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JAHRBUCH - Glowfish

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202 C. G. Jung.<br />

daraus entstanden Gatte und Gattin^). — Mit ihr begattete er sich; daraus<br />

entstanden die Menschen. Sie aber erwog: ,Wie mag er sich mit mir begatten,<br />

nachdem er mich aus sich selbst erzeugt hat? Wohlan, ich will<br />

mich verbergen!' — Da ward sie zu einer Kuh; er aber ward zu einem<br />

Stier und begattete sich mit derselben. Daraus entstand das Rindvieh. —<br />

Da ward sie zu einer Stute; er aber ward zu einem Hengste; sie ward zu<br />

einer Eselin, er zu einem Esel und begattete sich mit derselben. Daraus<br />

entstanden die Einhufer. — Sie ward zu einer Ziege, er zu einem Bocke;<br />

sie zu einem Schafe, er zu einem Widder und begattete sich mit derselben;<br />

daraus entstanden die Ziegen und Schafe. — Also geschah es, daß er alles,<br />

was sich paart, bis hinab zu den Ameisen, dieses alles erschuf. — Da erkannte<br />

er: .Wahrlich ich selbst bin die Schöpfung, denn ich habe die ganze Welt<br />

erschaffen!' — Darauf rieb er (die vor den Mund gehaltenen Hände)<br />

so; da brachte er aus dem Munde als Mutterschoß und aus den<br />

Händen das Feuer hervor."<br />

Wir begegnen hier einer Schöpfimgslehre besonderer Art, die<br />

einer psychologisclien Rückübersetzung bedarf: Im Anfang war die<br />

Libido undifferenziert bisexuelP), darauf erfolgt die Differenzierung<br />

in eine männliche und eine weibliche Komponente. Von da an weiß<br />

der Mensch, was er ist. Nun folgt eine ELluft im Zusammenhang des<br />

Denkens, in welche eben jener Widerstand gehört, den wir oben zur<br />

Erklärung des Sublimierungszwanges postulierten. Darauf erfolgt der<br />

aus der Sexualzone herausverlegte onanistische Akt des Reibens oder<br />

Bohrens (hier Fingerlutschens), aus welchem die Feuererzeugung<br />

hervorgeht^). Die Libido verläßt hier die ihr eigentlich zugehörige Be-<br />

^) Ätman ist also als ursprünglich bisexuelles Wesen gedacht — entsprechend<br />

der Libidotheorie. Die Welt entstand aus dem Begehren: Vgl. Brihadaranyaka-<br />

UpanJshad 1, 4, 1 (Deussen):<br />

1. ,,Am Anfang war diese Welt allein der Atman — der bUckte um sich: Da<br />

sah er nichts anderes als sich selbst. — 2. Da fürchtete er sich; darum fürchtet<br />

sich einer, wenn er allein ist. Da bedachte er: ,Wovor sollte ich mich fürchten,<br />

da nichts anderes außer mir da ist?' — 3. Aber er hatte auch keine Freude, darum<br />

hat einer keine TYeude, wenn er allein ist. Da begehrte er nach einem Zweiten. "<br />

Hierauf folgt die oben zitierte Schilderung seiner Zerspaltung. Piatons Vorstellung<br />

der Weltseele nähert sich dem indischen Bilde sehr an: ,,Der Augen bedurfte<br />

sie keineswegs, denn es befand sich neben ihr nichts Sichtbares. — Nichts<br />

trennte sich von ihr, nichts trat zu ihr hinzu, denn außer ihr gab es nichts."<br />

(Timaios, Übers. Kiefer, Jena 1909, S. 26.)<br />

^) Vgl. dazu Freuds: Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie.<br />

^) Eine, wie es scheint, genaue Parallele zu der HandsteUung im Upanishadtext,<br />

erfuhr ich von einem kleinen Kind. Das Kind hielt die eine Hand vor den<br />

Mund und rieb sich mit der andern darauf, eine Bewegung, die sich mit der des<br />

Geigens vergleichen läßt. Es war eine frühinfantile Gewohnheit, die lange Zeit<br />

hindurch anhielt.

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