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JAHRBUCH - Glowfish

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Wandlungen und Symbole der Libido. 221<br />

sich in mir wiederholten: „Rede, o Herr, denn deine Magd hört, öffne du<br />

selbst meine Ohren!"<br />

Dieser Passus schildert sehr deutlich die Intention ; der Ausdruck<br />

,,communique" (Mitteilung) ist sogar ein in spiritistischen Kreisen<br />

geläufiger Ausdruck. Die biblischen Worte enthalten eine deutliche<br />

Anrufung oder ,,Grebet", d. h. ein an die Gottheit (den unbewußten<br />

Komplex) gerichtetes "Wünschen (= libido). Das Gebet bezieht sich<br />

auf 1 Sam. 3, 1 ff., wo Samuel nachts dreimal von Gott gerufen wird,<br />

aber glaubt, Eli rufe ihn, bis ihn dieser belehrt, daß Gott es sei, der ihn<br />

rufe und daß er ihm, wenn er wieder seinen Namen rufe, antworten<br />

solle: ,,Rede, denn dein Knecht höret." Die Träumerin benutzt diese<br />

Worte eigentlich in umgekehrtem Sinne, nämlich um damit den Gott<br />

zu erzeugen; sie leitet ihre Wünsche, ihre Libido, damit in die Tiefen<br />

ihres Unbewußten.<br />

Wir wissen, daß so sehr die Individuen durch die Verschiedenheit<br />

ilires Bewußtseinsinhaltes getrennt sind, sie um so ähnlicher sind,<br />

was ihre unbewußte Psychologie betrifft. Es ist für jeden, der praktisch<br />

psychoanalytisch arbeitet, ein bedeutender Eindruck, wenn er inne<br />

wird, wie gleichförmig eigentlich die typischen unbewußten Komplexe<br />

sind, Verschiedenheit entsteht erst durch die Individuation, Diese<br />

Tatsache gibt einem wesentlichen Stücke der Schopenhauer sehen<br />

und Hartmannschen Philosophie eine tiefe psychologische Berechtigung^).<br />

Diesen philosophischen Anschauungen dient die ganz<br />

offenkundige Gleichförmigkeit des Unbewußten als psychologische<br />

Grundlage. Das Unbewußte enthält jene durch die individuelle Differenzierung<br />

überwundenen weniger differenzierten Reste früherer<br />

psychologischer Funktion. Die Reaktionen und Produkte der tierischen<br />

Psyche sind von einer allgemein verbreiteten Gleichförmigkeit und<br />

Festigkeit, die wir beim Menschen anscheinend nur spurweise zu entdecken<br />

vermögen. Der Mensch erscheint uns als etwas ungemein<br />

Individuelles im Gegensatz zum Tiere,<br />

Das könnte nun allerdings auch eine gewaltige Täuschung sein,<br />

indem wir die zweckmäßige Tendenz haben, immer nur die Verschiedenheit<br />

der Dinge zu erkennen. Das erfordert die psychologische Anpassung,<br />

welche ohne die minutiöseste Differenzierung der Eindrücke gar nicht<br />

möglich wäre. Wir haben gegenüber dieser Tendenz sogar die denkbar<br />

größte Mühe, die Dinge, mit denen wir uns tagtäglich beschäftigen,<br />

^) Ebenso der verwandten Lehre der Upanishaden.

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