JAHRBUCH - Glowfish

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390 C. ö. Jung. Die Sünde Brünhildens ist die Begünstigung Siegmunds, dahinter liegt aber der Inzest; dieser ist in das Bruder- Seh westerVerhältnis von Siegmund und Sicglinde projiziert: in Wirklichkeit und archaisch ausgedrüclvt ist Wotan, der Vater, in seine selbatgcschaffene Tochter eingegangen, um sich zu verjüngen. Diese Tatsache muß selbstverständlich verschleiert werden. Mit Recht aber ist Wotan über Brünhilde empört, denn sie hat die Isisrolle übernommen und durch die Geburt des Sohnes dem Alten die Macht aus der Hand gewunden. Den ersten Anfall der Todesschlange in Gestalt des Sohnes, Siegmund, hat Wotan abgeschlagen und Siegmunds Schwert zerbrochen, aber Siegmund erhebt sich wieder im Enkel. Und zu diesem unvermeidlichen Verhängnis hilft immer das Weib ; daher der Zorn des Wotan. Bei Siegfrieds Geburt stirbt Sieglinde, wie sich 's gebührt. Die Pflegemutferi) ist nun allerdings kein Weib (anscheinend), sondern ein chthonischer Gott, ein krüppelhafter Zwerg, der zu jenem Geschlecht gehört, das der Liebe entsagt-). Der Unterweltsgott der Ägypter, der verkrüppelte Schatten des Osii'is (der eine traurige Aufersteliung im geschlechtslosen Halbaffen Harpokrates feierte), ist der Erzieher des Horus, der den Tod seines Vaters zu räcken hat. Unterdessen schläft Brünhilde den zauberischen Schlaf nach dem Hierosgamos auf dem Berge, wo Wotan sie mit dem Schlafdorn (Edda) in Schlaf versenkt hat^), umbrannt von Wotans Feuer 1) Bei Grimm ist die Sage erwähnt, daß Siegfried von einer Hirschkuh (vgl. Hiawathas erste Tat) gesäugt wixrde. 2) Vgl. Grimm, Myth., I, S. 314 f. Mime oder Mimir ist ein riesiges Wesen von großer Weisheit, ein ,, älterer Naturgott", mit dem die Äsen umgehen. Spätere Fabeln machen aus ihm einen Waldgeist und kunstreichen Schmied (nächste Beziehung zu Wieland). Wie Wotan sich bei der weisen Frau Rates erholt (vgl. die oben erwähnte Stelle aus Julius Cäsar über die germanischen Matronen), so geht Odin zum Brunnen Mimirs, in dem Weisheit und kluger Sinn verborgen liegt, zxvc Geistmutter (Mutterimago). Er begehrt dort eines Trankes (Unsterblichkeitstrank), den er aber nicht eher empfängt, als bis er sein Auge dem Brunnen opfert (Sonnentod im Meer). Der Brunnen Mimirs weist unzweideutig auf die Mutterbedeutung Mimirs hin. So besitzt Mimir Odins anderes Auge. In Mimir verdichtet sich Mutter (weiser Riese) und Embryo (Zwerg, unterirdische Sonne, Harpokrates); zugleich ist er als Mutter die Quelle der Weisheit und Kunst. (,,Mutterimago" kann daher unter Umständen auch als ,,Phantasie" übersetzt werden.) ä) Auch bei der homerischen Hierosgamosfeier sitzt der zauberische Schlaf dabei. (Vgl. oben.)

Wandlungen und Symbole der Libido. 391 {— Libido^), das jedem den Zutritt wehrt. Älime wird aber zum Feind Siegfrieds und wünscht ihm den Tod durch Fafner. Hier enthüllt sich die dynamische Natur Mimes: er ist. ein männlicher Repräsentant der furchtbaren Mutter, also doch auch eine Pflegemutter dämonischer Wurm (Typhon) in den Natur, die ihrem Sohne (Horus) den giftigen Weg legt. Siegfrieds Sehnsucht nach der Mutter treibt ihn fort von Mime, und seine Wanderschaft beginnt bei der Todesmutter und führt durch Überwindung der furchtbaren^) Mutter zum Weibe. Siegfried S. 55, ed. Burghold. Siegfried: „Fort mit dem Alp! Ich mag ihn nicht mehr seh'n. Aber wie sah meine Mutter wohl aus? Das kann ich nun gar nicht mir denken! — Der Rehhindin gleich Glänzten gewiß Ihr hellschimmernde Augen." — Siegfried will sich trennen vom ,,Alp", der ihm Mutter war in der Vergangenheit, und tastet vorwärts mit der Sehnsucht, die der Mutter gilt. Auch für ihn gewinnt die Natur eine versteckte mütterliche Bedeutung (,,Rehhindiu"), auch er entdeckt in den Tönen der Natur eine Ahnung der Mutterstimme und Muttersprache: 1. c. S. 56. ') Dies ist belegt durch die Worte Siegfrieds: ,, Durch brennendes Feuer fuhr ich nicht zu dir; Brünne, noch Panzer barg meinen Leib: nun brach die Lohe mir in die Brust; es braust mein Blut in blühender Brunst; ein zehrendes Feuer ist mir entzündet." *) Der Höhlendrache ist die furchtbare Mutter. Öfter erscheint in der deutschen Sage die zu erlösende Jungfrau als Schlange oder Drache und muß in dieser Gestalt geküßt werden, dadurch verwandelt sich der Drache in ein schönes Weib. Gewissen weisen Frauen vird ein Fisch- oder Schlangenschwanz beigelegt. In den ,, goldenen Berg" war eine Königstochter als Schlange verwünscht. Im Oselberg bei Dinkelsbühl haust eine Schlange mit Frauenkopf und Schlüsselbund am Halse. (Grimm, II. IV, S. 809 f.)

