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JAHRBUCH - Glowfish

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Wandlungen und Symbole der Libido. 217<br />

Ängste war. Es wäre für das Folgende von großem Belang gewesen,<br />

darüber unterrichtet zu sein. Diese Lücke in unserm "Wissen ist um so<br />

beldagenswerter, da seit dem ersten Gedicht (1898) 4 volle<br />

Jahre verflossen<br />

sind bis zu der hier zu besprechenden Phantasie (1902). Über<br />

die Zwischenzeit, in der gewiß das große Problem im Unbewußten<br />

nicht geschlummert hat, fehlen alle Nachrichten, Vielleicht hat dieser<br />

Mangel aber auch insofern sein Gutes, als unser Interesse durch keine<br />

Anteilnahme am persönlichen Schicksal der Autorin abgelenkt wird<br />

von der Allgemeingültigkeit der sich<br />

nunmehr gebärenden Phantasie.<br />

Es fällt damit etwas weg, was den Analytiker in seiner täglichen Arbeit<br />

öfter hindert, den Blick von der beschwerlichen Mühsal der Kleinarbeit<br />

zu den weiten Zusammenhängen zu erheben, in denen jeder neurotische<br />

Konflikt mit dem Ganzen menschlichen Geschickes steht.<br />

Der Zustand, den uns die Autorin hier schildert,<br />

entspricht einem<br />

solchen, wie er einem gewollten Sonmambulismus voranzugehen pflegt^),<br />

wie ihn also z. B. spiritistische Medien öfter schildern. Man muß wohl<br />

eine gewisse Geneigtheit annehmen, auf die leisen nächtlichen Stimmen zu<br />

horchen, sonst gehen derartig feine und kaum fühlbare innere Erlebnisse<br />

unbemerkt vorüber. Wir erkennen in diesem Horchen eine nach Innen<br />

führende Strömung der Libido, die nach einem noch unsichtbaren,<br />

geheimnisvollen Ziel abzufließen beginnt. Es scheint, daß die Libido<br />

plötzlich ein Objekt in den Tiefen des Unbewußten entdeckt hat, das<br />

sie mächtig anzieht. Das von Natur aus ganz nach außen gewendete<br />

Leben der Menschen erlaubt für gewöhnlich derartige Introversionen<br />

nicht; es muß dazu schon ein gewisser Ausnahmezustand vorausgesetzt<br />

werden, nämlich ein Mangel an äußeren Objekten, welcher das Individuum<br />

dazu zwingt, einen Ersatz dafür in der eigenen Seele zu suchen.<br />

Es ist nun allerdings schwer zu denken, daß diese reiche Welt zu arm sein<br />

sollte, um dem Lieben eines Menschenatomes kein Objekt bieten zu<br />

können. Das kann auch der Welt und ihren Dingen nicht zugemutet<br />

werden. Sie bietet unendlichen Kaum für jeden. Es ist vielmehr die<br />

Unfähigkeit zu lieben, welche den Menschen seiner Möglichkeiten<br />

beraubt. Leer ist diese Welt nur dem, der es nicht versteht, seine Libido<br />

auf die Dinge zu lenken und sie für ihn lebendig und schön zu machen.<br />

(Die Schönheit liegt ja nicht in den Dingen, sondern im Gefühl, das<br />

wir den Dingen geben.) Was uns also zwingt, einen Ersatz aus uns<br />

^) Vgl. dazu auch die interessanten Untersuchungen von H. Silberer:<br />

Dieses Jahrbuch, Bd. I, S. 513 ff.

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