JAHRBUCH - Glowfish
JAHRBUCH - Glowfish JAHRBUCH - Glowfish
274 C. G. Jung. werden sich oinzolne durch die antike Raserei der von der Scliuldlast befreiton Sexualität hinreißen lassen, zu ihrem eigenen größten Schaden; es siiid aber solche, die unter anderen Umständen bloß auf andere Weise vorzeitig untergegangen wären — icli kenne aber das wirksamste und unerbittlichste Regulativ der menschlichen' Sexualität: es ist die Not. Mit diesem Bleigewicht wird die menschliche Lust nie zu hoch fliegen. Es gibt heutzutage zahllose Neurotische, die es einfach darum sind, weil sie nicht wissen, warum sie eigentlich nicht auf ihre eigene Fa^.on selig werden dürfen; sie wissen auch nicht einmal, daß es ihnen daran fehlt. Und außer diesen Neurotischen gibt es noch viel mehr Normale — und zwar Mensclien von besserer Sorte — die sich beengt und unzufrieden fühlen. Für alle diese soll die Reduktion auf die sexuellen Elemente vorgenommen werden, damit sie in den Besitz ihrer primitiven Persönlichkeit gelangen, daß sie sie würdigen lernen und wissen, wie und wo sie in Rechnung einzustellen ist. Auf diese Weise allein kann es geschehen, daß gewisse Forderungen erfüllt, andere aber als unbillig, weil infantil, erkannt und zurückgewiesen werden. Auf diese Weise soll der einzelne verstehen lernen, daß gewisse Dinge so zu opfern sind, daß man sie tut, aber auf einem andern Gebiet. Wir bilden uns ein, wir hätten auf unsere Inzestwünsche längst verzichtet, sie geopfert, abgeschnitten und es existiere nichts mehr davon: daß dem aber nicht so ist, sondern daß wir den Inzest unbewußterweise auf anderen Gebieten begehen, kommt uns nicht bei. In den religiösen Symbolen z. B. wird der Inzest begangen^). Wir hielten die inzestuösen Wünsche für verschwunden und verloren und entdecken sie in der Religion in voller Tätigkeit. Dieser Umformungsprozeß ist in säkularer Entwicklung unbewußt erfolgt. Wenn ich früher (I. Teil) bemerkte, daß eine derartige unbewußte Umformung der Libido eine ethisch wertlose Pose sei, und dem gegenüber das Christentum der römischen Urzeit stellte, von dem es klar ist, gegen welche Mächte der Sittenlosigkeit und Verrohung es stand, so müßte ich hier sagen: was die Sublimierung der inzestuösen Libido anbelangt, so ist auch der Glauben an das religiöse SjTnbol kein ethisches Ideal mehr, denn es ist eine unbewußte Umformung des Inzestwunsches in Symbolhandlungen und SymbolVorstellungen, die den Menschen quasi hinüber betrügen, so daß ihm der Himmel als ein Vater erscheint und die Erde als Mutter und die Menschen darauf als Kinder und Geschwister. So kann der ^) Oder in den Ersatzbildungen, die an Stelle der Religion treten.
