JAHRBUCH - Glowfish

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! 342 C. G. .luuff O" Gebückt arbeitend, In dich selber eiugehöhlt, Dich selber augrabend, Unbehilflich, Steif, Ein Leichnam — Von hundert Lasten übertürmt. Von dir überlastet, Ein Wissender! Ein Selbsterkenner Der weise Zarathustra! Du suchtest die schwerste Last: Da fandest du dich Die Symbolik dieses Stückes ist von größtem Reichtum. Wie in die Erde eingehöhlt ist der in sich selber Vertiefte; ein Toter eigentlich, der in die Mutter Erde zurückgekehrt ist^); ein Kaineus „von hundert Lasten übertürmt" und in den Tod hinuntergedrückt. Emer, der ächzend die schwere Last seiner eigenen Libido trägt, jener Libido, die ihn zur Mutter zurückzieht. Wer denkt nicht an die Taurophorie des Mithras, der seinen Stier (wie der ägyptische Hymnus sagt: den „Stier seiner Mutter"), d. h. seine Liebe zur Mutter, als schwerste Last auf den Rücken nimmt und damit den schmerzvollen Gang, den sogenannten Transitus antritt')? Dieser Passionsweg führt zur Höhle, in welcher der Stier geopfert wird. So hat auch Christus das Symbol der Liebe zur Mutter, das Kreuz, zu tragen^) und trägt es zur ^) Die gänzlich introvertierte Patientin Spielreins (Jahrbuch Bd. III, S. 336) gebraucht ähnliche Bilder; sie spricht von einer ,, Starrheit der Seele am Kreuze", von ,, Steinfiguren", die ,, gelöst" werden müssen. Ich verweise hier auch darauf, daß die oben besprochenen Symbolismen treffliche Beispiele für die , .funktionale Kategorie" Silberers sind, sie schildern den Introversionszustand. ^) W. Gurlitt sagt: ,,Das Stiertragen ist eines der schweren döAa, die Mithras im Dienste der zu erlösenden Menschheit verrichtet, ,,etwa, wenn es gestattet ist. Kleines mit Großem zu vergleichen, der Kreuztragung Christi entsprechend." (Zitiert Cumont, Text, et mon. I, 172.) Gewiß ist es gestattet, die beiden Dinge miteinander zu vergleichen. Über jene Zeit dürfte man hinaus sein, wo man hochmütig, in richtiger Barbarenart, auf fremde Götter, die dii minorum gentium, heruntersah. Aber man ist noch lange nicht darüber hinaus. ^) Einen interessanten Beitrag zur Frage des Symbols der Kreuztragung gibt Robertson (Evang. Myth., S. 130): Simson trug die Torpfeiler von Gaza und starb zwischen den Säulen des Saales der PhiUster. Auch Herakles trug gebückt unter seiner Last seine Säulen an die Stelle (Gades), wo er nach der

Wandlungen und Symbole der Libido. 343 Opferstätte, wo das Lamm geopfert wird in der Gestalt des Gottes, des infantilen Menschen, des ,, Selbsthenkers", um dann in die unterirdische Gruft versenlct zu werden^). Was bei Nietzsche wie dichterische Redefigur anmutet, ist eigentlich uralter M}i:]ius. Es ist, wie wenn dem Dicliter noch die AJmung oder die Fälligkeit gegeben wäre, unter den Worten unserer heutigen Sprache und in den Bildern, die sich seiner Phantasie aufdrängten, jene unvergänglichen Schatten längst vergangener Geisteswelten zu fühlen und wieder wirklich zu machen. G. Hauptmann sagt auch: ,,Dichten heißt, hinter Worten das Urwort aufklingen lassen^)," Das Opfer, dessen geheimen und vielseitigen Sinn wir mehr ahnen als verstehen, geht zunächst unvollendet am Unbewußten unserer Autorin vorüber. Der Pfeil wird niclit abgeschossen, der Held Chiwantopel ist noch nicht tödlich vergiftet und bereit zum Tode im Selbstsyrischen Version der Legende auch starb. (Die Säulen des Herakles bezeichnen den Westpunkt, wo die Sonne ins Meer sinkt.) ,,In der alten Kunst wird er tatsächlich dargestellt, wie er die beiden Säulen in der Weise unter den Armen trägt, daß sie gerade ein Kj-euz bilden; hier haben wir vielleicht den Ursprung des Mj'thus von Jesus vor uns, der sein eigenes Kreuz zur Richtstätte trägt. — Merk\\äirdigerweise substituieren die 3 Synoptiker Jesus einen Mann namens Simon aus Kyrene als Kreuzträger. K3Tene ist in Libyen, dem legendären Schauplatz der Arbeit des Säulentragens des Herakles, wie wir gesehen haben, und Simon (Simson) ist die nächste griechische Namensform für Samson— das auf Griechisch, nach dem Hebräischen, Simson gelesen worden sein konnte. In Palästina aber war Simon, Semo oder Sem tatsächlich ein Gottesname, der den alten Sonnengott Semesch repräsentierte, der seinerseits wieder mit Baal identifiziert war, aus dessen Mythus der Samsonmythus zweifellos entstanden ist; und der Gott Simon genoß in Samaria besondere Verehrung." Das Kreuz des Herakles dürfte wohl das Sonnenrad sein, wofür die Griechen das Kreuzsymbol hatten. Das Sonnenrad auf dem Relief der kleinen Metropolis in Athen enthält sogar ein Kreuz, das dem Malteserkreuz sehr ähnlich sieht. (Cf. Thiele: Antike Himmelsbilder, 1898, S. .59.) ^) Die griechische Mythe von Ixion, der ans Sonnenrad gekreuzigt, an die ,,vierspeichige Fessel'" (Pindar) gebunden Avurde, sagt es beinahe unverhüllt. Ixion ermordete zuerst seinen Schwiegervater, wurde aber später von Zeus entsühnt und mit seiner Huld beglückt. Der Undankbare aber trachtete, Hera, die Mutter, zu verführen. Zeus aber täuschte ihn, indem er die Wolkengöttin Nephele der Hera Gestalt nachahmen ließ. (Aus dieser Verbindung sollen die Zentauren hervorgegangen sein.) Ixion rühmte sich seiner Tat, aber Zeus stürzte ihn zur Strafe in die Unterwelt, wo er auf das vom Wind ewig fortgewirbelte Rad gebunden wurde. (Vgl. die Strafe der Francesca da Rimini bei Dante und die ,, Büßerinnen" in Abrahams Segantini.) ^) Zitiert Zentralblatt für Psychoanalyse, Jahrgang II, S. 365.

