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JAHRBUCH - Glowfish

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Wandlungen und Symbole der Libido. 271<br />

verhindert die Ausfuhr derjenigen Libido, welche nicht mit sexueller Betätigung<br />

gesättigt werden kann, weil sie<br />

einer bereits desexualisierten,<br />

höheren Ordnung angehört. (Wäre dem nicht so, so könnte ein Don<br />

Juan nie neurotisch sein, das Gegenteil aber ist der Fall.) Denn wie<br />

sollten jene höheren Schätzungen einem verächtlichen, wertlosen<br />

Objekt gegeben werden? Deshalb macht sich die Libido auf die<br />

Suche<br />

nach dem schwer erreichbaren, verehrten, vielleicht unerreichbaren<br />

Ziele, nachdem sie schon zu lange ,, Helenen gesehen hat in jenem<br />

Weibe", und als dieses Ziel stellt sich dem Unbewußten die Mutter<br />

dar. Daher erheben sich dort wieder in erhöhtem Maße auf Inzestwiderständen<br />

beruhende symbolische Bedürfnisse, welche bald die<br />

schöne, sündige Götterwelt des Olymps in schwer verständliche, traumhaft<br />

dunkle Mysterien verwandeln, welche mit ihren Symbolhäufungen<br />

und dunkel beziehungsreichen Sprüchen das religiöse Empfinden<br />

jener römisch-hellenistischen Welt uns so fern rücken.<br />

Wenn wir sehen, wie sehr sich Jesus bemüht, dem Nikodemus<br />

die symbolische Auffassung der Dinge, d. h. eigentlich eine Verdrängimg<br />

und Verschleierung des wirklichen Tatbestandes annehmbar zu machen,<br />

und wie bedeutsam es für die Geschichte der Zivilisation überhaupt<br />

war, daß in dieser Weise gedacht wurde und noch gedacht wird, dann<br />

verstehen wir die Empörung, die sich allerorten erhebt gegen die psychoanalytische<br />

Aufdeclamg der wahren Hintergründe der neurotischen<br />

oder normalen Symbolik. Immer und überall stößt man auf das odiose<br />

Kapitel der Sexualität, die sich jedem rechtschaffenen Menschen von<br />

heutzutage als etwas Beschmutztes darstellt. Es sind aber keine 2000<br />

Jahre vergangen, seitdem der religiöse<br />

Kult der Sexualität mehr oder<br />

weniger offen in hoher Blüte stand. Allerdings waren das ja Heiden<br />

und wußten es nicht besser. Aber die Natur der religiösen Kräfte ändert<br />

sich nicht von Säkiüum zu Säkulum; wenn man sich einmal einen tüchtigen<br />

Eindruck geholt hat vom Sexualgehalt antiker Kulte und wenn man<br />

sich vorstellt, daß das religiöse Erlebnis, nämlich die Vereinigung mit<br />

dem Gott^) vom Altertum als ein mehr oder weniger konkreter Koitus<br />

aufgefaßt wurde, dann kann man sich wahrhaftig nicht mehr einbilden,<br />

daß die Triebkräfte der Religion post Christum natum nun plötzlich<br />

ganz andere geworden seien; es ist dort genau so gegangen, wie mit<br />

der Hysterie, die<br />

zuerst irgend eine nicht besonders schöne, kindliche<br />

^) Das mystische Fühlen der Gottesnähe, das sogenannte persönliche<br />

innere Erlebnis.

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