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JAHRBUCH - Glowfish

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218 C. G. Jung.<br />

selber zu schaffen, ist nicht der äußere Mangel an Objekten, sondern<br />

unsere Unfähigkeit, ein Ding außer uns liebend zu umfassen. Gewiß<br />

werden die Schwierigkeiten der Lebenslage und die Widrigkeiten<br />

des Daseinskampfes bedrücken, aber auch schlimme äußere Situationen<br />

werden uns das Ausgeben der Libido nicht verwehren, im Gegenteil,<br />

sie können uns zu den größten Anstrengungen anspornen, wobei wir<br />

imsere ganze Libido an die Realität heranbringen können. Nie werden<br />

reale Schwierigkeiten die Libido dermaßen dauernd zurückzwingen<br />

können, daß daraus z. B. eine Neurose entsteht. Dazu fehlt der Konflikt,<br />

der die Bedingung jeder Neurose ist. Der Widerstand,<br />

der sein Nichtwollen dem Wollen entgegensetzt, vermag es allein,<br />

jene pathogene Introversion zu erzeugen, welche der Ausgangs punlct<br />

jeder psychogenen Störung ist. Der Widerstand gegen das Lieben<br />

erzeugt die Unfähigkeit zur Liebe. Wie die normale Libido einem<br />

beständigen Strome gleicht, der seine Wasser breit in die Welt der<br />

Wirklichkeit hinausergießt, so gleicht der Widerstand, dynamisch<br />

betrachtet, nicht etwa einem im Flußbett sich erhebenden Felsen, der<br />

vom Strom über- oder umflutet wird, sondern einem Rückströmen,<br />

statt nach der Mündung, nach der Quelle hin.<br />

Ein Teil der Seele will<br />

wohl das äußere Objekt, ein anderer Teil aber möchte zurück nach der<br />

subjektiven Welt, wo die luftigen und leicht gebauten Paläste der Phantasie<br />

winken. Man könnte diese Zwiespältigkeit menschlichen Wollens,<br />

wofür Bleuler von psychiatrischen<br />

Gesichtspunkten aus den Begriff<br />

der Ambitendenz^) geprägt hat, als etwas immer und überall Vorhandenes<br />

annehmen und sich daran erinnern, daß auch der allerprimitivste<br />

motorische Impuls schon gegensätzlich ist, indem z. B. beim<br />

Streckakte auch die Beugemuskeln innerviert werden; diese normale<br />

Ambitendenz aber führt niemals zur Erschwerung oder gar Verhinderung<br />

des intendierten Aktes, sondern ist unerläßliche Vorbedingung für dessen<br />

Vollkommenheit und Koordination. Daß aus dieser Harmonie fein<br />

abgestimmter Gegensätzlichkeit dem Handeln ein störender Widerstand<br />

erwachse, dazu gehört ein abnormes Plus oder Minus auf der einen<br />

oder andern Seite. Aus diesem dazutretenden Dritten entsteht der<br />

Widerstand"). Dies gilt auch für die Zwiespältigkeit des Wollens, aus<br />

der dem Menschen so viele Schwierigkeiten erwachsen. Erst das abnorme<br />

Dritte löst die normalerweise in innigster Verbindung befindlichen<br />

^) Sielie Bleuler: Psychiatr.-neurol. Wochenschr. , XII. Jg., Nr. 18 bis 21.<br />

^) Vgl. dazu meine Auseinandersetzung: Dieses Jahrbuch, Bd. III, S. 469.

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