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JAHRBUCH - Glowfish

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360 C. G. Jung.<br />

betrachtet, ein Wiederverschmelzcn mit der Mutter, die uns erstmals<br />

Objekt war und mit der wir auch wirklicli<br />

einmal ganz Eines waren.<br />

Es ist daher nicht erstaunlich, wenn wir in der Bildersprache eines<br />

modernen Philosophen, Karl Joel, wiederum die alten Bilder auftauchen<br />

sehen, welche das Einssein mit der Mutter symbolisieren,<br />

indem sie<br />

das Zusammcnüießen von Subjekt und Objekt veranschaulichen:<br />

In seinem neuesten Buche ,, Seele und Welt" (1912) schreibt<br />

Joel in dem Abschnitt ,,Das Urerlebnis"i) folgendes:<br />

,,Ich Uege am Meeresstrand, blau schimmert die fümmernde Flut in die<br />

träumenden Augen; weithin flattern fächelnde Lüfte — anstürmend, abschäumend,<br />

aufregend, einschläfernd kommt der Wogenschlag ans Ufer— oder<br />

ans Ohr? Ich weiß es nicht. Ferne und Nähe verschwimmen in eins; draußen<br />

und drinnen gleiten ineinander über. Näher und näher, trauter und<br />

heimischer tönt der Wogenschlag; jetzt achlägt er als donnernder<br />

Puls in meinem Kopfe und jetzt schlägt er hinweg über meine Seele, umschlingt<br />

sie, verschlingt sie, während sie selber doch zugleich<br />

hinaus schwimmt als blauende Flut. Ja, draußen und drinnen sind<br />

eins. Schimmern und Schäumen, Rinnen und Fächeln und Dröhnen —<br />

die ganze Symphonie empfundener Reize verküngt in einen Ton, alle Sinne<br />

werden zu einem Sinn, der eins wird mit dem Gefühl; die Welt verhaucht<br />

in die Seele und die Seele löst sich in der Welt. Unser kleines Leben ist<br />

von einem großen Schlaf umflossen. — Der Schlaf unsere Wiege, der<br />

Schlaf unser Grab, der Schlaf unsere Heimat, aus der wir am<br />

Morgen ausziehen, in die wir am Abend wieder einziehen, unser<br />

Leben aber die kurze Wanderschaft, die Spannimg zwischen dem Auftauchen<br />

aus der Ureinheit imd dem Versinken in sie! — Blau flutet<br />

das Meer, das miendliche, darin die Qualle jenes Urleben träumt, zu dem<br />

unser dämmerndes Ahnen noch durch Äonen der Erinnerung hinabsickert.<br />

Denn jedes Erlebnis enthält eine Änderung und eine Wahrung der Lebenseinheit.<br />

In dem Augenblicke, da sie nicht mehr verschmolzen sind, da<br />

ein Erlebender noch blind und triefend sein Haupt hebt aus der<br />

Versunkenheit im Strome des Erlebens, aus dem Verquollensein<br />

mit dem Erlebten, in dem Augenblicke, da die Lebenseinheit staunend,<br />

befremdet, die Änderung von sich ablöst, als ein Fremdes vor sich hält,<br />

leere, sondern die volle Einheit, nicht die Einheit der Indifferenz, sondern die<br />

Einheit der Differenz —." ,, Alles Leben ist Aufhebung des Gleichgewichts und<br />

Zurückstreben ins Gleichgewicht. Solche Heimkehr finden -wir in Religion<br />

und Kunst."<br />

*) Unter Urerlebnis ist jene erste menschliche Unterscheidung zwischen<br />

Subjekt und Objekt, jenes erstmalige bewußte Objektsetzen zu verstehen, welches<br />

psychologisch nicht denkbar ist ohne Voraussetzung einer innern Entzweiung des<br />

animal ,, Mensch" mit sich selber, wodurch er sich eben von der mit sich einsseiunden<br />

Natur getrennt hat.

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