Wandlungen und Symbole der Libido. 275 Mensch doch allezeit Kmd sein, seine Inzestwünsche befriedigen, ohne daß er es weiß. Dieser Zustand wäre unzweifelhaft ideal^), wenn er nicht kindlich und infolgedessen ein bloß einseitiger Wunsch wäre. der kindlich erhält. Der Revers ist die Angst. Man spricht zwar immer von dem. frommen Menschen, der nie erschüttert in seinem Gottvertrauen unentwegt sicher und beseligt durch die Welt gehe — ich habe diesen Chidlier noch nie gesehen. Er dürfte wohl eine Wunschfigur sein. Die Regel ist die große Unsicherheit der Gläubigen, die sie mit fanatischem Geschrei bei sich selber und bei anderen übertönen, ferner der Glaubenszweifel, die moralische Unsicherheit, die Bezweiflung der eigenen Persönlichkeit, das Schuldgefühl und zu allerunterst die große Angst vor der ganzen andern Wirklichkeitsseite, gegen die auch höchst intelligente Menschen sich mit aller Kraft sträuben. Diese andere Seite ist der Teufel, der Widersacher oder — moderner ausgedrückt — die Realitätskorrektur des durch das prävalierende Lustprinzip^) schmackhaft gemachten infantilen Weltbildes. Die Welt aber ist kein Garten G
- Seite 226 und 227: 224 C. G. Jung. verschwinden. Hier
- Seite 228 und 229: 226 ^- ö- J""gihrem Sohne, erzeugt
- Seite 230 und 231: 228 C. G. Jung. letzteren Phantasie
- Seite 232 und 233: 230 C. G. .lung. scheut, diesen uii
- Seite 234 und 235: 232 C. G. Jung. &• lose in nächs
- Seite 236 und 237: 234 C. G. Juuff t>wir diese Handlun
- Seite 238 und 239: 236 C. G. Janp. liiindert nachgewie
- Seite 240 und 241: 238 C. G. Jung. Ich will euch eine
- Seite 242 und 243: 240 C. G. Jung. liehe, die aber doc
- Seite 244 und 245: ; 242 C. G. Jung. Geburt im "Wasser
- Seite 246 und 247: 244 C. G. Jung. Hölle^). Der Gedan
- Seite 248 und 249: 246 C. Ci. Jung. o* aus den Tiefen
- Seite 250 und 251: 248 C. G. Jung. In älmlicher Weise
- Seite 252 und 253: 250 C. G. Jung. Hast du Begriff von
- Seite 254 und 255: 252 C. G. Junff. fe* „Henmtcr Jun
- Seite 256 und 257: : 254 C. G. Jung. Frobenius (Das Ze
- Seite 258 und 259: 256 CG. Jung. Aus diesem Vorstellun
- Seite 260 und 261: 258 C. G. Jung. Berge bedeuten, auf
- Seite 262 und 263: 260 C. G. Jung. denn das Linnen sin
- Seite 264 und 265: 262 C. G. Jung. die ,,Scliauragebor
- Seite 266 und 267: : 264 C. G. Jung. glänzend. Die id
- Seite 268 und 269: 266 C. G. Jung. Mau geriete von ein
- Seite 270 und 271: 268 C. G. JunR o" Einen Erfolg aber
- Seite 272 und 273: 270 C. G. Jung. Übungen zu betäti
- Seite 274 und 275: ^72 C. G. Jung. o' Sexualbetätigun
- Seite 278 und 279: 276 C. G. Jung. Es ist aber keinesw
- Seite 280 und 281: 278 C. G. Juug. die germanischen H
- Seite 282 und 283: 280 C. G. Jung. und der großen Sch
- Seite 284 und 285: 282 C. Ct. Junff. die Dadophoren mi
- Seite 286 und 287: 28i CG. Jung. meistens als Krüppel
- Seite 288 und 289: : 286 C. G. Jung. So erklärt sich
- Seite 290 und 291: 288 C. G. Jung. Drexler (bei Rösch
- Seite 292 und 293: 290 C. G. Jung. heitet sich auch du
- Seite 294 und 295: 292 C. G. Jung. geschieht*^, Zöckl
- Seite 296 und 297: 294 C. G. Jung. die eifersüchtige.
