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JAHRBUCH - Glowfish

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"Wandlungen und Symbole der Libido. 307<br />

seine Tiernatur geopfert, den InzestwunscJi und mit ihm die Mutter,<br />

d. h. die verderbliche todbringende Mutter überwunden. (Eine Lösung,<br />

die schon im Gilgameshepos durch den förmlichen Verzicht des Heros<br />

auf die schreckliche Ishtar vorbereitet ist.) Die Überwindung der Mutter<br />

geschieht in dem bereits etwas asketisch angehauchten Sacrificium<br />

mithriacum niclit mehr in der archaischen Überwältigung, sondern<br />

durch den Verzicht, die Opferung des Wunsches. Der Urgedanke der<br />

inzestuösen Wiedererzeugung durch Eingehen in den Mutterleib<br />

hat sich hier schon derart verschoben, daß der Mensch, bereits so<br />

weit in der Domestikation vorgeschritten, glaubt, nicht durch die<br />

Begehung des Inzestes, sondern durch die Opferung des Inzestwunsches<br />

das ewige Sonnenleben zu erreichen. Diese bedeutsame im Mithrasmysterium<br />

ausgesprochene Wandlung findet ihre größte Vollendung<br />

erst im Symbol des gekreuzigten Gottes. Für Adams Sünde wird ein<br />

blutiges Menschenopfer an den Lebensbaum gehängt^). Der Mutter<br />

opfert der Erstgeborene sein Leben, indem er in den Zweigen hängend<br />

einen schmach- und qualvollen Tod erleidet, eine Todesart, die zu den<br />

schändlichsten Hinrichtungsformen gehörte, welche das römische<br />

Altertum nur für die gemeinsten Verbrecher bereit hatte. Der Held<br />

stirbt also, wie wenn er die gemeinste Ereveltat begangen hätte; er<br />

tut sie, indem er sich wieder in die gebärenden Zv/eige des Lebensbaumes<br />

legt, zugleicli aber bezahlt er die Schuld mit der Todesqual.<br />

In dieser Tat größten Mutes und größter Entsagung ist die Tiernatur<br />

am mächtigsten unterdrückt, daher ein größtes Heil für die Menschheit<br />

daraus zu erwarten ist, denn solche Tat allein scheint geeignet, die<br />

Schuld Adams zu sühnen.<br />

Wie schon erwähnt, ist das Aufhängen der Opfer an Bäumen<br />

eine allgemein verbreitete rituelle Sitte, besonders germanisch reichlich<br />

belegt^). Rituell ist, daß die Opfer mit dem Speer durchstochen wurden.<br />

So heißt es von Odin (Edda, Havamal)<br />

,,Ich weiß, daß ich hing am windbewegten Baimi<br />

Neun Nächte hindurch<br />

Verwundet vom Speer, geweiht dem Odin<br />

Ich selber mir selbst."<br />

*) In einem schlesischen Passional des 15. Jalirhunderts stirbt Christus<br />

am selben Holz, an dem Adam einst gesündigt. (Zitiert Zöckler: I.e., S. 241.)<br />

^) Es wurden z. B. auch Tierhäute an die Opferbäume gehängt und es<br />

wurde mit Speeren danach geworfen.<br />

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