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JAHRBUCH - Glowfish

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304 C. G. Jung.<br />

von Angstattributen, sind die Symbolrepräsentanten der Angst, die<br />

dem verdrängten Inzestwunscli entspricht. Es ist daher verständlich,<br />

wenn wir immer wieder dem Baum mit der Schlange begegnen (im<br />

Paradies überredet die Schlange sogar zur Sünde); der Schlange oder<br />

dem Drachen kommt besonders die Bedeutung des Schatzhüters und<br />

-Verteidigers zu. Die sowohl phallische wie weibliche Bedeutung des<br />

Drachens^) zeigt, daß es sich wieder um ein Symbol der sexuell neutralen<br />

(oder bisexuellen) Libido handelt, nämlich ein Symbol der<br />

Libido im Widerstand. In dieser Bedeutung tritt im altpersischen<br />

Tishtriyalied auch das schwarze Pferd Apaosha (der Dämon des<br />

Widerstandes) auf, indem es die Quellen des Regensees besetzt hält.<br />

Das weiße Pferd Tishtriya stürmt zweimal vergebens, das drittemal<br />

gelingt es ihm mit Hilfe Aliuramazdas Apaosha zu überwältigen^).<br />

Darauf öffnen sich die<br />

Schleusen des Himmels und fruchtbarer Regen<br />

ergießt sich über die Erde^). In diesem Liede sieht man in der Symbol-<br />

^) Wie der Baum auch phallische Natur hat neben der Mutterbedeutung,<br />

so hat in den Mythen die dämonische Alte (sie sei günstig oder nefast) öfter auch<br />

phalUsche Attribute, z. B. eine lange Zehe, einen langen Zahn, lange Lippe, langen<br />

Finger, lange Brüste, große Hände, gi'oßen Fuß usw. Diese Mischung männlicher<br />

und weibUcher Motive weist darauf hin, daß die ,,Alte" ein LibidosjTnbol ist, wie<br />

der Baum, allerdings vorwiegend mütterhch determiniert. Am deutUchsten<br />

ist die Bisexuahtät der Libido ausgedi'ückt im Bilde der drei Gräen, die zusammen<br />

bloß ein Auge und einen Zahn besitzen.<br />

Dieses Bild ist eine direkte Parallele<br />

zu dem Traum einer Patientin, die ihre Libido dargestellt hat als Zwillinge, der<br />

eine ist eine Schachtel und der andere ein flaschenähnlicher Gegenstand,<br />

denn Auge und Zahn sind weibHches und männhches Genitale. (Bezüghch Auge<br />

in dieser Bedeutung vgl.<br />

besonders den ägjqotischen Mythus; bezüghch Zahn ist<br />

zu bemerken, daß Adonis, die Fruchtbarkeit, durch den Eberzahn stirbt, wie<br />

Siegfried durch Hagens Speer, vgl. dazu unten den Veroneser Priap, dessen Phallus<br />

durch die Schlange abgebissen wird. Zahn ist in dieser Hinsicht wie Schlange<br />

,<br />

»negativer" Phallus.<br />

') Vgl. Grimm: II, IV, S. 802.<br />

Das gleiche Motiv in anderer Anwendung findet sich in einer niedersächsischen<br />

Sage: Es wird einst eine Esche aufwachsen, von der man noch nichts<br />

gesehen hat, doch wächst ein kleiner Sproß unbemerkt aus dem Boden. Dazu<br />

kommt in jeder Neujahrsnacht ein weißer Reiter auf weißem Pferde, um<br />

den jungen Schoß abzuhauen. Zu gleicher Zeit kommt aber auch ein schwarzer<br />

Reiter und wehrt ihm. Nach langem Kampfe gelingt es dem Weißen, den Schwarzen<br />

zu vertreiben und der Weiße haut den Sproß ab. Einmal aber wird es dem Weißen<br />

nicht mehr gehngen, dann wird die Esche aufwachsen, und wenn sie so groß ist,<br />

daß ein Pferd darunter angebunden werden kann, dann wird ein mächtiger König<br />

kommen und eine gewaltige Schlacht wird anheben (Weltuntergang).<br />

S. 185.<br />

^) Chantepie de la Saussaye: Lehrbuch der Reügionsgeschichte, Bd. II,

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