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JAHRBUCH - Glowfish

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Wandlungen und Symbole der Libido. 259<br />

Nach dem Fall und der Verfluchung der Babylon finden wir<br />

Apokal. 19, 6 ff. den Hymnus, der uns überleitet von der unteren<br />

zur oberen Mutterhälfte, wo nun alles möglich werden soll, was ohne<br />

Verdrängung des<br />

Inzestuösen unmöglich wäre:<br />

,,Alleluia, denn der Herr, imser Gott, der Allbeherrscher, ist König<br />

geworden. Freuen wir uns luid jauchzen wir und bringen ihm Preis: denn<br />

es ist gekommen die Hochzeit des Lammes^), und seine Frau hat sich bereitet,<br />

imd es ward ihr gegeben, sich anzutun mit strahlendem reinem Linnen;<br />

^) Griechisch tö ägviov. Böckchen, Diminutiv des ungebräuchlichen<br />

iiQrjv = Widder. (Bei Theophrast kommt es in der Bedeutung von ,,<br />

junge<br />

Schößlinge" vor.) Das verwandte Wort äQvig bezeichnet ein in Argos alljährlich<br />

gefeiertes Fest zum Andenken an Linos, wobei der Äivog genannte Klagegesang<br />

gesungen -wurde zur Beklagung des von Hunden zerrissenen Linos, des neugeborenen<br />

Knäbchens der Psamathe und des Apollo. Die Mutter hatte das Kind<br />

ausgesetzt aus Furcht vor ihrem Vater Krotopos.<br />

Aus Rache sandte aber Apollo<br />

einen Drachen, die Poine, in das Land des Krotopos. Das Orakel von Delphi<br />

gebot eine jährliche Klage der Frauen und Jungfrauen um den toten Linos. Auch<br />

Psamathe fiel ein Teil der Verehrung zu. Die Linosbeklagimg ist, wie Herodot<br />

zeigt (II, 79), identisch mit dem phönikischen, kyprischen und ägyptischen<br />

Gebrauch der Adonis-(Tammuz-)Beklagung. In Ägypten heiße der Linos<br />

Maneros, wie Herodot bemerkt. Brugsch weist nach, daß Maneros von dem<br />

ägyptischen Klagerufe maa-n-chru: ,,komme auf den Ruf" herstamme. Die<br />

Poine hat die Eigentümlichkeit, daß sie allen Müttern die Kinder aus dem Leibe<br />

reißt. Dieses Ensemble von Motiven finden wir wieder in der Apokalypse 12, 1 f.,<br />

wo von dem gebärenden Gestirnweib gehandelt wird, dessen Kind von einem<br />

Drachen bedroht ist, aber in den Himmel entrückt wird. Der Herodianische<br />

Kindermord ist eine Vermenschlichung dieses ,,m'tümlichen" Bildes. Das Lamm<br />

bedeutet den Sohn. (Vgl.<br />

Brugsch: Die Adonisklage und das Linoslied, Berlin,<br />

1852.) Dieterich (Abraxas, Studien zur Religionsgeschichte des späteren Altertums,<br />

1891) verweist zur Erklärung dieses Passus auf den Mythus von Apollo und<br />

Python, den er (nach Hyginus) folgendermaßen Miedergibt: ,, Python, dem Sohne<br />

der Erde, dem großen Drachen, war geweissagt, daß der Sohn der Leto ihn töten<br />

würde. Leto war von Zeus schwanger: Hera bewirkt aber, daß sie nur da, wo die<br />

Sonne nicht scheine, gebären könne. Als Python aber merkt, daß Leto<br />

gebären wird, fängt er an sie zu verfolgen, um sie zu töten. Aber Boreas trägt<br />

die Leto zum Poseidon. Dieser bringt sie nach Ortygia und bedeckt die Insel<br />

mit den Wogen des Meeres. Als Python die Leto nicht findet, kehrt er zum Parnaß<br />

zurück. Auf der von Poseidon erhobenen Insel gebiert Leto. Am vierten Tage<br />

nach der Geburt nimmt Apollo Rache und tötet den Python. Die Geburt auf der<br />

verborgenen Insel gehört zum Motiv der „Nachtmeerfahrt". (S. Frobenius:<br />

1. c. passim.) Das Typische der ,, Inselphantasie" hat zum ersten Male Riklin<br />

(Dieses Jahrbuch, Bd. II, S. 246 ff.) richtig herausgefühlt. Eine hübsche<br />

Parallele dazu findet sich, zudem mit dem nötigen inzestuösen Phantasiematerial,<br />

in H. de Vere Stacpool: Tlie blue lagoon. (Eine Parallele zu ,,Paul et Virginie".)<br />

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