JAHRBUCH - Glowfish
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36 E. Bleuler. fördert die Energie im Streben. Während die Tiere, namentlich die niedrigeren, mit ihrem geringen Vorstellungsvermögen und ihrem rudimentären Gedächtnis oft merkwürdig wenig Ausdauer in der Verfolgimg eines Zweckes besitzen, kann der Mensch sich in der Höhle für die Jagd begeistern, sich Pläne und Waffen voraus schaffen, und diese Tätigkeit geht ohne Grenzen in das eigentliche autistische Denken über. Es wird ja auch in früheren Stadien schon Leute gegeben haben, die im bloßen Plänemachen ihren energielosen Tatendurst gelöscht haben, und wenn die Künstler der paläolithischen Höhlenzeit durch ihre Jagdszenen oder Tyrtäus durch seine Kriegslieder^) zur Anspannung der Energie anreizten, so mag es doch auch früher schon, wie jetzt, Naturen gegeben haben, die sich mit autistischem Jagen und Kriegführen begnügten, sei es, daß sie selbst Künstler waren oder nur die Kunst der anderen genossen. Ich glaube, daß dies das beste Beispiel ist, zu zeigen, wo die Grenzen ungefähr sind zwischen schädlichem und nützlichem Autismus, und wie unbestimmt sie sind. Die Kunst, wenn sie anregt und die Lebensenergie steigert, ist nützlich, sie ist schädlich, wenn sie an Stelle der Taten tritt, und wenn das ästhetische Bedürfnis so überhand nimmt, daß man es nicht mehr aushält ohne künstlerische Gestaltung seiner Umgebung. Ein ähnlicher Nutzen ist das Abreagieren. Es ist in vielen Fällen nicht möglich, unangenehme Erlebnisse in passender Weise nach außen abzureagieren, sich die Gehebte zu erkämpfen, die sich einem andern zugewandt hat, einen Verleumder totzuschlagen, wie es sich gebührt usw. Da aber unser Organismus doch auf Entladung solcher Eeize eingerichtet ist, so kann die Reaktion in der Phantasie, im Traum, durch ein Kunstwerk, ihren Nutzen haben. Die Gefahr der Übertreibung ist aber sehr groß, und die Zahl derjenigen, die sich nach einer Enttäuschung aus dem Leben zurückziehen und mit dem innern Abreagieren nicht fertig werden wollen, ist keine Ideine. Ein weiterer Nutzen des Autismus besteht in der ausgedehnten Gelegenheit, die er zum Üben der Denkfähigkeit gibt. Das Kind kann noch viel weniger als der Erwachsene beurteilen, was alles möghch ist, und was nicht. In seinen Phantasien steigert es aber seine Kombinationsfähigkeit so gut wie die Körpergewandtheit in den Bewegungsspielen. Wenn es Soldat oder Mutter spielt, übt es notwendige Vor- ^) Es sei auch an die Kriegstänze der Indianer erinnert, die allerdings oft zu einem autistischen Taumel ausarten.
Das autistische Deuken. ^7 stellungs- und Gefühlskomplexe im gleichen Sinne ein, wie das spielende Kätzchen sich für den Fang von lebenden Tieren vorbereitet. Dort besteht aber die Gefahr, daß man sich nicht im richtigen Moment vom Traume loslösen kann, um den Sprung in die Wirklichkeit zu machen. An dieser Khppe scheitern z, B. die Pseudologen beständig. Ein ganz geringer Grad von Autismus darf aber auch mit Nutzen ins Leben hinausgetragen werden. Was von den Affekten im allgemeinen gilt, hat auch in dieser speziellen Anwendung ihrer Mechanismen Gültigkeit. Eine gewisse Einseitigkeit ist zur Erreichung mancher Ziele nützhch. Man muß sich sein Ziel als erstrebenswerter vorstellen als es ist, um seine Begierde zu steigern, man darf sich nicht alle Schwierigkeiten und deren Umgehung genau vorstellen, sonst kommt man vor lauter Überlegung nicht zum Handeln und vermindert seine Energie. Eine wirkliche Begeisterung ist undenkbar ohne Autismus, teils als Begleitsymptom, teils als verstärkende Ursache. Wer die Menge hinreißen will, darf nicht alle Vorbehalte fühlen, geschweige denn denken und aussprechen. So wird wohl das autistische Denken sich auch zukünftig parallel dem reahstischen entwickeln und sowohl Kulturwerte schaffen helfen, als Aberglauben und Wahnideen und psychoneurotische Symptome erzeugen. Resume. Es gibt ein Denken, das unabhängig ist von logischen Regeln und an deren Statt durch affektive Bedürfnisse dirigiert wird (autistisches Denken). Es kommt am ausgesprochensten in der Dementia praecox und im Traum vor, dann in Mythologie und Aberglauben und in den Tagträumen des Hysterischen und des Gesunden, und in der Poesie. Das autistische Denken kann für seine Zwecke ganz unlogisches Material benutzen; Klangassoziationen, zufälhges Zusammentreffen von behebigen Wahrnehmungen und Vorstellungen können an Stelle logischer Assoziationen treten. Unvollständig gedachte Begriffe, falsche Identifikationen, Verdichtungen, Verschiebungen, Symbole, die den Wert von Reahtäten bekommen, und ähnliche abnorme Psychismen bilden zu einem Teil das Material, das vom autistischen Denken benutzt wird. Normales Material und normale Gedankengänge werden aber, wie selbstverständhch, neben den abnormen durchaus nicht verschmäht.
