JAHRBUCH - Glowfish

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01.11.2013 Aufrufe

! ! 354 C. G. Juug. bewahrer, daher auch wieder ein Ursprungsort des Lebens von vorwiegend weiblicher Bedeutung. Das Merkwürdige ist, daß Nokomis, auf die Erde fallend, eine Tochter, Wenonali, gebar, die nachmalige Mutter Hiawathas. Das Hinaufschleudern der Mutter und das Herunterfallen und Gebären scheint etwas Typisches an sich zu haben. So erzählt eine Geschichte aus dem 17. Jahrhundert, daß ein wütender Stier eine schwangere Frau in Haushöhe emporgeworfen luid ilir den Leib aufgerissen habe und das Kind sei wohlbehalten auf die Erde gefallen. Man hielt dieses Kind infolge seiner wunderbaren Geburt für einen Helden oder Wundertäter, aber es starb frühzeitig. Bekanntlich ist bei tiefstehenden Wilden der Glaube verbreitet, die Sonne sei weiblich und der Mond männlich. Bei den Namaqua, einem Hottentottenstamm, besteht die Meinung, die Sonne bestehe aus klarem Speck: „die Leute, die auf Schiffen fahren, ziehen sie durch Zauber allabendlich herunter, schneiden sich ein tüchtiges Stück ab und geben ihr dann einen Fußtritt, daß sie wieder an den Himmel hinauffliegt." (Waitz: Anthropologie II, 342.) Die infantile Nahrung kommt von der Mutter. (Vgl. unten.) Wir begegnen in den Gnostikerphantasien einer vielleicht hierher gehörigen Menschenentstehungslegende : Die ans Himmelsgewölbe angebundenen weiblichen Archonten vermögen infolge der schnellen Umdrehung des Himmels ihre Früchte nicht bei sich zu behalten, sondern lassen sie auf die Erde herunterfallen, woraus die Menschen entstehen. Ein Zusammenhang mit barbarischen Geburtshelferkünsten (Herunterfallenlassen der Gebärenden) ist nicht ausgeschlossen. Die Vergewaltigung der Mutter ist schon mit dem Abenteuer des Mudjekeewis eingeführt, und ist fortgesetzt in der gewaltsamen Behandlung der ,, Großmutter", der Nokomis, die infolge des Abschneidens der Liane und des Herunterfallens irgendwie scliwanger geworden zu sein scheint. Das ,, Abschneiden des Zweiges", das Pflücken, haben wir bereits als Mutterinzest erkannt. (Vgl. oben.) Jener bekannte Vers vom ,,Lande Sachsen, wo die schönen Mädchen auf den Bäumen wachsen", und Kedensarten, wie ,,die Kirschen in Nachbars Garten pflücken" spielen auf ein ähnliches Bild an. Das Herunterfallen der Nokomis verdient mit einer poetischen Figur bei Heine verglichen zu werden: ,,Es fällt ein Stern herunter Aus seiner funkelnden Höh' Das ist der Stern der Liebe, Den ich dort fallen seh'

: "Wandlungen und Symbole der Libido. 355 vom Apfelbaume Es fallen Der Blütea mid Blätter viel. Es kommen die neckenden Lüfte Und treiben damit ihr Spiel." Wenonah wird später vom Westwind kosend umworben und wird von ihm schwanger. Wenonah als junge Mondgöttin hat die Schönheit des Mondliclites. Nokomis warnt sie vor der gefährlichen Werbung des Mudjekeewis, des Westwindes. Aber Wenonah läßt sich betören und empfing vom Windhauch, vom jivsv/ua einen Sohn, unseren Helden „And the West-Wind came at evening, — Found the beautiful Wenonah, Lying there among the lilies, Wooed her with bis words of sweetness, Wooed her with his soft caresses, Till she bore a son in sorrow, Bore a son of love and sorrow." Die Befruchtung durch den Geisthauch ist uns bereits eine bekannte Erfahrung. Der Stern oder Komet gehört offenbar zur Geburtsszene als Libidosvmbol, auch Nokomis kommt zur Erde wie ein fallender Stern. Mörikes liebenswürdige Dichterphantasie hat sich einen ähnlichen göttlichen Ursprung ersonnen. Und die mich trug im Mutterleib, Und die mich schwang im Kissen, Die war ein schön frech braunes Weib, Wollt' nichts vom Mannsvolk wissen. Sie scherzte nur und lachte laut Und ließ die Freier stehen: Möcht' lieber sein des Windes Braut, Denn in die Ehe gehen!" Da kam der Wind, da nahm der Wind Als Buhle sie gefangen: Von dem hat sie ein lustig Kind In ihrem Schoß empfangen. Buddhas wunderbare Geburtsgeschichte, von Sir wieder erzählt^), weiß ebenfalls davon: Edwin Arnold ') The Light of Asia or the great renunciation (Mahäbhinishkramaaa). 23*