390 C. ö. Jung.<br />

Die Sünde Brünhildens ist<br />

die Begünstigung Siegmunds, dahinter<br />

liegt aber der Inzest; dieser ist in das Bruder- Seh westerVerhältnis<br />

von Siegmund und Sicglinde projiziert:<br />

in Wirklichkeit und archaisch<br />

ausgedrüclvt ist Wotan, der Vater, in seine selbatgcschaffene Tochter<br />

eingegangen, um sich zu verjüngen. Diese Tatsache muß selbstverständlich<br />

verschleiert werden. Mit Recht aber ist Wotan über Brünhilde<br />

empört, denn sie hat die Isisrolle übernommen und durch die Geburt<br />

des Sohnes dem Alten die Macht aus der Hand gewunden. Den<br />

ersten Anfall der Todesschlange in Gestalt des Sohnes, Siegmund,<br />

hat Wotan abgeschlagen und Siegmunds Schwert zerbrochen, aber<br />

Siegmund erhebt sich wieder im Enkel. Und zu diesem unvermeidlichen<br />

Verhängnis hilft immer das Weib ;<br />

daher der Zorn des Wotan.<br />

Bei Siegfrieds Geburt stirbt Sieglinde, wie sich 's gebührt. Die<br />

Pflegemutferi) ist<br />

nun allerdings kein Weib (anscheinend), sondern ein<br />

chthonischer Gott, ein krüppelhafter Zwerg, der zu jenem Geschlecht<br />

gehört, das der Liebe entsagt-).<br />

Der Unterweltsgott der Ägypter, der<br />

verkrüppelte Schatten des Osii'is (der eine traurige Aufersteliung im<br />

geschlechtslosen Halbaffen Harpokrates feierte), ist der Erzieher des<br />

Horus, der den Tod seines Vaters zu räcken hat.<br />

Unterdessen schläft Brünhilde den zauberischen Schlaf nach<br />

dem Hierosgamos auf dem Berge, wo Wotan sie mit dem Schlafdorn<br />

(Edda) in Schlaf versenkt hat^), umbrannt von Wotans Feuer<br />

1) Bei Grimm ist die Sage erwähnt, daß Siegfried von einer Hirschkuh<br />

(vgl. Hiawathas erste Tat) gesäugt wixrde.<br />

2) Vgl. Grimm, Myth., I, S. 314 f. Mime oder Mimir ist ein riesiges Wesen<br />

von großer Weisheit, ein ,, älterer Naturgott", mit dem die Äsen umgehen.<br />

Spätere Fabeln machen aus ihm einen Waldgeist und kunstreichen Schmied<br />

(nächste Beziehung zu Wieland). Wie Wotan sich bei der weisen Frau Rates<br />

erholt (vgl. die oben erwähnte Stelle aus Julius Cäsar über die germanischen<br />

Matronen), so geht Odin zum Brunnen Mimirs, in dem Weisheit und kluger<br />

Sinn verborgen liegt, zxvc Geistmutter (Mutterimago). Er begehrt dort eines<br />

Trankes (Unsterblichkeitstrank), den er aber nicht eher empfängt, als bis er sein<br />

Auge dem Brunnen opfert (Sonnentod im Meer). Der Brunnen Mimirs weist<br />

unzweideutig auf die Mutterbedeutung Mimirs hin. So besitzt Mimir Odins<br />

anderes Auge. In Mimir verdichtet sich Mutter (weiser Riese) und Embryo<br />

(Zwerg, unterirdische Sonne, Harpokrates); zugleich ist er als Mutter die Quelle<br />

der Weisheit und Kunst. (,,Mutterimago" kann daher unter Umständen auch als<br />

,,Phantasie" übersetzt werden.)<br />

ä) Auch bei der homerischen Hierosgamosfeier sitzt der zauberische Schlaf<br />

dabei. (Vgl. oben.)

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