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36 E. Bleuler.<br />
fördert die Energie im Streben. Während die Tiere, namentlich die<br />
niedrigeren, mit ihrem geringen Vorstellungsvermögen und ihrem<br />
rudimentären Gedächtnis oft merkwürdig wenig Ausdauer in der<br />
Verfolgimg eines Zweckes besitzen, kann der Mensch sich in der Höhle<br />
für die Jagd begeistern, sich Pläne und Waffen voraus schaffen, und<br />
diese Tätigkeit geht ohne Grenzen in das eigentliche autistische Denken<br />
über. Es wird ja auch in früheren Stadien schon Leute gegeben haben,<br />
die im bloßen Plänemachen ihren energielosen Tatendurst gelöscht<br />
haben, und wenn die Künstler der paläolithischen Höhlenzeit durch<br />
ihre Jagdszenen oder Tyrtäus durch seine Kriegslieder^) zur Anspannung<br />
der Energie anreizten, so mag es doch auch früher schon, wie jetzt,<br />
Naturen gegeben haben, die sich mit autistischem Jagen und Kriegführen<br />
begnügten, sei es, daß sie selbst Künstler waren oder nur die<br />
Kunst der anderen genossen. Ich glaube, daß dies das beste Beispiel ist,<br />
zu zeigen, wo die Grenzen ungefähr sind zwischen schädlichem und<br />
nützlichem Autismus, und wie unbestimmt sie sind.<br />
Die Kunst, wenn sie<br />
anregt und die Lebensenergie steigert, ist nützlich, sie ist schädlich,<br />
wenn sie an Stelle der Taten tritt, und wenn das ästhetische Bedürfnis<br />
so überhand nimmt, daß man es nicht mehr aushält ohne künstlerische<br />
Gestaltung seiner Umgebung.<br />
Ein ähnlicher Nutzen ist das Abreagieren. Es ist in vielen Fällen<br />
nicht möglich, unangenehme Erlebnisse in passender Weise nach<br />
außen abzureagieren, sich die Gehebte zu erkämpfen, die sich einem<br />
andern zugewandt hat, einen Verleumder totzuschlagen, wie es sich<br />
gebührt usw. Da aber unser Organismus doch auf Entladung solcher<br />
Eeize eingerichtet ist, so kann die Reaktion in der Phantasie, im Traum,<br />
durch ein Kunstwerk, ihren Nutzen haben. Die Gefahr der Übertreibung<br />
ist aber sehr groß, und die Zahl derjenigen, die sich nach einer Enttäuschung<br />
aus dem Leben zurückziehen und mit dem innern Abreagieren<br />
nicht fertig werden wollen, ist keine Ideine.<br />
Ein weiterer Nutzen des Autismus besteht in der ausgedehnten<br />
Gelegenheit, die er zum Üben der Denkfähigkeit gibt. Das Kind<br />
kann noch viel weniger als der Erwachsene beurteilen, was alles möghch<br />
ist, und was nicht. In seinen Phantasien steigert es aber seine Kombinationsfähigkeit<br />
so gut wie die Körpergewandtheit in den Bewegungsspielen.<br />
Wenn es Soldat oder Mutter spielt, übt es notwendige Vor-<br />
^) Es sei auch an die Kriegstänze der Indianer erinnert, die allerdings<br />
oft zu einem autistischen Taumel ausarten.