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354 C. G. Juug.<br />

bewahrer, daher auch wieder ein Ursprungsort des Lebens von vorwiegend<br />

weiblicher Bedeutung. Das Merkwürdige ist, daß Nokomis,<br />

auf die Erde fallend, eine Tochter, Wenonali, gebar, die nachmalige<br />

Mutter Hiawathas. Das Hinaufschleudern der Mutter und das Herunterfallen<br />

und Gebären scheint etwas Typisches an sich zu haben. So erzählt<br />

eine Geschichte aus dem 17.<br />

Jahrhundert, daß ein wütender Stier<br />

eine schwangere Frau in Haushöhe emporgeworfen luid ilir den Leib<br />

aufgerissen habe und das Kind sei wohlbehalten auf die Erde gefallen.<br />

Man hielt dieses Kind infolge seiner wunderbaren Geburt für einen<br />

Helden oder Wundertäter, aber es starb frühzeitig. Bekanntlich ist<br />

bei tiefstehenden Wilden der Glaube verbreitet, die Sonne sei weiblich<br />

und der Mond männlich. Bei den Namaqua, einem Hottentottenstamm,<br />

besteht die Meinung, die Sonne bestehe aus klarem Speck: „die<br />

Leute, die auf Schiffen fahren, ziehen sie durch Zauber allabendlich<br />

herunter, schneiden sich ein tüchtiges<br />

Stück ab und geben ihr dann<br />

einen Fußtritt, daß sie wieder an den Himmel hinauffliegt."<br />

(Waitz: Anthropologie II, 342.) Die infantile Nahrung kommt von<br />

der Mutter. (Vgl. unten.) Wir begegnen in den Gnostikerphantasien<br />

einer vielleicht hierher gehörigen Menschenentstehungslegende :<br />

Die ans<br />

Himmelsgewölbe angebundenen weiblichen Archonten vermögen infolge<br />

der schnellen Umdrehung des Himmels ihre Früchte nicht bei sich zu<br />

behalten, sondern lassen sie auf die Erde herunterfallen, woraus die<br />

Menschen entstehen. Ein Zusammenhang mit barbarischen Geburtshelferkünsten<br />

(Herunterfallenlassen der Gebärenden) ist nicht ausgeschlossen.<br />

Die Vergewaltigung der Mutter ist schon mit dem Abenteuer<br />

des Mudjekeewis eingeführt, und ist fortgesetzt in der gewaltsamen<br />

Behandlung der ,, Großmutter", der Nokomis, die infolge des Abschneidens<br />

der Liane und des Herunterfallens irgendwie scliwanger<br />

geworden zu sein scheint. Das ,, Abschneiden des Zweiges", das Pflücken,<br />

haben wir bereits als Mutterinzest erkannt. (Vgl. oben.) Jener bekannte<br />

Vers vom ,,Lande Sachsen, wo die schönen Mädchen auf den Bäumen<br />

wachsen", und Kedensarten, wie ,,die Kirschen in Nachbars Garten<br />

pflücken" spielen auf ein ähnliches Bild an. Das Herunterfallen der<br />

Nokomis verdient mit einer poetischen Figur bei Heine verglichen<br />

zu werden:<br />

,,Es fällt ein Stern herunter<br />

Aus seiner funkelnden Höh'<br />

Das ist der Stern der Liebe,<br />

Den ich dort fallen seh'

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