amnionhülle, die das Neugeborene gelegentlich über dem Kopf trägt („Glückshaube"). Außerdem trinkt Siegfried das Drachenblut, wodurch er die Vogelsprache versteht und so in eine eigenartige Beziehung zur Natur, in eine durch Wissen beherrschende Stellung kommt. Auch gewinnt er nicht zuletzt den Hort. Hort ist ein mittel- und althochdeutsches Wort mit der Bedeutung von ,, gesammelter und verwahrter Schatz", got. huzd, altnord. hodd, germ. hozda, aus vorgerm. kuzdhö — für kudtho — das Ver- 1) Faust (II. Teil): ,,Doch im Erstarren such ich nicht mein Heil, Das Schaudern ist der Menschheit bestes Teil; Wie auch die Welt ihm das Gefühl verteure, Ergriffen, fühlt er tief das Ungeheure.

; Wandlungen und Symbole der Libido. 393 borgene. Kluge^) stellt dazu gr. xev^co, e'y.v&ov = bergen, verbergen, ebenso Hütte, (Hut, hüten, engl, hide), germ. Wurzel hud aus idg. kutli (fraglich) zu xetJi^cü undxvo&og, Höhlung, weibliche Scham. Auch Prell witz^) stellt goth. huzd, angels. hyde, engl, hide und Hort zu xev^oi. Whitley Stokes'^) stellt engl, hide, ags. liydan, nhd. Hütte, lat. cüdo = Helm, sanskr. kuhara (Höhle?) zu urkelt. koudo = Verheb hing, lat. occultatio. Die Vermutung von Kluge wird zunächst auch von anderer Seite gestützt, nämlich von der Seite des urtümlichen Bildes: ,,Es bestand in Athen^) ein heiliger Raum (ein Temenos) der Ge mit dem Beinamen Olympia. Hier ist der Boden etwa eine Elle breit gerissen und sie erzählen, nach der Überschwemmung zur Zeit des Deukahon sei hier das Wasser abgeflossen; und sie werfen jährlich in den Spalt mit Honig geknetetes Weizenmehl." Wir haben bereits oben erwähnt, daß bei den Arrhetophorien Gebäck in Form von Sclilangen und Phallen in einen Erdschlund geworfen wird. Wir erwähnten dies im Zusammenhang von Erdbefruchtungszeremonien. Die Opferung in den Erdspalt haben wir schon bei den Watschandies gestreift. Die Todesflut hat sich bezeichnenderweise in den Erdspalt, also wieder in die Mutter verlaufen, denn aus der Mutter ist das allgemeine große Sterben einstmals gekommen. Die Sintflut ist das bloße Gegenstück des allbelebenden und gebärenden Wassers: 'Qxeavov, ög jieq yeveoig ndvxeooi xhvxxai (II. XIV, 246). Man opfert der Mutter den Honigkuchen, damit sie uns mit dem Tode verschone. So wurde auch in Rom jährlich ein Geldopfer in den lacus Curtius geworfen, in den ehemaligen Erdschlund, der nur durch den Opfertod des Curtius geschlossen werden konnte. Curtius war der typische Held, der zur Unterwelt gefahren ist, um die aus der Öffnung des Erdschlundes den römischen Staat bedrohende Gefahr zu überwinden. (Kaineus, Amphiaraos.) Im Amphiaraion von Oropos warfen die durch Tempelinkubation Geheilten ihre in die heilige Quelle, von der Pausanias (I, 34, 4) sagt: Geldspende „Wenn aber jemand durch einen Orakelspruch von einer Krankheit geheilt ist, dann ist es üblich, eine silberne oder goldene Münze in die Quelle zu werfen; denn hier soll Amphiaraos schon als Gott emporgestiegen sein." *) Etymol. Wörterbuch der deutschen Sprache, s. Hort. *) Griechische Et3Tnologie, siehe Kevdco. ') Urkeltischer Sprachschatz, Fiele II. *) Pausanias: I, 18, 7.

392 C. G. Jung.<br />

Siegfried: „Du holdes Vöglein !<br />

Dich hört ich wohl nie;<br />

Bist du im Wald hier daheim? —<br />

Verstund ich sein süßes Stammeln!<br />

Gewiß sagt es mir was —<br />

Vielleicht — von der Hoben Mutter?" —<br />

Dieser Psychologie sind wir bereits bei Hiawatlia begegnet.<br />

Durch seine Zwiesprache mit dem Vogel (Vogel ein Bild des Wunsches,<br />

der beflügelten Sehnsucht, wie Wind und Pfeil) lockt sich Siegfried aber<br />

Faf ner aus der Höhle. Seine Wünsche kehrten zurück nach der Mutter<br />

chthonische Dämon, der höhlenbewohnende Waldschrecken,<br />

und der<br />

kommt hervor. Fafner ist der Schatzhüter, in seiner Höhle liegt der Hort,<br />

die Quelle des Lebens und der Macht. Die Mutter besitzt die Libido des<br />

Sohnes und neidisch bewacht sie sie.<br />

In psychologische Sprache übersetzt,<br />

heißt es: Die positive Übertragung gelingt nur durch Ablösung<br />

der Libido von der Mutterimago, dem inzestuösen Objekt überhaupt.<br />

Auf diese Weise allein gewinnt man seine Libido,<br />

Schatz und dazu bedarf<br />

den unermeßlichen<br />

es eines gewaltigen Kampfes, des ganzen Anpassungskampf<br />

es^). Den Gewinn dieses Kampfes mit Fafner hat die<br />

Siegfriedsage reichlich ausgemalt: Nach der Edda ißt Siegfried Fafners<br />

Herz, den Sitz des Lebens. Er gewinnt die Tarnkappe, durch deren Zauber<br />

sich Alberich in eine Schlange verwandelt hat. Das deutet auf das<br />

Häutungsmotiv, die Verjüngung. Mit der Tarnkappe kann man bewirken,<br />

daß man verschwindet und sich verwandelt. Das Verschwinden bezieht<br />

sich wohl auf Sterben und das unsichtbare Zugegensein wohl auf die<br />

unsichtbare Gegenwart im Mutterleib. Eine glückverheißende Kappe<br />

ist auch die Amnionhülle, die das Neugeborene gelegentlich über dem<br />

Kopf trägt („Glückshaube"). Außerdem trinkt Siegfried das Drachenblut,<br />

wodurch er die Vogelsprache versteht und so in eine eigenartige<br />

Beziehung zur Natur, in eine durch Wissen beherrschende Stellung<br />

kommt. Auch gewinnt er nicht zuletzt den Hort.<br />

Hort ist ein mittel- und althochdeutsches Wort mit der Bedeutung<br />

von ,,<br />

gesammelter und verwahrter Schatz", got. huzd, altnord.<br />

hodd, germ. hozda, aus vorgerm. kuzdhö — für kudtho — das Ver-<br />

1) Faust (II. Teil):<br />

,,Doch im Erstarren such ich nicht mein Heil,<br />

Das Schaudern ist der Menschheit bestes Teil;<br />

Wie auch die Welt ihm das Gefühl verteure,<br />

Ergriffen, fühlt er tief das Ungeheure.

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