JAHRBUCH - Glowfish
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332 C. G. Jung. Er hat. mir eine Wunde über die andere gemacht; er ist an mich gelaufen, wie ein Gewaltiger." Diese Symbolik verstehen wir nunmehr als einen Ausdruck für die durch den Ansturm unbewußter Wünsche verursachte Seelenqual, die Libido wühlt in seinem Fleisch, ein grausamer Gott hat sich seiner bemächtigt und durchbohrt ihn mit seinen schmerzhaften libidinösen AVurfgeschossen, mit Gedanken, die überwältigend ihn durchfahren. (Wie mir eine in der Genesung befindliche Demcntiapraecoxkranke sagte: „Heute hat mich plötzlich ein Gedanke ,,durclistürzt".) Dieses nämliche Bild findet sich bei Nietzsche wieder^): ,, Hingestreckt, schaudernd, Halbtotem gleich, dem man die Füße wärmt. Geschüttelt, ach! von unbekannten Fiebern, Zitternd vor spitzen eisigen Frostpfeilen, Von dir gejagt, Gedanke! Unnennbarer! Verhüllter! Entsetzlicher! Du Jäger hinter Wolken! Darniedergeblitzt von dir. Du höhnisch Auge, das mich aus Dimklem anbhckt: So liege ich, Biege mich, winde mich, gequält Von allen ewigen Martern, Getroffen Von dir, grausamer Jäger, Du unbekannter — Gott! Triff Triff tiefer! einmal noch! Zerstich, zerbrich dies Herz! Was soll dies Martern Mit zähnestumpfen Pfeilen? Was blickst du wieder. Der Menschen Qual nicht müde. Mit schadenfrohen Götter-Bhtz-Augen? Nicht töten willst du. Nur martern, martern? Es bedarf keiner langatmigen Erklärung, um in diesem Gleichnis das alte, universelle Bild des gemarterten Gottesopfers zu erkennen, dem wir bereits begegneten bei den mexikanischen Kreuzopfern und dem Odinsopfer"^). Dasselbe Bild tritt uns entgegen im hundertfach wieder- 1) Zarathustra: Der Zauberer. Werke, Bd. IV, S. 367 f. -) Spielreins Patientin sagt ebenfalls aus, daß sie von Gott durchschossen worden sei (3 Schüsse) ,,dann kam eine Auferstehung — des Geistes." Das ist Introversionssymbolik.
! Wandlungen und Symbole der Libido. 333 holten St. Sebastiansmartyrium, wo das mädchenhaft zarte, blüliende Fleisch des jungen Gottes aU den Sclimerz des Verzichtes erraten läßt, den die Empfindung des Künstlers hineingelegt hat. Der Künstler steckt ja immer ein Stück des Geheimnisses seiner Zeit in sein Kunstwerk. In erhöhtem Maße gilt dasselbe auch vom vornehmsten christlichen S}Tnbol, dem von der Lanze durchstochenen Kruzifixus, dem Bild des von seinen Wünschen gepeinigten, in Christo gelo-euzigten und sterbenden Menschen christlicher Epoche. Daß es niclit von außen kommende Qual ist, die den Menschen trifft, sondern daß er sich selber Jäger, Mörder, Opferer und Opfermesser ist, zeigt uns ein anderes Gedicht Nietzsches (Werke, Bd.VIII, S. 414), wo der anscheinende Dualismus in den seelischen Konflikt aufgelöst ist unter Verwendung derselben Symbolik: „Oh Zarathustra, grausamster Nimrod Jüngst Jäger noch Gottes Das Fangnetz aller Tugend, Der Pfeil des Bösen! Jetzt Von dir selber erjagt, Deine eigene Beute, In dich selber eingebohrt Jetzt Einsam mit dir, Zwiesam im eignen Wissen, Z\\äschen hundert Spiegeln Vor dir selber falsch, Zwischen hundert Erinnerungen Ungewiß, an jeder Wunde müd. An jedem Froste kalt, In eigenen Stricken gewürgt, Selbstkenner! Selbstnenker! Was bandest du dich Mit dem Strick deiner Was locktest du dich Ins Paradies der alten Weisheit? Schlange? Was schlichst du dich ein In dich — in dich? " Nicht von außen treffen den Helden die tödlichen Pfeile, sondern er selbst ist es, der in Uneinigkeit mit sich selbst, sich selber jagt, be-
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Er hat. mir eine Wunde über die andere gemacht; er ist an mich gelaufen,<br />
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die Libido wühlt in seinem Fleisch, ein grausamer Gott hat sich seiner<br />
bemächtigt und durchbohrt ihn mit seinen schmerzhaften libidinösen<br />
AVurfgeschossen, mit Gedanken, die überwältigend ihn durchfahren.<br />
(Wie mir eine in der Genesung befindliche Demcntiapraecoxkranke<br />
sagte: „Heute hat mich plötzlich ein Gedanke ,,durclistürzt".)<br />
Dieses nämliche Bild findet sich bei Nietzsche wieder^):<br />
,, Hingestreckt, schaudernd,<br />
Halbtotem gleich, dem man die Füße wärmt.<br />
Geschüttelt, ach! von unbekannten Fiebern,<br />
Zitternd vor spitzen eisigen Frostpfeilen,<br />
Von dir gejagt, Gedanke!<br />
Unnennbarer! Verhüllter! Entsetzlicher!<br />
Du Jäger hinter Wolken!<br />
Darniedergeblitzt von dir.<br />
Du höhnisch Auge, das mich aus Dimklem anbhckt: So liege ich,<br />
Biege mich, winde mich, gequält<br />
Von allen ewigen Martern,<br />
Getroffen<br />
Von dir, grausamer Jäger,<br />
Du unbekannter — Gott!<br />
Triff<br />
Triff<br />
tiefer!<br />
einmal noch!<br />
Zerstich, zerbrich dies Herz!<br />
Was soll dies Martern<br />
Mit zähnestumpfen Pfeilen?<br />
Was blickst du wieder.<br />
Der Menschen Qual nicht müde.<br />
Mit schadenfrohen Götter-Bhtz-Augen?<br />
Nicht töten willst du.<br />
Nur martern, martern?<br />
Es bedarf keiner langatmigen Erklärung, um in diesem Gleichnis<br />
das alte, universelle Bild des gemarterten Gottesopfers zu erkennen,<br />
dem wir bereits begegneten bei den mexikanischen Kreuzopfern und dem<br />
Odinsopfer"^).<br />
Dasselbe Bild tritt uns entgegen im hundertfach wieder-<br />
1) Zarathustra: Der Zauberer. Werke, Bd. IV, S. 367 f.<br />
-) Spielreins Patientin sagt ebenfalls aus, daß sie von Gott durchschossen<br />
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Das ist Introversionssymbolik.