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JAHRBUCH - Glowfish

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^72<br />

C. G. Jung. o'<br />

Sexualbetätigung pflegte, und nachher eine hyperästhetische Ablehnung<br />

entwickelt, so daß jedermann sicli von ilirer besonderen Reinheit überzeugen<br />

läßt. Das Christentum mit seiner Verdrängung des<br />

manifest Sexuellen ist das Negativ des antiken Sexualkultus.<br />

Der ursprüngliclie Kultus hat sein Vorzeichen geändert^).<br />

Man muß nur einmal gesehen haben, wieviel vom fröhlichen Heidentum,<br />

darunter sogar unanständige Götter mit in die christliche Kirche<br />

hinübergewandert sind: So feierte der alte indezente Priapus ein<br />

fröhliches Auferstehungsfest in S. Tyclion^), ebenso zum Teil in den<br />

Ärzten SS. Kosmas und Damian, die sich huldvollst Membra virilia<br />

in Wachs an ihrem Feste weihen lassen^).<br />

Auch taucht S. Phallus alten<br />

Angedenkens wieder auf, um sich in ländlichen Kapellen verehren<br />

zu lassen ; vom übrigen Heidentum ganz zu schweigen ! Wer es noch<br />

nicht gelernt hat, die Sexualität als eine neben dem Hunger als gleichberechtigte<br />

Funktion anzuerkennen, und es deshalb als eine Entwürdigung<br />

empfindet, daß gewisse Tabuinstitutionen, die als asexuale<br />

Eefugia galten, als von sexueller Symbolik strotzend erkannt werden,<br />

der wird den Schmerz erleben müssen, klar einzusehen, daß dem trotz<br />

größter Empörmig doch so ist. Man muß verstehen lernen, daß das<br />

psychoanalytische Denken eben gerade, der bisherigen Denkgewohnheit<br />

entgegenlaufend, jene Symbolbildungen, die durch unzählige Überarbeitungen<br />

immer komplizierter wurden, wieder zurückdenkt.<br />

Damit<br />

wird eine Reduktion vorgenommen, die, wenn es sich um etwas anderes<br />

handelte, intellektuell erfreute, hier aber nicht nur ästhetisch, sondern<br />

scheinbar auch ethisch sich unangenehm anfüidt, indem die hier zu<br />

überwindenden Verdrängungen durch unsere besten Absichten zustande<br />

gekommen sind. Wir müssen anfangen unsere Tugendhaftigkeit zu<br />

überwinden, mit der sicheren Befürchtung auf der andern Seite in die<br />

Schändlichkeit hineinzufallen. Dem ist nun gewiß so, indem die große<br />

Tugendhaftigkeit immer innerlich kompensiert ist durch eine große<br />

JSTeigung zur Schändlichkeit, und wie viele Lasterhafte gibt es, die<br />

eine süßliche Tugend und moralischen Größenwahn innerlich bewahren?<br />

Beide Kategorien von Menschen entpuppen sich als Snobs, wemi sie<br />

mit der anämischen Psychologie in Berührung kommen, denn der<br />

1) Die sexuelle Süßlichkeit macht sich aber doch noch überall bemerkbar,<br />

in der Lämmers 3anbolik und den geisthchen LiebesHedern an Jesum, den Seelenbräutigam.<br />

2) Usener: Der heih'ge Tychon, 1907.<br />

3) Vgl. W. P. Knight: Worship of Priapus.

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