- Seite 298 und 299: 296 e.G..Jung. Zu der Etymologie de
- Seite 300 und 301: : 298 c. G. Juug. „Muttei- Hubur,
- Seite 302 und 303: : : 300 C. G. Jung, ist aber auch d
- Seite 304 und 305: 302 C. ö. Jung. wältigung bedeute
- Seite 306 und 307: 304 C. G. Jung. von Angstattributen
- Seite 308 und 309: 306 C. G. Juno-, Libido des Solmlie
- Seite 310 und 311: 308 C. G. Jung. Die Aufliängung de
- Seite 312 und 313: 310 C. G. Jung. unmäßig langes Ha
- Seite 314 und 315: 312 C. G. Jung. dieser beiden Gotth
- Seite 316 und 317: 314 O.G. Jung. ,,Frau, dir danke ic
- Seite 318 und 319: Unsterblichkeit, ! 316 CG. .lang. F
- Seite 320 und 321: 318 C. G. Jung. in der aus dem Inze
- Seite 322 und 323: 320 C. G. Jung. äyvöv oi'v Xaglre
- Seite 324 und 325: 322 C. G. Junff o' Fleisch. Das Fut
274 C. G. Jung.<br />
werden sich oinzolne durch die antike Raserei der von der Scliuldlast<br />
befreiton Sexualität hinreißen lassen, zu ihrem eigenen größten Schaden;<br />
es siiid aber solche, die unter anderen Umständen bloß auf andere Weise<br />
vorzeitig untergegangen wären — icli kenne aber das wirksamste und<br />
unerbittlichste Regulativ der menschlichen' Sexualität:<br />
es ist die Not.<br />
Mit diesem Bleigewicht wird die menschliche Lust nie zu hoch fliegen.<br />
Es gibt heutzutage zahllose Neurotische, die es einfach darum sind,<br />
weil sie nicht wissen, warum sie eigentlich nicht auf ihre eigene Fa^.on<br />
selig werden dürfen; sie wissen auch nicht einmal, daß es ihnen daran<br />
fehlt. Und außer diesen Neurotischen gibt es noch viel mehr Normale —<br />
und zwar Mensclien von besserer Sorte — die sich beengt und unzufrieden<br />
fühlen. Für alle diese soll die Reduktion auf die sexuellen Elemente<br />
vorgenommen werden, damit sie in den Besitz ihrer primitiven Persönlichkeit<br />
gelangen, daß sie sie würdigen lernen und wissen, wie und<br />
wo sie in Rechnung einzustellen ist. Auf diese Weise allein kann es<br />
geschehen, daß gewisse Forderungen erfüllt, andere aber als unbillig,<br />
weil infantil, erkannt und zurückgewiesen werden. Auf diese Weise<br />
soll der einzelne verstehen lernen,<br />
daß gewisse Dinge so zu opfern sind,<br />
daß man sie tut, aber auf einem andern Gebiet. Wir bilden uns<br />
ein, wir hätten auf unsere Inzestwünsche längst verzichtet, sie geopfert,<br />
abgeschnitten und es existiere nichts mehr davon: daß dem<br />
aber nicht so ist, sondern daß wir den Inzest unbewußterweise auf<br />
anderen Gebieten begehen, kommt uns nicht bei. In den religiösen<br />
Symbolen z. B. wird der Inzest begangen^). Wir hielten die inzestuösen<br />
Wünsche für verschwunden und verloren und entdecken sie in der<br />
Religion in voller Tätigkeit. Dieser Umformungsprozeß ist in säkularer<br />
Entwicklung unbewußt erfolgt. Wenn ich früher (I.<br />
Teil) bemerkte,<br />
daß eine derartige unbewußte Umformung der Libido eine ethisch<br />
wertlose Pose sei, und dem gegenüber das Christentum der römischen<br />
Urzeit stellte, von dem es klar ist, gegen welche Mächte der Sittenlosigkeit<br />
und Verrohung es stand, so müßte ich hier sagen: was die<br />
Sublimierung der inzestuösen Libido anbelangt, so ist auch der Glauben<br />
an das religiöse SjTnbol kein ethisches Ideal mehr, denn es ist eine<br />
unbewußte Umformung des Inzestwunsches in Symbolhandlungen<br />
und SymbolVorstellungen, die den Menschen quasi hinüber betrügen,<br />
so daß ihm der Himmel als ein Vater erscheint und die Erde als Mutter<br />
und die Menschen darauf als Kinder und Geschwister. So kann der<br />
^) Oder in den Ersatzbildungen, die an Stelle der Religion treten.