Wandlungen und Symbole der Libido. 343<br />

Opferstätte, wo das Lamm geopfert wird in der Gestalt des Gottes,<br />

des infantilen Menschen, des ,, Selbsthenkers", um dann in die unterirdische<br />

Gruft versenlct zu werden^).<br />

Was bei Nietzsche wie dichterische Redefigur anmutet, ist<br />

eigentlich uralter M}i:]ius. Es ist, wie wenn dem Dicliter noch die AJmung<br />

oder die Fälligkeit gegeben wäre, unter den Worten unserer heutigen<br />

Sprache und in den Bildern, die sich seiner Phantasie aufdrängten,<br />

jene unvergänglichen Schatten längst vergangener Geisteswelten zu<br />

fühlen und wieder wirklich zu machen. G. Hauptmann sagt auch:<br />

,,Dichten heißt, hinter Worten das Urwort aufklingen lassen^),"<br />

Das Opfer, dessen geheimen und vielseitigen Sinn wir mehr<br />

ahnen als verstehen, geht zunächst unvollendet am Unbewußten unserer<br />

Autorin vorüber. Der Pfeil wird niclit abgeschossen, der Held Chiwantopel<br />

ist noch nicht tödlich vergiftet und bereit zum Tode im Selbstsyrischen<br />

Version der Legende auch starb. (Die Säulen des Herakles bezeichnen<br />

den Westpunkt, wo die Sonne ins Meer sinkt.) ,,In der alten Kunst wird er tatsächlich<br />

dargestellt, wie er die beiden Säulen in der Weise unter den Armen trägt,<br />

daß sie gerade ein Kj-euz bilden; hier haben wir vielleicht den Ursprung des Mj'thus<br />

von Jesus vor uns, der sein eigenes Kreuz zur Richtstätte trägt. — Merk\\äirdigerweise<br />

substituieren die 3 Synoptiker Jesus einen Mann namens Simon aus Kyrene<br />

als Kreuzträger. K3Tene ist in Libyen, dem legendären Schauplatz der Arbeit<br />

des Säulentragens des Herakles, wie wir gesehen haben, und Simon (Simson)<br />

ist die nächste griechische Namensform für Samson— das auf Griechisch, nach dem<br />

Hebräischen, Simson gelesen worden sein konnte. In Palästina aber war Simon,<br />

Semo oder Sem tatsächlich ein Gottesname, der den alten Sonnengott Semesch<br />

repräsentierte, der seinerseits wieder mit Baal identifiziert war, aus dessen Mythus<br />

der Samsonmythus zweifellos entstanden ist; und der Gott Simon genoß in<br />

Samaria besondere Verehrung." Das Kreuz des Herakles dürfte wohl das Sonnenrad<br />

sein, wofür die Griechen das Kreuzsymbol hatten. Das Sonnenrad auf dem<br />

Relief der kleinen Metropolis in Athen enthält sogar ein Kreuz, das dem Malteserkreuz<br />

sehr ähnlich sieht. (Cf. Thiele: Antike Himmelsbilder, 1898, S. .59.)<br />

^) Die griechische Mythe von Ixion, der ans Sonnenrad gekreuzigt, an die<br />

,,vierspeichige Fessel'" (Pindar) gebunden Avurde, sagt es beinahe unverhüllt.<br />

Ixion ermordete zuerst seinen Schwiegervater, wurde aber später von Zeus entsühnt<br />

und mit seiner Huld beglückt.<br />

Der Undankbare aber trachtete, Hera, die Mutter,<br />

zu verführen. Zeus aber täuschte ihn, indem er die Wolkengöttin Nephele der<br />

Hera Gestalt nachahmen ließ. (Aus dieser Verbindung sollen die Zentauren hervorgegangen<br />

sein.) Ixion rühmte sich seiner Tat, aber Zeus stürzte ihn zur Strafe<br />

in die Unterwelt, wo er auf das vom Wind ewig fortgewirbelte Rad gebunden<br />

wurde. (Vgl. die Strafe der Francesca da Rimini bei Dante und die ,, Büßerinnen"<br />

in Abrahams Segantini.)<br />

^) Zitiert Zentralblatt für Psychoanalyse, Jahrgang II, S. 365.

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